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Full text of "Germania"

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GERMANIA. 


VIERTELJAHRSSCHRIFT 


FÜR 


DEUTSCHE  ALTERTHUMSKÜNDE. 


BEGRÜNDET  VON  FRANZ  PFEIFFER. 


HERAUSGEGEBEN 


KARL   BARTSCH. 


ZWANZIGSTER  JAHRGANG. 
NEUE  REIHE  ACHTER  JAHRGANG. 


WIEN. 

VERLAG  VON  CARL  GEROLD'S  SOHN. 

1875. 


INHALT. 


Seite 

Pfälzische  Beichte  aus  Rom.    Von  K.  Bartsch 1 

Mitteldeutsches  Magnificat.    Von  demselben 3 

Samuel  von  Lichtenberg.   Von  W.  Crecelius 7 

X  für  U.    Von  F.  Latendorf 8 

Über  das  Verhältniss  der  Klage  zum  Biterolf.    Von  A.  Edzardi 9 

Die  zehn  Lebensalter.    Von  Adalbert  Jeitteles 30 

Spenden   zur  Altersbestimmung   neuhochdeutscher  Wortformen.   Von  Fedor   Bech     31 

Eine  Reliquie  von  Heinrich  Aeger  aus  Calcar.    Von  Nolte 51 

Zur  salfränkischen  Eideshilfe.    Von  K.  v.  Amira 53 

Heinrich  Wittenweiler.   Von  Dr.  J.  Baechtold 66 

Holunke.    Von  W.  Crecelius 68 

Kritische  Beiträge.    Von  Hans  Lambel.  1 71 

Zu  den  Murbacher  Hymnen.    Von  E.  Wilken 81 

Abschrift  von  Hartmanns  Ivvein.    Von  K.  Bartsch 84 

Althochdeutsche  Glossen.  Von  Nolte 129 

Zu  Konrads  Trojanerkriege.    Von  K.  Bartsch .    .    .    150 

Zur  Thidrekssaga.   Von  Hugo  Treutier 151 

Die  Stuttgarter  Oswaltprosa.   Von  A.  Edzardi 190 

Über  isländische  Apokrypha.    Von  K.  Maurer 207 

Brachstücke  aus  Meister  Eckhart.   Von  Fedor  Bech 223 

Zur  Heimatfrage  Walthers.    Von  J.  V.  Zingerle 257 

Zur  Waltherfrage.   Von  J.  Ficker       271 

Die  Quellen  der  Mägassaga.   Von  Hermann  Suchier 273 

Angelsächsische  Studien.    Von  Joseph  Strobl 292 

Zur  Textkritik  von  vier  romantischen  Saga's.    Von  Gustaf  Cederschiöld    .    .    .   306 

Ein  litauisches  Sigfridsmärchen.    Von  A.  Edzardi 317 

Nachträgliches  zum  jüngeren  Hildebrandsliede.    Von  demselben 320 

Allerlei  aus  Zeitzer  Handschriften.  Von  Fedor  Bech 322 

Deutsche  Handschriften  in  Paris.   Von  J.  Baechtold 335 

Niedersächsische  Fastenandacht.    Von  H.  Martens 341 

Volksthümliches  aus  Niederösterreich  über  Thiere.     Von  C.  M,  Blaas 349 

Zum  Fiölsvinnsmäl.    Von  Hermann  Möller 356 

Beiträge  zur  Kenntniss  der  Fseröischen  Poesie.  I.    Von  E.  Kölbing 385 

Ahd.  Glossen  zu  Sallust.   Von  Kai-1  Zangemeister 402 

Zur  Textkritik  des  Rother.   Von  A.  Edzardi 403 

Wirnts  von  Gravenberg  Verhältniss  zu  seinen  Vorbildern.  L  Von  H,  Meissner   .   421 
Die  Benutzung   des  Parzivals    durch  Wirnt   von  Gravenberg.   Von    R.   Sprenger  432 

Mitheilungen  aus  Grazer  Handschriften.    Von  Adalbert  Jeitteles 437 

Bruchstücke  aus  einem  Passionale.    Von  K.  Th.  Heigel 444 


LITTERATUK. 

Richard  ITeinzel,  Geschichte  der  niederfränkischen  Geschäftssprache.  Von  H.  Paul     85 

Karl  MülleiihofF,  Laurin.    Von  K.  Bartsch 94 

Eduard  Sievers,  Paradigmen  zur  deutschen  Grammatik.    Von  H.  Paul 104 

Friedrich  Blnhme,  die  gens  Laugobardorum.    Von  Karl  Meyer 109 

Entgegnung.    Von  Hermann  Fischer 111 

Zur  älteren  romantischen  Litteratur  im  Norden.  I.  Von  E.  Kölbing 226 

W,  Wilmans,  die  fintwicklung  der  Kudrundichtung.  Von  E.  Wilken 249 

Zupitza,  Julius,  Altenglisches  Übungsbuch.  Wülcker,  Richard   Paul,  Altenglisches 

Lesebuch.    Von  PI  Kölbing 360 

Dr.  Ludwig  Schmid,  des  Minnesängers  Hartmann  von  Aue  Stand,  Heimat  und  Ge- 
schlecht. Von  Hermann  Fischer 373 

Karl  Weinhold,    die    altdeutschen  Bruchstücke    des  Tractats    des  Bischof  Isidorus 

von  Sevilla  de  fide  catholica  contra  Judaeos.    Von  E,  Kölbing 378 

BIBLIOGRAPHIE. 

Bibliographische  Übersicht   der  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  germanischen 

Philologie  im  Jahre  1874.   Von  Karl  Bartsch 449 

MISCELLEN. 

Karajans  Bibliothek    .        123 

Gesellschaft  für  Herausgabe  altfranzösischer  Texte 125 

Personalnotizen 128  256  383 

Nachtrag  zu  Germania  XVHI,  465.    Von  Dr.  Carl  Pauli .    128 

Altdeutsche  Freskobilder 255 

Handschriften  in  Olmütz 255 

30.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner .-.   •    •   256 

Übersicht  der  germanistischen  Vorlesungen  an  den  Universitäten  Deutschlands,  Öster- 
reichs und  der  Schweiz,  sowie  in  Dorpat  im  Sommer  1875 381 

X  für  U.    Von  R.  Köhler       383 

Johann  von  Morßheim,  der  Dichter  des  Spiegels    des  Regiments.    Von  demselben  383 

Zu  „lütbrechic".    Von  Schröer 384 

Bericht  über   die  Sitzungen    der    deutsch-romanischen  Section   auf  der  XXX.  Ver- 
sammlung deutscher  Philologen  und  Schulmänner  zu  Rostock,    vom  28.  Sept. 

bis  1.  Oct.  1874.  Von  Dr.  F.  Lindner 496 

Der  Briefwechsel  der  Brüder  Grimm  mit  Joseph  Görres.    Von  J.  Baechtold  .    ,    502 
Nachtrag  zu  Germania  XX,  378.  Von  E.  Kölbing .    .508 


PFÄLZISCHE  BEICHTE  AUS  ROM. 


(2'')  Ih  gihu  alamahtigen  fater  inti  allen  sinen  sanctin 

inti  desen  uuihidon  inti  thir  gotesraanne   allero  minero  sunteno, 
thero  ih  gidahda  inti  gisprali  inti  gideda,  tliaz  uuidar  gote 
uuari,    inti  daz   uuidar   minera   cristanheiti   uuari   inti    uuidar  (3') 
5  minemo  gilouben  inti  uuidar  mineru  uuihun  doufi  inti  uuidar 
mineru  bigihdi.  Ih  giu  nides,  abunstes,  bispraha,  sueriennes, 
firinlustio,  zitio  forlazanero,  ubermuodi,  geili,  sl  ifheiti, 
tragi  gotes  ambahtes,  huorouuilleno,  farligero  inti   mor- 
des  inti  manslahta,  ubarazi,  ubartrunchi  ;  thaz  ih  minan 

10  fater  inti  mina  muater  so  ni  ereda  so  ih  scolda,  inti  daz  ih 

minan  hereron  so  ui  ereda  so  ih  scolda,  inti  inau  so  ni  minnoda 
so  ih  scolda,  inti  mine  nahiston  so  ni  minnoda  so  ih  scolda,  inti 
min  uuip  inti  min  kind  so  ni  minnoda  inti  ni  leerda  so  ih  scol- 
da, inti  mine  iungeron  so  ni  leerda  inti   ni  minnoda  so  ih  scolda^ 

15  indi  mine  fillola  so  ni  ereda  indi  ni  leerda  so  ih  scolda. 
Ih  gihu  thaz  ih  then  uuihon  sunnundag  inti  thia  heilagun 
missa  so  ni  ereda  inti  ni  marda  so  ih  scolda.  Ih  gihu  daz  ih 
minan  decemon  ni  fargalt  so  ih  scolda,  thaz  ih  stal  inti  fer- 
stolan  fehota.  Ih  gihu  thaz  ih  siohero  ni  uuisoda,   serege 

20  ni  gidrosda,  gast  nintfianc  so  ih  scolda,  gisahane  nigisuon- 
da  thie  ih  gisuenen  mohda,  thaz  ih  meer  giuuar  inti  unsipberon 
gisageda  thanne  ih  scoldi.  Ih  gihu  thaz  ih  daz  giloupda  thaz 
ih  gilouben  ni  scolda,  thaz  ih  ni  giloupta  thaz  ih  gilouben 
scolta.  ih  gihu  unrehtero  gisihto,  unrehtera  gihorida, 

25  unrehtero  gidanco,  unrehdero  uuordo,  unrehdero  uuerco, 
unrehtero  sedelo,  unrehtero  stadalo,  unrehtero  legero, 
unrehtero  gango,  unrehtes  anafanges,  unrehtero  cosso. 
Ih  gihu  thaz  ih  minan  heit  brah,  minan  heit  suuor  in  uui- 
hidon inti  bi  gotes  heilogon.  Ih  gihu  ungihorsami,  un- 


21  Hs.  me*r.         27  Hs.  anafanger  (?).         28  l.  meinan  heit  suuor, 
GERMANIA.  Neue  Reihe  VIII.  (XX.  Jalirg  )  1 


2  KAKL  BAKT.^CH,  PFÄLZISCHE  BEICHTE  AUS  ROM. 

30  githulti,  untriuuono,  abulges  zit  hielt  inti  strites, 

Ih  gihu  thaz  ih  heilac  ambaht  inti  min  gibet  ruoholoso  deda 
inti  daz  ih  daz  uuiha  uuizzod  unbigihtic  inti  unuuirdic 
nam  inti  daz   so  ni  hialt  inti  so  ni  ereda  so  ih  scolta, 
(3')  inti  daz  heilaga  cruci  so  ni  ei^eda  noh  ni  gidruog  so  ih  scoida, 
35  noh  thero  gibenni  thero  fastono  inti  thero  crucithrahto 

so  ni  erfulta  noh  ni  hialt  so  ih  scoida.  Ih  gihu  thaz  ih  bis- 
scoffa  inti  priesda  inti  gotesman  so  ni  ereda  inti  ni  min- 
noda  so  ih  scoida,  meer  sprah  inti  suuigeda  thanne  ih 
scolti.  Ih  gihu  daz  ih  mih  selbon  mit  lustin  inti  mit  ar- 
40  gen  uuillon  int  mit  argen  githancon  biuual  int  gi- 
unsubrida  meer  thanne  ih  scoldi.  Thes  alles  inti  an- 
deres manages  thes  ih  uuithar  gotes  uuillen  gifrumita 
inti  uuidar  minemo  rehde,  so  ih  iz  uuizzantheiti  dadi 
so  unuuizzandi,  so  ih  iz  in  nath  dadi  so  in  dag,  so  ih  iz  slafandi 
45  dadi  so  uuahhandi,  so  ih  iz  mit  uuillen  dadi  so  ana  uuillon 
so  uuaz  so  ih  thes  alles  uuidar  gotes  uuillen  gidadij  so  gan 
ih  es  in  gotes  almahtigen  muntburt  inti  in  sino  ginada 
inti  in  lutarliha  bigiht  gote  almahtigen  inti  allen  si- 
nen  sanctin  inti  thir  gotesmanne,  mit  gilouben  inti 
50  mit  riuuuon  inti  mit  uuillen  zi  gibuozzanne,  inti 
bitdiu  thih  mit  otmuodi,  thaz  thu  giuuerdos  gibe- 
ton  furi  mih;  thaz  druhdtin  thuruh  sino  ginada 
giuuerdo  mir  farlazan  allo  mino  sunda.  Inther  priast 
quede  thanne:  Dns  custodit  te  ab  omni  malo 
55  Benedicat  te    ds   pat.  Custodiat  te  ds  filius.  Inluminat 
te  ds  sps  scs.  Indulgeat  tibi  dns  omnia  peccata  tua 
et  cetera. 

Vorstehende  Beichte  findet  sich  in  der  ehemals  pfälzischen  aus 
Lorsch  stammenden  Handschrift  der  Vaticana  Nr.  485,  Bl.  2^ — 3^;  cf. 
Pertz'  Archiv  12,  335.  Die  Schrift  gehört  dem  9.  bis  10.  Jahrhundert 
an.  Herr  Dr.  Mau  hat  die  Gefälligkeit  gehabt  mir  eine  Abschrift  zu 
besorgen.  Ich  habe  einen  wortgetreuen  Abdruck  gegeben,  nur  die  oft 
fehlerhafte  Worttrennung  habe  ich  berichtigt  und  Interpunktion  hinzu- 
gefügt. 

Ihrer  Fassung  nach  steht  diese  Beichtformel  am  nächsten  der  bei 
IMüllenhoff  und  Scherer,  Denkmäler  etc.  unter  Nr.  LXXII  gedruckten 
sächsischen  Beichte.    Der  Eingang  stimmt   anfangs  wörtlich,  weiterhin 


35  l.  crncitrahto.  53  l.  iuti  ther  priast.  54  l.  custodiat.  55  l.  in- 

lumiuet. 


K.  BARTSCH.  MITTELDEUTSCHES  IVrAGXIFICAT.  $ 

in  den  Gedanken,  zeigt  aber  gleich  eine  bemerken swerthe  Abweichung 
in  dem  unmittelbar  aus  dem  Latein  hertibergenommenen  sandin,  das 
auch  49  nochmals  wiederkehrt,  für  Mlagon  in  S  und  den  andern  Beichten 
(Nr.  LXXIII  ff.).  Das  in  der  sächsischen  Beichte  auf  Mlagon  folgende 
wthethon  erhält  seine  Eichtigstelluug  und  Ergänzung  durch  den  römi- 
schen Text.  Dieser  hat  dagegen  eine  Lücke  nach  gideda  3,  indem  auf 
dieses  Wort  in  der  sächsischen  Beichte  folgt  fan  thiii  the  ik  erist  sundja 
icerhjan  bigonsta.  ok  iuhu  ik  so  hvat  so  ik  thes  gideda;  der  Schreiber 
sprang  also  von  dem  einen  gideda  auf  das  folgende  und  ließ  das  da- 
zwischenstehende  aus. 

Die  Übereinstimmung  reicht  bis  overdrankas  S  10  =  uhartrunchi  9 ; 
was  nun  in  S  folgt,  fehlt  bis  ik  giuhu  S  13;  das  folgende  thaz  in  dem 
römischen  Texte  kann  allerdings  noch  von  ih  giu  (6)  abhängig  gemacht 
werden;  indeß  ist  es  leicht  möglich,  daß  auch  hier  ein  Überspringen 
von  Worten  der  Vorlage  stattgefunden  hat.  Es  fehlen  dann  die  Worte 
Thes  giuhu  —  scolda  S  16 — 17;  die  Worte  ni  ereda  indi  nach  fillola 
scheinen  fehlerhaft  eingedrungen,  da  von  einem  Ehren  diesen  gegen- 
über nicht  wohl  die  Rede  sein  kann.  Die  Worte  S  20  usas  drohtmas 
bis  21  so  ik  scolda  fehlen  in  P'',  wie  wir  diesen  zweiten  vaticanischen 
Text  nennen  wollen,  und  die  folgenden  Sätze  sind  umgestellt;  die 
Worte  fhaz  ih  stal  inti  ferstolan  fehota  P"  18  f.  sind  aus  S  30  heraufge- 
genommen,  ebenso  die  Worte  P"  22 — 24  ih  gihu  bis  scolta;  sie  nehmen 
S  29—30  vorweg  und  geben  den  Gedanken  in  vollständigerer  Form 
durch  den  Gegensatz  des  nicht  glaubens  was  zu  glauben  gewesen 
wäre.  Ebenso  sind  ausgeführter  die  Worte  von  S  31  mmeth  suor  an 
lüiethon  in  P*  28.  29.  Ln  Folgenden  ist  S  31  ff.  anders  und  weiter  aus- 
geführt in  P^  29 — 36.  Eine  Umstellung  hat  nur  stattgefunden  mit  S  38 
bis  39  biscopns  —  scolda,  was  in  P*  vor  S  34  steht.  Gegen  das  Ende 
nähern  sich  beide  Texte  wieder  mehr;  P*  allein  hat  die  Schlußanweisung 
für  den  Priester  mit  der  lateinischen  Formel. 

K.  BARTSCH. 


MITTELDEUTSCHES  MAGNIFICAT. 


(1")  wolde 

In  den  homuot  stigin: 
des  muoste  siu  nidir  sigiu 
Durch  ur  gerunge  der  hochvart, 
5  al  die  werlt  zu  der  helle  gekart. 


KARL  BARTSCH 

Diu  selbe  magit  Marie, 

von  allin  sunden  vrie, 

Des  wivis  homuot  hat  vertrevin. 

des  si  wir  in  din  huldin  blevin. 
10  Diu  wolde  den  homuot  krenkin, 

sich  in  de  otmuot  senkin: 

Des  sal  siu  iramir  gehogit  wesin, 

von  ür  otmuot  diu  werlt  genesin. 

Nu  loven  si  mit  rechte 
15  di  engele  und  al  gesiechte. 

Ex  hoc  beatam  me  dicent  omnes  (generationes). 

Dar  von  sprach  diu  selige  magit 

'al  gesiechte  mich  selich  sagit, 

Judhin,  heidhin,  diu  cristenheit 

machit  miuin  namen  breit. 
20  Predigin,  bichtin,  lerin, 

judhin,  heidhin  bekerin, 

Daz  se  gelouvin  an  minin  sun 

vnde  erin  minin  magetüm,' 

Alse  siv  iz  inme  geiste  irsach, 
25  daz  sprach  siu  vore  unde  sint  geschach. 

Siu  is  wunne  der  himilischin  irl'm, 

al  engele  se  lovin  unde  vlien. 

Siu  is  dhes  volkis  ein  vroude  der  Ysrahele. 

Dhiz  ist  ein  kurz  gediute, 
30  se  lovin  engele  unde  liute. 

Dar  umme  sprah  siu  rechte 

'mich  seligin  al  gesiechte, 

Wende  her  mir  groze  dhink  hat  getan. 

her  ruchte  (1'')  sich  mit  mir  bevan. 
35  Her  bewarte  mich  vor  sundin, 

her  ruchte  sich  zu  mir  vrundin, 

An  mir  meinsche  werdin. 

der  himile  schuof  unde  erdin, 

Her  hat  mir  groze  gnade  getan, 
40  daz  ich  ün  magit  mochte  untfan 

Vnde  magit  sin  genesin 

unde  vrouwe  in  himilriche  wesin. 

Obe  engele  mich  zu  vrowin  han, 

her  hat  mir  groz  ere  getan. 

Qui   potens  est. 

45  Her  allir  dinge  hat  gewalt, 

al  dhink  nach  sineme  willin  gestalt. 

Et  sanctum  nomen  eius. 

Unde  der  heilige  name  sin 
hat  geheiligit  den  namin  min. 


MITTELDEUTSCHES  MAGNIFICAT. 

Heilich    daz  sprichit  sanctus, 
50  lieilich  daz  diutich  u  alsus : 

Starke  vein  e,  an  erdhe, 

daz  spWchit:  heilich  der  name  werdhe. 

Got  is  von  rechte  stark  genant, 

himil  unde  erdhe  in  sinir  hant. 
55  Heilich  daz  sprichit  ouh  reine, 

wende  ne  sunde  ue  wart  so  deine 

An  mannin  noh  an  wivin 

diu  an  um  mochte  beclivin. 

Heilich  sprichit  dhoh  an  erdhe, 
60  wende  der  vil  werdhe 

Rechte  gar  an  erdhe  was, 

er  sin  diu  reine  magit  genas, 

Unde  al  erdis  itil  ere 

ist  Linie  gar  ummere. 
65  Her  heizit  dhoh  an  erdhe, 

wende  der  ivi\  werdhe 

Vnffemischit  zu  der  erdhin  was. 


(2")  die  liute 

Die  gerne  hochvart  tetin, 

70  of  ses  die  State  hetin. 
Swer  den  horaüt  begat, 
iz  si  mit  willin  odir  mit  tat, 
Vnde  al  dhe  in  vullin  bringin, 
die  wil  got  zu  sprengin 

75  Verne  von  sime  riche, 
den  tiuvilin  geliche. 
Dhe  tiuvile  hat  got  zu  sprengit, 
ovir  al  die  werlt  gemengit, 
In  wazzere  und  in  berge 

80  daz  sin  nickere  unde  twerge. 
In  walde  imde  brache, 
got  hat  iir  deine  ruche, 
Daz  sin  elve  dhorse  und  wichte, 
de  der  werlde  tügin  zn  nihte. 

85  Ouh  viel  ir  menich  dusunt 
in  der  tiefin  helle  grünt. 

Mente  cordis  sui. 

AI  dar  na  se  gedachtin, 
dar  na  in  piue  sich  brahtin. 
Alsus  sint  se  zu  spreugit, 
90  ovir  al  de  werlt  gemengit, 
Gemengit  ziä   den  liute. 
ich  ne  kan  iz  ü  niht  baz  gedhiutin. 


K.  BARTSCH,  MITTELDEUTSCHES  MAGNIFICAT. 

Deposuit  potentes  de  sede. 

Der  judliin  ere  ist  vergan, 

got  hat  die  geweldigin  ave  getan 
95  Von  deme  stiile  der  gewalt, 

durh  üren  homuot  gevalt. 

Die  judhin  sin  untsetzit, 

ür  eren  geletzit, 

wen  dese  zu  menigin  jarin 
100  geweidige  küninge  warin. 

Nu  sint  die  hogin  gesiechte 

wordin  eigene  knechte; 

Daz  riche  ist  ün  ave  gegan, 
(2'')  ur  %  ist  hin  getan, 
105  Ur  synagoga  züstort, 

nvirseget  der  ewige  mort 

Unde  andir  menich  groz  gewalt 

vonme  stuole  ist  gevalt. 

Vonme  stuole  müstin  kerin 
110  werlichir  {l.  werltlichir)  erin. 

Got  hat  die  tiuvile  ouh  gevalt 

von  den  eren  und  von  der  gewalt, 

Dhe  un  zu  himile  was  gegevin, 

do  se  begundin  widirstrevin 
115  Durch  üren  bosin  willin. 

do  müstin  si  valiin 

Von  deme  himile  her  nidhir. 

daz  hat  got  getan  dir  widir. 

Dhe  hir  nah  sineme  willin  levin, 
120  den  wil  her  die  selvin  ere  gevin: 

Daz  sint  de  otmütigen. 

die  rechtin  unde  die  dhuldigen. 

Swer  sich  in  gotte  nidherit, 

von  gotte  wirt  gehogit. 
125  Swer  in  den  homuot  stigit, 

mit  deme  tiuvile  nidhir  sigit. 

Et  exaltavit  bum'iles. 
Die  otmütigin  in  dher  erdhin 
in  himile  gehogit  werdhin. 

Esurientes  implevit  bonis. 

Got  hat  die  hungerin  gevult 
130  mit  sineme  gute  unde  mit  sinir  gedult. 

Die  hungerigin  die  der  rechticheit  gerin^ 

die  wil  got  maniges  guotes  gewerin 

Unde  menigir  gnaden  vullin 

durh  ürin  gütin  willin. 
135  Dar  umme  is  groz  selicheit 

hunge 


W.  CRECELIUS,  SAMUEL  VON  LICHTENBERG.  7 

Zwei  Pergamentblätter  in  Octav,  von  der  hiesigen  Universitäts- 
bibliothek, in  der  sie  die  Bezeichnung  cod.  Heidelb.  362"  tragen,  aus  dem 
Besitz  des  Antiquars  List  u.  Francke  in  Leipzig  erworben,  enthalten  vor- 
stehende Bruchstücke  einer  mitteldeutschen  gereimten  Bearbeitung  des 
Magnificat.  Über  die  mitteldeutsche  Heimat  nicht  nur  der  Handschrift, 
sondern  des  Gedichtes  selbst  kann  kein  Zweifel  sein;  dafür  zeugen  die 
Reime  gekart  (:  hochvart)  5;  vlen  (:  Jerusalem)  27 ;  bevän  {'.getan)  34;  sundin : 
vrundin  35  f.;  untfän  (:  getan)  40;  ere  :  timmere  63  f.;  zustort  (:  mort)  105. 
Die  Handschrift  ist  im  13.  Jahrhundert  geschrieben,  das  Gedicht  aber 
noch  im  12.  Jahrh.  entstanden;  dafür  lässt  sich  weniger  geltend  machen 
der  Reim  hringin  :  zns'prengin,  indem  e  :  i  vor  ng  im  Mitteldeutschen, 
mehr  noch  im  Niederrheinischen,  gebunden  zu  werden  pflegen,  als  die 
Reime  loillin  :  valiin  115,  vullin  :  icillin  133,  und  das  Reimen  auf  tief- 
tonigen  Silben,  otmütigen  :  dhiddigen  121,  nidherit  :  gehögit  123,  und 
düsunt  :  grünt  85.  Inhaltlich  von  Interesse  ist  namentlich  die  Stelle  77 — 84. 

Wahrscheinlich  fehlt  zwischen  den  beiden  Blättern  ein  Doppel- 
blatt, wie  aus  dem  vollständigen  lateinischen  Texte  ersichtlich,  den  ich 
hier  folgen  lasse,  indem  ich  das  im  deutschen  Texte  nicht  wieder- 
gegebene in  Klammern  setze. 

[Magnificat  auima  mea  dominum  et  exultavit  spiritus  meus  in 
deo  salutari  meo],  quia  respexit  humilitatem  ancillae  suae:  ecce  enim 
ex  hoc  beatam  me  dicent  omnes  generationes.  Quia  fecit  mihi  magna 
qui  potens  est  et  sanctura  nomen  ejus.  [Et  misericordia  ejus  a  progenie 
in  progenies  timentibus  eum  fecit  potentiam  in  brachio  suo.J  Dispersit 
superbos  mente  cordis  sui;  deposuit  potentes  de  sede  et  exaltavit 
humiles.  Esurientes  implevit  bonis  [et  divites  dimisit  inanes]. 

i.  K.  BARTSCH. 


SAMUEL  VON  LICHTENBERG. 


Der  lateinische  Dichter  Samuel,  von  dessen  Dichtereien  Watten- 
bach in  dieser  Zeitschrift  zwei  mitgetheilt  hat  (XIX,  74  ff.  und  297  ff.), 
ist  ohne  Zweifel  kein  anderer  als  Samuel  von  Lichtenberg  oder,  wie 
er  sich  lateinisch  nennt,  de  monte  rutilo.  Eine  „Barbaralexis  Samuelis 
ex  monte  rutilo  in  discretos  procos"  druckt  Zarncke,  die  deutschen 
Universitäten  im  MA.  S.  84  wieder  ab.  In  einer  Handschrift  der 
Gothaer  Bibliothek  findet  sich  ein  „Dialogus  Samuel  Hanoch  ex  monte 
rutilo   inter   virum   adolescontcm   et  virginem",    an   dessen  Ende    steht 


8  F.  LATENDORF    X  FÜR  U. 

„Explicit  dictaraen  Samuelis  ex  Liclitenburck  australi."  Jobann  Butz- 
bach sagt  in  seinem  Auctarium  zu  Tritbemius  folgendes  über  ihn: 

Samuel  ex  raonte  rutilo,  HberaHum  artium  apud  Heydelbergam 
professor  insignis,  ingenio  subtilis  et  eloquio  facetus,  ligata  oratione  [com]- 
petenter  exercitatus  atque  soluta,  scripsit  utraque  nonnulla  ingeuiosa 
siutagmata,  quibus  nomen  suum  longo  lateque  divulgavit.  De  quibus 
nil  adhuc  vidi  preter  barbaralexim  quandara  contra  indiscretos  ama- 
tores.  Miror  hominis  petulantiam,  quod  nobile  ingenii  donum  tarn  vilibus 
levibusque  studiis  accomodat.  Audio  cum  tarnen  nobiliora  quedam 
scripsisse  quibus  priorem  levitatem  debita  gravitate  honestius  recom- 
penset  1509.  (Ich  habe  diese  Biographie  bereits  in  der  Zeitschrift  des 
Bergischen  Geschichtsvereines  VII  S.  284  abdrucken  lassen.) 

ELBERFELD.  W.  CRECELIUS. 


X  FÜR  U. 


Mittheilung  und  Anfrage. 
Die  älteste  deutsche  Quelle  für  diese  Redensart,  und  zugleich  eine 
willkommene  Bestätigung  der  Ausdeutung  dieses  Spruches  auf  die  Zahlen- 
werthe  o  und  10  ist  nach  dem  Wb.  von  Dan.  Sanders  s.  v.   U 
Lauremberg,  Scherzged.  I  136  ff. 
(ik)  laet  mi  nicht  verleiden 
voer  L  to  schriven  C  und  vor  V  schriven  X^ 
kan  ik  den  nicht  veel  mehr,  so  bin  ich  darup  fix. 
In  den  Niederlanden  lässt  sich  die  Wendung  schon  ein  Jahrhundert 
früher  in  den  Sprichwörtersammhmgen  von  Campen  und  Gheurtz  nach- 
weisen; bei  Hari'obomee  Spreekw.  II  354*  in  der  heutigen  Orthographie 
Hij  kan  wel  eene  X  voor  eene  V  schrijven. 
Bei    diesem  Spruche   ist   Campen   von   Agricola   unabhängig,    zu 
dessen  Vorlage  er  auch  sonst  sowohl  in  Weglassung  als  —  und  nament- 
lich —  in  Hiuzufügung   eine    specifisch  nl.  Haltung  beobachtet,  s.  die 
überaus  schätzbaren  Mittheilungen  in  Suringar's  neuester  Schrift:  Joannes 
Glaudospius   in   sijne   Latijnsche   Disticha   als   vertaler   van   Agricola's 
Sprichwörter  aangewezen.  Gäbe  uns  der  verdiente  Forscher  doch  bald 
eine  vollständige  Ausg.  Campens;    sie  verdiente  und  fände  auch  wohl 
bei  uns  Deutschen  alle  Beachtung. 

SCHWERIN  i.  M.  F.  LATENDORF. 


A.  EDZARDI,  KLAGE  UND  BITEROLF. 


ÜBER  DAS  VERHÄLTNISS  DER  KLAGE  ZUM 

BITEROLF. 


Das  Verliältniss  der  Klage  zum  Biterolf  ist  schon  mehrfach  Gegen- 
stand der  Erörterung  gewesen.  W.  Grimm  (H.  S.  150  ff.)*)  spricht  sich 
dafür  aus,  daß  beide  Gedichte  von  einem  Verfasser  herrühren.  Diese 
Ansicht  ist  meines  Wissens,  öffenthch  wenigstens,  nie  bestritten  worden, 
bis  Jänicke  in  der  Einleitung  zum  Biterolf  die  Frage  einer  neuen  und 
eingehenden  Untersuchung  unterzog,  die  ihn  zu  dem  entgegengesetzten 
Resultate  führte,  daß  Klage  und  Biterolf  trotz  mancher  Berührungen 
doch  nicht  von  demselben  Dichter  verfasst  seien. 

Da  ich,  mit  einer  Ausgabe  der  Klage  beschäftigt,  auch  den 
Biterolf  vielfach  heranzuziehen  hatte,  ward  auch  ich  auf  diese  Frage 
geführt.  Es  drängte  sich  mir  nämlich  die  Wahrnehmung  auf,  daß  nicht 
nur  im  Wortschatze  sich  zwischen  beiden  Gedichten  eine  merkwürdige 
Übereinstimmung  findet,  sondern  auch  im  Stil,  im  häufigen  Ge- 
brauche der  gleichen  (nicht  eben  formelhaften)  Wendungen,  und,  was 
am  auffallendsten  ist,  daß  ganze,  oft  mehrere  Verse  lange  Sätze  mehr 
oder  weniger  wörtlich  übereinstimmen.  Manches  davon  hat  Jänicke 
angemerkt**),  augenscheinlich  ist  ihm  aber  das  auffallende  dieser  Er- 
scheinung nicht  völlig  klar  geworden ;  sonst  würde  er  auf  diesen  Punkt 
gewiß  mehr  Gewicht  gelegt  haben. 

Ich  stelle  zunächst  objectiv  das  zusammen,  was  ich  an  mehr  oder 
weniger  auffallenden  Übereinstimmungen  anzuführen  habe,  um  nachher 
meine  Bemerkungen  daran  zu  knüpfen. 

Da  es  für  diese  folgende  Untersuchung  von  Wichtigkeit  ist,  ordne 
ich  jede  der  drei  Hauptabtheilungen  —  Übereinstimmungen  in  ganzen 
Sätzen,  im  Ausdruck  (Stil,  Wendungen),  im  Wortschatze  —  in  folgender 
Weise:  zunächst  gebe  ich  Übereinstimmungen  des  Biterolf  mit  dem 
gemeinsamen  Texte  der  Klage,  dann  mit  Klage  *B,  endhch  mit  Klage  *C, 
indem  ich  die  Stellen,  welche  in  den  beiden  ersten  Aventiuren  des 
Biterolf,  sowie  in  der  ersten  Aventiure  ***)  der  Klage  sich  finden, 
mit   Sternchen    bezeichne.    Endlich   sei   noch   bemerkt,    daß    ich   nach 


*)  dem  Lachmann,  zu  den  Nibb.  p.  287,  beitrat. 
**)  p.  XIII,  Anmerkung  2. 
***)  Ich  halte  die  Aventiuren-EintheiluMg  übrigens  in  der  Klage  nicht  für  echt, 
vgl .  Einl.  55  f. 


10 


A.  EDZARDl 


meiner  Ausgabe*)  der  Klacje  und  nach  Jäuickcs  Ausgabe  des  Biterolf 
citiere  und  mich  iu  der  Schreibung  diesen  Texten  anschHelJe. 


Überciiistininiuiig  in  ganzen  Sätzen  von  einem  oder  mehr  Versen. 

Natürlich  beweist  nicht  jede  der  hier  aufgeführten  Stellen  an  sich 
etwas;  da  ich  aber  einige  Beweisstellen  für  schlagend  halte,  so  werden 
auch  die  übrigen  Übereinstimmungen  durch  ihre  Menge  den  Beweis 
wesentlich  unterstützen. 

1.  Biterolf  ^  dem  gemeinsamen  Texte  der  Klage. 

Klage: 

*97  ff.  daz  er  (der  kunec  *C)  bete  [ze 
wibe  *B]  ein  wi^), 
daz  tugentlicher  vrowen   lip 
bi  ir  jären  niemen  vant. 


Biterolf: 

*55  ff.  der  selbe  recke  bete  ein  wip 

daz  man  so  werder  frouwen  lip 
bi  ir  beider  stunden 
unsanfte  baste  funden. 

*241  Helcbe   so   ist  genant  ir  name. 
*561  Welsunc  so  was    daz  genant. 

*92  ff.  daz  man  in  allen  riehen 

sagte  von  im  masre 
daz  er  ein  degen  wsere. 
12185  daz  man  immer  saget  ze  msere, 

♦107  f.  icb  enweiz  von  wanne  ez  wsere 
komen, 
oder  wä  ez  bete  der  belt  ge- 
nomen 
11521  f.  swanne  si  wären  dar  komen, 
die  besten  wurden  do  genomen 
8819  swä  si  balt  beten  sich  genomen 
3400  swä  sieb  der  degen  habe  ge- 
nomen 

*154  f.  si  mohten  wol  volbringcn 

swaz  in  ze  tuonne   geschacb. 

*275  f.  under  kristen  unde  beiden, 
in  den  namen  beiden 

*311  Sol  er  des  haben  ere 

3215  f.  eteliche  kristen. 

genuoge  gerne  wisten, 


*100  Helcbe  so  was  si  genant. 

*490  daz  man  durch  drizec  kunege 
lant 
gevriesch  wol  diu  msere, 
welch  sin  eilen  wsere. 

*479  daz   man  daz  saget  ze  msere, 

*483  f.  von   swannen    sie    dar    wären 
komen, 
oder  swä  man  sie  het  genomen 

3867  ff.  von    wannen    sie    dar    wceren 
komen, 
oder  wä  sie    bseten    genomen 
Günthers  ros  daz  guote. 

1966  f.  swaz  ich  ze  tuonne  ie  gewan, 
des  hülfet  ir  mir  gemeine. 

*604  f.  ez  wart  den  namen  beiden, 
beiden    unde  kristen 

1996  sol  er  des  (des  iemen  */J)  haben 
ere 

*89  ff.    .     .     •    kristen. 

genuoge,   die  daz  wisten, 


*)  Die  wohl  noch  vor  diesem  Aufsatze  erscheint. 


KLAGE  UND  BITEROLF. 


11 


*332  f.  die  durch  ir  höhez   eilen 
zuo   im   ritent   in  siu   lant 

*687  den  vil  liebe   da  geschach 


*776  und  tete  vil  williclichen  daz. 
2660  si   täten  williclichen  daz, 
7154  vil  williclichen  tete  er  daz. 

*928  weder  brücken  noch  die  stege 

*1159  f.   .     .    die  besten   wät,  j 

die  ieman  noch  gesehen  hat.   ^ 

8145  f.  der  aller  beste  arzät,  i 

den  zer  werlde   ieman  hat.        I 

*1816  derwartso  schone  war  genomen.   i 

8636  ir  wart  vil  vaste  war  genomen.  | 

vgl.  12330.  ( 

*1408  wie  mohtens  des  getrowen 


*1446  f.  klagte  die  grözen  ere 

diu  an  den  beiden  was  gelegen. 

*1589  f.  von  Lütringe  Irinc, 

dem  vil  hohe  siniu  dinc 
zemanegem  strite  wären  komen 

*1783  Ir  heile  danken  si  began 

2198  daz    möhte    man    für    wunder 

sagen. 

3839  daz  manz  immer  wolmac  sagen. 

12149  daz  manz  für  wunder  wol  mac 

sagen. 
2290  do  wolde  er  des  niht  haben  rät, 

2330  f.  mit  henden  manegen  brustslac. 

frou    Dietlint  ir  selber    sluoc. 
3115  f.  da  noch  ein  wazzer  nider  gät: 

Möun  ez  den  nämen   hat. 

3025  f.  unde  ouch  Geraoten 

vil  sere  verschroten  {;vgL  3760) 

3188  haßte  er  aller  künege  guot 


3435  f.  Häwart  unde  ouch  Irnfrit, 
die  zwene  beiden  riten  mit. 


*91  die   riten   zuo   zim   in  daz  (sin 
*C)   lant. 

2173  daz    in    daz     liep     geschsehe 
{*B,  ähnlich  *C). 

2905  unt  tet  vil  willecliche  daz. 


3034  .    .  beidiu  brücke  unde  stege 

4521  f.  der  aller  beste  sigeiät, 

*B:  den  niemen  in  der  werlde  hat. 

3860  da  wart  ir  vaste  war   genomen 
2628  f.  der  wart  ouch  da  war  genomen 

mit  güetlichen   dingen. 

Sound  ähnlich  oft  in  der  Klage, 

z.  B.    557.   994.   1870  u.ö. 

s.  Einl.  p.   &0. 

vgl.   967  f.,   1491  f. 
2211  ist  an   dir  einem  gelegen. 

*423  ff.  unt  Häwast  unt  Irinc 
*B:  den  recken  wären  iriu  dinc 
von  grözen  schulden  also  komen 
ähnlich  *C. 
906  f.  undanc  begunde  er  sagen 

sinem  grözen  unheile. 
*458  daz  manz   ze  wunder  wol  mac 
immer  sagen. 


1058  ie  wolt  ich  des  haben  rät, 

978  vil  manegen  swinden  brustslaC 
sluogen  in  diu  werden  wip. 
3599  f.  da  noch   ein   altiu    burc   stät: 
Pazzowe    si    den    nämen    hat. 
vgl.   2473  f. 

2075  f.  dö  vant  man  Gernöten 
so  sere  verschroten, 

2295  f.  swaztüsentkunegemöhtenhän, 
daz  hast    er    eine  wol    vertan 
{vgl.   1096). 

2623  f.  Irinc  und   Irnvrit, 

die  dri  wurden    ouch   da  mit 
bestattet  etc. 


12 


A.  EDZARDI 


3810  Dil   von   wart  liiitc  vil  verloru 

3901  f.  da  si  da  fiioren  i'if  den  wegen, 

einen   ieslichen  degen 
gruozt  er  etc. 
8518  da    mite    ein    ieslicher    degen 
sich   la?se   etc. 

3902  f.  einen   ieslichen   degen 

4240  waer  iwer  witze  niht  so  kranc 

4591  f.  sin   vater  unt   viou  Dietlint 
wären  zweier  bruoder  kint. 

4715  f.  Man  solouchdaz  niht  verdagen, 
man  sol  von  Blcedeline  sagen 

5271  f.  bereitet  nach  ir  rehte 

ritter  unde  knehte  {vyl.  9  3  7  5  f.) 

3903  f.  gruozt  er  nach  sinem  rehte 

ritter  unde  knehte 


j-  =  4937f. 


5Ü75  f.  die  brähten    dar  besundert 
ir  recken  vier  hundert 

4717  f.  der  füeret  dar  besundert 
dri  und  drizic  hundert 

5226  f.  des   bringens  üz  gesundert 
sibenzehen  hundert. 

6785  der  trost  was  in  nuo  benomen 

5588  die  wile  und  ich  daz  leben  hän 
9969  die  wile  ichz  leben  mac  gehän 
6236  er  hete  ouch  des  gedingen 
6360  die  sint  in   dem  gedingen 

7503  f.  ßwer  in  ze  koufen  hete  gegert, 
er  wser  wol  tüsent  marke  wert. 
=  2787  f. 
7065  f.  swer  ir  ze  koufen  hete  gegert 
diu  gebe  wser  tüsent  marke  wert 
vgl.  noch   9168  f. 
76S9  die  ie    daz   beste    täten    {vgl. 
10556). 

7617  f.  Sifride 

dunket,   daz    er    alliu    lant 
mit  sinerkraft  ertwinge  wol. 

7800  da  habent  si  michel  reht  zuo. 


*188  di's  Hutes   wart   so   vil   verlorn 

4585  da  sie  nü  wären  iif  den  wegen 
2779  ff.  muoz  hin  wider  üf  den  wegen 
von  dannen  ein  ieslicher  degen 
reit  zuo  dirre  hochzit. 


1838  */j  ir   witze   wären  dar   zuo  kranC 
*C  vor   leide   was    ir  witze   kranc 
1706  f.  min  vater  und  din  muoter 
die  wären   eines   vater  kint. 

2899  f.  irn  sult  ouch    niht  verdagen  : 
min  unschulde    sult   ir   sagen 

3208  f.*C die  riter  nach  ir  rehte 

mit  zuhten  giengen  gegen  in 
*B  aber  nach  des  hoves  rehte 
die  riter  giengen    gegen  in*) 

*453  ff.  Sie  heten  üz  gesundert 
driu  unt  drizec  hundert 
sie  brähten  mit  in  in  daz  lant. 

2415  f.  der  wart   üz  besundert' 
sibenzehen  hundert. 

2440  in   was  ir  trost  gar  benomen, 
{ahnlich  *C  2439). 
ahnlich    Klage    927.    1195  C. 
1604  C.   4163,  Einl.  p.  60. 
1330  do  het  er  des  gedingen 
f  der  het  des  gedingen*/? 
*466  l  der  was  in  dem  gedingen  *C. 
*4588*C  .     .    swer  es  hsete  gegert, 

ez   waere  hundert  tüsent  marc 
wert. 
4511*ß  .     .    des  hete  si  gegert, 

wol  ahzec  tüsent   marke  wert. 

2122  die  ie  daz  beste  täten. 


*148  f.  wander  hset  wol    elliu    lant 
mit  siner  kraft  verkeret 

3950  dane  hat  ouch  niemen  reht  zuo. 


*)  Das  Original  lautete  wohl:  do  giengeu  nach  ir  rehte 

die  ritäre  (ritsere)  gegen  in. 


KLAGE  UND  BITEROLF. 


10 


7882  f.  da  wir  die  ere  unt  den  lip 
suln  wägen  etc. 
8454  si  habent    anders    keinen  list 
2562  dar  zuo  hän  ich  keinen  list 
8352  wes  ist  iu  nu  ze  muote 

86G3  daz  erwägen  mohte  der  palas. 
8738  f.  man  möhte  von  den  kreften 
den  palas  hoeren  diezen 

8004   wile,   du  habest  undanc 
11934:  so  habe  diu  wile  undanc 
8929  f.  lougen  er  des  niht  mohte, 
wan  ez  im  niht  entohte. 

9198  f.    .     .    seht,  wä  der  välant 
hie  habet,   der    .     . 
9550  her  Dietrich    bat  unde  gebot 

9986  f.  so  sol  ouch  ich  daz  wol  bewarn, 
daz  in  min  kraft  iht  widerstö. 
9720  vii  maneger  muoter  kinde 


10654  f.  da  mohte  vil  wol  der  tot 
erbouwen  sine  sträze. 

10658  f.  die  truogen  bede  ungespart 
diu  guoten  swert  an  der  haut. 

10083  nü  was  ouch  Herbort  dar  komen, 
der  hete  diu  ma^re  ouch  ver- 
nomen. 

10800  daz  michel  wunder  hie  geschach 

11104  ez  was  in  dar  zuo  nu  komen 

11417  fF.  swie  halt  Wolfhart  der  masre 
nie  waere  komen  an  die  stat, 
da  er  vehtens  wurde  sat. 


11390  f.  daz  in   da  niht  gelac 

der  wille    .    . 
4051  f.   .    .    unz   an  den  lesten  tac, 

daz  sin  wirde  nie  gelac. 
11476  f.  des  willen  unverborgen 

man  noch  vil  manegeu  helt  vant. 


1020  t".  dune  soldest  ere  unde  lip 

durch   daz   niht  gewäget  hän. 
1730  siueheten  anders  deheinen  list. 

3262  f.  wie  ist  (nü)   so  ze   muote 
minem  vater  etc. 

724  ff.  daz  da  von  erwagete 
beide  turne  unt    palas 
vgl.21S4.i.;23Sl.NL.B.2359 


1  *598  man  sol  undanc  der  wile  sagen 

i  vgl.   906  f. 

*285  f.  dö  lie  siz  gen  als   ez    mohte, 
wan  ir  niht  anders   tohte 
{so  *B,   ähnlich  C*) 
1394  f.  nü  sehet  wä  der  välant 
liget,  der    .     . 
4198  Etzel  bat  unt   (ouch)  gebot 

*618  ff.  daz  heiz  aber  ich  vil  wol  be  warn, 
daz  ich    .     .     .    böte  wsere 
In    der    Klage    2280.    2375. 
3018   u,   ö. ;    allerdings    auch 
sonst  ja  nickt  ungewöhnlich, 

1868  f.  wie  der  tot  umbe  sich 

mit  kreften  hat  gebowen! 


1760  f.  die  helede  lutzel  sparten 

diu  scharpfen  wäfen  an  der  hant. 

4373  f.  Do  was  ouch  Rümolt  nü  komen, 
der  het    diu  msere  ouch    ver- 
nomen. 

4170  vil  michel  wunder  da  geschach 

80  ^B,   ähnlich  *C. 
4571  dar  zuo  was    er    nü    gedigen 
4333  C  daz  ez  mir  kceme  dar  zuo 
3809f.*C':er  ist  doch  komen  an  die  stat, 
da  er  ist  sti'ites  worden    sat. 
3853  f.*ß:  der  künde    strits    nie  werden 
sat: 
er  ist  nü  komen  an  die  stat, 
da  uns  etc. 

4055  f.  wan  daz  ir  klage  nie  gelac 
unze  an  den  dritten  tac. 

1892  f.  die  helfe  unverborgen 

man  do  an  Etzelen  vant. 


14 


A.  EDZARDI 


11981  daz   cz  als   ein   doner  döz. 

12102  ein  wunder  ist,   daz  da  genas 
der  dritte   inder  under   in. 


12482  der  wirt  hete   des  niht  rät, 

12818  do  silmten  si  sich    niht  mer. 
13148  daz  er  iuch  gerne  welle  sehen 


1578  ez  döz  alsam  von  donerslegen. 

3562  f.  wunder  ist,   daz  si  ie  genas 
den  tac  an   daz  ende, 
2565  f.*/Jdaz  ez  ein  michel  wunder  was, 
daz   er  der  klage  ie  genas. 
1840  der  wirt  niht  hete  zornes  rät. 

60  *C,  ähnlich  *B. 
2369  sine  sümten  sich  niht  mere. 

3298  f.  daz  er  iuch  innere  zwelef  tagen 
wil  hie  ze   Bechelären  sehen. 
3350  der  kunec  iuch  vil  gerne  siht. 
2760  iwer  eilen  unt  min  haut 
974  swie  sie  wseren  beiden 


13328  unser  eilen  unde  hant 
13381  =  13398  swie  er  ein  heiden  wsere 

Auf  den  ähnlichen  Gedanken  Biter.  2346  f.  und  Klage  2520  f. 
(vgl.  1720 — 1729)  macht  Jänicke  aufmerksam.  Ferner  ist  zu  vergleichen 
Bit.  *327  f.  mit  Kl.  155  ff.:  Bit.  *1377  mit  Kl.  371  f.  und  1471  f.  B. 


2.  Biterolf 
*33  ob   er  noch  lebendic  wsere 

*918f.  {vgl.  7286)    .     .    dise  hat 

der  tiuvel  gesendet  in  min  lant 

*1984  da  von  er  witen  was  erkant. 

2040  des  lop  was  so  wite  erkant 
12069  daz  si  witen  warn  erkant. 

2016  von  den  er  üf  den  regenbogen 
vil  selten  wart  gesetzet 

3233  wie  si  komen  in  daz  lant 


}^ 


er  starke 


4957  f.  Häwart 
6227  f.  Herbort 

der  helt  üz  Teneraarke 


7G80  daz  man  in  an  dem  willen  vant 


Klage *Ä 

2292  ob   er  noch  lebendec  wseve. 
vgl    2048. 
1510  f.  daz   er  ie  kom  in  daz  lant, 
daz  schuof  des  ubeln  tiuvels  nit. 

3603  f.  sin  lop,   sin  ere  (unt)  sin  hof 
wären  witen  bekant  (erkant  d) 

2436  f.  den  e  ufen  regenbogen 

mit  vi-euden  was  gebowen 

*215  oder  wie  sie  koemen  in  daz  lant 
(*C:   do  sie  körnen  in  daz  lant). 

2621  f.  Häwart  der   starke 

der  kunec  üz  Tenemarke 

3488  unt  in  dem  willen   er  sie  vant. 


5830  ich   rate,    sprach    der  wigant.  2753  ja  rate  ich,  sprach  der  wigant. 

Endlich  wären  hier  noch  die  oben  gelegentlich  angeführten  Stellen 
(Klage  *ß:  285  f.  425  f.  1471  f.  2440.  2565  f.  4170.  4522j  zu  nennen. 

3.  Biterolf  =  Klage  *a 


*413  f.  wenne   daz   gcschaähe 
daz   er  Etzeln   saehe 

*728  daz   kan   so   gähes  niht   ergän 


*155  f.  swie  dicke   daz  geschashe, 
daz   Kriemhilt  vor  ir  saehe 

3345  daz  enkan    so  gähes  niht   ge- 
schehen. 


KLAGE  UND  BITEEOLF. 


15 


*]G79  if.  der  mobte   man  da  schouwen 
sehs   unt   ahzic  frouwen 
wip  unde   ouch   meide 

3171  die    rehten  sträzen  durch  daz 

lant 
3835  nu  lut  iu  wesen  niht  ze  leit. 

6916  tugentrich  ist  si  genuoc. 

7609  so  ich  aller  beste  kan 

9541  f.  daz  si  die  helde  giiote 
suochten  üz   dem  bluote. 

9740  unde  gestet  ir  also  bi 

10211  den  voget  üzer  Tenelant 

10393  =  13384  s6  er  beste  künde 

13294  e  daz  sie  schieden  von  in  dan 

12979  f.  von  hern   Dietriches  bete, 
Hildebrant  ez  ungerne  tete 


*124ff.  in  ir  kemenäten 

mohte  si  da  schowen 

mer  meide  unde  vrowen  etc. 

3595  die  rehten  sträze  in  Beyer  laut 

3103  daz   enwas  in  niht  ze  leit. 

*39  was  si  tugentlich  genuoc. 

4647  so   ich   aller  verst  kan. 

1659  f.  da  sie  die  helede  guote 

zugen    üz    dem    bluote.    vgl. 
1609   ff. 

3767  daz   si  im  also  bi  gestan 

2622  der  kunec  uzer  Tenelant. 

4671  so  si    beste    moht  unt    künde 

3014  S  daz  sie  von  im  schieden  dan. 

*203  f.  durch  Kriemhilden   bete, 

daz   der  kunec  gerne  tete. 


5192  daz  künde  nieman  wenden 


7243  swaz  er  hete  dort  vernomen 


756  daz  enkunde  niemen  wenden  C 
{iiicht  a  noch  Db). 
4470  swaz   er  hete  dort  vernomen 


10725  f.  da  si   an  den  stunden  963  f.  da  sie  in  den  stunden 

Dietleiben  vunden.  Ortlieben  vunden 

Endlich  wären  hier  noch  die  oben  gelegentlich  angeführten  Stellen 
(Klage  *C:  1840.  1996.  4333.  4588)  zu  nennen. 

11.  Berührungen  im  Ausdruck  (Quellenberufungen  u.  dgl.; 
Wendungen;  Stil  im  allgemeinen). 
Es  kann  natürlich  nicht  meine  Absicht  sein,  hier  alles  derartige 
anzuführen:  dazu  müsste  der  Umfang  dieses  Aufsatzes  viel  größer 
werden,  als  in  meiner  Absicht  liegt.  Nur  das  wichtigere,  so  weit  es  mir 
aufgefallen  ist,  möchte  ich  zusammenstellen  *) : 

1.  Biterolf  =  dem  gemeinsamen  Texte  der  Klage. 


*5  f.  ditze  fremde  msere 
daz  ist  so  redebasre 


*1  f.  Hie  hebet  sich  ein  maere, 
daz  wsere  vil  redebaere 


*)  Die  Grenzen  zwischen  diesem  und  dem  ersten  Theil  sind  kaum  scharf  zu 
ziehen.  Es  steht  daher  auch  manches  unter  I,  was  man  nnter  II  erwarten  könnte, 
und  umgekehrt.  Auch  glaubte  ich  hierin  nicht  all  zu  peinlich  verfahren  zu  brauchen, 
da  der  Zweck  —  eine  größere  Übersichtlichkeit  —  auch  wohl  so  erreicht  wird. 


16 


A.  EDZARDI 


*22  ft".  des  kan  idi  iuiiiht  ende  geben, 
der  dise  rede  tilite 
der  liez  uns  unberihte 

*2C  flf.  haete  er  iht  da  von  geschriben, 

daz  lieze  wir  iuch  iinverdeit: 
uns  hat  des  nieraan  niht  geseit. 
7217  daz     hat     uns     nieman     noch 
geseit.*) 
vgl.    13439. 

2006  der  ditze  msere  an  schreip 
10664  der  ditze  msere  erste  schreip 

5726  ja  künde  iu  nieman  gesagen, 
wie  .... 

=  Rother  R  394:  nu  nekan  \\ 
nichien   man   gesagen 
*1018  ich  enkau  iu  daz   niht  vol  ge- 
sagen. 
*147  f.  An   einen,   den   ich   iu   nenne, 
daz  man  in   dar   bi    erkenne. 
4724  f.  unt  in   dort  alle  nennen, 
daz  sis  mugen  erkennen. 

10059  als  ich   iu  hän  geseit 

und  so  öfter. 
2014  waz  sol  ich  sprechen   mere? 
5633  Waz  mac    ich    mere    da    von 

sagen  ? 
8944     ich  sage  iu  als  ichz  hän  ver- 
nomen 


4729  flf.  uns   seit   der   tilitasre, 

der  uns  tihte  diz  msere, 
ez  enwaere  von  im  niht  (söj  be- 

liben, 
ern    haete     ez    gerne    geschri- 
ben etc. 
4735  f.  wser  ez  im  Inder  zuo  komen, 
oder  haete  erzsusvernomen  etc. 
4575  daz  hat  uns  uiemen  geseit 

4440  niemen  uns  gesaget  hat 
2445  wan  sie  angeschriben  sint. 

1798  daz  iu  daz  niemen  kan  gesagen. 
1656  *Ciu   künde  niemen  wol  gesagen 

4706  f.  des   enkan  ich  die  wärheit 
iu  noch  niemen  gesagen. 

2443  f.  Ein  teil  ich  iu  der  nenne, 
die    ich  von  sage    bekenne. , 
*33  f.  *C  die  sol  ich  iu  nennen, 

daz  ir  sie  muget  erkennen. 

2667  als  ich  iu  dicke  hän  geseit 
4270  *B.  Als  ich   iu   g   hän   geseit. 

4054  waz   mac  ich   sagen   mere? 
1803  *C  waz  mac  ich  sagen   danne? 

*439  ich  sag  iu   (man  sagt  *B),  als 
ichz    hän    vernomen 


Diese  Wendungen  sind  mehr  oder  weniger  formelhaft,  und  es 
ist  daher  auf  die  Übereinstimmung  einer  einzelnen  mit  *B  oder  *(7**) 
kein  großes  Gewicht  zu  legen.  Im  allgemeinen  ist  aber  doch  eine 
große  Ähnlichkeit  in  diesen  Quellenberufungen  unverkennbar,  nament- 
lich fällt  die  Übereinstimmung  in  den  häufigen  Betheuerungen  des 
Nichtwissens  auf.  Es  mag  ferner  hier  vorläufig  darauf  hingewiesen  sein, 
daß  Q,uellenberufungen   (und  Anreden   an  die  Zuhörer)  sich  ganz  un- 


*)  Ähnlich  ist  Bit.  568  uns  ist  niht  rehte  daz  genant;  833  uns  ist  der  mcere  niht 
geseit;  *1964  daz  buoch  hat  uns  verhohi  daz;  5645  ich  hän  der  mcere  niht  vernomen; 
ferner  *1968  ff.  ein  ander  mtere  ist  uns  geseit, 

möht  ich  daz  wol  ze  ende  sagen, 
so  wolde  ich  iuch  daz  niht  verdagen, 
des  ist  uns  ende  niht  gegeben  etc. 
**)  ^o^-  ftuch  unter  2.  imd  3. 


KLAGE  UND  BITEROLF, 


17 


verhältnissmäßig  häutig  im  Anfange  des  Biterolf  zeigen  und  auch  in 
der  Klage  in  der  ersten  Aventiure  sowie  am  Schluße  viel  häufiger 
sind  als  in  den  übrigen  drei  Vierteln  des  Gedichtes*).  Diese  Berufungen 
nennen  ebenfalls  daz  hiiocli  (125.  179.  188.  1964  u.  ö.);  daz  mcere  203. 
208.  490.  1458.  9156.  11231  u.  ö.)  [dm  mcere  4787.  5427.  10397  u.  ö.]; 
und  selbst  diu  rede  23  (wie  Klage  81.  84*^),  während  173  rede  wohl 
etwas  anders  gebraucht  ist. 

Hieran   mag    sich  eine  Reihe  mehr  oder  weniger  ungewöhnlicher 
Wendungen  schließen,  die  in  beiden  Gedichten  übereinstimmen: 

*280  f.  dem  so  vil  der  zun  gen 

von    guoten   recken  wasre  bi. 


*1164  wizer  denne  blanc 

*460  die  besten  recken  die  er  vant 

2342  f.  min  ungelücke  in  minen  tagen 
daz  muoz  sin  verwäzen! 
7775  mahtu  .  .  dinem  gelücke  sagen 
danc,     vgl.      8904. 
11934.   12166. 
*1552   .    .    .    (die  geste) 

degene    aller  beste  =   5694. 

8674. 
beide  aller  beste  5668. 
*14  daz    riche    (siniu    lant  *229) 
bouwen. 


44.38  ir  gememm  z  u  n  g  e 

gab    .    .    den  rät  {so  *B,  ähn- 
lich *C). 
2940  *C.  wirs  danne   wol.*"*') 

2810  diu  besten  swert,  diu  man  vant. 

*236  diu  wile  si  verwäzen. 
*598  undanc  sol  man  der  wile  sagen 
906  f.  undanc  begunde  er  sagen 
sinem   Frozen  unbeile. 


995  f.    •     •    minen  gesten, 

degenen  aller  besten  etc. 

4653  der  mit  dir  bowet  diniu  lant. 


ze  tode  slän  *1079  Bit.  =  Klage  779.  833.  15015.  4129.  —  wart  freuden 
Iffire  *1500  Bit.  =  Klage  2495.  —  guote  knehte  *1454.  7599.  8455. 
9362.  10575.  11312.  Bit.  =  Klage  4685.  —  wider  .  .  ein  wint  Bit. 
3593.  3837.  (Ö514).  10111  u.  ö.  =  Kl.  *159.  737;  ein  niht  11057  Bit.  = 
Kl.  1821.  2427.  —  anden  rechen  im  Biterolf  häufig  (s.  Jänicke  zu  3702), 
desgl.  in  der  Klage  (Einl.  p.  68).  — 


2427  wol  drier  sperschefte  lanc 

vgl.  d.   Anm. 
*746  diu  naht  gienc  in  also  hin 

*98  siniu  jar  diu  giengen  hin 
6918  daz  iuch  des  an  mir  niht  bevilt 
7802  =:  8870  zir  aller  angesihte 
6887  güetlich  sehen  an 


2652  siben  sperschefte  wit, 
vgl.   d.  Amn. 
680  dem  wirte  gie  sin  zit  hin 

2294  daz  in   des  niht  bevilte 
4148  ze  siner  angesihte 
701  vil  minneclichez  an  sehen 


*)  Vgl.  meine  Klage,  Einl.  p.  75  ff. 
**)  Der  ganze  Vers  wörtlich  =  Parz.  149,  10,  wie   auch   die  Verse    3493  f.  ■•*C 
und  4417  f.  fast  wörtlich  im  Parzival  stehn,  s.   d.  Anm.  zu  3493. 

GERMANIA.  Neue  Reue.  Vni.  (XX.  Jahrg.)  2 


18 


A.  EDZARDI 


8185  als  den  vil  blccdcn  wiben 

s.  d.  Anm. 

7644  daz  Etzelen  eolt  rotl   ,. 
^^.r,  j       n     XI  '  ixf  dienen 

7748  daz  Gunthcres  goltJ 

vgl.   10574. 
9603  ir  rät  sie  truogen  alle  enein 
6903  unz  an  den  jungesten  tac 

vgl.   11038. 

11848  unz  au   sinen  lesten  tac. 


1121  als  ein  blccde  wip 

vgl.  Kl.  405  fF. 

2869  Die  herren  wurden  des  enein 
2682  unzandenjungestentac  =  3505 

ooAKf  *^  a^  einen  jungesten  tac 
l  *C  unz  an  sinen  lesten  tac. 


schin  werden  läzen  Bit.  1102,  vgl.  scliin  werden  Kl.  2143.  —  under 
wegen  lazen  Bit.  7739.  8994.  10569.  12800  «.  ö.  =  Kl.  1155.  —  den 
muot  troesten  Bit.  4166  =  Kl.  [2576*5].  2735.  —  Zu  Bit.  11631  einem 
dem  lihtisten  man  vgl.  Kl.  2145  ein  lihter  man.  —  zogen  läzen 
Bit.  7339  (vgl.  die  Anm.)  =  Kl.  3068.  —  läzen  äne  liaz  4232.  6731. 
7410  =  Kl.  **15.  —  10745  Bit.  üz  der  rede  komeu,  vgl.  Klage  *118 
an  die  rede  komen,  zuo  der  rede  komeu  14A1  *C,  an  die  rede  gän 
3466.  —  der  bluotige  regen  5tY.  11046  =  ZZ.  814  (^m?.  72);  der 
bluotvarwe  bach  Bit.  12242,  der  bluotege  (heizbluotege  519)  bacli 
Kl.  515.  696. 

8075  Do  sprach  der  Dietmäres  suon         2791  *C  Do  sprach  der  Dietmäres  suon. 

Do     sprach    der    Boteluuges 
suon   2319.   2827. 
1710  f.  wie  vil  du  miner  ere 

uberrucke  hast  getragen! 

3060  diu  klage  ir  helfe  dö  gewan 

1529  mit  sinen  banden  gevrumt 
3864  nach  den  hiunischen  siten 

1135  der  gotes  haz. 
1054  der   gotes    slac  =   1468  *B. 
1464  *-ß  der  vreisliche  gotes  zorn. 
892  dö  greif  der  eilende  zuo. 
4195  dö  griffens  al  gemeine  zuo. 
1358  ez,  wgene,  ouch  nimmer  werde 
u.  dgl,  vgl.  22 1 3  f.  tmd  1 3 74*0. 
1856  die  vil  wol  gesunden 
diu  swertes  ecke  10558.  (651)  Bit,  vgl.  Kl.  2107  des  swertes  ecke.  —  in 
kurzen  stunden  11665.  11815  Bit.  =  Kl.  2007  *B.  4251  *B;  vgl.  4043.  — 
daz  man  vil  lute  erklingen  horte  .   .  und  ähnliche  Wendungen  Bit.  10352. 
10466.   10553.    11089,    vgl.  Kl.   2294.  —  künde  gewinnen  c.  gen.   der 
Person  Bit.  5172  =  Kl.  2284.  —  dort  unde  hie  1621.  6260.  8758.  Bit. 


10762  f.  sl  truogen  alle  den  last 

der  sorge  über  rücke 

vgl.  die  Anm. 
10599   .     .    .    Rümolt 

groze  helfe  dö  gewan. 
13450  mit  sinen  banden  erworben 
13436  nach  hiunischen  siten 

vgl.  4790  flF. 
12794  der  gotes  segen 
6084  der  gotes  rät 

11488  si  griffen  stritlichen  zuo 

11374  ichwsene  ouch  immer  mer  erge 
10506  mit  den   wol  gesunden 


KLAGE  UND  BITEROLF.  19 

i=  Kl.  976,  jeue  dort  uut  dise  liie  Kl.  4159.  —  e  noch  sit  12362  Bit. 
(sider  noch  e  5746)  =  Kl.  711.  —  gehorte  unde  sach  Bit.  4818,  oft 
in  der  Kl,  s.  Einl.  72.  —  ritter  unde  (oder)  knehte  -8.  *53.  2094. 
2826.  3904.  6724  u.  ö.,  in  der  Kl.  mehrfach,  s.  Einl.  72. 

Es  folge  nun  eine  Zusammenstellung  alles  dessen,  was  an  Eigen- 
thümlichkeiten  des  volksthümlichen  Stils  (speciell  der  Spielraanns- 
poesie)  sich  im  Biterolf  findet.  Auf  diesen  Punkt  hat  Jänicke  schon 
hingewiesen  und  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  diese  Eigenheiten 
besonders  häufig  in  den  ersten  beiden  Aventiuren  vorkommen  (XVIII). 
Ich  komme  darauf  noch  zurück.  Für  die  Klage  ist  ähnliches,  wenn 
auch  nicht  in  solchem  Maße,  von  mir  in  der  Einleitung  (p.  60  ff.)  zu- 
sammengestellt. Hier  soll  nur  angeführt  werden,  daß  die  bekannten 
Zahlen*)  sich  häufig  finden,  nämlich  3.  oft,  z.  B.  *1289.  "1350  .  .  . 
4574.  4676.  5208.  5428  .  .  .  11700  u.  ö.;  30.  z.  B.  *725.  ^1042.  .  . 
4897.  5304.  6718  (drtzic  kilnege  lernt  =  Klage  =^490).  7676.  7829.  8596. 
11687  u.  ö.;  6.  seltener,  z.  B.  11645  (11648);  12.  *522.  *'-582  .  .  . 
2491.  4014.  5240.  5775  {zivelif).  6703.  7831.  7973.  8951  {zxvelif).  9573. 
11621.  11637  (zicelif).  11701.  11726 u.  ö.;  36.  11642.  —  7.  *466.  *511. 
*915  .  .  .  2154.  2421.  2658  .  .  .  6812.  8652.  8959.  10418  u.  ö.;  14. 
z.  B.  11023.  11219.  Daneben  finden  sich  aber  auch  andere  Zahlen  nicht 
selten  (10.  20.  40  u.  s.  f.);  zu  beachten  ist  unter  diesen  die  formelhaft 
erscheinende  17.  5226.  5379  =  Kl.  2416  sowie  deren  doppeltes,  die  34. 
910.  7261.  Ganz  besonders  ist  aber  das  häufige  Vorkommen  der  Zahl 
1000  zu  betonen,  da  dieß  nicht  allgemein  üblich,  andererseits  aber 
grade  in  der  Klage  ebenfalls  häufig  ist:  1000  steht  im  Biterolf  *301. 
*352.  *554.  *1533.  n981.  (2303).  2453.  3015.  3795.  5140.  5334.  6196. 
6609.  9742.  10247.  10398.  11445.  13168  u.  ö.;  ferner  tüsent  mark*115. 
2788.  7066.  7504.  9169;  in  der  Klage  steht  1000  ebenfalls  mehrfach, 
nämlich  1026.  1096.  2002.  2295.  2709,  vgl.  4512  *B,  4584  *C  (80.000 
Bit.  4575  =  Kl.  4512  *B).  Endhch  ist  die  formelhafte  86**)  hervor, 
zuheben,  die  Bit.  *1680.  11545.    11666.  (12420),  Kl.  2434  steht. 

Auch  sind  folgende  Wendungen  zu  beachten: 

7896  daz  ratet  dir  der  välant  1394  der  välant,    der    ez  allez  riet 

vgl.   7286. 
=•=1044  sö  man  noch  dicke  den  gesten        *2338  f.  ez  möhte  noch  misselingen 

tuot.  an  solhem  dienest  einem  man 

3160  also  gesten  noch    geschiht. 


*)  Für  die  Klage  vgl.  Einl.  p.  63  f. 
**)  s.  Klage,  Eiul,  64.  77  und  zu  2434. 


20  A.  EDZARDI 

'^  1302  80    frouwen    noch    in  zühten  Germ.  XYllI  425  gibt  Paral- 

tuont.  lelstellen  aus  Rother. 

4276  als  noch  kint  vor  den  beiden 
tuont 

7816  als  man  noch  vil   dicke  tuot 

9405  EÖ  Sit  vil  maneger  hat  getan. 

Die  gleichen  Formeln  finden  sich  häufig^  so  do  er  .  .  sach,  der 
.  .  sprach  z.  B.  *219.  4803.  5441.  6033  u.  ö.;  er  kom  da  er  .  .  sach 
z.  B.  6011;  sagen  msere,  wie  ez  [ergangen  u.  dgli\  wa^re  z.  B.  *1781  f. 
■"'1895  tind  viel  öfter.  Für  die  Klage  ist  zu  vergleichen  Einl.  p.  60  f.  Ferner 
finden  sich  die  gleichen  formelhaften  Beiioörter,  so  Giselher  der  guote 
6208  u.  ö.  =  Kl.  3586;  der  guote  Rüedeger  4278.  4725.  6199.  u.  ö.  = 
Kl  2601,  Rüedeger  der  (tugent)  riche  6589,  vgl.  Kl.  2333:  Rüedeger 
der  (lobes)  riche,  ferner  steht  Rüedeger  der  riche  oft  im  Biterolf  in 
der  Klage  2497.  3023;  der  starke  Gernot  3047.  6743  =  Kl.  499^  [der 
recke  Gernöt  4971,  vgl.  Klage  2128 *C:  küener  recke  Gernot];  Ilelche 
diu  here  *760.  *1445  u.  ö.  =  Kl.  *2481.  4540;  daz  Sigelinde  kint  ^{f. 
6403  =  Kl.  *160*(7  (Sigemundes*^;,  vgl.  *163  f. 

Ferner  finden  sich  vielfach  die  gleichen  St  ah  reime  in  heiden  Ge- 
dichten. Einige  sind  eben  erimhnt,  andere  sind:  des  küneges  bruoder 
Bloedelin  4936  Bit.  =  Kl.  4126;  golt  geben  4370  Bit.  =  Kl.  2018; 
gerne  git  sin  guot  Bit.  *1322,  gerne  gib  ich  iu  min  guot  Kl.  3935; 
langer  leben  *1644  Bit.  =  Kl.  *504.  *565*Ä  1173;  lant  läzen  *1932 
Bit.  =  Kl.  *36-5.  2124;  (sint)  die  wege  wol  erkant  *1719.  5621.  5/f. 
=  Kl.  2860;  wilt  du  witze  walten  9303  Bit.-  Kl.  2802  wil  Etzel 
Witze  walten,  kranker  witze  wielt  Kl.  4530;  wunde  wit  3728  Bit.  = 
KL  1506*5.  1564*5;  wunden  gewinnen  3584  Bit.  =  1316  KL;  wun- 
der geworhte  10753  Bit.  =  KL  1601;  wäfen  unde  wät  Bit.  7373, 
wäfen  unt  gewant  Bit.  *472.  2215,  vgl  KL  2798  flf.;  Wormez  diu  wite 
8647  Bit.  =  KL  4044.  4446;  werden  wol  gewert  978.  5972  Bit.  = 
EL  1042.  3793;  riten  an  den  Rin  4429.  5436  Bit.  =  KL  2970.  3348. 

Es  ließ  sich  in  diesem  Abschnitte  nicht  vermeiden,  daß  vieles 
vorweg  genommen  wurde,  was  eigentlich  unter  2.  und  3.  zu  erwähnen 
gewesen  wäre.  So  mögen  hier  nur  noch  nachträglich  einige  Fälle  auf- 
geführt werden,  in  denen  Biterolf  mit  der  einen  Bearbeitung  der  Klage 
zusammentriflft,  und  zwar 

2.  Biterolf  =  Klage  B. 

6814  ff.  daz  man  wgerliche  2583  verre  bräbt  üz  heiden  lant 

zen  heiden  bi  den  stunden 
niht  bezzers  hete  funden. 
9156  mantuotunsandemmserekunt,  *96  dazmoere  tuot  unsvon  im  kunt, 


KLAGE  UND  BITEKOLF.  21 

11188  hie  muget    ir    wunder    hooren  1656  hie  muget    ir   wunder    hoeren 

sagen.  sagen. 

11994  man  sach  bescheidenlichen  daz  3398  sagt  mir   bescheidenliche  daz 

Häufig  stellt  im  Biterolf  eine  Zahl  mit  oder  mere  (z.  B".  86  oder 
mere  steht  12420)  u.  dgl.  (*440.  12641  u.  ö.).  drizec  oder  me  1548  u.  s.  f.; 
ebenso  mit  oder  haz  '^■llb.  *1695.  4575  .  .  .  11637.  12429  u.  ö.  Diese 
Wendung  steht  neben  zweimal  (1860.  2030,  vgl.  2835)  im  gemeinsamen 
Texte  auch  zweimal  in  *B,  nämlich  zeliene  iinde  (oder  A)  mere  ^158  *B 
und  vierzec  tüsent  oder  mer4260*B.  —  slahen  unde  stechen  8733.  9286  Bit. 
=  Kl.  764  B;  mit  sticken  und  mit  siegen  Bit.   10315. 

Die  Wendung  .  .  der  sprach  duo  |  dem  .  .  zuo,  welche  im  Biterolf 
häufig  vorkommt  (s.  Jänicke  zu  1194)  findet  sich  in  der  Klage  nur 
einmal  in  *B,  an  einer  Stelle,  die  ich  nicht  für  echt  halte,  nämlich 
2751  f. 

Von  oben  gelegentlich  angeführten  Stellen  wären  etwa  noch  Kl.  *B 
1464.  1468.  2576.  4438  hier  zu  nennen. 

3.  Biterolf  =  Klage  C. 

Bit.  2847  deist  unsin,  vgl.  Kl.  1454* (7:  daz  was  gar  ein  unsin.  — 
si  frumten  verhouwen  10499  Bit.  :=  Kl.  1426  *C:  gevrumt  erslagen. — 
dirre  wäre  gotes  degen  Bit.  *255,  vgl.  Kl.  1624* (7:  der  wäre  degen 
{In  den  beiden  letzten  Fällen  halte  ich  übrigens  den  Text  von  *C  nicht 
für  echt.)  —  holden  muot  (willen  9930)  tragen  *1175.  9930  Bit.  = 
Kl  3321  *a  —  [Üf  unt  ze  tal  Bit.  12270  =  Kl  3554]. 

Von  oben  gelegentlich  augeführten  Stellen  wären  etwa  noch  Kl. 
*C  *439.  1374.  1803.  2791  hier  zu  nennen. 

Alles  dieß  würde  schon  genügen  zum  Beweise,  daß  zwischen 
Klage  und  Biterolf  ein  nahes  Verwandtschaftsverhältniss  bestehn  muß. 
Die  Berührungspunkte  sind  so  mannigfach,  daß  sie  nicht  in  dem  einen 
aus  Kenntniss  des  andern  sich  erklären  lassen*).  Wo  möglich  noch 
schlagender  sind  die 

III.  ÜbereiiLstiniiiiuiigeii  im  Wort«9chatz, 

wo  an  Entlehnung  noch  weniger  zu  denken  ist. 

1.  Biterolf  =  dem  gemeinsamen  Texte  der  Klage. 
antragen,  an^e^m^enBit.  58  71  Anmerkung;**);  an  gewinnen  Bit.  133595 
[bejagen  Bit.  7127.  8430.  9695.  10461.  13032  =  Kl.  *200*B  (a);  betagen 


*)  Als    ein   Beispiel,   wie   in   solchem   Falle    das   Verliältniss   sich    etwa    stellt, 
können  die  Berührungen  mit  dem  Rother  (s.  unten  p.  28  f.)  dienen. 

**)  Die  Belegstellen  aus  der  Klage  für  die  in  diesem  Verzeichniss  aufgeführten 
Wörter,    sotern  sie  nicht  angegeben  sind,  s.  Klage,  Einl.  68  ff. 


22  A.  EDZARDI 

9388  Bit.,  in  der  Klage  *200Cb,  auf  dieselbe  Thatsache  angewendet'-)] ; 
behagen  G022  Bit.  =  Kl.  1636.  3636  *B  {missehagen  14);  bedietcet  6377 
Bit.^  bediet  (:  geriet)  Kl.  1069;  hescheidenlichen  8138.  11676  (imhesch. 
8909)  Bit;  =  Kl.  2889.  3398 *B;  baltltche  3664.  13004  (baldediche  *1482) 
Bit.  =  Kl.  3995;  benehen  Bit.  *1478  (Anm.)  =  Kl.  1766  (Anm.).  1943; 
dürkel  *1149.  2855  Bit.  =  Kl.  793.  3539. 

enthalten  (Aufenthalt  gewähren)  Bit.  *973  =  Kl.  2245;  sich  er- 
hobt Bit.  4459.  10358  =  Kl.  1337;  ere  gernde  Bit.  *35  =  KL  2167.  4324; 
freide  (Subst.)  Bit.  11377  (Anm.),  freidebmre  Bit.  10856,  freide  (Adj.) 
Kl.  4075;  rmsfer  Bit.  11401  =  Kl.  3182;  vertragen  c.  dat.  der  Person 
(und  Acc.  der  Sache)  Bit.  *1073.  10510  =  Kl.'(*552).  1299.  4273*B; 
vercli  häufig  in  Zusammensetzungen  im  Bit.  (s.  zu  *1624)  und  in  der 
Klage  (s.  Einl.  Q^);  fremden  (trans.)  Bit.  2352,  Kl.  2263. 

goumen  Bit.  *1150.  3212  =  Kl.  3152;  gehügen  Bit.  4408  =  Kl. 
1677;  gestän  (beistehn)  Bit.  9469.  9926  =  Kl.  1037;  hergesellen  Bit. 
3029.  3825  =  Kl.  1262;  lionettmge  Bit.  10697.  12187  (koneiotp  *1866) 
=  K1.  920;  JcurzUche  7817.  8422.  11531  Bit.  =  Kl.  1169*C.  3934;  eren 
hört  Bit.  12418,  ungeluckes  hört  Kl.  909,  tilgende  hört  Kl.  *65*C; 
über  hurten  s.  Bit.  zu  8788. 

letzen  11900.  11911  Bit.  =  Kl.  2879;  lehendic  Bit.  *1562.  *1583. 
6433;  misselingen  Bit.  6474  =  Kl.  *270.  2338;  nttslac  Bit.  10894  =  Kl. 
1534;  ougenweide  Bit.  3260,  Klage  viermal;  prüeven  in  beiden  Gedichten 
mehrfach  belegt  (vgl.  Bit.  zu  2785,  Klage  Einl.  p.  70,  s.  imteu  p.  28). 

schirmen  Bit.  *359,  ze  scherme  Kl.  2080  (vgl.  schermen  3356); 
sigen  Bit.  *736  (u.  ü.?)  =  Kl.  950.  2345.  2500  {gesigen  3457 *B); 
sweizen  Bit.  10485,  sioeiz  {sweizen*B)  2357  Kl. ;  seine  Bit.  *1030. 
*1180.  9773  =  Kl.  990;  tioalm  vgl.  Bit.  12652  Anm.,  Kh  4561. 

unhescheidenheit  Bit.  *503  =  Kl.  735;  ungenäde  (=  Unglück)  2348 
Bit.  =  Kl.  2398.  2741;  unverdrozzen  Bit.  *1413  (Anm.)  =  Kl.  1209;  real 
Bit.  11436.  11441  (u.  ö.?)  =  Kl.  2063.  2501;  wideru'infnje  Bit.  10266 
(Anm.)  =  Kl.  2228,  tvine  4335  Bit.;  ivunschliche  Bit.  *67.  *286  =  Kl. 
2111,  vgl.  980  [ze  wünsche  *46  Bit.  =  Kl.  *97d];  zam  loerden  Bit.  12720 
=  Kl.  2306  (Anm.),  ^nachen  10342  Bit.,  sin  12650  Bit.;  ziere  *1516  Bit. 
=  Kl.  1625*C.  2800*B. 

2.  Biterolf  =  Klage  B. 
bouc  rot  Bit.  6694  =  Kl.  3486;  crhoire  Bit.  3450.  6226.  10860. 
13190  =  Kl.  4615;  oihte  Bit.  *7n.  7722  =  Kl.  *426;  zw  flinsherte  ringe 


*)  Darnach  wäre  meine  Beurtlicilimg  dieser  Stelle  vielleicht  zu  ändern. 


KLAGE  UND  BITEROLF.  23 

Klage  1319  vgl.  Biter.  5209:  stälherte  ringe'^  gesinde  (msc.)  Biter. 
9701.  11262  =  Kl.  1572  (wo  *B  geändert  hat,  s.  Einl.  Iß);  genendec- 
liche  Kl.  1236,  genende  12955  (er  ernande  *S11) ',  küener  getelinc  Bit. 
5698.  6309.  (8728).  9095  =  Kl.  1320;  manlich  Bit.  *559  =  Kl.  1547; 
nahtselde  Bit.  *1247.  2371.  3112.  4972.  5552.  u.  ö.  =  Kl.  3629;  tmge- 
lowpUch  Bit.  6289  =  Kl.  3637;  üzerwelt  Bit.  5505.  5805  =  Kl.  *464; 
10  1  der  wegen  Bit.  7018.  8530  =  Kl.  3456. 

3.  Biterolf  =  Klage  C. 
degenUche  Bit.  10213  (undegenlwhe  9913.  11122)  =  Kl.  1235;  en- 
blanden  Bit.  2953  (Anm.).  9120.  11354  =  Kl.  4010;  ervarn  mit  noch 
durchschimmernder  sinnlicher  Bedeutung  Bit.  *274.  5835  =  Kl.  2771; 
eigen  man  Bit.  10887  =  Kl.  2318;  versniden  Bit.  10842  =  Kl.  2083; 
geicizzeyiheit  Kl.  2194,  ungewizzenheit  Bit.  2998;  sipi^e  Kl.  3292  =  Bit. 
4582.  5572.  6659,  außerdem  verchsippe ,  sippefriunt  u.  dgl.  (s.  Jan.  zu 
4165);  sich  samenen  Kl.  1185  =  Bit.  5265.  7258.  9985.  10086.  schonen 
Kl.  1455,  geschonen  Bit.  10450;  kemenäte  Bit.  -439.  *1880.  2267  =  Kl. 
*124.  2795;  toheliche  Bit.  8046.  9321  =  Kl.  2908;  ioiunen  Bit  3600. 
11101.  11331  =  Kl.  2357;  warten  (=  spähen)  Bit.  8725  =  Kl.  3092; 
tvcetlich  Bit.  7328.  8088  =  Kl.  262.  2758. 


Anhangsweise  mag  hier  noch  das  Wenige  folgen,  was  ich  über 
Wortformen  und  Reime  zu  sagen  habe.  Diesen  Punkt  hat  Jänicke  schon 
so  ausführlich  in  seiner  Einleitung  behandelt,  daß  ich  hier  nur  weniges 
hinzusetzen  will,  einiges  auch  von  dem  dort  schon  erwähnten  wieder- 
holend. Zu  beachten  ist: 

unstaten  :  bat  en  Biter.  9049,  vater  :  bat  er  KL  1323;  die  sine 
(mine)  :  Eine  Bit.  8953  (9317)  =  Kl.  2657.  2901.  4489;  dehein  (nom. 
masc.)  :  stein  Bit.  3382,  dehein  {acc.  msc.)  :  euein  Kl.  2869 ;  deheine  {nom. 
sg.  masc.)  :  algemeine  7554  Bit.,  deheine  (w.  sg.  f.)  :  gesteine  Kl.  4530^ 
:  kleine  4537  (*C,  :  algemeine  *i?);  ich  verbir  :  ir  Bit.  8015,  ich  bit  :  Si- 
frit  7300,  ich  nim  :  im  Kl.  86;  minnist  :  list  Bit.  8453  =  Kl.  1729; 
fiure  :  ungehiure  Bit.  10605  =  Kl.  1763;  süene  (d.  h.  suone)  :  küene 
Bit.  12371.  12403.  12535,  Kl.  1304,  vgl.  zu  1643  f.;  march  :  starc  Bit. 
8713.  8871.  9201.  9235,  s.  Kl.  Einl.  p.  45;  genät  :  stät  BÜ.  *1157,  Kl. 
4:622* C  :  ubernät  :  sigelat;  auffallend  ist  frouwen  :  trouwen  (=  triwen) 
Bit.  7019.  7149  =  Kl.  4332  C  :  riwen  :  getrowen,  heachtensiverth  sän  im 
Beim  8101.  9700.  13293  {neben  sä,  auch  im  Beim)  =  Kl.  3224: -ß-^ 
3906 *Z?;  albegarwe  :  varwe  Bit.  8132,  vgl.  Kl.  Einl.  p.  12. 


24  A.  EDZARDI 

Endlich  führe  ich  an  henehen  mm  KK  1943,  neben  sin  Bit.  6100. 
10421.  (vgl.  Jänicke  zu  *682);  zu  Bit.  3060:  ungruoz  der  sine,  vgl.  kunec 
der  mtne  Kl.  1327*).  Burgondcere**)  habe  ich  in  der  Klage  aus  Reim- 
corrcctur  erklärt  (Einl.  p.  82  f.),  nämhch  an  den  Stellen  3606 *B  und 
4460.  Auch  im  Biterolf  findet  sich  diese  Form, 

nämlich:  wo  das  Original  vielleicht  lautete: 

4703  f.  niht  die  Burgondsere.  under  di   Burgonden  1       ,    t^    ,.^„  » 

do   hiez   ouch    sagen  ir  maere       do  hiezir  sagen  künde  J     ^ 

7743  f.  den  die   Burgondasre,  den  die  Burgonden, 

die  stolzen   beide  msere  die  stolzen  helede  junge 

13039  f.  die  stolzen  Burgondajre  (die  helede  junge  steht  oft  im  Bit.) 
al  ir  zit  üf  werdiu  msere. 

Natürlich  sind  meine  Herstellungsversuche  nur  Möglichkeiten,  die 
in  Betracht  kommen,  falls  man  den  Bearbeiter  des  Biterolf  mit  dem 
ersten  Umdichter  der  Klage  in  Berührung  bringen  will,  oder  wenn  man 
annimmt,  daß  auch  die  unserem  Biterolf  zu  Grunde  liegende  Dichtung 
wieder  Umarbeitung  eines  älteren  Werkes  war  (vgl.  unten  p.  26  Anm.). 

Aus  allem  angeführten  erhellt,  daß  eine  nahe  Verwandtschaft 
zwischen  Biterolf  nnd  Klage  besteht,  wie  auch  W.  Grimm  schon  gute 
Gründe  dafür  angeführt  hat***).  Natürlich  hat  aber  auch  Jänicke  sich 
nicht  ohne  triftige  Gründe  dagegen  erklärt.  Er  kommt  zu  folgendem 
Resultat  (XXVII): 

„Recapitulieren  wir  jetzt,  was  für  und  gegen  W.  Grimms  Annahme 
gesagt  ist,  so  hat  sich  oben  s.  XXIII  f  ergeben,  daß  die  Widersprüche 
des  Inhalts  nicht  gegen  einen  Dichter  entscheiden,  wohl  aber  spricht 
der  verschiedene  Umfang  der  Sagenkeuntuis  und  ihre  Handhabung  im 
Biterolf  nicht  dafür.  Dasselbe  Resultat  liefert  ungefähr  die  Betrachtung 
des  Formellen:  manches  im  Reim  und  Versbau  ist  beiden  Gedichten 
gemeinsam,  doch  lässt  sich  dies  auch  genügend  erklären 
aus  der  gleichen  Heimat  und  Zeit  des  Bit.  und  der  Klage.  Da- 
gegen finden  sich  im  Bit.  manche  Freiheiten  in  viel  ausgedehnterem 
Maße  (wobei  man  den  größeren  Umfang  des  Gedichtes  nicht  allzu  sehr 
in  Anschlag  bringen  darf),  manche  andere  auch  die  in  der  Klage  gar  nicht 
vorkommen.  Dazu  treten  die  vorhin  besprochenen  Differenzen  im  Stil 
und  Sprachgebrauch.  Wenn  man  auch  zugibt^  daß  ein  Dichter  Sprache, 
Reim  und  Versbau  mit  der  Zeit  ändern  konnte,  wie  es  für  Hartmann 


*)  So  nach  meiner  Auflassung  der  Stelle,  die  ich  in  der  Anm.  zu  1326  ff.  er- 
läutert und  in  den  Nachträgen  begründet  habe. 

**)  Im  Mild,  ist  die  Form  meines  Wissens  sonst  nicht  belegt. 
***)  Auf  die  ich  hiermit  verweise,  da  ich  sie  nicht  mit  aufgeführt_habe. 


KLAGE  UND  BITEROLF.  25 

die  Anm.  zu  Iwein  vielfach  dartun,  so  wird  man  docli  auch  hier,  da 
die  Annahme  eines  Verfassers  für  Bit.  und  Kl.  nur  auf  einer  Vermutung- 
beruht,  lieber  diese  Vermutung  wegen  der  angeführten  Verschieden- 
heiten fallen  lassen  als  sie  trotz  dieser  Verschiedenheiten  aufrecht  zu 
erhalten  suchen." 

Dieß  Urtheil  beruht  auf  sorgfältigen  Einzel- Untersuchungen 
und  lässt  sich  daher  im  wesentlichen  nicht  bestreiten.  Hervorzuheben 
ist  indessen,  daß  auch  Jänicke  vielfach  Übereinstimmungen  im  For- 
mellen (in  Reim  und  Versbau  u.  dgl.)  zugibt.  Es  lässt  sich  nun  wohl 
ein  Weg  finden,  auf  dem  sich  die  beiden  widersprechenden  Ansichten 
vereinigen  lassen,  indem  die  Wahrheit  wohl  in  der  Mitte  liegt. 

Ehe  ich  zur  Entwickelung  dieser  meiner  Ansicht  übergehe,  will 
ich  mich  aber  gegen  einen  Grund  wenden,  den  Jänicke  geltend  gemacht 
hat,*)  daß  nämlich  zwischen  der  „dürftigen,  unfreien  Weise  des  Klage- 
dichters (Lm.  zur  Klage  p.  288)",  die  es  „nicht  weiter  brachte  als  zu 
einer  fast  mechanischen  Umformung  eines  älteren  Werkes"  und  der 
des  Biterolfdichters ,  der  „sich  völlig  Herr  seines  Stoffes  fühle"  eine 
„innerhalb  weniger  Jahre  unüberwindbare  Kluft"  sei.  Ich  muß  hier- 
gegen durchaus  Einspruch  erheben.  Allerdings  ist  dem  Biterolf  eine 
gewisse  Gewandtheit  in  der  Handhabung  des  formellen  nicht  abzu- 
sprechen;  aber  fehlt  dieß  der  Klage?  Natürlich  spreche  ich  nicht  von 
einer  der  Bearbeitungen  *B  und  *C,  sondern  von  dem  Original,  da& 
beiden  zu  Grunde  liegt,  wie  ich  in  meiner  Einleitung  glaube  bewiesen 
zu  haben.  Ich  meine,  man  muß  sich  hüten,  das  Talent  des  Dichters 
der  Klage  ebensowohl  zu  unterschätzen  wie  zu  überschätzen.  Man 
darf  nicht  vergessen,  daß  der  Stoff  von  vornherein  gegeben  war  und 
wird  daher  die  Schönheit  der  ergreifenden  Scene  in  Bechelaren  nicht 
der  Kunst  des  Dichters  allein  zuschreiben,  eben  so  wenig  aber  auch 
dieselbe  dafür  verantwortlich  machen,  wenn  die  fortwährend  auf  ein- 
ander folgenden  Klagen  im  ersten  Theil  uns  ermüden.  Über  die  Wahl 
des  Stoffes  lässt  sich  streiten,  darüber  aber,  meineich,  nicht,  daß  nur 
eui  nicht  gering  begabter  Dichter  so  viel  Abwechslung  in  die  ewigen 
Wiederholungen  hat  bringen  können,  daß  uns  diese  Partie  überhaupt 
noch  erträglich  ist. 

So  viel  hierüber.  Ich  möchte  nun  die  Ansicht  aufstellen,  daß  nicht 
das  ursprüngliche  Gedicht,  sondern  die  Umarbeitung  der  Klage,  welche 
ich  in  meiner  Ausgabe  „das  Original"  nenne,  mit  dem  Biterolf  denselben 
Verfasser  hat.    So,    scheint  mir,  lassen  die  widerstreitenden^Ausichten 


*)  in  seiner  Einl.  XXIV. 


2(\  A.  EDZARDI 

sich  vereinigen.  Es  bleiben  dann  aber  noch  verschiedene  Möglichkeiten ; 
CS  kann  nämlich  die  Bearbeitung  des  Biterolf,  welche  uns  erhalten  ist, 
vom  Umdichter  der  Klage  herrühren  oder  das  alte  dieser  zu  Grunde 
liegende  Gedicht.  Denn,  daß  der  Biterolf  in  der  uns  vorliegenden  Ge- 
stalt Bearbeitung  eines  älteren  Gedichtes  ist,  bestreitet  wohl  niemand. 

Jänicke  hat  in  der  Einleitung  überzeugend  nachgewiesen,  daß  die 
beiden  ersten  Aventiuren  von  dem  Bearbeiter  hinzugedichtet  sind,  oder, 
wie  ich  mich  vorsichtiger  ausdrücken  möchte,  daß  der  Bearbeiter,  wenn 
er  die  beiden  Aventiuren  nicht  selbst  dichtete,  darin  doch  viel  selb- 
ständiger verfuhr  als  in  dem  großen  zweiten  Theile.  Jänicke  hat  ferner 
nachgewiesen,  daß  dieser  Bearbeiter  ein  Spielmann  war  (XVIII).  Ich 
möchte  dafür  noch  auf  eine  Stelle  hinweisen,  die  dieß  sehr  deutlich 
zeigt.  Es  heißt  nämlich 

4054  £f.  hete  ein  künec  nu  goldes  rot 
groezer  daune  wsere  ein  berc, 
si  tseten  niht  als  miltiu  werc. 
der  fürsten  lop  und  ere, 
daz  swindet  leider  sere. 

Daß  derselbe  auch  den  Rother  und  andere  Spielmannsgedichte 
gekannt  habe,  werde  ich  am  Schluße  wahrscheinlich  zu  machen  suchen. 

Nun  wird  diese  Bearbeitung  von  Jänicke  „um  1210  und  nicht 
viel  später"  gesetzt.  In  der  That  lassen  die  Reime  und  die  Behandlung 
des  Versmaßes  dieselbe  nicht  über  1190  hinaufrücken,  sie  stimmt  viel- 
mehr darin  ungefähr  zu  den  Bearbeitungen  *B  und  *C  der  Klage.  Da- 
mit wäre  die  Wahrscheinlichkeit,  daß  der  ümdichter  der  Klage  und 
der  Bearbeiter  des  Biterolf  ^ine  Person  seien,  schon  gering  geworden, 
denn  die  ümdichtung  der  Klage  glaube  ich  um  1170  (vielleicht  1170 
bis  1180)  setzen  zu  müssen.  Wir  haben  also  als  den  wahrscheinlicheren 
Fall  den  ins  Auge  zu  fassen^,  daß  der  Dichter  des  verlorenen 
Originals  des  Biterolf  mit  dem  Umdichter  der  Klage  iden- 
tisch sei.  Immerhin  will  ich  aber  die  Möglichkeit  der  ersteren 
Annahme  nicht  leugnen.  Sehen  wir  aber  von  ihr  ab,  so  bleiben  nur 
folgende  Erklärungen  für  die  Übereinstimmungen  in  den  ersten  Aven- 
tiuren des  Biterolf  mit  der  Klage:  entweder,  und  das  ist  mir  das 
wahrscheinlichere,  haben  auch  diese  ersten  Aventiuren  mit  den  andern 
den  gleichen  Verfasserund  sind  nur  stärker  umgearbeitet  als  die  übrigen*), 


*)  Im  Grunde  widersprechen  Jänickes  Uutersucliungen  dem  auch  nicht,  denn 
neben  den  von  ihm  aufgezählten  sprachlichen  Abweichungen  finden  sich  auch  wieder 
viele  auffallende  Übereinstimmungen  (vgl.  auch  oben  meine  Zusammenstellungen). 
Eine  Möglichkeit,  für  deren  Wahrscheinlichkeit  ich  freilich  keine  positiven  Gründe 
anführen  kann,   wäre   auch,  daß    der  Ümdichter   der  Klage  ebenfalls  den  Biterolf  aus 


KLAGE  UND  BITEROLF.  27 

wie  wir  auch  die  Bearbeitungen  der  Klage  zu  Anfang  stärker  ändern 
sehen;  oder  es  müsste  der  Bearbeiter  die  Klage  benutzt  haben  (und 
zwar  in  beiden  Bearbeitungen),  wofür  aber  der  Übereinstimmungen  zu 
viele  und  zu  auffallende  sind*). 

Aus  dem  hier  entwickelten  Gesichtspunkte  erklären  sich  alle  Über- 
einstimmungen des  gemeinsamen  Klagetextes  mit  dem  Bit.,  und  das 
sind  weitaus  die  meisten.  Für  die  Fälle,  in  denen  nur  einer  der  Texte 
*B  oder  *C  zum  Bit.  stimmt,  würde  aber  folgen,  daß,  sofern  auf  die 
betr.  Übereinstimmung  überhaupt  Gewicht  zu  legen  ist,  der  betr.  Text 
für  echt  zu  halten  wäre. 

Nur  für  *C  ist  dieß  auch  zutreffend.  Denn  in  den  meisten  Fällen 
werden  dadurch  meine  auf  anderem  Wege  gewonnenen  Resultate  be- 
stätigt, so  Kl.  *C  *124  ff.  1454.  3103.  3595  u.  ö.  —  ferner  enhlanden 
4010,  versniden  2083,  sich  samenen  1185,  toumen  2357  u.  a.  In  einzelnen 
Fällen,  wo  ich  unentschieden  war,  gibt  die  Übereinstimmung  mit  Bit. 
die  Entscheidung  an  die  Hand  oder  die  hier  gewonnenen  Resultate 
weichen  in  unwesentlichen  Punkten  von  jenen  ab,  so  Kl.  *C  *39.  *155  f. 
*203f.  1659  f.  3321.  3345.  3767  u.  ö.  —  ermni  2771,  geioizzenheÜ  2194. 
u.  a.  Nur  ganz  wenige  Fälle  bleiben  übrig,  in  denen  sie  meinen  für 
die  Klage  genommenen  Ansichten  gradezu  widersprechen.  Darunter  ist 
aber  kein  Fall  von  besonderem  Gewicht,  so  daß  ich  diese  Überein- 
stimmungen sehr  wohl  für  zufällig  zu  halten  berechtigt  bin.  Hierher 
gehört  Kl.  *C  756.  963  f.  1426.  1624.  3554.  4470,  auch  ivcetUch  262.  2758. 

Bei  *B  mag  die  Sache  wohl  ebenso  liegen.  Ich  war  allerdings 
eine  Zeit  lang  geneigt  zu  glauben,  daß  der  Bearbeiter  der  Klage  *B 
und  der  letzte  Bearbeiter  des  Biterolf  identisch  seien,  weil  grade  in 
Quellenberufungen  und  an  Stellen,  wo  schwerlich  *B  das  Echte  bewahrt 
hat,  sich  mehrfach  Übereinstimmungen  zwischen  Klage  *B  und  Biterolf 
finden,  auch  die  im  Biterolf  häufige  Verbindung  von  oder  mere  mit  einer 
Zahl  (s.  S.  21)  neben  zwei  Fällen  im  gemeinsamen  Text  sich  auch  zwei- 
mal in  *B  (nicht  aber  in  *C)  findet,  wo  ich  *C  aus  anderen  Gründen 


einer  alten  Vorlage  umgedichtet  hätte,  und  daß  er  die  ersten  Aventiuren  hinzugefügt, 
der  letzte  Bearbeiter  aber  sich  auf  geringere,  im  wesentlichen  formelle  Änderungen 
beschränkt  hätte,  wie  die  Bearbeiter  der  Klage  ^*B  und  '■'C.  Wenn  sich  für  diese  An- 
nahme, die  vorläufig  durchaus  nur  eine  unerwiesene  Vermuthung  ist,  irgend  etwas  an- 
führen lässt,  so  ist  es  die  verhältnissmäßig  sehr  häufige  Übereinstimmung  von  Stellen 
der  ersten  Klageaventiure  mit  den  beiden  ersten  Biterolfaventiuren,  die  beide  aus  diesem 
Giimde  mit  Sternchen  bezeichnet  sind. 

*)  Über  einige  Übereinstimmungen  zwischen  Klage  *B  uud  den  ersten  Aventiuren 
des  Biterolf  spreche  ich  noch  unten. 


28  A.  EDZARDI 

für  echt  halte.  Theilweise  sind  aber  diese  Gründe  nicht  so  zwingend, 
theilweise  ist  auf  jene  Übereinstimmungen  nicht  genug  Gewicht  zu 
legen,  die  angedeutete  Ansicht  damit  zu  begründen,  die  aber  immer- 
hin möglich  bleibt*). 

Ziehe  ich  das  Resultat  aus  dem  bisher  gesagten,  so  ist  es  für 
die  Klao-e  dieß,  daß  Übereinstimmungen  eines  Textes  mit  Bit.  bei  der 
Frao-e  der  Echtheit  ins  Gewicht  fallen,  und  daß  somit  ein  neuer,  nicht 
unwichtiger  Gesichtspunkt  für  die  Textkritik  gewonnen  ist. 

Ich  hatte  in  meiner  Klage  (Einl.  77,  Anm.  11)  die  Vermuthuug 
aufo-estellt,  daß  der  Anfang,  etwa  die  erste  Aventiure  nach  der  Ein- 
theiluno-  in  *C,  von  dem  Umdichter  hinzugefügt  sei,  um  eine  Einleitung 
zu  gewinnen.  Es  sind  nun  die  zahlreichen  Übereinstimmungen  mit  Bit. 
und  namentlich  mit  dessen  Eingange  gerade  in  der  ersten  Klageaven- 
tiure,  auf  die  ich  schon  oben  hingewiesen  habe,  zu  beachten,  welche 
diese  Ansicht  nicht  wenig  stützen.  Ferner  sei  bemerkt,  daß  auch  ein- 
zelne Wörter  sich  nur  im  Eingange  der  Klage,  häufig  aber  im  Bit. 
finden,  so  pris  Kl.  *207.  *25*C,  Bit.  oft,  s.  zu  52;  betragen  Kl.  222  *B, 
Bit.  oft,  s.  zu  242;  diet  *577  Kl.  (sonst  nur  noch  *C  2669)  =  Bit.  *1677; 
prüeven  *48.  *305.  *561.  [4695  C] ;  lool  gelobt  *240  *B  Kl. ;  vgl.  hochgelobt  Bit. 
*277  (Anm.);  wzer/corn  *364,  üzerkant  *4:4:'[  [ttzerzüe/i  *464*B]  finden  sich 
meines  Wissens  sonst  nicht  in  der  Klage;  ein  icint  *159.  [737],  spcäter 
ein  niht  1821.  2427.  Außerdem  findet  sich  eine  Reihe  von  sonst  in  der 
Klage  mehrfach  vorkommenden  Wörtern  in  der  ersten  Aventiure  nicht, 
was  natürlich  in  jedem  einzelnen  Falle  Zufall  sein  kann.**). 

Schließlich  sollen  noch  eine  Reihe  von  Übereinstimmungen  des 
Biterolf  mit  dem  Rother  zusammengestellt  werden,  die  nach  meiner 
Ansicht  auf  Benutzung  dieses  Gedichtes  schließen  lassen***). 

Biterolf:  Rotherf): 

*300  selbe  wolde  er  got  sin  (Jnm.)  25G8  Her  wolde  selve  wesen  got. 

*1905  er  gedähte  im  eines  namen  168  einis  zeines  her  ime  gedachte. 


*)  Dafür  könnten  außer  dem  angeführten  die  Stellen  Kl.  *B  2621.  2751  f. 
2754;  gesinde  msc.   1572,  ■Cizenvelt  3456  u.  a.  sprechen. 

**)  Ich  kann  mich  hier  nicht  weiter  auf  diese  Frage  einlassen,  doch  möchte 
sie  wohl  eine  Untersuchung  lohnen.  Es  würde  sich  dann  namentlich  fragen,  ob  Wörter, 
die  in  der  ersten  Aventiure  der  Klage  nicht  vorkommen,  ebenfalls  im  Bit.  fehlen.  Vgl. 
auch  Nachtr.  zu  Kl.  4460  ff. 

***)  Daß  die  Gudrun  im  Bit.  benutzt  ist,  ist  bekannt.  Auch  das  Nib.-Lied  scheint 
darin  benutzt  zu  sein. 

t)  Ich  citicre  nach  einem  genau  verglichenen  Exemplar  des  Maßmannschen 
Abdruckes.  Verszahlen  aus  Partien,  die  ich  für  sicher  interpoliert  halte,  sind  in  Klam- 
mern gesetzt,  solche,  die  ich  für  vielleicht  interpoliert  halte,  mit  Sternchen  versehen. 


KLAGE  UND  BITEKOLF. 


29 


2635  daz  im  giäwe  nu  der  bart 

4846  als  man  herren  boten  sol. 

Anderes  der  Art  s.  oben. 
4461  der  alte  man 
5685  nach  wünsche  stuont  in  ir  diuc 

5663  f.  brähten  die  recken  junge 
zuo  der  samenunge 

5810  f.  si  wären  im  nu   so   nähen, 

daz  81  den    rouch  wol    sähen 
vgl.  Kl.   3100. 

6422  ob  mir  daz  wäfen  min  gestät 

6440  wil  mir  diu  stange  min  gestän. 

6039  f.  den  aller  tiuresten  man 
der  ie  urbor  gewan 
8634  ir  tüsent  ritter  wol  gar 
10698  da  dürften  si  nibt  fragen 

7479  ff.  mit  golde  unt  mit  gesteine. 
manege  perle  kleine 
sach  man  verwieret  dar  in 

9158  f.  Stuotfuhs  niht  mohte  tragen 
nehein    ros    einer    inile  breit. 

11629  wir  wellen  Rüedegers  gedagen 

10622  daz  im  got  gebe  leit. 

3192  dazheteerfüreinkindes  spil 
7845  daz  was  im  gar  ein  k  in  des  spil 


3369  Mir  nist  der  bart  nie  so  grä. 

u.  d(]l.  m. 
2027  f.  So   sal  men   einir  kunin- 

ginne  |  ir   botin   minnin. 

So  heißt  Berhter  formelhaft. 

Über  diese  Wendung  s.    Germ. 

XVm,  448. 
3437  f.  So  vor  ich  helede  junge 

Z6  der  samenunge 

2645  f.  Die  ligetin  sich  also  nähe, 
Daz  si  den  rovh  gesägen 

4246  Biz  ime  die  stange  ze  brach 
1005  mir  nezo  breche  die  stange  min. 
Orend.  52. 49. 1  mirne breche  dise stange. 
4071  der  aller  türiste   man, 

der  ie  konin[c]riche  gewan 
3404  Zvelif  dusent  ritare  walle  gare. 
4017  Da  dorfte  nieman  urägan,  vgl. 
Kl.   3293. 

4581  Da  clappende  daz  gesteine. 
Mit  den  is  perlin  deine. 
itber  gewiere,  gewierot  s-  Germ. 
XVIII,  419. 
648  den  ne  mohte  niehein  ros  ge- 
tragen =  Orend  33.  3.  4. 

*4195  Nu  willich    lotheres  gedagin.. 

1248  daz   der  got  geve  göt. 

808  iz  ni  ist  niehein  kindis  spil. 


11342  phat  treten  =  Roth.  3685;  järiä  Bit.  7873  {Anm).  11107  =  Both. 
2856.  3045;  jäcliancle  Bit.  7483  =  Roth.  223  u.  ö.;  recken  namen  Bit, 

11343  =  Roth.  1897,  fiirsten  namen  Bit.  11622  =  Roth.  [4343];  die  schar 
breit  Bit.  11278  =  Roth.  722;  tiurlich  Bit.  5666,  im  Roth,  oß;  sich 
für  nemen  Bit.  3566.  5752.  9102  =  Roth.  [4349]. 

Nach  dieser  Zusammenstellung  scheint  im  Bit.  die  uns  erhaltene 
Bearbeitung  benutzt  zu  sein.  Daß  der  Rother  überhaupt  benutzt  ist, 
scheint  mir  aus  der  beträchtlichen  Zahl  der  übereinstimmenden  [Wörter 
und]  Wendungen  hervorzugehen,  wenn  schon  viele  derselben  sich  sonst 
auch  hier  und  da  in  der  Spielmannspoesie  wiederfinden.  Schheßlich 
merke  ich  noch  an,  daß  die  besonders  im  Oswalt  häufige  Formel  .  . 
hiez  er  springen,  .   .  bringen  sich  im  Biterolf  zweimal  findet,  nämlich 


30  ADALREKT  JEITTELES,  DIE  ZEHN  LEBENSALTER. 

6219  f.  dar  nach  hiez  er  springen 

und  Waltheren  bringen. 
6205  f.  Do  bat  der  künic  springen 
und  vil  balde  bringen; 
ferner  steht  *877  f.  [der  degen]  ze  gähes  gar  e  man  de 

daz  er  in  an  gerande, 
eine  im  Orendel  häufige  Formel. 

ANKLAM  im  December  1874.  A.  EDZASDL 


DIE  ZEHN  LEBENSALTER. 


Zu  den  von  Wilh.  Wackernagel  in  seinem  anziehenden  Buche 
'Die  Lebensalter  S.  30  ff.  angeführten  Reimsprüchen,  welche  die 
Theilung  des  menschlichen  Lebens  in  10  Altersstufen  zum  Gegenstand 
haben,  hat  unlängst  Karl  Bartsch  in  den  'Germanist.  Studien  Bd.  I,  6 
einen  Nachtrag  geliefert,  der  aus  viel  früherer  Zeit  als  die  von  Wacker- 
nagel mitgetheilten  Sprüche  datiert*).  Eine  andere  nicht  sowohl  durch 
ihr  Alter  als  durch  ihre  Fassung  interessante  handschriftliche  Lesart  steht 
in  dem  der  hiesigen  Universitätsbibliothek  gehörigen  und  unter  Signatur 
Theol.  L  1021  aufgestellten  Mischband  auf  dem  Vorsetzblatt  zu  der  Schrift 
von  Pamph.  Gengenbach  'Die  zelien  alter  der  welt\  s.  1.  1534.  8.  Nach 
den  Schriftzügen  und  Spracheigenthümlichkeiten  zu  schließen,  scheint 
sie  nicht  allzu  lange  nach  dem  Erscheinen  des  genannten  Buchs  niederge- 
schrieben worden  zu  sein.  Sie  ist  von  den  von  Wackernagel  und  Bartsch 
bekannt  gemachten  Versionen  mehrfach  verschieden  und  lautet: 

Die  zehen  Alter. 

Zehen  jar  ein  kint, 

zwainzig  jar  wiz  und  sin, 

dreissig  jar  ein  erwagsener  man, 

vierzig  jar  wol  gethan, 

funffzig  jar  stille**)  stan, 

sechzig  jar  ein  weiser  man, 

sibentzig  jar  widter  abe  lan, 

achtzig  jar  an  khrukhen  gan, 

neuntzig  jar  der  khinter  spott, 

ain  hundtert  jar  genadt  dier  gott. 
GRAZ.  AD  ALBERT  JEITTELES. 


*)  Aufgenommen  in  Wackernagels  'Kleinere  Schriften'. 
**)  Hs.  Stil  er. 


F.  BECK,  SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHD.  WORTFORMEN.        31 


SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEU- 
HOCHDEUTSCHER WORTFORMEK 

(Fortsetzung  zu  dieser  Zeitschr.  VI  (XVIII)  257  folg.) 

VON 

FEDOR  BECK. 


Försterei,  f.  (vergl.  Weigand  I,  484)  findet  sich  bis  jetzt  zuerst 
erwähnt  bei  Schäfer,  Sachsenchronik  I,  S.  29:  czwischen  dem  hrucken- 
hof  lind  der  forsterye  (Dresdener  Urk.  a.  1413). 

Fourier,  m.,  glaube  ich  schon  vor  dem  16.  Jahrh.  in  Deutschland 
zu  finden  bei  Bruder  Hansen  in  den  Marienl.  907 :  ave  gotes  forir  icas. 
de  im  hat  siin  logiis  in  dich  ghenomen;  dasselbe  Wort  scheint  vorere  im 
Urkundenbuch  der  Stadt  Göttingen  ed.  Schmidt  I,  S.  212,  12;  Walther 
uppe  der  reyse  eyn  hovetman,  eyn  anleggere  und  vorere  ivas  (a.  1364)  j 
S.  397,  30  (a.  1397). 

füdern,  fodern,  swv.,  mit  Auslassung  des  r  für  fürdern^  fördern 
geht  noch  hinter  das  15.  Jahrh.  zurück  in  österreichischen  Quellen, 
z.  B.  bei  Zeibig,  Urkundenbuch  des  St.  Klosterneuburg  S.  86:  daz  wir 
in  fuederleich  sulen  sein  (a.  1303),  ebenso  S.  117  (a.  1309);  bei  Raab, 
Urkundenb.  von  Seitenstetten  S.  240:  zu  helf  und  zu  fuedrung  und:  di 
auch  ir  genäd  und  ir  fuedrung  darzü  getan  habent  (a.  1360) ;  füderlichen 
auch  in  Docens  Mise.  II,  51  (14.  Jahrh.). 

förmlich,  adv.  erscheint  am  frühesten  bei  Meister  Eckhart  399,  5 : 
und  möchte  ez  formeliche  äne  zuoval  besten)  vergl.  auch  21,  36  sioie  daz 
lieht  st  förmelich  in  deme  lüfte,  ez  ist  doch  loeselich  in  der  sunne. 

forschung,  f.,  mhd.  vorschunge  in  einem  Fragmente  einer  theo- 
logischen Abhandlung  des  14.  Jahrhunderts  in  den  Altd.  Bl.  II,  98: 
dise  vorschunge  het  ouch  etteliche  bracht  in  sogetänen  wän. 

franke,  franken,  m.  als  Bezeichnung  einer  Münze  schon  in  den 
Reichstagsacten  von  Weizsäcker  I,  515,  6:  item  sal  ein  franke  gelden 
zwene  unde  zivenzigesten  halben  lüißpennig  (a.  1385/86);  in  einem  Münz- 
vertrag von  1393  in  den  Chroniken  der  deut.  Städte  IX,  998,  27 :  item 
ein  guten  alten  francken  nun  oder  zehen  pfenninge  höher  denne  ein  guten 
rinschen  güldin. 

freier,  m.,  schon  sehr  früh  vorhanden,  so  bei  Ebernand  von  Er- 
furt 968:  er  was  hier  frigere,  diebrütlouft  er  zesamene  treip;  Joh.  Marien- 


32  FEDOR  BECH 

Werder  im  Leben  der  h.  Dorothea  III,  c.  26 :  noch  irer  cztrunge  freyte 
sy  der  schöne  hrewtegam  mit  vil  hotin  addir  freyer,  dy  her  czü  ir  sante; 
dij  bot  in  adir  f reifer  worn  de>'  heylige  geist  (um  1400). 

freite^  f.  „Liebes-,  Heiratswerbung",  am  frühesten  bis  jetzt  in  den 
handschriftl.  Varianten  zum  Armen  Heinrich  von  Hartmann  V.  1453: 
■nmh  tlich  vriät ;  im  Urkundenbuch  des  histor.  Vereins  von  Niedersachsen 
VII,  24,  4:  ein  hrief  den  her  Hervian  lantgrave  zcu  Hessen  uns  gegeben 
hat  tiff  die  frihäte  fraicen  Agnes  unser  lieben  hüsfrawen  (a.  1409);  bei 
Johannes  Rothe  Chron.  cap.  422:  dise  lobellche  botschaft  unde  friote 
und  cap.  675:  iif  dem  hove  tcart  eine  friote  geslagen;  bei  Konr,  Stolle 
Chron.  41:  von   einer  frlete'^  44  um.me  dy  f riete  des   alden  hern  tochter. 

frequentieren,  swv.,  finde  ich  zuerst  bei  Ernst  von  Kirchberg  S.  767 : 
dy  schule  her  frequentirte,  mit  kunst  her  vast  sich  czlrte. 

fresser,  m.,  erscheint  mhd.  in  der  Form  vrezzer  zuerst  bei  Berthold 
von  Regensburg  19,  34:  die  trenker  unde  die  frezzer,  die  dicke  und  oft 
tind  eteliche  tac  unde  naht  zem  wine  ligent\  und  190,  36:  frezzer  und  über- 
trinker. 

frevler,  m.,  ist  vor  1469  schon  zu  finden  bei  Berthold  von  Regens- 
burg 493,  2:  nü  sich,  freveler  an  gofe,  wä  bist  du  nü  mit  dinen  s-ünden; 
Bechstein  im  Wörterbuch  zu  Matthias  von  Beheims  Evangelienbuch 
S.  319  5  Rechtsbuch  nach  Distinctionen  ed.  Ortloff  S.  116,  50:  queme 
ouch  disse  frevelere  dovon.  Von  mitteld.  Formen^  in  denen  nach  dem 
Anlaut  /  {v)  oft  noch  ein  Vocal  (o  oder  e)  eingeschoben  ist,  finden 
sich  außer  den  in  dieser  Zeitschrift  (X,  402-403;  VII,  100;  V,  233) 
vermerkten  noch  folgende  Beispiele:  Fahne,  Forschungen  I,  2,  23;  icere 
dat  Sache,  dat  de  man  dri  mäinde  in  verafuele  stüende  (a.  1260);  II,  2,  87: 
zu  boissen  umbe  den  vuravil  (a.  1330);  II,  2,  89:  mit  vuravelgeide ;  Diefen- 
bach  Gloss.  621''  violentus,  vorehil;  in  Urkunden  der  Wetterau,  Weist. 
V,  246  verebelichen  und  so  247  und  in  Hoefers  Auswahl  253  (a.  1332) 
vireheliche]  —  im  Mitteldeutschen  Schachbuch  ed.  Sievers  steht  nach 
der  Handschr.  virebilich  statt  des  in  den  Text  gesetzten  vrebilich  213,  31 ; 
216,  29;  222,  10;  —  in  einem  Zeitzer  Manuscr.  (Aposteln  und  Ge- 
zügnissbriefe,  a.  1422 — 38)  vorehelich;  —  in  Boehraers  Urkundenbuch 
von  Frankfurt  S.  719:  der —  icidder  die  scheffene  virebilt  hette  (a.  1367). 
Mit  Ausnahme  von  Weist.  III,  661,  einem  Weisthume  der  Grafschaft 
Werdenfels  in  Baiern  vom  Jahre  1431  (wo  es  heißt:  mit  veräffenlichn 
zornigen  icordtn)  und  einem  Weisthum  von  Webenheim  u.  Minbach 
V,  695  (wo  sich  verebel  findet)  habe  ich  derartige  Formen  nur  in  md. 
Gegenden  wahrgenommen.  Dort  können  sie  durch  die  Nachbarschaft 
des   Niederdeutschen   hervorgebracht  sein,    wo   gewöhnlich  icrevel  ge- 


SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHOCHD.  WORTFORMEN.       33 

sprochen  wurde,  vgl.  Schröders  Anm.  zu  Reinke  de  Vos  5676 ;  Diefeub. 
621^  violentia  wreyvilkeit.  Deu  betreffenden  Vocal  im  Anlaut  halte  ich 
daher  nicht  für  ursprünglich,  sondern  für  einen  dunkeln  unklaren 
Zwischenlaut,  der  in  dieser  Cousonanten Verbindung  auch  anderwärts 
zu  Tage  tritt,  z.  B.  in  den  Denkm.  von  Müllenhoff  und  Scherer  79,  5 
virist  =  vrist'^  in  Haupts  Zeitschr.  III,  519,  3  (=  Bekehrung  des  Paulus, 
aus  dem  12.  Jahrh.)  daz  ich  niut  besizze  die  vereislichin  [hjizze  und  so 
noch  bei  Stieler  im  Teutschen  SjDrachsch.  32 :  vereischliche^  das,  scahiei 
genus\  verechfer  =  vrechter,  f rächt  er  im  D.  Wörterb.  IV,  47 ; /wj'acÄf- 
ivagen  =  frachhcagen  ebenda  425;  furumh  =  frumh  bei  Mich.  Beheim 
233,  23;  vorig  =  lorig  bei  Ernst  v.  Kirchberg  764,  45:  heisir  Otto,  der 
loart  hegrahin  sunder  vorig  gar  keisirlich  zii  Brünsing  (doch  icrig  766); 
wahrscheinlich  auch  voryren  =  vrreren  in  Joh.  Rothes  Chronik  cap.  421, 
vergl.  in  dieser  Zeitschr.  V,  233,  und  Joh.  Rothes  Elisabeth  S.  2049  C. 

fröhlichkeit,  f.,  am  frühesten  bis  jetzt  in  der  Windberger  Inter- 
linearversion der  Psalmen  S.  649 :  frolicheit,  jocunditas. 

frühstück,  n. ,  bereits  in  deu  Liedern  unter  Neidharts  Namen  in 
MS.  H.  III,  309^'  und  310":  von  dem  vruestük  süln  icir  gän  sän  daii 
hinne  ziio  dem  bade. 

füglich,  adj.,  findet  sich  in  den  Gesta  Rom.  172,  5  (Anfang  des 
15.  Jahrh.);  die  fügleich  zu  dem  streit  icären\  Diefenb.  31 P  jugalis, 
fügelich  (a.   1470). 

fuhrlohn,  f uhrmann,  fuhrioerk;  Zusammensetzungen  mit  Fuhre 
trifft  man  schon  vor  dem  15.  Jahrhundert;  so  vuorlon  bei  Heinrich  von 
dem  Türlin  in  der  Krone  17351:  tmd  vuort  in  äne  arebeit  dne  vuorlon*) 
in  daz  lant'^  im  Freiberger  Stadtrecht  ed.  Schott  270,  10:  he  gibit  sm 
vürlon  alse  recht  ist;  vergl.  Ott  Rulands  Handlungsb.  5,  11:  das  fuor- 
lon  hän  ich  ausgericht.  —  Orlamundische  Statuten  in  Walchs  Beitr. 
II,  74:  die  selbigen  fürlüte  sullin  czolles  frey  sm  (14.  Jahrh.?).  —  Stadt- 
recht von  Meran  (14.  Jahrh.)  bei  Haupt  Ztschr.  VI,  426:  die  underkoüfel 
sullent  nemen  —  ze  lone  —  von  ie  dem  vuorman  der  die  pfert  lihet  ouch 
zicene  zweinziger ;  Freiberger  Stadtrecht  270,  8 :  sendet  he  daz  silber  dar 
bi  eineme  vürman;  und  S.  18:  dem  vürmanne  sal  he  zu  rechte  keine  schult 
^feften;  Wiener  Weichbildbuch  ed.  Schuster  Art.  49  (ftiorman  und  fuor- 
leut)-^  —  Conrad  von  Weinsberg,  Einnahmen-  und  Ausgabenregister  S.  69: 
item  ich  gäbe  einem  fürman  von  Meintz  bies  gen  Coln  1\  gülden  (a.  1437 


*)  Das  Wort  ist  an  dieser  Stelle  vielleicht  nicht  echte  Überlieferung  für  verlon 
oder  vergenlon,  vergl.  ebenda  20278  und  20287;  Espe,  Bericht  vom  J.  1845,  S.  21:  vo 
svllen  sie  ferlon  gehen  (a.   1380)  und  Kulmisches  Recht  ed.  Leman  S.  4. 
ÜERJUNIA.  Neue  Reihe.  VII.    (XIX.)  Jahrg.  3 


34  FEDOR  BECH 

bis  38) ;  ebenda  S.  70 :  den  fürlUten  von  Coln  gen  Och  gab  ich  zu  lönne 
5  cjulden.  —  Wittenbergische  Urkunden  in  Espes  Bericht  vom  J,  1845, 
S.  21 :  sotäne  wäre  die  czu  koufenschacz  und  czu  furioerc  gehöret  (a.  1380). 

fundieren,  swv.,  schon  bei  Meister  Eckhart  39,  15:  daz  inner  be- 
kennen ist  daz  sich  verminftechUch  ist  fundier ent  in  unserr  sele  wesen; 
in  den  Predigten  und  Tractaten  deutscher  Mystiker  ed.  Pfeiffer  (Haupts 
Ztschr.  VIII)  426,  4:  ditt  iverk,  ditt  dar  uf  dise  widertragunge  gefun- 
dieret sint]  Ernst  v.  Kirchberg  727,  65:  dy  kirchen hatte  —  der 

hischof  gefundiret  (:  gecziret). 

fünfer,  m.  vor  Serranus  zu  'finden  in  Schreibers  Urkundenbuch 
der  St.  Freiburg  I,  524 :  wie  dicke  deheiner  der  vorgenanten  fünfer  (vor- 
her ist  die  Rede  von  dem  gemeinen  fünßman)  abgienge;  und  weiter: 
alle  ding,  die  zuo  der  fünfer  haut  gesetzt  sint  (a.   1368). 

funken,  swv.,  vor  Matthesius  schon  anzutreffen  im  Lohengrin  3006 
(Mhd.  Wörterb.  III,  436")  und  im  J.  Titurel  36,  4  ed.  Hahn  (in  den 
Resrensburffer  Bruchstücken  bei  K.  Roth  S.  37 :  sich  venchet  für  sich 
funket,  wie  auch  495,  4  ed.  Hahn  sich  venket  :  ungenket);  407,  1:  von 
golde  ein  ar  geroetet,  gefiuret  und.  gefunket  (:  gedunket) ;  3656,  4:  der 
schuof  daz  vil  helme  nach  im  functen  (:  hesuncten). 

fürbitte.  f.  erscheint,  ganz  im  neuhochd.  Sinne,  in  der  ind.  Form 
vorbete  schon  vor  Luther  bei  Ebernand  V.  1812:  er  seite  in  ivie  diz 
komen  loas,  daz  er  von  der  vorbete  genas  sancti  Benedicti;  im  Urkunden- 
buch der  St.  Leipzig  I,  S.  175:  der  sal  dem  rate  äne  vorbete  unde  un- 
leßelichen  10  nüioe  gr.  geben  (a.  1444—46). 

fürhang,  m.  im  Sinne  von:  hervorstehender,  über  die  Straße  reichen- 
der Theil  an  einem  Gebäude,  in  einem  Weisthum  von  Andernach 
(a.  1498)  bei  Grimm  II,  629:  vort  so  sollen  die  vurhenge  und  overhenge 
vur  den  kaifhüseren  uf  der  stede  maisse  und  isen  vur  den  vinstern  hangen. 

fürsprache,  m.,  ei*scheint  in  der  Walkenrieder  Urkunde  I^  S.  230: 
Conradus  de  Bela  vorspräche  (a.  1260);  bei  Michelseu,  Codex  Thuring. 
diplom.  S.  63:  Andreas  Eegilfüs  vorspräche  (a.  1400);  Purgoldts  Rechts- 
buch  (Ortloffs  Samml.  II)  S.  153:  die  gemitten  vorsprochen  an  den  ge- 
richten;  und  an  dem  geriehte  da  ist  der  vorsprochen  zcunge  veile;  S.  158: 
nach    unserm   stadtrechte    nymant  vorsproch   ist;   166  u.  178;   268:    der 

valsche  vorspräche  und  so  304. 

furzen,  swv.  bombisare,  schon  aus  dem  14.  Jahrhundnrt  nachweis- 
bar, z.  B.  in  Morolf  I,  3484:  M.  durch  sine  liste  sere  forczen  began;  II, 
424:  czorn  machet  gräe  häre,  der  ars  farczet,  das  ist  wäre  und  522; 
Böhmers  Urkundenb.  von  Frankfurts.  751  (a.  1377):  wer  in  des  hant- 

werks  orten virkwn  ioorte  dede  adir  furczte  ader  anders  unhubisch 

were  u.  s.  w. 


SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHOCHD.  WORTFORMEN.       35 

fußen,  swv.,  sich  stützen,  stoßen,  bereits  enthalten  in  den  Magde- 
burger Fragen  ed.  Behrend  B.  I,  cap.  6,  dist.  2:  dy  sparren  synes  daches 
füssen  nicht  uff  dy  nmioere  (14.  Jahrh.). 

fütterung,  f.  mittelhochdeutsch  bis  jetzt  am  frühesten  in  dem  Ur- 
kundenbucbe  von  Neustift  in  Tirol  S.  419  (a.  1390):  mein  gut  —  ist 
frey  von  aller  vogtey  und  futrung  [advocacia  et  pahulacio). 

gallosche,  f.  Überschuh,  auch  kalosche;  aus  dem  15. — 16.  Jahr- 
hundert mit  cloczen  und  calotzchen  belegt;  aber  wohl  schon  im  13.  Jahrh. 
in  Deutschland  bekannt,  wie  der  Name  Heinrich  genant  Kaloze  zeigt 
im  Urkundenbuch  von  Arnsburg  S.  168  (a.  1292). 

galraei,  m.,  vergl.  Lexer  s.  v.  calemine'^  am  frühesten  bei  Böhmer 
Urkundenbuch  von  Frankfurt  S.  505  in  einem  Zollrodel  von  1329  (?): 
item  cride  und  calmei,  die  ingiebt  keinen  zol,  und  sermetäne. 

garkoch,  m.,  zeigt  sich  zuerst  im  Nordhäuser  Schultheißenbuch 
von  Förstemann  N.  Mitth.  (15. — 16.  Jahrh.)  II,  16:  von  garhretern:  sen- 
det ein  hrether  adir  garkoch  eynen  unser  horger  heym  ungebe  fleisch,  der 
gebit  eyn  pfunt  deme  rathe. 

gattung,  f.,  schon  vor  Luther  vorhanden,  wie  folgende  Beispiele 
zeigen:  Nürnberger  Polizeiordnung  ed.  Baader  S.  222:  dieselben  drey- 
erley  gattung  mag  ein  yeder  alle  oder  eins  teils,  loelche  er  wil,  pachen,  doch 
also,  das  ein  yede  gattuny  ires  gelts  und  anzal  wert  sey;  Niclas  von 
Wyle,  Translat.  282,  2;  Anthonius  Phor,  Buch  der  Beisp.  157,  31 ;  Weist. 
III,  778. 

gebäcke,  n.,  vor  dem  16.  Jahrh.  schon  vorkommend  in  der  Er- 
lösung ed.  Bartsch  6493 :  mit  sieden  und  gebacke  (:  gesmacke) ;  im  Nord- 
häuser Schultheißenbuch  II,  53:  wer  da  zu  kleine  buche,  wullin  sie  den 
geback  alle  lassen  nemen  unde  durch  got  geben. 

gebick,  n.,  ist  dasselbe,  was  sonst  gebucke  oder  gebücke  lautet,  eine 
aus  niedergebogenen  und  in  einander  geflochtenen  Büschen  gebildete 
Hecke^  Umfriedigung,  abgeleitet  von  bücken  =  niederkrümmen,  incur- 
vare,  flectere,  opprimere,  prosfernere,  vergl.  Lexer  Handw.  I,  763.  Das 
Wort  bringt  schon  eine  Urkunde  des  Unterelsaß  bei  Grimm  Weist. 
I,  670:  der  holzer  eines  ist  das  gebticke  (a.  1320);  ferner  Graf  Wilhelm 
von  Holland  (in  v.  d.  Hagens  German.  VI,  260)  337:  ich  slüf  durg 
busch,  durch  hecke  rüch,  Durg  hagen  inde  gebucke,'  Zu  lest  ich  mit  ge- 
lucke  Zu  hoiste  up  dat  gebirge  quam;  Kehreins  Samml.  S.  44  aus  einer 
Mainzer  Urkunde  vom  Jahre  1366:  gebucke  umb  die  burgh.  Dasselbe 
meint  auch  der  Ausdruck:  gehickte  hege  in  den  Weisthümern  V,  319: 
item,  hauwet  iemans  tmd  thiit  schaden  inne  der  gebickten  hege  tcf  der 
straizen  xmd  xourd  gerügt,  der  ist  u.  s.  w. 

3* 


3i)  FEDOR  BF.Cfl 

gehrän,  ii.,  als  der  gehrCnce,  hraxatwa,  auf  einmal  gebrautes,  bereits 
bei  Lambert,  jMühlhaus.  S.  113,  115,  156  und  157  (aus  dem  14.  Jahrb.); 
in  den  Alten  Gesetzen  von  Nordhauscn  (N.  Mitth.  III,  3,  59):  eyn  ick- 
lich  sal  bewerte  phemiinge  gehe  deme  rate  von  deme  gebrmce  und  sal  doz 
gehritice  läze  schrihe;  bei  Oswald  von  Wolkenstein  119,  2,  8:  des  sei 
xoerd  dort  geschunden  mit  mangerlai  geprew  (:  reiv)-^  bei  Clara  Hätzlerin 
S.  291",  64;  in  den  Nürnberger  Polizeiordn.  212,  2  gebraio. 

gehräitde,  n.,  im  Programm  des  Gymnasiums  von  Zeitz  a.  1870 
(Die  bischöflichen  Satzungen)  S.  5,  57 :  geschosse  von  den  hofen  und 
gebrüiceden  (a,  1457);  in  Michelsens  Eechtsdenkm.  aus  Thüringen  S.  4C9: 
zcu  fei'tigung  syner  gehrmcede  (a.  1485);  im  Urkundenbuch  der  Stadt 
Leipzig   no.  474:  des  vngeldes  halben  von  dem  gehricde  (a.  1475). 

gebühr,  f.  zeigt  sich  schon  im  14.  Jahrhundert,  vergl.  Fahne, 
Forsch.  II,  2,  106:  inde  ivat  sus  ervelt ,  dat  sal  man  zu  dryn  mainden 
deylen  der  stede,  deme  raide  inde   den  andern   heirren  mallige  sin  gebür. 

gebüsch,  n.,  erscheint  bis  jetzt  am  frühesten  in  einer  Urkunde  bei 
Schäfer,  Sachsenchronik  I,  385,  dort  werden  angegeben  iiij  huner 
vonn  einen  gei^usche  und  iciesenflecke  bey  dem  dorffe  Steinpach  (a.  1375). 

gecken,  swv.,  findet  sich  schon  um  1200,  im  Karlmeinet  468,  19: 
Karlle  begunde  den  bart  zo  drecken.  Hey  sprach:  we  wenet  hey  mich  zo 
g eckend  Meynet  hey,  dat  ich  sy  eyn  dore? 

gedecke,  als  stn.,  in  den  Weisthümern  IV,  622:  und  hätt  der  arm 
man  nit  gedecks,  soll  der  becker  alss  vil  gedecks  dar  geben,  dass  der  deyk 
bewart  sy  (aus  dem  15.  Jahrb.);  dat  gedecke,  die  Zimmerdecke,  in  der 
Kronika  fan  Sassen  ed.  Scheller  S.  283. 

geßissenheit,  f.,  scheint  erst  im  15.  Jahrhundert  aufzutreten,  vergl. 
Niclas  von  Wyle  Translat.  293,  38;  294,  16;  311,  17. 

gehalt,  m.,  in  der  Bedeutung  „innerer  Werth",  erschien  mir  am 
frühesten  in  einer  Urkunde  von  1477  bei  Würdtwein  Diplom.  Magunt. 
II,  368 :  monzen  schlagen  7ijf  ein  glichen  gehalt  und  schnyde;  und  S.  369 : 
zioen  verstendig  redelich  loardyn,  der  einer  alle  werck,  so  sie  geschickt  sin 
und  zuvor  ehe  sie  üssgeen,  am  gehalt  versuchen  solle. 

gehöße,  n.,  finde  ich  zuerst  in  der  Chronik  Johans  von  Posilge 
ed.  Voigt  u.  Schubert  S.  129  (=  ed.  Strehlke  in  den  Scriptores  rer. 
Prussic.  111,239):  item  in  desim  järe  vorbrante  Osterode  die  stat,  das 
nicht  meer  bleib  wen  di  kirche  unde  des  pfarrers  gehoffte  (a.  1400);  S.  230 
(=  ed.  Strehlke  S.  322)  her  lies  desin  alle  ir  güttir  unde  gehofte  vor- 
bürnen  yn  den  grünt  (a.  1410);  ferner  in  Höfers  Auswahl  S.  79,  Z.  8: 
ouch  sulen  wir  den  hof  böwechtich  halden  an  gehüße  unde  an  vrede 
(a.  1309). 


SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHOCHD.  WORTFORMEN.        37 

geifeTj  m ,  am  frühesten  im  Vocab.  optimus  S.  10,  66:  saUva, 
geifer  (Altd.  Bl.  H,  198). 

gelach,  n.,  das  Lachen;  das  von  Weigand  bis  jetzt  vermisste  ge- 
leche  finde  ich  bei  Hans  von  Bühel  im  Dyocletian  V.  2172:  do  tvart 
nit  ein  groz  gelech  (:  hecli). 

gelag,  n.,  „Zusammenliegen  zu  lustigem  Trinken  oder  Speisen"; 
von  Wichtigkeit  für  die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Wortes  ist  jeden- 
falls eine  Stelle  in  Fahnes  Forsch.  I,  2,  97:  item  dat  eyn  yecUch  hroder 
^ind  suster  komen  sali  up  /St.  Sebastianis  dach  und  vertzeren  yre  gelaich 
zosamen,  want  dan  die  hroderschaft  yren  conreit  doin  und  halden  sali, 
und  eyn  yeclich  sal  syn  gelaich  hetzalen  u.  s.  w.  {^=  Düsseldorfer  Schützen- 
urkunde a.  1435);  vergl.  das  Weisthum  zu  Scheidweiler  a.  1506  bei 
Grimm  II,  388,  Z.  9:  der  kellner  —  soll  ihnen  die  örter{?)  bezahlen, 
yedem  sein  gelach  under  einem  schillingh;  damit  stimmt  die  von  Vilmar 
Idiot.  235  aufgestellte  Bedeutung  „Zeche,  Pikenik". 

geUchter,  n.,  über  das  Alter  dieses  Wortes  ist  noch  zu  vergleichen 
eine  Stelle  bei  Berthold  von  Regensburg  93,  7:  daz  du  waenest,  daz  ist 
ez,  unde  dannoch  mer  alle  siniu  glihtertde  (13.  Jahrb.);  cfr.  diehteride  bei 
Lexer  Handwb.  und  Weist.  VI,  96:  eines  ieden  hausgenosz  söhn,  tochter, 
getichter  und  gehrüder  u.  s.  w. 

gelt,  Interjection,  schon  von  Jacob  Twinger  von  Königshofen  ge- 
braucht S.  21  ed.  Schilter  (:=  261  ed.  Hegel):  wer  het  dich  unsern 
rihter  gemacht?  gelte  (Exod.  II,  14  ed.  vulg.  =  num)  du  wellest  mich  er- 
slahen  also  du  gestern  dete  des  kimiges  knecht? 

gereuch,  n.,  bereits  im  11.  Jahrli.  vorhanden,  vgl.  Haupts  Ztschr. 
III,  445:  in  dero  hello  da  ist  —  —  heches  gerouche. 

gelzenleichter,  m.,  tritt  bis  jetzt  am  frühesten  auf  in  Job.  Rothes 
Chronik  c.  565,  wo  es  nach  dem  Texte  bei  Menckeu  heißt:  vnde  Hessen 
do  monchen  vnde  gelczen  alle  mit  einander  einen  gelczenlichter, 

genealogie,  f.,  braucht  schon  Bruder  Hans  in  den  Marienlied.  789 : 
die  hoghehorne,  etel  maghet  vrie,  von  conincUchen  otel  ivas  ir  gheslecht,  yr 
genealogie. 

gerauf e,  n.,  taucht  schon  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  auf, 
so  in  dem  Mainzer  Friedebuch  (a.  1335—52)  bei  Würdtwein  Diplom. 
Magunt.  1,497:  ist  daz  ieman  leuffet  gewapent  zu  einem  gereute  oder  zu 
einem  gestoher,  dar  umh  ist  er  keine  bezzerunge  schuldig. 

gerber,  m.,  mhd.  gerioer,  schon  lange  vor  1400  nachweisbar  aus 
den  Stellen  in  der  Germania  15,  268;  gereioer  in  den  Stadtrechten  von 
Freiberg  S.  276 :  dt  schüworchten  und  dt  gerewer  haben  ouch  eine  innunge 
mit  einander  M  in  der  stat]  im  ]\Iitteld.  Schachbuch  ed.  Sievers  280,  5: 


38  FEDOR  BECH 

pelzcer,  gerwer,  vletschhouwer  {um  1355);  im  Urkundenbuch  von  Seiten- 
stetten  ed.  luaab  S.  132:  Dietrich  der  gerher  (a.  1302)  und  S.  136:  von 
Dietriche  dem  geriver  (a.  1304). 

gescheidigkeif,  f.,  in  der  Form  gescMdekeit  öfter  im  15.  Jahrhundert, 
z.  B.  in  den  Osterlündischen  Novellen  in  den  Altd.  Blättern  I,  143  und 
154;  im  Buch  der  Beispiele  von  Ant.  Phor  36,  26;  36,  38;  109,  21;  in 
Niclas  von  Wyles  Translat.  209,  10;  bei  Johannes  von  Posilge  ed.  Voigt 
S.  342:  is  were  eine  geschtdikeit  und  nicht  eine  vorrichtunge. 

geschlinge,  geschlink,  n.,  kömmt  in  dieser  Schreibung  nicht  erst 
bei  Frisch^  sondern  schon  früher,  im  15.  Jahrh.  vor,  so  in  einer  Ur- 
kunde über  die  Lästerer  oder  Landfleischer  im  Leipziger  Urkunden- 
buche I,  278  (a.  1462) :  also  die  fleischhauwer  sagen,  man  habe  vor  alders 
keyn  geslingk  noch  heuht  noch  ander  kleinott  herynn  zcu  marckte  brengen 
ftorenj^  dunckt  uns  soUichs  dem  gemeinem  nucz  nicht  elich  seyn\  ebenda 
heißt  es  weiter:  also  unser  vorforn  —  irkant,  das  di  lesterer  solliche 
cleinot  also  heubt  geslynckt  unde  ander  kleinot  heryn  haben  mögen  brengen; 
S.  339  (a.  1466):  gesling  heubt  und  andere  cleynot  mögen  die  lesterer  her 
in  füren. 

gestrilppe,  n.,  erscheint  als  gestrüppich  und  gestreupich  um  das 
Jahr  1508  in  den  Weist.  VI,  43. 

geioanthaus,  n.,  findet  man  bereits  im  14.  Jahrhundert,  und  zwar 
in  einer  Nordhäuser  Urkunde,  in  Förstemanns  N.  Mitth.  III,  4,  76 
(a.  1365):  wir  —  willekorn  —  —  daz  nü  noch  nummerme  in  der  — 
nuwenstadt  —  nichein  räthüs  edir  rete  sollen  st  edder  werden,  noch  gewant- 
hüs,  wäghüs  noch  koufhüs. 

geivoge,  n.,  hier  war  wohl  auf  das  mhd.  gewaege  als  Collectivum 
von  wdc  bei  Lexer  Handwb.  I,  971  zu  verweisen;  dasselbe  in  der 
Weltchronik  Rudolfs  von  Ems,  bei  Scherer  St.  Gallische  Handschr.  5": 

dem  äne  wazzer  was    gegeben  nach  genätürter  art  sin   leben   daz 

lag  in,  dem  gewege  tot.  Mitteldeutsch  würde  das  Wort  gewäge  gelautet 
haben, 

gewürz,  n.,  fand  ich  bis  jetzt  am  frühesten  bei  Niclas  von  Wyle 
Translat.  279,  3 :  mit  senf  geseltz  geicürtz  und  sutze  ingemacht  und  beraitet 
und  vil  ander  fremder  spysen.  (15.  Jahrh.) 

gichtbruch,  fem.  bei  Luther  (nicht  masc),  schon  früher  bei  Joh. 
V.  Marienwerder  I,  cap.  28 :  ir  ewirt  was  ein  gochczomig  man  beide  von 
zcüneigunge  smer  nätüren  und  ouch  von  krancheit  der  gichtbroch. 

gelben,  swv.,  im  Sinne  von  „gelb  werden",  wie  es  für  die  mittel- 
hochdeutsche Zeit  vermuthet  worden  ist,  findet  sich  wirklich  bei  Konrad 
von  Megenberg  39,  14:  daz  weiz  in  den  äugen  plaichet  und  gelbet. 


SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHOCHD.  WORTFORMEN         39 

gipfel,  m.,  die  älteste  Stelle,  in  welcher  dieses  Wort  erscheint, 
bietet  bis  jetzt  Oswald  von  Wolkenstein  28,  2,  8:  hoch  auf  dem  gipfd; 
dazu  vergl.  Griseldis,  Apollonius  von  Tyrus  ed.  Schröder  in  den  Mit- 
theilungen der  deutschen  Gesellschaft  zu  Leipzig  5.  B.  2.  Heft,  S.  VIII : 
ain  überhoher  berg,  des  güpfel  raicht  über  alle  wölken. 

gleichförmig,  adj.,  am  frühesten  bei  den  Gottesfreunden  des  14, 
Jahrhunderts  ed.  Schmidt  S.  34:  in  solichem  gltchem  we  und  gltchför- 
migen  übernatürlichen  trucken. 

gleis,  n.,  Radspur;  als  Collectiv  daz  geleise  schon  in  den  Weist. 
I,  761 :  kumet  er  zti  rehteme  geleise  (a.  1310). 

gleisner  und  gleisnerei  erscheinen  schon  vor  dem  15.  Jahrhundert 
mit  eingebüsstem  ch,  so  in  einem  mitteld.  Fragment  des  14.  Jahrh. 
in  Haupts  Ztschr.  XIII,  556,  2:  des  timt  dt  glizenere  nicht  (vgl.  555 
gltzunge)-^  in  Matthias  von  Beheim  Evangelienbuch,  Matth.  6,  2;  23,  13: 
we  aber  iich  — ,  Pharisei  ir  glisnere  (a,  1343)  und  so  15,  16 — 23;  23,  28: 
von  binnen  sit  ir  vol  gltsnerie  und  ungerechtickeit ;  dazu  geltsen  und  ge- 
lisenheit  ebenda  S.  258''  und  ebenso  die  entsprechenden  Stellen  in  der 
mitteld.  Evangelieuübersetzung,  welche  Heinrich  Hoppe  herausgegeben 
hat,  in  Haupts  Ztschr.  IX,  278,  5  und  279,  25  folg. ;  endUch  in  den 
Fundgruben  I,  153,  25:  daz  niden  di  glissenaere  unde  dt  scrtbaere. 

gliedmaß,  n.,  erscheint  außer  bei  Luther  schon  bei  Johannes  Rothe 
in  der  Chronik  cap.  70,  wo  es  nach  dem  von  v.  Liliencron  zu  Grunde 
gelegten  Texte  lautet:  das  ander  (zeichen)  ist  die  üssetzigen,  die  nasse 
unde  mundt  unde  ander  gledermaß  vorlorn  hän,  zu  reynigen  von  yrer 
suche  und  den  die  vorlorne  gledemaß  von  stundt  iveder  zu  brengen:  dagegen 
in  dem  Düringischen  Gedichte  Von  der  stete  ampten  ed.  Vilmar  (=  Von 
des  rätis  czucht)  946:  glich  als  daz  hoübt  me  sinne  hat  Danne  eyn 
ander  gelydemesze,  Also  sal  ouch  ein  furste  me  wesze  (Cod.  wisze),  wo 
man  nach  dem  Reime  zu  schließen  ein  gelidemez  anzunehmen  hat.  Auch 
ist  abweichend  der  Plural  gledemezer  in  den  mitteld.  Predigten  von 
Meister  Eckart  in  Haupts  Zschr.  XV,  419. 

glückselig,  adj.,  hat  sich  bis  jetzt  zuerst  gefunden  bei  Ernst  von 
Kirchberg  719,  29:  der  markgreve  Albrecht,  der  was  geheizin  ursus,  daz 
ist  in  dütschin  bere  genant,  gelückselig  was  her  bekant. 

gnädigen,  swv.,  lässt  sich  auch  aus  dem  12.  und  14.  Jahrhundert 
nachweisen;  es  steht  in  den  Windberger  Interlinearversionen  der  Psal- 
men 24,  14:  herro,  gnädiges  du  {'propitiaberis)  —  lolrdis  du  gnädich  — 
sunte  mtner\  S.  346:  gnädigter,  propitiatus\  Bruder  Hansens  Mar.  1736: 
itzlich  hielt  siin  reten  stiip,   Unfz  got  si  h  hat  genedicht. 


40  KKDOli  I5ECII 

gnätze,  gnetz  =  Schorf,  Hautausschlag,  am  frühesten  bis  jetzt  nach- 
weisbar in  der  Zusammensetzung  gnatzoiige,  vgl.  Hennebergisches  Ur- 
kundenbuch  ed.  Schöppach  I,  uo.  54  (S.  37):  Bertoldus  gnazoge  (a.  1296). 

gnisten,  knistern,  swv.,  „Funken  sprühen  und  so  rauschen";  vgl. 
Virginal  ed.  Zupitza  108,  2:  er  kam  genistert  als  ein  kiel,  der  vert  durch 
wilde  vluote;  ferner  gnilzern  bei  Eberhard  Zersne  in  der  Minne  Regel 
4G14:  spei'  unde  schildir  brächen,  daz  ez  gnyttzirt  ohirlüt. 

grachel,  f.,  „die  lange  spröde  Ahrenspitze"  oder  „Spreu",  scheint, 
wenn  man  nicht  eine  Zusammenziehung  aus  gran  (vergl.  Schröer  Vocab. 
no.  167)  und  achel  (ahd.  ahh\  ahil)  annehmen  darf,  ursprünglich  =  ge- 
rachel,  aus  rechen  =  zusammenscharren,  harken  abgeleitet.  Dagegen 
halte  ich  die  Stelle  in  Herborts  Troj.  6926  {ir  iehceder  tif  den  andern 
stach,  Daz  sie  vielen  uf  daz  grach)  für  verdächtig;  grach  in  der  Be- 
deutung von  „Ährenfeld"  ist  nicht  nachzuweisen.  In  Gotefrid  Hagens 
Eeimchronik  2842  heißt  es:  der  greve  sprach  vp  gerach  ind  zornlichen 
in  ane  saich;  ähnlich  könnte  es  bei  Herbort  1.  1.  gelautet  haben:  daz 
sie  vielen  vf  gerach;  die  Form  gerech  ist  freilich  sonst  bei  letzterem  die 
übliche;  doch  cfr.  Vilmars  Idiot.  311. 

graduieren,  swv.,  tritt  uns  bis  jetzt  zuerst  entgegen  bei  Niclas 
von  Wyle  Translat.  353,  16:  die  gelerten  und  graduwierten  mag  man 
ziechen  nach  dem  und  sy  sint  weltlich  oder  gaistlich. 

grän,  m.  :=  „2y  Karat  bei  Goldgewicht",  nach  den  Mainzer  Münz- 
urkunden schon  für  das  14.  Jahrhundert  nachzuweisen,  vergl.  Würdt- 
wein  Diplom.  Magunt.  II,  184,  2:  oh  eine  rechliche  marg  goldes  odir 
Silbers  die  vermuntzet  wird  an  zweyn  green  oder  do  hy  gebreche  an  dem 
gewichte  (a.  1354);  dasselbe  S.  193,  9;  und  S.  215,  Z.  2  von  unten 
ebenso:  an  czwen  grenen  (a.  1382);  und  227,  31:  ab  eyn  marg  goldes  — 
—  an  zweyn  oder   dryen  green  oder   da   by  grebreche  (a.  1388);  235,  3: 

ein  icliche  gemischte  gewogen  margk sal  holden  XI  loid  und  II  gren 

konigsilbers  und  dar  under  nit,  äne  geverde,  und  die  andern  funff  loid 
mynner  II  grein  sollen  mit  kopper  zügesatzt  loerden  (a.  1398).  In  dem 
Bischofs-  und  Dienstmannenrecht  zu  Basel  von  Wackernagel  §.  8,  10 
steht  dafür  gersten  chorn\  vgl.  die  Anm.  zu  dieser  Stelle. 

gravieren,  swv.,  bereits  bei  Ernst  von  Kirchberg  730,  46:  an  allir- 
hande  capittel  recht  künde  her  in  (=  eiim)  wol  gravieren  siecht. 

greten,  swv.,  „in  weiten  Schritten  aus  einander  spreizen",  zuerst 
bei  Joh.  Rothe  in  den  in  dieser  Zeitschr.  VI,  275  vermerkten  Stellen; 
vergl.  auch  vergreten  bei  Ebernand  340  (ähnlich  338  zergen)  und  Bech- 
steins  Anmerkung  dazu;  außerdem  in  des  Teufels  Netz  7669:  als  tuot 
graten  hnffart,  die  an  den  herren  ist  ain  boesi  art  und  Schmeller-From- 
maun  I,   1015  s.  v.  graten. 


SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHOCHD.  WORTFORMEN.       41 

groll,  m.,  fiude  ich  am  frühesten  in  den  von  Pfeiffer  mitgetheilten 
Sprüchen  deutscher  Mystiker,  in  dieser  Zeitschr.  III,  231":  hap  keine 
vtgentschaft  noch  haz  noch  grollen  gegen  dime  ehenmenschen  (14.  Jahrh.); 
vgl.  widergrullen  bei  Pfeiffer  zum  Jeroschin  280. 

großmüthig,  adj.,  in  den  Predigten  und  Sprüchen  deutscher  My- 
stiker ed.  Pfeiffer  (in  Haupts  Ztschr.  VIII)  257 :  ir  sele  loas  grozmüetig; 
bei  Muscatblut  8,  285:  der  zeente  ist  grozmütich. 

gültig,  adj.,  ist  als  simplex  anzutreffen  schon  bei  Zeibig^  Urkunden- 
buch  von  Klosterneuburg  no.  211  (a.  1324):  si  wurden  zu  rät,  daz  sie 
die  ainen  (batstuhen)  fuder  liezen  gen,  so  wurd  deu  ander  dester  guldiger; 
in  den  Weist.  IV,  623,  Z.  7  von  unten:  hit  giddigeme  körn  der  plüger 
sal  dienen  (15.  Jahrb.);  Weist.  II,  84:   die   heddegiddien  lüde  (a.  1339). 

gurt,  m.,  kömmt  alleinstehend  vor  bereits  bei  Nicol.  von  Jeroschin 
12973:  loen  er  st  ot  gevazzit  vor  zurucke  hatte  in  den  gurt  (:  durt  = 
dort)'^  in  der  Kronika  van  Sassen  ed.  Scheller  228,4:  des  tvard  fil 
manges  rosses  gorde  (:  iuorde)  an  dat  hogesfe  gespannen. 

gürtein,  swv.,  erscheint  schon  im  Anfange  des  15.  Jahrh.  in  der 
niederdeut.  Form  gordeln,  ghordeln  =  accingere ,  in  den  vier  Büchern 
der  Könige  ed.  Merzdorf  S.  3  und  196. 

hälfte,  f.,  dabei  war  zu  verweisen  auch  auf  das  althochdeutsche 
Wort  der  halftanod  bei  Graff  IV,  891  ^=  medium,  dimidium  und  Gramm. 
11^  253;  noch  in  den  Trierer  Interlinearpsalmen  aus  dem  12.  Jahrh. 
101,  25:  in  deiao  halfnote  dage  =  in  dimidio  dierum;  ja  als  femininum 
noch  in  den  Stadtrechten  von  Arnstadt  aus  dem  16.  Jahrhundert,  vgl. 
Pechtsdenkmale  von  Michelsen  I,  S.  62,  1 :  loein  der  in  der  halftnofhen 
dieses  flürs  erioachsen  wehre. 

halle,  f.,  als  „offener  Bau  mit  einem  bloß  auf  Säulen  oder  Pfosten 
ruhenden  Dache,  von  Säulen  getragener  Vorbau",  ist  auch  durch  Bei- 
spiele aus  dem  13.  und  14.  Jahrhundert  zu  belegen:  Urkundenb.  von 
Quedlinburg  no.  54  (a.  1281):  stationes  que  hallen  vulgariter  nuncu- 
pantur;  no.  77  (a.  1310)  duas  domunculas,  que  case,  sed  vulgariter  hallen 
seu  luden  nominantur;  cfr.  Lacomblet  Urkundenb.  II,  220;  Purgoldts 
Kechtsb.  VIII,  35:  darumh  sint  for  den  kirchen  dye  halle;  X,  54;  der 
sali  vor  dy  tliore  treten  ader  under  dy  halle,  dorumh  seyn  dy  hallen  vor 
dy  kyrche7i  gemacht;  und  in  diesem  Sinne  ein  hallhaus,  da  alle  kauff- 
leuth  under  feil  sollen  haben  in  den  Weisthümern  II,  152. 

händler,  m.,  bis  jetzt  am  frühesten  in  den  Weisth.  I,  344  (a.  1397): 
Henni  Hendler,  Hanman  Hendler. 

handwerksmann,  m.,  in  Joh.  Rothes  Rittersp.  3422:  ein  andir  hant- 
icergis  man  und  im  Mitteid.  Schachbuch  236,  18:  em  hantwerkis  man; 


42  FEDOR  BECH 

hantwerkman  aus  dem  14.  Jahrh.  bei  Lexer  Handw.  I,  und  in  den 
Chroniken  der  deutschen  Städte  IV,  145,  16  n.  25  (a.  1368). 

harmonie^  f.,  vgl.  von  armonie  die  Beispiele  aus  dem  14.  Jahrh. 
bei  Lexer  Handw.  I,  95. 

harschen,  swv.,  tritt  am  frühesten  in  der  Form  harsfen  auf  bei 
Nicolaus  V.  Basel  210,  Z.  8  von  unten:  ich  narrt  daz  herin  hemmede 
und  det  es  über  den  verwundeten  lichamen,  das  es  in  den  wunden  ge- 
harsten  solle;  251,  Z.  3  von  unten:  und  dunkel  mich,  das  sü  rehte  hie 
inne  gerätenl  verharsten;  Closener  98,  10:  daz  hohl  lag  vor  den  porten 
und  darunter  verharstet. 

Harz,  ra.,  „das  nördlichste  Waldgebirge  Deutschlands",  ist  in 
dieser  dem  alten  hart  entsprechenden  Form  nicht  erst  neuhochdeutsch 
vorhanden,  sondern  schon  im  Mittelalter  vorkommend,  z.  B.  in  den 
Urkunden  des  Stiftes  Walkenried  I,  no.  176  (a.  1231) :  ctim  foresto 
quod  Harz  dicitur  und  S.  386,  no.  13:  de  silva  qiiae  generaliter  Hartz 
vocatur;  Urkundenbuch  von  Göttingen  I,  no.  140  (ed.  Schmidt):  von 
denie  HaHze  hiz  obir  de  Wesere  (a.  1336);  Magdeburger  Schöppenchron. 
96,  18:  in  dem  holte,  dat  heit  de  hörst  =  in  silva  quae  dicitur  Harz 
beim  Annal.  Saxo;  vergl.  die  Form  haruc  bei  Schmeller-Fromraan  s.  v. 
forst]  —  die  harczherren  erwähnt  im  Hennebergischen  Urkundeub.  I, 
S.  99,  2  (a.  1324). 

haschen,  swv.,  muß  für  das  14.  Jahrh.  schon  vorausgesetzt  werden 
nach  erhaschen,  welches  sich  in   folgenden  Stellen  findet:  Koeditz  von 

Salfeld  86,  29:  der erhaschete  dt  düpinne;  Alte  Statuten  der  Stadt 

zu  Clingen  in  den  Rechtsdenkmälern  von  Michelsen  I,  195:  begriffen 
danne  dye  richtere  daz  swert  bar  erhascht  in  der  hant  (Anfang  des  15. 
Jahrh.);  Eberhard  Zersne  in  der  Minne  Regel  V.  1741:  mit  arbet  unde 
fromikeyd  Saltü  dich  da  nach  stellen,  Daz  sy  erhasche  froyden  cleyd; 
Altdeutsche  Schauspiele  ed.  Mono  103,  39 :  wol  uff  min  ritlere  und  myn 
man,  erhaschet  dy  wäfen  und  tut  sye  an!  (a.  1391). 

hauen;  das  neuhochd.  Präteritum  hieb  (aus  hiu,  hieio  entstanden) 
ist  nicht  erst  im  15.  Jahrh.  aufgekommen,  sondern  schon  weit  älter; 
vergl.  er  hieb  im  Passionale  K.  156,  60;  er  verhieb  267,  39;  467,  96; 
Mb  im  Nie.  von  Jeroschin  22933;  gehib  22421  ^  Mb  (:  Hb)  in  einem 
mitteld.  Gedichte  des  14.  Jahrhunderts  bei  Pfeiffer  in  der  Einleitung 
zur  Deutschordenschronik  des  Nie.  von  Jeroschin  S.  XXVI;  vergl.  hob 
und  heb  in  der  Minne  Regel  4208  und  4234. 

hausier,  m.,  bis  jetzt  am  frühesten  im  Urkundenbuche  von  Arus- 
burg  no.  1095:  Contze  Hane  und  Zule  Huseler,  scheffene  zu  Langisdorf 
(a.  1390). 


8PENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHOCHD.  WORTFORMEN.       43 

heber,  m.,  findet  sich  schon  vor  Stieler  (S.  805)  in  Purgoldts 
Rechtsb.  I,  22:  die  zwene,  der  touffer  und  der  heher  (=  der  daz  kint 
hehlt),  sint  zwene  geistliche  vetir ;  in  einer  Beilage  hinter  Joh.  Posilge  ed. 
Voigt  und  Schubert  (aus  dem  16.  Jahrh.)  S.  401,  Z.  9  und  15:  des 
obels  heher  und  Stifter. 

heger,  m,,  ist  für  das  14.  Jahrh.  schon  belegt  durch  Beispiele  bei 
Haltaus  Gloss.  777. 

heldin,  f.,  tritt  zuerst  auf  im  Passional  K.  648,  42:  dö  si  quam 
Petro  benehen  in  eime  guten  sinne,  si  loas  ein  groz  heldinne,  dö  sprach  er 
u.  s.  w. ;  ferner  noch  bei  Joh.  Marienwerder  im  Leben  der  H.  Doro- 
thea B.  I,  Cap.  15:  welche  eyne  heldyne  sy  was  oher  eren  Uchnam , 

tnag  eyn  mensche  vornemen;  heldinne  aber  im  Pass.  K.  622,  39  scheint 
auf  falscher  Lesart  zu  beruhen. 

herlitze,  f.,  ist  schon  in  alter  Zeit  vorhanden,  wie  die  Erwähnung 
in  den  Weissenauer  Glossen  (Ende  des  10.  Jahrhunderts)  in  den  Altd. 
Blättern  11,211  zeigt:  cornus,  harlezhoum;  das  Wort  steht  auch  in  den 
Leipziger  Glossen  (aus  dem  Anfange  des  13.  Jahrhunderts)  im  An- 
zeiger von  Mone  IV,  S.  94:  optus  harlzhoum\  es  wird  ohnehin  dasselbe 
sein  was  arlizhotim  oder  erlizboum,  unter  dem  auch  cornus  verstanden 
wurde,  vergl.  Graff  III,  118.  Daß  Spätere  die  Wörter  arlitzber  und  a/'- 
lizhoum  bald  als  Crataegus,  bald  als  sorhus  fassen,  spricht  durchaus  nicht 
gegen  die  Identität  von  arliz  und  harliz. 

himten,  m.,  findet  sich  auch  bei  Ernst  von  Kirchberg  724,  44:  si 
gabin  da  ses  maz  von  körne,  und  achte  maz  von  havergelde,  daz  maz  in 
dütschem  ich  hy  melde,  hemete  ist  daz  maz  genant;  und  in  einer  hallischen 
Urkunde  vom  J.  1272  bei  Dreyhaupt,  Beschr.  des  Saalkr.  I,  815:  sex 
mensuras  tritici  et  totidem  ordei,  que  heymetzen  Hallenses  vulgariter  ap- 
pellantur.  In  Zeitzer  Urkunden  des  15.  bis  16.  Jahrh.  lautet  das  Wort 
heimbzen,  heimzen,  heymitzen,  heynitzen,  hennitzen]  jetzt  hört  man,  aber 
selten,  noch  hinzmoß. 

hohle,  als  femin.,  ahd.  holz,  erscheint  md.  im  14.  Jahrh.  als  Berg- 
mannsausdruck =  „halbrund  ausgehauener  Baum,  Trog  von  einem 
gewissen  Maße"  (vergl.  Frisch  I,  462"  und  Adelung),  in  den  Alten  Ge- 
setzen von  Nordhausen,  N.  Mitth.  III,  4,  64:  item  tver  da  kalk  hörnet 
am  Konsteyne,  dt  sal  ixlichs  jär  io  von  der  rösen  geben  eyne  holen  kalk', 
in  den  späteren  Statuten  aus  dem  15. — 16.  Jahrh.  nach  dem  Sonder- 
abdruck S.  65:  man  sal  ouch  dy  kalgk  hole  püssen  (außerhalb)  der  stat 
nicht  vorigen;  aber  auch  in  dem  von  Haupt  herausgegebenen  Stück  aus 
Enenkel,  Zeitschr.  V,  290,  808:  ich  hän  üz  einer  hole  gesehen  valken 
vliegen  und  812:  üz  der  hole  her,  wenn  hier  nicht  die  Form  hole  auf 
ßechnung  des  Schreibers  zu  setzen  ist. 


44  FKDÜR  KECJI 

ÄW5a,  hussa,  Interjectiou,  wol  dasselbe,  was  schon  das  mitteld. 
hossä  bei  Konrad  Stolle  Chron.  IH**:  hossä  hossä  duz  laut  ist  den 
Bossen!  vergl.  auch  das  Zeitwort  hossen  bei  Lexer  Handw.  I,  1345. 

inh-nnst,  f.,  am  frühesten  bis  jetzt  bei  Oswald  von  Wolkenstein 
105,  4,  2:  die  vjeishaü  gots,  veimuft  und  kunst,  Gotlicher  rät,  gots  sterlc, 
inhrunst,   Gotliche  vorcht,  gotliche  kunst,   Gotlich  lieh  guot  nie  kande. 

incorporieren,  swv.,  schon  im  14.  Jahrhundert,  vergl.  die  Gottes- 
freunde von  C.  Schmidt  S.  37:  er  incorporierte  die  sancte  Kattermen 
capelle  in  unserre  frouioen  munster;  bei  Dreyhaupt,  Beschreibung  des 
Saalkr.  II,  877:  dy  kirche  zv  Amendorf,  dy  hir  voi'mäls  was  yn  gecor- 
poriert  und  gehoii.e  zu  Rodewelle  yn  (a.   1394). 

indig,  m.,  lautet  am  Ende  des  Mittelalters  endit,  vergl.  Lexer 
Handwöi't.  s.  v. 

infein,  swv.,  bereits  im  Passional  K.  580,  75:  der  hischof,  der 
schone  man,  Den  er  geinfeit  komen  sach. 

insgemein,  adv.,  vergl.  Joh.  Marienwerder,  Leben  der  H.  Dorothea 
11,  31:  einem  menschin  mögen  nicht  in  daz  gemeine  uf  eine  zeit  sine  ougin 
hrechin  kegin  allen  dingen  (noch  vor  1417);  dazu  in  die  gemaine  im  J. 
Titurel  5233,  1. 

inskünßige,  adv.,  vgl,  Pass.  K.  437,  56 :  -sin  edel  müt  hiez  in  nicht 
gutes  inlegen  und  in  daz  kumftige  hegen. 

instanz,  f.,  erscheint  bereits  in  der  Glosse  zum  Weichbildrecht 
cd.  Daniels  und  Gruben  S.  191,  23:  ir  sollit  merken,  sollichir  instancien 
hette  er  icol  icare. 

inioohnerin,  f.,  am  frühesten  bis  jetzt  bei  Meister  Eckhart  414,  7: 
diu  sele  vergizzet  aller  bilde  unde  formen  unde  tcirt  ein  imconerinne  mit  gote. 

caland,  ra.,  öfter  erwähnt  in  einem  Gedichte  des  Pfaflfen  Kone- 
mann  aus  dem  13.  Jahrh.,  theilweis  herausgegeben  von  Schatz  in  dem 
Programme  des  Gymnasiums  zu  Halberstadt  a.  1851 ;  in  dem  Urkundenb. 
von  Göttingen  ed.  G.  Schmidt  I,  S.  88,  35  werden  de  kalandesherren 
von  Gotingen  (a.  1325)  und  in  dem  Urkundenbuche  von  Mühlhausen  ed. 
Herquet  die  kalendeshrüder  und  ere  metekalendeshrüder  (a.  1343)  genannt. 

karawane,  f ,  dasselbe  Wort,  welches  schon  in  dem  Ordensbuche 
der  Brüder  vom  Deutschen  Hause  vorkommt  in  der  Form  carvane, 
swm.  (13.  Jahrh.)  =  Kriegsbagage,  schweres  Gepäck  und  2.  der  Ort 
und  das  Haus,  wo  solches  aufbewahrt  wird,  nach  Hennig  im  Glossar 
zu  den  Statuten  des  deutschen  Ordens  S.  252.  Vergl.  S.  64,  cap.  19 
ed.  Schönhuth :  ?t&e7'  daz  sol  er  den  caruanen  von  den  pf erden  unde  mülen 
unde  harnasches  etelicheme  [der  hrüderej  die  vnder  ime  sint  hevelen  zu 
hehütene  vlizecUche;  S.  65,  cap.  21:  daz  er  den   carvanen  (bei  Hennig: 


SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHOCHD.  WORTFORMEN.        45 

^671  caruenen)  unde  die  anderen  dinc  die  zu  deme  ambete  des  marschalkes 
gehorent  hezzere  unde  vurdere;  S.  66,  cap.  22;  müle  unt  -pfert  von  deme 
cwvane  die  mac  er  Wien:  S.  70,  cap.  36:  der  schiltknechte  meister  mac 
von  deme  carvane  gehen  eime  hrüdere  einen  satel)  ferner  Joh.  Marien- 
werder;, Leben  der  H.  Dor.  lib.  II,  cap.  7:  das  ich  küme  mochte  geen 
US  der  kirche  in  im  /sc.  der  Carthüser  hy  Gdantzk]  karban  in  eyn  ge- 
mach. Außerdem  sind  zu  vergleichen  über  die  danach  benannten  kar- 
wens-,  karbis  ,  karbs-herren,  welche  die  Aufsicht  über  den  karioan  führten^ 
sowie  über  die  karbishöfe  die  Anm.  zu  Johannes  Posilge  ed.  Voigt  S.  182 
und  Scriptores  rer.  Prussicarum  III^  287. 

karnöffel,  karnilffel,  m.,  als  Kartenspiel  näher  behandelt  in  einem 
Gedichte  aus  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  :  ein  suberlich  hofflich  spruch 
von  dem  spiel  karnqffeltn,  bei  Fichard  Frankf.  Archiv  III,  293  folg., 
wo  die  Spielkarte  wiederholt  das  karnöffeUn  genannt  wird  (im  Reime 
auf  lom  und  sin). 

karthäuser^  m. ;  mit  der  heutigen  Schreibung  stimmen  Stellen  in 
dem  Urkundenbuche  von  Freiburg  ed.  Schreiber  I,  S.  364:  dem  prior 
und  den  bruodern  der  karthüser  und  des  karthüserordens  (a.  1346)  und 
djie  karithuser  S.  372  (a.  1347),  sonst  die  karitüser  S.  367  u.  369  u. 
374;  bei  Jacob  Tw.  von  Königsh.  ed.  Schilter  S.  228:  h-obst  Felix  der 
wart  carthüseler. 

käsekorb,  m.,  gehörte  schon  dem  14.  Jahrhundert  an,  wie  aus  dem 
Eisenachischen  Rechtsbuche  ed.  Ortloff  ze  ersehen  ist,  III,  4  (S.  703): 
ein  iczlich  ding,  dt  do  geneilt  sint  und  gewet,  di  enhoren  doch  zcum  hüse 
nicht,  also  kesekurbe  und  kesehret;  Rechtsbuch  nach  Distinctionen  II, 
1,  231:  alle  gehangen  dele  zcu  kesen  noch  kesekorbe  gehorn  ouch  nicht  zu 
deme  hüse. 

kauffahrt,  f.,  aus  welchem  Worte  kauffartei  hervorgegangen,  findet 
sich  zuerst  in  dem  Magdeburg-Görlitzer  Recht  bei  Gaupp,  Das  alte 
Magdeb.  und  Hallesche  Recht  S.  293:  Ist  daz  ein  man  befevart  oder 
koyfvart  varen  toil  büzen  landes  (a.  1304);  ebenso  im  Sächsischen  Weich- 
bildrecht ed.  Daniels  und  Gruben  137,21. 

kauz,  m.,  für  das  höhere  Alter  des  Wortes  spricht  der  Zuname 
Kitz  in  dem  Urkundenb.  von  Arusburg  no.  464  (a.  1316):  Conradum 
dictum  Kuiz  und  no.  540  (a.  1321):   Conrado  dicto  Küze. 

keinesicegsy  adv.,  in  einer  Habsburgischen  Urkunde  vom  Jahre 
1387  in  den  Beiträgen  von  Kurz  und  Weissenbach  I,  148,  Z.  11;  Weist. 
V,  69,  Z.  6;  deheines  iveges  in  den  genannten  Beiträgen  I,  141,  Z.  6 
(a.  1364);  Weist.  V,  85,  Z.  12  (a.  1343);  S.  87,  §.  3;  S.  88,  Z.  6. 


46  FEDOR  BECH 

kelleret,  f.,  schon  in  den  Weisthümcrn  IV,  196:  uf  der  kellerige 
Wasser  (a.  1456);  noch  älter  kelnerie  im  Hennebergischen  Urkundenb. 
III,  57,  40:  üz  xinsir  kelnerie  (a.  1366)  und  in  der  Zeitschr,  des  Vereins 
für  thür.  Gesch.  IV,  317:  das  zcu  Urkunde  habe  ich  der  kelnereye  sigil 
an  disen  briejf  gehangen  (a.  1395). 

kerhe,  f.,  wird  bereits  erwähnt  in  einem  hüchelm  daz  da  rät  gibet 
wider  den  hrant  der  gehüioede  (aus  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts),  ab- 
gedruckt in  Espes  Beriebt  an  die  Mitglieder  der  deutschen  Gesellschaft 
aus  dem  J.  1839,  S.  9:  se  machen  de  vndersten  czigele  vnden  an  deme 
dache  mit  kerben,  also  das  sich  de  czigele,  dy  obene  legin,  gehalden  mögen 
an  den  vndersten;  S.  11:  man  mache  de  balken  alle  daß  si  eyn  luenigh 
langher  syn  eynes  halben  fuszes  da  man  kerben  yn  mache  umme  imd  umme 
dar  das  gebüicede  glich  vnd  veste  ujfe  ste;  vergl.  Haupts  Zeitschr.  XVII, 
33,  707,  wo  vielleicht  kerben  statt  kerbere  zu  lesen  ist.  Im  Mitteid. 
Schachbuche  213,  21  (a.  1355)  findet  sich  dafür  die  Form  karp,  stm.; 
außerdem  kerphe  in  einer  Urkunde  vom  J.  1327  bei  Schreiber,  Ur- 
kundenb. von  Freiburg  I,  277 :  wir  süllen in  irem  loassere  enkein 

kerpfen  noch  wuor  machen;  endlich  Kerbholz  kömmt  bereits  im  14.  Jahr- 
hundert vor  bei  Lambert,  Die  Rathsgesetzgebung  von  Mühlhausen 
S.  53:  win  koitfen  in  geselleschaft  vff  kerueholze  zu  trinkene. 

kleinmüthig,  adj.,  ist  mittelhochd.  schon  vorhanden,  und  zwar  bei 
Konrad  v.  Megenberg  45,  2 :  wer  sein  augöpfel  her  für  pauzend  hat  mit 
der  ganzen  groezen  der  äugen,  der  ist  klainmüetig ;  in  der  Hohenfurter 
Benedictinerregel  48,  17  (vergl.  die  Var.) ;  im  Buch  der  Beispiele  25,  1 ; 
24,  26;  bei  Niclas  von  Wyle  Translat.  243,  24:  247,  9. 

kleinschmied,  m.,  zeigt  sich  bis  jetzt  am  frühesten  in  einer  Urkunde 
von  1215  bei  Böhmer,  Urkundenb.  von  Frankf  S.  23,  Z.  6  von  unten: 
Conradus  et  Wilhehnus  confratres  dicti  Cleinesmide',  in  einer  Jechaburger 
Urkunde  vom  J.  1395  bei  Würdtwein  Diplom.  Magunt.  I,  195:  dry 
ackere  kegen  deme  sülzenboi'n  by  Frizen  cleinsmedes  ackeren  gelegen;  im 
Anzeiger  für  Kunde  IH,  Jahrgang  1856,  S,  274:  hüfsmede,  goltsmede, 
meßirsmede,  kleynsmede,  phansmede  (düringisch  aus  dem  14. — 15.  Jahrh). 
Bei  den  Brüdern  vom  deutschen  Hause  St.  Marien  gab  es  im  13.  bis 
14.  Jahrh.  auch  eine  kleine  sniitte  nach  dem  Ordensbuch  ed.  Schönhuth 
S.  64,  19  (:=  S.  176,  20  ed.  Hennig):  under  deme  marschalke  sol  ouck 
sin  daz  satelhüs  unde  die  deine  sniitte;  S.  67,  26  (=  S.  180,  28  ed. 
Hennig) :  also  mac  ouch  der  commendür  von  deme  satelhüse  unde  von  der 
deinen  smiden  nemen  swes  er  zu  ime  selben  bedarf;  S.  71,  38  (=  S.  187,  40 
ed.  Hennig) :  der  brüder  von  der  deinen  smitten  sol  den  brüdern  wider 
machen  ir  zoum  oder  stegereife  oder  sporne  u.  s.  w. 


SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHOCHD.  WORTFORMEN.       47 

klingklang,  m.,  der  Ansatz  zu  diesem  Worte  schon  in  einem  Ge- 
dichte des  14.  Jahrhunderts,  in  v.  d.  Hagens  GAbenteuern  II,  619,  238: 
tvsent  harpfen  klingen  klanc  (:  danc)  waeren  niht  so  siieze  (=  Altd.  Wälder 
II,  78,  244). 

klotz,  m.  und  n.^  finde  ich  in  der  Bedeutung  von  Kugel,  Geschütz- 
kugel, und  zwar  als  Neutrum  mit  dem  Pluralis  klotzer,  namentlich 
hliklotzer,  schon  in  einem  Frankfurter  Verzeichnisse  aus  dem  Jahre  1391, 
vergl.  Böhmer  Urkundenb.  von  Frankfurt  S.  766  u.  767  u.  768,  wo  es 
wiederholt  heißt  ///  bussen  (Büchsen),  XXX  kloczer,  oder  III  hüssen, 
XXX  hly kloczer. 

knicken,  sw.,  als  Intransitivum  schon  in  den  Liedern  Muskatbluts 
ed.  Groote  75,  8 :  cristenglauh  vnd  daz  recht  get  knycken  uff  der  steltzen. 

kolter,  n.,  Pflugmesser,  war  schon  vor  dem  17.  Jahrhundert  in 
einigen  Gegenden  Deutschlands  eingebürgert,  vergl.  Weist.  11^  538:  das 
achte  ey  sol  der  scholtess  mit  einem  kolter  von  einander  haioen;  589:  das 
fumfft  ey  soll  der  gehöber  hart  sieden  oder  broden  und  uff  die  husschwelle 
legen  und  mit  einem   kolter  zerschlagen;  587:  so  weith,   als  er  mit  einem 

kolter von  dem  schorrenstein  von  sich  loerffen  kan]  597,  Z.  6:  man 

soll  für  sein  dhür  an  dem  gadder  ein   heissen   kolffter  (?)  leggen,    und  so 

weit  damit  geworjfen  kunt  werden ,  soll  man  dass  gericht  stellen;  726: 

dat  echte  ei  sal  si  im  up  den  durpell  leggen,  dat  stdlen  si  mit  dem  kolter 
van  ein  andern  houwen  (a.  1413). 

köstlichkeit,  f.,  bereits  vor  dem  15.  Jahrh.  im  Karlmeinet  386,  36 : 
he  enloch  neit,  de  e  geseide  de  kostelicheit  van  dem  gereide. 

kötze,  f.,  „geflochtener  Rückentragkorb"  schon  in  Job.  Rothes 
Chron.  Cap.  437:  so  koufte  her  einen  esil  unde  vaste  den  kram  in  zioü 
kotzen  unde  treib  on  von  eime  lande  in  das  ander. 

kribbeln,  swv.;  erwähnenswerth  ist  hier  noch  Eberhard  Zersne, 
insofern  er  am  frühesten  die  niederd.  Form  des  Wortes  aufweist, 
V.  4193:  her  tzetterte  myd  den  backen,  Van  rechten  tzoime  wart  her  bleych, 
Ez  krebbelte  ym  in  dem  nacken. 

krüger,  m.,  Bierwirth ,  als  Zuname  schon  vor  dem  15.  Jahrh.  im 
Hennebergischen  Urkundenbuch  I,  65,  32:  honum  Alberti  dicti  Krüeger 
(a.  1316);  in  einer  obersächsischen  Urkunde  bei  Espe,  Bericht  vom 
J.  1845  an  die  Mitglieder  der  deutschen  Gesellsch.  S.  11:  ouch  sullen 
al  unse  richtere  und  crügere,  die  in  unseni  lande  gesezzen  sint,  sweren  uff 
dissen  brieff  (a.  1358). 

küfer,  m.,  bereits  in  dem  alten  Recht  der  Stadt  Straßburg  er- 
wähnt aus  dem  13.  Jahrh.  bei  Gaupp,  Deutsche  Stadtr.  des  Mittel- 
alters I,  59'':  die   kiifere  =  qui  faciunt   vasa  vinaria  und  77'':  cuparii,. 


48  FEDOR  \mcu 

die  kuofere  (Hndschr.  koufcre),  und  91:  kueßer  (a.  1263).  Vergl,  die 
Altd.  Dichtunjifen  von  Meyer  u.  Mooyer  46,  140 :  sin  sprach^  ge  zu  dem 
kneffer,  der  leit  dir  ein  reiß  dar  vmb. 

kuppelei,  i,  dafür  bei  Hans  Folz  in  Haupts  Zeitschr.  VIH,  540, 
109  kupplerei. 

kuftel,  im  Plural  kutfeln  =  Eingeweide,  lässt  sich  mitteldeutsch 
schon  aus  dem  Jahre  1308  nachweisen,  und  zwar  aus  den  Alten  Ge- 
setzen von  Nordhausen  in  Förstemanns  N.  Mitth.  HI,  2,  13  (61):  ivaz 
huze  man  vortcerkit  an  dem  vleische,  di  vortoerken  dt  an  den  kofelen,  di 
kotelen  seilen;  ferner  von  den  kotelern  ^=  di  kofeln  seilen  IH,  3,  48  (19); 
aus  dem  14.  Jahrh.;  —  kutelhof  im  Urkundenbuch  von  Leipzig  I,  38, 
no.  62:  vier  steine  unsleides,  die  man  alle  jär  gehen  sal  dem  clöstere  zcu 
der  Celle  uz  dem  kuttelhove  zcu  Lipczig  (a.  1362). 

laden,  m.,  mittelhochd.  lade,  im  Sinne  von  Kaufladen  schon  im 
Stadtrecht  von  Meran  (a.  1337)  bei  Haupt  Zeitschr.  VI,  420:  üf  dem 
laden  verkaufen ;  414:  sine  koufmanschaft  veile  haben  hie  vw  üf  stnem 
laden;  416:  daz  hrot  sol  man  after  des  niht  verkaufen,  sicaz  des  ist,  ez 
habe  der  beche  uf  der  (?  lies  dem)  laten  oder  inrehalben  des  laden;  im 
Stadtbuch  von  Augsburg  ed.  Meyer  S.  45 :  ez  sol  auch  kain  rintschühsfer 
ze  sträzze  mit  tischen  stän,  wan  an  dem  fritage;  in  smem  hüse  unde  uf 
sime  laden  unde  ze  gesatzten  kristensteten  mag  er  alle  tage  stän  (a.  1276) ; 
bei  Konrad  von  Ammenhausen  nach  der  Zofinger  Hndschr.  168*:  ztoei 
stigleder  —  die  henkt  er  {der  sateler)  veile  uz  für  sin  gaden,  Da  eft^  inne 
icürket  an  dem  laden-  —  als  Femininum  steht  es  in  dem  Rechtsbuch 
nach  Distinctionen  V,  9,  15  ed.  OrtlofF:  von  dei'  cremer  sellunge  rede  ich 
nicht  fei,  tcen  sunderlich  in  dene  steten,  do  sy  von  willeckor  unde  von 
irsaczten  rechte  oren  gemeinen  gesiez  haben  durch  eyne  gassze,  do  sullen 
alle  laden  eyne  keyn  der  andern  sten\  inivert  unde  uszward  an  den  ecken 

sal  keyne  lade  stän;  und  in  Weist.  HI,  779:  man  mach dem  beckei' 

all  die  weck  nemen  uff  der  laden  von  dem  gegadt  die  da  bruchig  sin 
(a.  1456).  In  der  Bedeutung  von  Fensterladen  steht  es  in  dem  Rechts- 
buch nach  Distinct.  II,  1,  166:  alle  laden  unde  fenster,  ysern  unde  hulczern^ 
angehangen,   gehören   zcu   deme   hüse.    Ob    der  Dativ  Plur.  leden  in  den 

Chroniken  der  D.  Städte  II,  312,  5  {der gab  teglich  prot  und  speis 

zu  den  leden  dem  volck  hinauß)  von  lade  und  nicht  vielmehr  von  daz 
let  =  lit  abzuleiten  ist,  scheint  mir  fraglich.  Letzteres  bezeichnete  nicht 
bloß  den  gelenkartig  eingefügten  Deckel  an  einem  kojpf  (Becher)  oder 
napf  (Flore  1579,  Schmeller  II,  438,  Schöpf,  Tirol.  Id.  389);  Weist. 
I,  529 :  drei  loeibecher,  der  sollen  zicen  Hede  haben  und  dei-  drit  kein  liedt ; 
vergl.  Stieler  1121  kannenliet,    krugliet;    an   einer  Truhe,  Kellers  Erz. 


SPENDEN  ZUR  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHOCHD.  \YORTFORMEN.       49 

389^  12:  lif  der  trüJien  lit  (:  mit)\  an  einem  Kasten  (Kiste^  Lade),  Sach- 
sensp.  I^  24,  3:  kästen  mit  upgehavenen  leden  (gewölbten  Deckeln)  und 
ebenso  in  den  daraus  abgeleiteten  Rechtsbüchern;  raan  nannte  so  auch 
Klappen,  Läden,  Ladentische,  kleine  Thüren,  insofern  dieselben  in 
Angeln  gehen,  sich  gliedartig  bewegen,  auf-  und  zugeklappt  oder  hinauf 
und  heruntergelassen  werden  können.  Ganz  besonders  heißen  in  niederd. 
und  mitteld.  Gegenden  so  die  Tische,  auf  welchen  Fleischer,  Bäcker 
und  andere,  auch  Höker  ihre  Waaren  feil  boten,  insofern  sie  in  Angeln 
giengen  und  von  oben  nach  unten  sich  aufklappten,  mochten  sie  nun 
am  Hause  in  der  Fenstergegend  oder  an  der  Krambude  angebracht 
sein;  vergl.  Ui'kundenbuch  von  Fraukf.  ed.  Böhmer  S.  201:  in  trihus 
tuguriis  seu  fenestris  quae  dicuntiir  lide  (a.  1280);  Urkundenbuch  von 
Göttingen  ed.  G.  Schmidt  I,  S.  285:  we  ok  eyn  led  ghände  heft  üt  sineme 
hüs  eder  hoden,  dar  M  veyle  wäre  uppe  heß^,  schal  gheven  van  deme  lede 
6  Gott.  d.  to  tinse;  deyt  he  aver  sin  led  to  unde  nehefi  dar  neyne  veyle 
icare  cett.  (um  1375);  Walch,  Verm.  Beiträge  H,  103  (=  Alte  Geraische 
Statuten! :  der  fleischhauer  mag  das  finnig  fleisch  am,  Sonnabend  wol  feil 
haben,  doch  also,  daß  er  solch  f.  fleisch  vorn  auf  die  lith  lege  und  ein 
loeis  tüch  dar  under;  ZAvickauer  Kramerordnung  vom  Jahre  1348  (bei 
Espe,  Bericht  vom  J.  1848)  S.  31 :  daz  keiner  der  hy  wassir  unde  weide 
suchet  weder  uf  dem  markte  noch  vor  den  brüdeim  noch  zu  kirchen  sten 
sol  wen  under  den  cremern,  diivile  ein  cräm  oder  ein  lyt  irgent  ledic  ist', 
und  ebenda:  ouch  ist  recht,  daz  keine  lyt  mer  sullen  sin  an  den  ecken 
wen  ein,  daz  üz  dem  seibin  cräme  get,  der  an  der  ecke  lyt,  daz  sol  an 
beiden  orten  sin  der  cremer;  in  einer  Wittenberger  Urk.  vom  J.  1358 
(bei  Espe,  Bericht  von  1845)  S.  9:  ouch  sal  nymant  gewant  swden,  er 
enhab  eyn  lit  in  deme  koufhüse;  ebenda,  in  einer  Urk.  von  1354,  ist 
von  einem  lettins  =  litzins,  Ladenzins  die  Rede;  die  Alten  Gesetze 
von  Nordhausen  (Förstern.  N.  Mitth.  III,  2)  41,  221 :  nichein  unser  borger 
eder  borgerinne,  dt  da  phlit  heringe  zu  sellene,  sal  nicheinen  her  ine  vor- 
coufe  an  der  sträze  uf  tische  edir  uf  banke,  wen  uf  slme  eigenen  lefe; 
Michelsen,  Rechtsd.  aus  Thüringen,  4,  403  (aus  dem  Gerichts ouche  des 
Rathes  zu  Erfurt,  a.  1482  —  92):  nachdem  die  meistere  des  hanticerckes 
der  kannengiesser  dem  selben  Heinzen  Beynhüsen  syne  lede  zcügethän  und 
auch  ettliche  kannen  gephant  hatten,  so  sollen  sie  yne  syne  lede  loider  vff- 
thün.  Eine  Tliür  oder  Klappe  an  Schweinkoben  sowie  an  Ofen,  selbst 
an  Hosen  heißt  in  Düringen  und  im  sächsischen  Osterlaude  heutiges 
Tages  noch  das  led,  das  sauled,  das  üfenled,  das  hüsenled.  Außerdem 
ist  hierher  zu  ziehen  fensterlet  bei  Job.  Rothe  Chronik  Cap.  42:  mit 
gülden  thoren  unde  vensterleden  (so  auch  Cod.  Gothan.)  sowie  bodenled  = 

GERMANIA.  Neue  Reilie  YIII.   (XX.  Jalirg  )  4 


50       F.  BFX'H,  SPENDEN  Zr^R  ALTERSBESTIMMUNG  NEUHD.  WORTFORMEN. 

liölzcncr,  in  Angeln  gehender  Fensterladen  an  der  Bodenluke  bei  Vil- 
mar  Id.  240  und  heimlet  =  Klappe  am  Visier  des  Helmes  in  den 
Scriptores  rer.  Pruss.  V,  329  (a.  1518).  Ganz  dieselbe  Bedeutung  hat 
endlich  noch  lit  (lied)  in  dem  heutigen  augenlied,  welches  mittelhochd. 
schon  im  Gebrauch  war,  vergl.  ougelit  bei  Lexer  Handw.  II,  186.  Die 
alte  Sprache  unterschied  sonst  zwar  zwischen  Mit  =  operculum  und 
lit  (lidf  lidh)  =  artus;  es  scheint  aber  schon  früh  eine  Verwechselung 
oder  Vermischung  beider  eingetreten  zu  sein.  Im  Neuhochd.  ist  die 
Bedeutung  von  lit  oder  let  grade  zu  auf  laden  übergegangen. 

lader,  m.,  bringt  in  der  mitteld.  Form  ledere  schon  eine  Willkür 
vom  J.  1454  im  Urkundenb.  von  Leipzig  I,  248,  Z.  4:  man  sal  kein 
centener  gut  nicht  aheladen,  es  sy  eins  hurgirs  addir  eins  gastes,  efi  thnn 
denne  dy  gesicornen  ledere. 

lagerhier,  n.,  wird  in  einem  Zeitzer  Handelbuche  aus  der  Zeit  des 
Bischofs  Dietrich  schon  erwähnt,  fol.  119":  es  sy  eyn  altherkomen  vnd 
geiconheit,  loer  da  prüwet  in  einer  andern  gassen  adir  vierteill  dan  da  er 
inne  icont,  der  sali  sine  lagirMr  adir  hir  in  keines  andern  mannes  hüß 
nicht  legen  lassen  an  laub  und  ivissen  des  rätts  (a.  1469). 

ladstock,  m.,  ist  neuhochd.  Benennung  für  das  frühere  ladeisen, 
ladeysen,  mehrmals  aufgeführt  in  Böhmers  Urkundenb.  von  Frankf. 
S.  766—767  (a.  1391);  vergl.  lad-iser  bei  Lexer  Handw.  I,  1812. 

lake,  f.,  am  frühesten  in  Mitteldeutschland  bei  Hermann  von 
Bybera  (Kirchhoff,  Weist,  von  Erfurt)  57,  41 :  de  piscibus  qui  iacent  in 
der  lake  (a.   1332). 

längs,  als  Präposition  mit  dem  Acc,  finde  ich  schon  in  einer 
Kölner  Urkunde  aus  dem  J.  1340  bei  Höfer,  Auswahl  335,  Z.  9 :  lanfks 
dey  gregt  zu  Henderholts  Hoveioart  und  Zeile  12:  lancks  dat  bi'uch  ende 
tuschen  der  santstraesen ;  ferner  in  einem  Weisthum  von  Deuz  aus  dem 
J.  1386  bei  Grimm  III,  4,  Z.  31:  längs  den  stein  und  S.  5,  Z.  3:  lang^ 
dat  Boecholtz. 

lankioirig,  adj,,  habe  ich  in  der  Form  lancioerig  gefunden  in  den 
Anmerkungen  von  Schilter  zu  Jac.  v.  Königshofen  S.  913:  ir  lancwerige 
großmehtige  kriege  (15.  Jahrh.)  und  in  einem  Pförtener  Briefe  vom  J. 
1503  bei  Schöttgen  und  ICreysig,  Diplom.  Nachlese  II,  465:  geczennke, 
darynne  sie  ettwann  langiverig  gestanden. 

larifari,  leeres  albernes  Gerede,  halte  ich  für  eine  Entlehnung 
aus  dem  Italienischen;  vergl.  Fichard,  Frankf.  Archiv  III,  204:  Da 
sungen  sie  die  messe  terrihilis  La  re  fa  re  ut  in  excelsis  Bisz  an  das 
graduale:  Liebe  swester  habe  dir  das  zu,  dieszem  male! 


NOLTE,  EINE  RELIQUIE  VON  HEINRICH  AEGER  AUS  CALCAR.  51 

larve,  f.,  erscheint  schon  in  den  Salfeldischen  Statuten  (14.  Jahrh.) 
bei  Walch,  Beitr.  I,  22  und  68  als  Überschrift:  wer  in  den  larfen  leuffet 
(vergl.  Purgoldts  Rechtsbuch  IX,  109:  daz  man  —  —  in  der  kyrchen 
nickt  mit  larffen  lawße). 

lässig^  adj.,  schon  früh  im  Mitteid.  vorhanden,  wie  man  nun  aus 
der  Hohenfurter  Benedictiuerregel  ersieht,  48,  43:  swer  so  versümich 
ist  und  so  lazcic,  daz  er  nit  wil  oder  enmach  nit  trachte  oder  lese. 

läusekrautj  n.,  findet  sich  zuerst  bei  Konrad  von  Megenberg  420,  16: 
Staphisagria  haizt  perchkicher,   und  haizent   etleich  läuskraut  mit  urlauh. 

verlautharen,  swv.,  bei  Daniels  und  Grruben  in  der  Glosse  zum 
Sachs.  Weichbildrecht  422,  31 :  icere  er  aber  ynlendisch  geivest,  und  hette 
das  nicht  verlütbart  yn  jare  tind  yn  tage. 

laute,  f.,  doch  schon  im  Evangelium  Nicodemi,  bei  Roth,  Kl.  Bei- 
träge IV,  Heft  16 — 17  (a.  1865),  S.  53,  V.  69:  paide  zimbel  unde  trum- 
hen,  cythara  und  ouch  zitolen,  psalterium,  iceische  violen  daz  chobus  (?  lies 
chorus  =  sacpfife  nach  Diefenb.  153'')  mit  der  lauten,  paide  tamhüren 
und  die  pauken  (?  lies  hauten,  hCden). 

lehne,  f.,  die  Bache,  am  frühesten  wohl  in  der  Zusammensetzung 
lyenenbusch  im  Urkundenb.  von  Arnsburg  no.  811  (a.  1354);  Vilmar 
Id.  242. 

liederlich,  adj.,  tritt  schon  vor  1400  auf,  im  Reinfried  V.  4917 
und  16381. 


EINE   RELIQUIE   VON   HEINRICH   AEGER   AUS 

CALCAR. 


Der  ehemalige  Kölner  Karthäuser  Codex  3.  133  trägt  in  der 
Darrastädter  Hofbibliothek  die  Nummer  819.  Ich  theile  aus  ihm  nach- 
stehendes Stück  mit,  welches  den  Karthäuser  Mönch  Heinrich  Aeger 
zum  Verfasser  hat,  über  den  ich  in  der  Wiener  Ztschr.  für  die  ge- 
sammte  kathol.  Theologie  1855  Bd.  7  Heft  2  S.  195  folg.  ausführlich 
gehandelt  habe. 

fol.  139  vers.  Wan  die  sele  bloesz  ist  und  ledig  aller  dinge,  so 
wirket  got  alle  werk  in  ir.  Die  sele  sal  also  bloez  und  ledig  sin  aller 
dinge  und  also  in  got  vereyniget  sin,  daz  sie  sal  duncken,  daz  nit  en  sy 
dan  eyn  got,  und  daz  er  nye  me  geschufi'e  dan  sye  alleyn.  Alsus  sal  die 
sele  al  ir  kreflfte  samen  in  iren  frihen  willen,  daz  si  ungehindert  blibe  von 

4* 


52  NOLTE,  EINE  RELIQUIE  VON  HEINRICH  AEGER  AUS  CALCAR. 

ir  selber  und  allen  dingen.  Quanto  magis  te  nuclaveris  a  fantasmatibus  et 
per  bonam  voluntatem  in  intellectu  deo  unitus  fueris,  tanto  magis  ad  sta- 
tum  innocentiae  appropinquas.  Quo  quid  melius,  quid  felicius,  quid  iocun- 
dius?  Divide  inter  animara  et  carnem.  Cogita  animam  iara  esse  in  eter- 
nitate  et  hoc  quod  neseit  nee  intelligere  potest,  hoc  patitur.  Qui  michi 
ministrat,  me  sequatur  et  ubi  sum  ego,  illic  et  minister  meus  erit. 

Ee  en  gerüet  die  siele  nimmer  e  si  gefuret  werde  ober  ir  kreffte  und 
mogenheit  in  den  Ursprung  und  daz  stille  gotlicher  naturen.  Aldo*)  rin- 
det sie  vol  genugede  und  ewige  selikeit.  Und  ye  lediger  usganck,  ye  fri- 
her  ufganck  und  naher  inganck  in  die  dieffe  abgrunde  der  wysloser  got- 
heit,  in  die  sie  versinket  und  vereinit  wirt,  daz  sie  nit  anders  mach  wullen 
wan  daz  got  wil.  Secundum  Bernardum  isto  modo  homo  deifit  hoc  ex 
gratia,  quod  deus  est  ex  natura.  Waz  ist  daz  daz  dem  hoesten  unge- 
schaffenen geist  allerbeist  smacket  under  allen  dingen?  Daz  ein  ist  an- 
ders nit  dan  minen  willen  genück  syn  in  allen  dingen.  Ja  wistehe(?)  ich  daz 
myn  lob  und  wille  gelege  an  neszeln  und  anderin  unkrüt  uszbrechen,  daz 
were  ymme  daz  begerlichste  zu  volbrengen.  Dar  (fol.  140)  urab  so  halt 
dich  ledigclich  und  lais  mich  mit  dir  wirken,  so  wie  ich  wil  is  si  susz  ader 
sür,  wan  ich  bin  die  ewige  wysheit,  ich  weis  allein  was  dyn  bestez  ist.  We- 
res  du  din  selbes  also  ledig  als  du  des  obersten  engeis  bist,  der  oberste 
engel  und  alles  daz  got  galeisten  mach,  ja  auch  got  selber  were  als  gar 
din  dyn  eigen  als  du  dyn  selbis  eigen  bist  etc.  Videtur  mihi  quod  ista 
ledikeit  tantum  sit  in  isto  silentio.  Diewil  daz  die  sele  it  merket,  so  en 
ist  si  nit  in  der  stiller  heimelichkeit  godis.  De  armen  des  geistes  die  gent 
uszer  in  selber  und  uszer  allen  creaturen.  Si  en  sint  nit,  sie  en  haut  nit, 
si  en  wirkent  nit  etc.  Und  diese  armen^  die  en  sint  nit,  wan  daz  sie  sint, 
daz  sint  sie  von  genaden  got  mit  gode  und  des  selben  en  wissen  sie  nit. 
Wan  die  siele  komet  an  diese  edelkeit  daz  sie  alsus  an  nicht  hanget,  so 
en  vindet  sie  kein  scholt  an  ire,  daz  komet  von  der  friheit,  da  sie 
dan  in  swebet,  wan  sie  eyn  mit  gode  ist.  So  sie  danne  zo  dem  lichame 
komet  und  ir  selbes  nit  lebit,  so  vindet  si  aber  scholt  als  e.  So  wirt 
si  gebunden  und  get  weder  in  sich  selber  und  gebrüchet  des,  daz  sie 
dort  befonden  hat,  so  erhebet  aber  sie  sich  über  sich  selber  und  komet 
hin  ubir  dae  sie  yrn  swang  und  alle  yre  genugde  inne  haben  mag. 

Der  Copist  fügt  bei:  Hucusque  in  libello  domus  argentine. 

DARMSTADT.  NOLTE. 


*)  So  cod.  a  über  o. 


KARL  V.  AMIRA,  ZUR  SALFKÄNKISCHEN  EIDESHILFE.  53 


ZUR  SALFKÄNKISCHEN  EIDESHILFE. 


Die  Ordnung  innerhalb  der  nach  sal fränkischem  Recht  zur  Eides- 
hilfe antretenden  Magschaft  habe  ich  in  meiner  Schrift  über  die  „Er- 
benfolge und  Verwandtschaftsgliederung  nach  den  altniederdeutschen 
Rechten"  p.  29  folg.  nur  flüchtig  berührt,  da  über  das  fragliche  Rechts- 
verhältniss  Quellenzeugnisse  aus  der  Zeit  vor  dem  9.  Jahrh.  mir  nicht 
zur  Verfügung  standen,  die  späteren  aber  dem  Plane  meiner  Arbeit 
gemäß  zum  eigentlichen  Beweise  nicht  verwendet  werden  sollten.  Nur 
der  2.  Peyron'schen  Extravagante  wurde  gedacht  als  der  einzigen 
hier  einschlagenden  Nachricht,  die  uns  die  salfränkischen  Legalquellen 
an  die  Hand  geben.  Bekanntlich  sind  es  aber  noch  drei  Formulare 
aus  karlingischen  Formelbüchern,  die  sich  näher  darüber  auslassen, 
welche  Blutsfreunde  dem  Hauptschwörer  beim  Eide  zu  helfen  haben. 
Die  Formeln  beziehen  sich  insgesammt  wie  die  2.  Extravagante  auf 
den  Eid  im  Freiheitsprocess.  Die  uns  hier  vor  allem  interessierenden 
Worte  sind: 

Form.  Lindenbr.  n.  169  (Roziere  n.  483):  Sed  ipsi  scabini  ...ei 
[dem  Beklagten]  visi  sunt  judicasse  ut  supra  noctes  quadraginta  cum 
duodecim  Francis,  sex  de  parte  jpaterna,  et  sex  de  materna  in  ecclesia 
illa  jurare  debuisset,  quod  de  parte  paterna  aut  de  materna  secundum 
legem  Salicam  ingenuus  esse  videretur. 

Form.  Marc.  App.  n.  2  (Roziere  n.  479) :  . .  .  taliter  fuit  judicatura, 
ut  hac  causa  apud  loroximiores  parentes  suos  octo  de  i^arte  genitore  suo 
et  octo  de  parte  genitricae  siiae,  si  praemortui  non  sunt,  apud  duodecim 
francos  tales,  qualem  se  esse  dixit  ...  in  quadraginta  noctes  in  proximo 
mallo  . .  .  hoc  debeat  coujurare. 

Form.  App.  App.  n.  5  (Roziere  n.  480).  Sic  ab  ipsis  personis 
taliter  ei  fuit  judicatum,  ut  apud  duodecim  homines  parentes  suos  octo 
de  patre  et  quatuor  de  matre,  si  praemortui  non  sunt,  et  si  praemortui 
sunt,  apud  duodeoim  homines  hene  Francos  Salicos  in  ipso  mallo  .  . .  hoc 
conjurare  debeat,  quod  avus  suus  ille  quondam  nee  genitor  suus  ille 
quondam  coloni  Sancti  illius  .  .  .  nunquam  fuissent. 

Die  Formeln  stimmen  hinsichtlich  der  geforderten  Eideshilfe 
weder  mit  der  2.  Peyron'schen  Extravagante,  noch  unter  sich  völlig 
überein.  Von  der  Extravagante  weichen  sie  sämmtlich  schon  dadurch 
ab,   daß    sie   nicht   einen   selbzwölft,    sondern    einen    selbdreizehnt   zu 


54  KARL  V.  AMIRA 

schwörenden  Eid  verlangen.  Allerdings  ist  der  mit  12  Helfern  zu  er- 
bringende Eid  der  dritten  Peyron'scheu  Extravagante  bekannt:  .  .  .  „prae- 
beat  ipse  .  . .  duodecim  sacramentales  et  ipse  sit  tertiusdecimus".  Doch 
gilt  dieß  nicht  für  den  Freiheitsbeweis,  sondern  für  den  Beweis  der 
Echtheit  von  Urkunden.  Vielleicht  ist  auch  schon  in  der  lex  Salica 
ein  selbdreizehnt  geschworener  Eid  gemeint,  wenn  im  tit.  LVIII  ge- 
sagt wird:  „XII  juratores  donare  debet";  und  in  tit.  LX  des  He- 
rold'schen  Textes:  „cum  XII  juratoribus  se  exinde  educat."  Indeß  Cap. 
Sal.  II  c.  4  (ed.  Boretius)  schreibt  zum  Beweise  im  Proceß  „de  dote 
et  de  res  in  hoste  praedata  et  de  homine  qui  in  servitio  revocatur" 
einen  Eid  vor,  den  nicht,  wie  Waitz  (d.  a.  Recht  der  sal.  Franken 
p.  172)  meint,  12  Eidhelfer  neben  dem  Hauptschwörer,  sondern  den 
im  Ganzen  12  Männer  schwören  („In  quantas  causas  thalaptas  de- 
beant  jurare",  wozu  Cod.  3:  „In  quantas  causas  talentas  [1.  talaptas] 
juratores  sunt  XII").  In  der  lex  Ribuaria  ist  der  Zwölfereid  ein  selb- 
zwölft  geschworener  (vgl.  L.  Rib.  VI,  VII,  IX,  X,  1,  XIII,  XIV,  2, 
LVII,  5,  LXVII,  5  mit  LXVI,  1),  während  der  Sechsteid  ein  selbsiebent 
geschworener  ist  (LXVI,  1).  In  der  lex  Chamavorum  ist  der  Behaltungs- 
eid  im  Freiheitsproceß  selbdreizehnt,  der  promissorische  Eid  bei  der 
Freilassung  selbzwölffc  geschworen  (a.  a.  O.  c.  X  u.  XI).  So  ist  auch 
für  salfränkischen  Rechtsbrauch  des  6.  Jahrh.  der  Zwölfereid  gerade 
im  Freiheitsbeweis  als  ein  selbdreizehnt  zu  schwörender  beglaubigt 
(Form.  Andeg.  n.  10  bei  Roziere  n.  482).  Vgl.  ferner  für  den  Unschulds- 
eid Gregor.  Turon.  bist.  eccl.  VIII,  40  und  Form.  Sirm.  n.  30,  wonach 
der  Unschuldseid  im  Proceß  wegen  Todschlags  „manu  sua  tertiadecima" 
und  verdreifacht  „manu  sua  trigesima  septima",  also  doch  als  Zwölfer- 
eid geschworen  wird  (ebenso  der  Eid  im  Freiheitsproceß,  Roziere 
n.  481).  Es  ergibt  sich,  daß  der  Begriff  des  Zwölfereides  schon  im 
6.  Jahrh.  ins  Schwanken  gerathen  war.  Die  Einen  verstanden  ihn  als 
einen  mit  12  Helfern,  die  Andern  als  einen  selbzwölft  geschworenen  Eid. 
Uneinigkeit  unter  unsern  Quellen  besteht  ferner  hinsichtlich  der 
erforderlichen  Art  der  Verwandtschaft  zwischen  Hauptschwörer  und 
Eideshelfern.  Die  letzteren  treten  nach  der  zweiten  Extravagante  in 
zwei  Gruppen,  Vater-  und  Mutterseite,  aus  einander.  4  Vater-  und  7 
Muttermagen  sollen  schwören,  falls  den  väterlichen  Vorfahren  des  Haupt- 
schwörers,  4  IMutter-  und  7  Vatermagen,  falls  den  mütterlichen  Vor- 
fahren die  Freiheit  abgestritten  werden  will.  Denn  das  Princip  ist:  „ex 
qua  parte  mundior  est,  ex  ipsa  parte  plus  dabit  testes."  Weiterhin  gilt 
nach  der  Extravagante  der  Grundsatz,  daß  auf  jeder  Verwandtschafts- 
seite   stets    die    nächsten    Blutsfreunde   („qui    proximiores    sunt")  als 


ZUR  SALFRÄNKISCHEN  EIDESHILFE.  55 

Eidhelfer  aufzutreten  haben.  Und  es  ist  sogar  ein  Incidentverfahren  vor- 
gesehen, über  die  Frage^  ob  die  vorgeführten  Eidhelfer  auch  wirklich 
die  nächsten  Magen  des  Hauptschwörers  seien,  —  ein  Incidentver- 
fahren, -welches  möglicher  Weise  zu  Zeugenbeweis  und  Zweikampf 
führen  kann.  Im  Gegensatze  zur  Extravagante  verlangt  die  Linden- 
brog'sche  Formel  schlechthin  den  Schwur  von  6  Vater-  und  6  Mutter- 
magen ,  gleichviel  für  welche  Seite  der  Verwandtschaft  der  Kläger  Un- 
freiheit behauptet  hatte  („  . .  •  advocatus . . .  illum  interpellabat,  dum  diceret 
eo,  quod  de  capite  suo  legibus  esset  servus  .  . .  quod  genitor  suus  vel  ge- 
nitrix  sua  aut  avus  suus  aut  avia  sua  [servitium]  fecerunt.  Sed  ipse 
vir  .  .  .  hanc  causam  in  omnibus  denegabat,  quod  .  .  .  secundum  legem 
nullum  servitium  agere  deberet  eo,  quod  de  parte  paterna  aut  de  ma- 
terna  secundum  legem  ingenuus  esse  videretur").  Andererseits  gedenkt 
das  Beweisurtheil  nicht  des  Erfordernisses,  daß  der  Schwur  von  den 
nächsten  Vater-  und  Muttermagen  zu  leisten  sei.  Von  den  beiden 
Formeln  im  App.  Marc,  wahrt  n.  2  zwar  den  letztgedachten  Grund- 
satz der  Extravagante.  Hingegen  ist,  wie  dieß  schon  H.  Siegel  (Gesch. 
des  deut.  Gerichtsverf.  I  p.  186)  hervorgehoben  hat,  die  Regel  „ex  qua 
parte"  etc.  sowohl  in  n.  2  wie  in  n.  5  aufgegeben,  nur  in  anderer  Weise 
wie  in  der  Lindenbrog'schen  Formel.  Nach  n.  2  nämlich  hat  der  Kläger 
behauptet,  „quod  genitor  suus  nomine  illo  colonus  Sancti  illius  .  . . 
fuisset",  nach  n.  5  ,.quod  avus  suus  .  .  .  vel  genitor  suus  coloui  Sancti 
illius  . . .  fuissent".  Obwohl  hiernach  als  Klaggrund  nur  Unfreiheit  der 
väterlichen  Vorfahren  angegeben  ist,  schwören  doch  beide  Male  8 
Vater-  und  4  Muttermagen.  Endlich  trennen  sich  die  beiden  Formeln, 
—  was  gleichfalls  von  Siegel  betont  ist,  —  auch  dadurch  von  der 
Extravagante,  daß  sie  den  freundlosen  Beweisführer  nicht  sachfällig 
werden,  sondern  noch  einen  mit  12  Salfranken  zu  schwörenden  Eid 
erbringen  lassen. 

Hinsichtlich  des  geschichtlichen  Verhältnisses  dieser  Widersprüche 
dürfte  Folgendes  in  Betracht  kommen.  Die  verwandtschaftliche  Eides- 
hilfe beruhte  auf  dem  Gedanken,  daß  unter  allen  unbescholtenen 
Rechtsgeuossen  der  Verwandte  am  besten  im  Stande  sei,  sich  über 
die  Eidesi'einheit  seines  Verwandten  eine  Überzeugung  zu  bilden  (vgl. 
K.  Maurer  in  der  Münchener  krit.  Überschau  V,  1857  p.  206 — 213  und 
R.  Sohm,  Altfränk.  Reichs-  und  Gerichtsverfassg.  p.  582).  Andererseits 
konnten,  wenn  man  dieser  Rücksicht  folgend,  sämmtliche  Eidhelfer 
der  nächsten  Verwandtschaft  des  Hauptschwörers  entnahm,  doch  Fälle 
eintreten,  in  denen  bestimmte  Verwandte  eben  so  sehr  am  Beweis- 
thema wie   am  Beweisführer  ein  persönliches  Interesse  hatten,  so  daß 


56  KAKL  V.  AMIRA 

sich  gegen  ihre  Verlässigkeit  das  Mißtrauen  regen  mußte.  Ein  solcher 
Fall  war  im  Freiheitsproeeß  gegeben.  Hier  war  von  vorne  herein  zu 
erwarten,  daß  die  meisten  Eidhelfer  auf  derjenigen  Verwandtschafts- 
Reite  sich  würden  auftreiben  lassen,  auf  der  die  unfreien  Vorfahren 
des  Hanptschwcirers  gesucht  wurden.  Dem  natürlichen  Mißtrauen  gegen 
sie  ont>[traTig.  wenn  nicht  ihr  gänzlicher  Ausschluß  von  der  Eideshilfe, 
so  ddch  ihre  Zurücksetzung  hinter  die  unangefochtene  Verwandtschafts- 
seite, also  der  Grundsatz  „ex  qua  parte"  etc.  In  der  Lindenbrog'schen 
Formel  ist  dieser  Grundsatz  verschwunden,  in  den  beiden  Formeln 
des  App.  Marc,  in  sein  Gegentheil  verkehrt,  sofern  nicht  dort  das 
Verhältniss  der  Vater-  zur  Mutterseite  wie  2:1  als  ein  für  alle  Fälle 
gemeinsam  giltiges  angenommen  ist.  Ferner:  Mit  ihrem  absoluten  Er- 
forderniss  der  verwandtschaftlichen  Eideshilfe  sowie  mit  ihrem  Er- 
forderniss  der  Eideshilfe  der  nächsten  Verwandten  stimmt  die  Extra- 
vagante vöUig  zu  lex  Chamavorum  X:  „Si  quis  hominem  ingenuum 
ad  servitium  requirit,  cum  duodecim  hominibus  de  suis  proximis  pa- 
rentilms  in  sanctis  juret  et  se  ingenuum  esse  faciat  aut  in  servitium 
cadat."-  Der  Unterschied  in  der  Zahl  der  Eidhelfer  beweist,  daß  die 
salfränkische  und  die  charaavisch-fränkische  Quelle  von  einander  un- 
abhängig sind.  Um  so  nachdrucksamer  fällt  ihre  sonstige  Einstimmig- 
keit in's  Gewicht.  Es  lässt  sich  hieraus  der  Schluß  ziehen,  daß  sie  die 
ursprünglichen  Regeln  über  altfränkischen  Freiheitsbeweis  treuer  be- 
wahren als  die  Formeln.  Indem  die  Formeln  nicht  nur  die  altsalische 
Eidhelferzahl  vermehrt,  sondern  auch  das  absolute  Erforderniss  der 
Verwandtschaft  in  ein  primäres  verwandelt  oder  aber  das  absolute  Er- 
forderniss nächster  Verwandtschaft  aufgegeben  zeigen,  überliefern  sie 
spätere  und  particulare  Besonderheiten  des  salfränkischen  Gerichtsge- 
brauches im  Gegensatz  zum  alten  Volksrecht.  Dieß  Ergebniss  fügt  sich 
bestens  zu  dem  vorhin  über  die  Regel  „ex  qua  parte"  Bemerkten.  Wenn 
nun  auch  die  ursprüngliche  Gestalt  des  salfränkischen  Freiheitsbeweises  am 
wenigsten  getrübt  in  der  Extravagante  vorliegt,  so  lässt  sich  doch  kaum 
annehmen,  daß  die  neu  schaffende  Rechtsübung  durchweg  willkürlichen 
oder  gänzlich  unjuristischen  Gesichtspunkten  gefolgt  sei.  Bereits  wurde 
auf  die  Möglichkeit  hingedeutet,  es  könne  das  Zahlenverhältniss  zwi- 
schen Vater-  und  Mutterseite  in  App.  Marc.  n.  2  u.  5  als  gemeingiltig 
lür  alle  Arten  der  Klagbegründung  aufgestellt  sein.  Das  Zahlenver- 
hältniss 2  :  1  würde  vorliegen,  wie  es  auch  im  angelsächsischen  Recht 
zwischen  Speer-  und  Spindelhälfte  bei  Leistung  der  Werbürgschaft, 
Geben  und  Nehmen  des  Wergeldes  und  Schwur  des  Unschuldseides 
durchgeführt  ist  (vgl.    „meine  Erbenfolge  etc."  p.  87,  96—98).    Über- 


ZUR  SALFRÄNKISCHEN  EIDESHILFE.  57 

haupt  widmet  das  altniederdeutsche  Verwandtsehaftsreeht  und  insbe- 
sondere die  salfränkische  Successionsordnung  der  Speerseite  höhere 
Werthschätzung  als  der  Spindelseite.  Man  wird  zu  der  Ansicht  geführt, 
daß  in  einzelnen  Gerichten  unter  dem  vorwaltenden  Einfluße  der 
nationalen  Verwandtschaftsstructur  die  eigenartigen  Regeln  des  Frei- 
heitsbeweises allmälig  in  Vergessenheit  gerathen  seien. 

Daß  die  Blutsfreunde  im  Zusammenhang  mit  ihrem  Recht  zum 
Nehmen  von  Erbe  und  Wergeid  und  ihrer  Pflicht  zum  Geben  von  Wergeid 
auch  verbunden  gewesen  seien,  einander  zum  Eide  zu  helfen,  war  bis 
auf  H.  Siegel  gemeine  Meinung  gewesen.  Siegel  stellte  a.  a.  0.  p.  183  ff. 
eine  Rechtspflicht  der  Magschaft  zur  Eideshilfe  in  Abrede.  Hingegen 
haben  sich  v.  Bethmann-Hollweg,  Civilproc.  IV  1868  p.  509  n.  51  und 
O.  Gierke,  deut.  Genossenschaftsr.  I,  1868,  p.  16  n.  24  auf  die  Seite 
der  früher  gangbaren  Lehre  gestellt,  der  letztere,  indem  er  die  Eides- 
hilfe aus  der  gerichtlichen  Schutzpflicht  der  Sippe  folgerte,  während 
der  erstere  sich  auf  lex  Sah  tit.  LX  berief.  Man  wird  aus  einander 
halten  müssen  einmal  die  Frage:  warum  zieht  das  Beweisrecht  in 
bestimmten  Fällen  die  Magschaft  zum  Hilfseide  bei?  —  sodann  die 
Frage:  verpflichtet  das  Verwandtschaftsrecht  die  einzelnen 
Mitglieder  der  Sippe  in  jenen  gesetzlichen  Fällen  zur  Eideshilfe?  Daß 
die  das  Beweisrecht  angehende  Frage  nicht  mit  Argumenten  des  Ver- 
wandtschaftsrechts, sondern  nur  mit  processualischen  Gründen  zu  lösen 
sei,  scheint  mir  durch  K.  Maurer  a.  a.  O.  p.  206 — ^213  zur  Genüge 
dargethan.  Doch  ist  bezüglich  des  salfränkischen  Beweisrechtes  hieran 
die  Bemerkung  zu  knüpfen,  daß  es  dem  Anscheine  nach  nur  in  wenigen 
Fällen  die  Eidesreinheit  durch  den  Beistand  der  Magschaft  bedingt 
sein  ließ.  So  war  zum  selbsiebent  geschworenen  Behaltungseide  Theil- 
nahme  der  Blutsfreunde  nicht  erforderlich  (Urk.  a.  680  bei  Brequigny- 
Pardessus,  diplomata  n.  397) ;  ebenso  wenig  zum  selbviert  geschworenen 
Läugnungseide;  dieser  wird  mit  Umsassen  aus  der  Hundertschaft  ge- 
schworen (Form.  Andeg.  n.  28  bei  Roziere  n.  487  „apud  homines  tan- 
tus  vicinis  circa  manentis  de  ipsa  condita  mano  suo  quarta")  und  so 
wohl  auch  der  selbsiebent  geschworene  Läugnungseid  (Roziere  n.  453). 
Zum  selbdreizehnt  zu  schwörenden  Entschuldiguugseid  wählt  der  Haupt- 
schwörer  die  Helfer  aus  (Gregor.  Turon.  bist.  eccl.  VIII,  40:  „electis 
duodecim  viris,  ut  hoc  scelus  pejeraret").  Und  daß  die  Eidhelfer  in 
diesem  Falle  aus  den  Umsassen  genommen  wurden,  ist  aus  Form. 
Andeg.  n.  49  (Roziere  n.  493)  ersichtlich :  „visum  est  ad  ipsis  personis 
decrevisse  judicio  .  .  .  apud  homines  XII  mano  sua  XIII.  vicinus  circa 
manentes   sibi  ...  hoc  debeat   coujurare".  Wiedermn ^'zum  Reinigungs- 


58  KAl^L  V.   AMTRA 

eide  werden  nach  Form.  Sirmond.  n.  30  §.  2  (Rozi^re  n.  491)  36  Helfer 
verlangt,  die  als  ,,horaines  visores  et  cognitores"  charakterisiert  werden. 
Wie  aus  dem  zuletzt  angeführten  Belege  erhellt,  sah  man  in  der  sal- 
fräukischen  Rechtsübung  darauf,  daß  der  Eidhelfer  im  Stande  war, 
nicht  nur  über  die  Vertrauenswürdigkeit  des  Hauptschwörers,  sondern 
auch  über  den  Sachverhalt  selbst  sich  eine  Ansicht  zu  bilden.  Es  ließe 
sich  dem  gemäß  wohl  denken,  daß  verwandtschaftliche  Eideshilfe  über- 
haupt nur  in  solchen  Fällen  erforderlich  war,  in  denen  es  sich  um 
verwandtschaftliche  Angelegenheiten  handelte.  —  In  Bezug  auf  die* 
zweite  Frage  nimmt  H,  Siegel,  wenn  auch  eine  Verbindlichkeit  zur 
Eideshilfe  läugnend,  doch  eine  ,,Eidesgemeinschaft"  an  im  Sinne  eines 
Rechtes  der  Blutsfreunde,  sich  mit  dem  Eide  beizustehen.  Nur  dürfe 
man  sich  zum  Beweise  dieser  in  der  Sippe  begründeten  Eidesgemein- 
schaft nicht  auf  das  „juramento"  in  C.  Sah  tit.  LX  berufen,  gerade  die 
Stelle  also,  die  wiederum  von  Bethmann-Hollweg  benutzt  worden  ist, 
um  die  verwandtschaftliche  Pflicht  zur  Eideshilfe  darzuthun.  Die  Stelle 
verordnet  in  §,  1,  wer  sich  aus  der  Sippe  heben  wolle  („qui  se  de  pa- 
rentilla  tollere  vult"),  habe  sich  zur  Malstätte  vor  den  Hundertschafts- 
vorsteher zu  begeben  und.  hier  drei  Erlenzweige  über  seinem  Haupte 
zu  brechen  und  nach  den  vier  AVindrichtungen  zu  werfen:  „et  ibi 
<licere  debet,  quod  juramento  et  de  hereditatem  et  totam  ratiouem 
illorum  se  tollat."  Siegel  erklärt  „juramento"  als  instrumeutalis.  Gram- 
matisch, wegen  des  erst  nachfolgenden  et  —  et  würde  diese  Erklärung 
freilich  als  die  annehmbarste  erscheinen.  Und  da  überdieß  unser  tit. 
LX  in  den  sog.  leges  Pleinrici  I'  c.  88  §.  13  wiederkehrt,  wobei  von 
einem  „foris  jurare"  oder  „abjurare"  der  Sippe  gesprochen  wird,  so 
ist  Siegels  Deutung  nicht  ohne  quellenmäßige  Stütze.  Der  letztern 
Tragkraft  schwindet,  sobald  sich  uns  der  wahre  Charakter  der  11.  Heinr. 
enthüllt.  Besten  Falls  können  diese  nur  eine  Übung  bezeugen,  wie  sie 
im  11.  oder  12.  Jahrh.  in  England  bestand.  Entweder  im  Einklänge 
mit  einer  solchen  oder  nach  eigenem  subjectiven  Ermessen  hat  der 
Compilator  des  Rechtsbuches  die  wenigen  Stellen  umgearbeitet  und 
umgedeutet,  die  er  aus  den  Volksrechten  der  continentalen  Stämme 
aufgenommen  (s.  „Erbenfolge  etc."  p.  99  folg.).  Frühzeitig  schon  hat 
man  das  „juramento"  in  tit.  LX  cit.  von  einer  Eidesgemeinschaft  und 
zwar  gerade  von  der  Eideshilfe  verstanden.  Dieß  ergibt  der  hand- 
schriftliche Befund  unsers  Titels  in  §.  2.  Von  einzelnen  uns  z.  Z.  nicht 
näher  berührenden  Varianten  abgesehen,  werden  hier  in  den  meisten 
Hss.  die  Consequenzen  des  Austrittes  aus  der  Sippe  in  nachstehender 
Weise  angegeben : 


ZUR  SALFRÄNKISCHEN  EIDESHILFE.  59 

„Et  si  postea  aliquis  de  suis  parentibus  aut  occidatur  aut  moria- 
tur,  nulla  ad  eum  nee  hereditas  nee  compositio  perteneat,  sed 
hereditatem  ipsius  fiscus  adquirat." 

Der  Parallelismus  zu  „quod  juramento  —  se  tollat"  in  §.  1  ist 
Mer  nicht  vollständig  durchgeführt.  Um  ihn  herzustellen,  schließt  der 
Herold'sche  Text,  statt  mit  „sed  —  adquirat",  mit  den  Worten: 

„simili  modo  si  ille  moriatur,  ad  suos  pareutes  non  pertinet  causa 
nee  hereditas  ejus,  sed  amodo  cum  XII  juratoribus  se  exinde  educat."' 
d.  h.  „in  Gleichem  sollen  nach  des  Ausgeschiedenen  Tod  seine  Bluts- 
freunde weder  Wergeid  noch  Erbe  anzusprechen  haben,  er  aber  soll 
sich  von  jetzt  an  mit  12  Eidhelfern  reinigen";  d.  h.  doch  wohl 
nicht  mehr  mit  12  der  Magschaft  entnommenen,  sondern  mit  12  Eid- 
helfern schlechthin.  Wegen  „educere"  in  dem  angegebenen  Sinne  s. 
tit.  LVI,  1 :  „ut  aut  per  ineo  aut  per  compositione  se  aeducat" ;  — 
Cap.  Sal.  V  (ed.  Boretius)  c.  6:  „in  veritatem  testimonia  ...  unde  se 
aeducat;"  —  c.  7  ibid.  „si  ibi  se  non  eduxerit  .  .  .  culpabilis  judicetur". 
Man  wird  sich  auch  das  Bedenken  vorlegen  müssen,  daß  in  den  Worten 
unsers  tit.  LX  §.  1  von  einem  eidlichen  Austritte  aus  der  Sippe  eigent- 
lich nichts  zu  finden  ist.  Es  ist  vorgeschrieben,  nicht  daß  der  Aus- 
tretende einen  Eid  zu  leisten,  sondern  nur  daß  er  von  einem  Eide  zu 
reden  habe.  Brechen  und  Werfen  der  Zweige  gehört  natürlich  nicht 
zum  Eide;  es  versinnbildlicht,  daß  der  aus  der  Sippe  Scheidende  seines 
Stammbaumes  Aste  für  sich  als  gebrochen  und  abgefallen  betrachten 
will.  Erkenne  ich  dem  Gesagten  zufolge  in  „juramentum"  gegen  Siegel 
eine  Eidesgemeinschaft  der  Blutsfreunde,  so  kann  ich  doch  Bethmann- 
Hollweg  und  Gierke  nicht  beitreten,  wenn  sie  aus  ihr  eine  Pflicht  zur 
Eideshilfe  im  Rechtssinne  entspringen  lassen.  Siegel  hat  bereits  hervor- 
gehoben, daß  salisches  Recht  keinen  processualen  Zwang,  kein  „man- 
nire"  des  Hauptschwörers  gegen  seine  Anverwandten  zur  Erlangung 
eidlichen  Beistandes  kennt,  wie  es  einen  solchen  Zwang  gegen  die 
Geschäftszeugen  kennt  (a.  a.  O.  p.  183  n.  24).  Sollte  die  Rechtsordnung 
in  ihrer  Eigenschaft  als  Proceßrecht  die  Eidesreinheit  vom  freiwilligen 
Gewähren  und  Versagen  verwandtschaftlicher  Eideshilfe  abhängig  ge- 
macht, in  ihrer  Eigenschaft  als  Verwandtschaftsrecht  dem  Beweisführer 
einen  Anspruch  und  ein  Zwangsmittel  auf  Leistung  der  Eideshilfe  an 
die  Hand  gegeben  haben?  Daß  dem  Verwandtschaftsrecht  ein  solcher 
Anspruch  entsprungen  sei,  könnte  offenbar  nur  für  jene  Fälle  an- 
genommen werden,  in  denen  das  Beweisrecht  gerade  keine  verwandt- 
schaftliche Eideshilfe  forderte.  Dem  Ansprüche  nachzukommen,  würde 
aber  den  wnderwilligen  Blutsfreund  nichts  haben  autreiben  können,  als 


60  KARL  V.  AMIRA 

etwa  das  eigene  Interesse  am  Ausgange  des  Processes,  die  Furcht  vor 
förmlicher  Trennung  des  verlassenen  Verwandten  von  der  Sippe,  also 
vor  Verlust  der  Erbschaft  und  des  Wergeides,  dann  endlich  gesell- 
schaftliche Rücksichten. 

Umstritten  ist  das  Verhältniss  zwischen  dem  mit  Helfern  zu 
schwörenden  Eide  und  dem  Gottesurtheilim  salfränkischen  Recht. 
Siegel  (a.  a.  O.  p.  270)  hat  bekanntlich  die  Ansicht  aufgestellt,  in  der 
1.  Sah  zeige  sich  das  Bestreben  des  Gesetzgebers,  den  Eid  der  Partei 
zu  verdrängen  und  als  Ersatzmittel  das  Feuerordal  einzuführen. 
R.  Sohm  hingegen  findet  in  der  1.  Sal.  das  Conjuratorensystem  des 
fränkischen  Rechts  noch  in  seiner  Entwickelung ;  das  Gottesurtheil  sei 
des  Bekla*i^ten  eigentliches  Beweismittel;  zum  Schwur  mit  Helfern  ge- 
lange dieser  nur  in  Folge  eines  Zugeständnisses  von  Seite  des  Gegners 
(Zeitschr.  für  Rechtsgesch.  V  p.  403;  vgl»  jedoch  auch  Altfränk.  Reichs- 
und Gerichtsverfassg.  p.  575  —  577,  wo  der  Parteieneid  für  „das  Be- 
weismittel des  altdeutschen  Processes"  erklärt  wird).  Auch  K.  Maurer 
in  der  Münch.  krit.  Überschau  V  p.  215  n.  2  und  v.  Bethmann-HoUweg 
a.  a.  O.  p.  509  weisen  dem  mit  Helfern  geschworenen  Eide  eine  sub- 
sidiäre Stellung  nicht  nur- hinter  dem  Zeugenbeweis,  sondern  auch 
hinter  dem  Gottesurtheil  an,  —  ersterer  nicht  ohne  hierin  eine  sal- 
fränkische  Abnormität  zu  erkennen.  Zunächst  ist  an  den  salfränkischen 
Grundsatz  zu  erinnern,  daß  beim  Mangel  der  gesetzHch  geforderten 
Eideshilfe  dem  Beweisführer  als  letztes  Auskunftsmittel  das  Gottesur- 
theil zu  Gebot  steht.  Für  bestimmte  hier  einschlagende  Fälle  kennt 
schon  die  1.  Sal.  und  zwar  in  einer  der  ältesten  Redactionen  den 
Kesselfang  als  subsidiäres  Beweismittel.  S.  die  Zusätze  des  Cod.  Guel- 
ferbyt.  zu  1.  Sal.  tit.  XIV  §.  2,  XVI  §.  3.  Primär  also  war  der  Par- 
teieneid erforderlich.  In  schweren  Delictssachen  erwähnt  seiner  die  1. 
Sal.  als  das  Beweismittel  des  Beklagten  (tit.  XXXIX  §.  2  tit.  XLII 
§.  5),  und  so  sehen  wir  denn  auch  den  Eid  mit  Helfern  schon  im 
6.  Jahrh.  vielfach  als  alleiniges  Beweismittel  in  Debets-  wie  in  Civil- 
sachen  angewandt.  Abgesehen  von  den  cit.  Formeln  von  Angers  und 
Sens  verweise  ich  in  dieser  Hinsicht  auf  Cap.  Sal.  I,  9,  sodann  auf 
Gregor.  Turon.  bist.  eccl.  VIII,  40,  V,  4,  50,  VII,  23,  VIII,  16,  40,  IX, 
13,  32,  wo  es  sich  überall  um  Unschuldseide  handelt,  und  auf  VIII,  9 
ibid.,  wo  mit  33  Eidhelfern  der  Beweis  der  Vaterschaft  geführt  wird. 
Neben  diesen  Thatsachen  steht  nun  die  andere,  daß,  wenigstens  in 
bestimmten  Fällen^  bereits  das  Beweisurtheil  nicht  auf  Eid,  sondern 
auf  ein  Ordal  erkennt,  so  in  Kampfsachen  auf  den  Kesselfang  schon 
nach  1.  Sal.  tit.  LVI  §.1,    im  Proccß  wegen  Diebstahls   auf  das  Loos- 


ZUR  SALFRÄNKISCHEN  EIDESHILFE.  61 

ordal  nach  Cap.  Sal.  IV,  10  §.  3,  wegen  anderer  Delicte  auf  Zweikampf, 
der  bei  den  Franken  Ordal  war,  nach  Gregor.  Turon  X,  10;  in  Civil- 
sachen,  z.  B.  wegen  Verletzung  von  Grundeigenthum  auf  das  Kreuz- 
ordal  nach  Form.  Bigu.  n.  12,  Merkel  n.  43  (Roziere  n,  502).  Das 
Gottesurtheil  trägt  keineswegs  in  allen  diesen  Fällen  den  Charakter 
eines  letzten  Auskunftsmittels  an  sich,  als  zu  welchem  man  beispiels- 
weise in  dem  Rechtsstreit  zwischen  dem  Bischof  von  Paris  und  dem 
Abt  von  S.  Denis  im  J.  775  seine  Zuflucht  zum  Kreuzordal  nahm 
(ürk.  bei  Mabillon,  de  re  dipl.  p.  498).  Schon  aus  der  Klage  konnte 
unmittelbar  die  Nothwendigkeit  des  Gottesurtheils  entspringen.  Die  1. 
Sal.  tit.  LIII  §§.  1,  6  spricht  von  einem  „admallare  aliquem  ad  ineum". 
Man   konnte   einen  auf  Kesselfang   ansprechen. 

Aber  gerade  auf  die  Exegese  des  tit.  LIII  cit.  spitzt  sich  die  Frage 
nach  dem  Verhältniss  zwischen  Parteieneid  und  Gottesurtheil  zu.  Der  tit. 
LIII  bespricht  folgenden  Sachverhalt.  Der  Beklagte  gibt  dem  Kläger 
Geld  dafür,  damit  dieser  statt  mit  dem  Kesselfang  mit  Eidhelfern  vorlieb 
nehme.  Mit  Leichtigkeit  führt  dann  der  Beklagte  seinen  Unschuldsbeweis, 
und  der  öffentlichen  Gewalt  entgeht  ihr  Friedensgeld,  während  der  Kläger 
seinen  Zweck  erreicht.  Denn  ihm  zahlte  aus  Scheu  vor  dem  Kesselfans:  der 
Beklagte  gerne  die  ganze  verlangte  Bußsumme,  soferne  er  damit  über 
die  Entrichtung  des  Friedensgeldes  hinweg  kam.  Damit  beantwortet 
sich  die  von  F.  Dahn,  Studien  über  die  germ.  Gottesurth.  p.  48  auf- 
geworfene Frage,  welchen  Vortheil  der  Kläger  wohl  von  derartigen 
Transactionen  haben  mochte.  Es  bedarf  also  auch  nicht  der  Dahn'schen 
Hypothese,  daß  in  vorhistorischer  Zeit  bei  den  Salfrauken  an  der  Stelle 
des  Kesselfanges  ein  zweiseitiges  Ordal  gestanden,  daß  es  daher  für 
den  Kläger  vortheilhaft  gewesen  sei,  den  Beklagten  sich  frei  kaufen 
zu  lassen,  und  daß  dieser  Loskauf  sich  noch  in  die  historische  Zeit 
hinein  erhalten  habe,  nachdem  das  zweiseitige  Ordal  durch  den  Kessel- 
fang ersetzt  war  (a.  a.  O.  p.  49—54).  Weiterhin  ist  darauf  hinzuweisen, 
daß  der  in  1.  Sal.  tit.  LIII  behandelte  Fall  als  nur  in  demjenigen  De- 
lictsproceß  eintretend  gedacht  ist,  in  welchem  die  Buße  des  überführten 
Beklagten  mindestens  15  sohdi  beträgt.  Die  Bestimmungen  des  Gesetzes 
beschäftigen  sich  zunächst  mit  der  zu  zahlenden  Geldsumme.  Diese 
wird  je  nach  der  Bedeutung  des  Vergehens  in  der  Art  normiert,  daß 
sie  niemals  einen  bestimmten  Bruchtheil  der  Buße  übersteioft,  welche 
der  Beklagte,  wenn  sachfällig,  zu  zahlen  haben  würde.  Nicht  als  ob 
damit  ein  Maximum  oder  Minimum  festgesetzt  werden  wollte,  woran 
die  Parteien  schlechthin  gebunden  sein  sollten.  Die  Absicht  geht  viel- 
mehr   dahin,    der    öffentlichen   Gewalt    das   Friedcnsgeld    zu    sichern, 


62  KARL  V.  AMIRA 

welches  verfallen  würde,  wenn  der  Beklagte  zur  Führung  des  Unschulds- 
beweises außer  Stand  wäre:  „Si  plus  ad  manum  rederaendum  dederit 
fritus  grafioni  solvatur,  quantum  de  causa  illa,  si  convictus  fuisset" 
(§.  2;  ähnl.  §§.  4,  1).  M.  a.  W.  es  soll  nicht  dem  Abkommen  der 
Parteien  überlassen  bleiben,  ob  des  Königs  Beamter  das  Friedensgeld 
erhalten  solle  oder  nicht  (so  auch  v.  BethmannHollweg  p.  509).  Es 
ergibt  sich,  daß  an  den  überlieferten  Principien  des  Beweisrechts  keine 
Änderung  getroffen  wird.  Das  Princip  besagte :  Im  Delictsproceß  schwört 
sich  der  Beklagte  mit  Helfern  nur  dann  frei,  wenn  sich  dieß  der 
Kläger  gefallen  lässt.  Vorausgesetzt  nämlich,  daß  die  Delictsbuße  min- 
destens 15  solidi  beträgt,  kann  der  Kläger  Widerspruch  gegen  den 
Unschuldseid  erheben,  gleich  bei  Beginn  der  Klage  oder  nachdem  der 
Beklagte  sich  zum  Eide  erboten.  Der  Kläger  kann  den  Unschulds- 
eid des  Beklagten  schelten.  15  solidi  beträgt  die  Meineidbuße 
(1.  Sal.  XLVIII.  Cap.  Sal.  VI,  15).  Der  Kläger  kann  den  Unschulds- 
eid des  Beklagten  nur  dann  schelten,  wenn  die  Streitsumme  die  Höhe 
der  Meineidbuße  erreicht.  Macht  der  Kläger  von  seiner  Befugniss  Ge- 
brauch, so  ist  der  Beklagte  in  der  nämlichen  Lage,  wie  wenn  er  der 
Eideshilfe  entbehrte,  d.  h..  er  reinigt  sich  durch  das  Gottesurtheil,  wie 
sich  durch  das  Gottesurtheil  der  Unfreie  reinigt,  dessen  Eid  von  Rechts 
wegen  gescholten  ist  (Cap.  Sal.  IV,  5,  6,  8,  11;  V,  7).  Schelte  der  Eides- 
reinheit liegt  in  entehrender  Klage,  z.  B.  wegen  Diebstahls  (Cap.  Sal. 
IV,  10  §.  3).  Daher  solche  Klagen,  an  der  Spitze  natürlich  die  Meineid- 
klage, den  Beklagten  ohne  weiteres  zum  Gottesurtheile  nöthigen  (Cap. 
Sal.  VI,  16;  IV,  10  §.3). 

Daß  die  hier  versuchte  Exegese  von  1.  Sal.  tit.  LIII  richtig,  be- 
legen die  späteren  Neuerungen  im  Beweisrecht.  Sie  giengen  von  jenem 
Falle  des  Delictsprocesses  aus,  da  beide  Kläger  und  Beklagter  zur 
königlichen  Gefolgschaft  gehörten  (Cap.  Sal.  II,  8).  Einmal  sollte  der 
Antrustio  dem  Antrustio  nicht  auf  jede  Klage  ohne  weiteres,  son- 
dern nur  auf  eine  solche  Klage  zu  antworten  haben,  die  der  Kläger 
mit  einem  videred,  d.  h.  mit  einem  Angriffseide  beschwor  (über  den 
videred  s.  unten).  Zweitens:  zum  Gottesurtheil  sollte  der  Antrustio 
vom  Antustrio  nur  in  den  schwersten  Delictsfällen  getrieben  werden 
können,  nämlich  nur  in  denjenigen,  die  Sühne  mit  dem  Wergeid 
verlangten:  „Si  vero  de  leodem  cum  rogatum  habuit,  debet^  qui 
eum  rogavit,  cum  XII  videredo  jurare  et  ipsas  in  XIV  noetes  aeneo 
calefacere  debet.  Et  si...  quicumque  antrustio  ille  de  causa  superius 
conpraehensa  (d.  h.  die  geringeren  Bußsachen)  per  sacramenta  absol- 
vere  non  potuerit,  aut  manum  suam  in  aeneum  pro  leude  mittere  dis- 
pexerit  ...  tuuc  ille,   qui  eum   rogatum  habet,  solem   illi   colliget  ...*' 


ZUR  SALFRÄNKISCHEN  E [DESHILFE.  GS 

In  geringeren  Bußfällen  also  war  von  jetzt  ab  der  Antrustio  dadurch 
privilegiert,  daß  ihm  der  Unschuldseid  nicht  durch  des  Klägers  bloßes 
Wort  verlegt  werden  konnte.  Die  erste  von  diesen  beiden  Neuerungen 
wurde  durch  den  edictus  Chilperici  auf  den  gemeinen  Delictsproceß 
ausgedehnt  (Cap.  Sah  V,  9).  Aus  der  zweiten  erhellt,  daß  nach  ge- 
meinem salfränkischen  Beweisrecht  im  Delictsproceß  der  Kläger  dem 
Beklagten  den  Unschuldseid  durch  seine  Schelte  verlegen  konnte^  auch 
wenn  die  Streitsumme  den  Betrag  des  Wergeides  (200  solidi)  nicht 
erreichte.  Primäres  Beweismittel  war  somit  auch  hier  der  Eid,  secun- 
däres  das  Gottesurtheil.  Letzteres  erscheint  motiviert  durch  die  Eides- 
schelte. Die  Eidesschelte  verlangte,  wenn  dem  Kläger  keine  Zengeß 
zu  Grebot  standen,,  das  Gottesurtheil.  Diesen  Satz  suchte  die  spätere 
Gesetzgebung  nur  zu  mildern,  nicht  abzuschaffen.  M.  s.  Cap.  Sah 
VI,  15:  „De  eo  qui  alterum  imputaverit  perjurasse.  Si  quis  alterum 
inculpaverit  perjurasse  et  ei  potuerit  probare,  XV  solides  eonponat  qui 
perjurat;  si  tamen  non  potuerit  adprobare,  cui  crimen  dixit,  XV  solidos 
solvat  et  postea,  si  ausus  fuerit,  pugnet."  Vermag  der  Kläger  seine 
Eidesschelte  nicht  auf  Zeugenaussagen  zu  stützen,  so  soll  er,  um  auf 
dem  Kampfordal  bestehen  zu  dürfen,  15  solidi  erlegen.  Vor  dem  Cap. 
VI  cit.  war  dieß  nicht  erforderlich.  Und  bezüglich  der  Schelte  des 
Zeugeneides  hatte  es  auch  gemäß  §.  16  ibid.  beim  alten  Recht  sein 
Verbleiben,  und  zwar  in  dem  doppelten  Sinne,  daß  die  Eidesschelte 
hier  ohne  weiteres  zugelassen  blieb  und  daß  sie  nach  wie  vor  zum 
einseitigen  Ordal,  dem  Kesselfang,  f-ihrte,  während  Schelte  des  Par- 
teieneides fortan  des  zweiseitigen  Ordals  benöthigte.  Außer  dem  vom 
Gesetze  aufrecht  erhaltenen  Anwendungsfalle  sollte  nach  §.  4  ibid. 
Provocation  zum  Kesselfang  fortan  unzulässig  sein.  In  Cap.  Caroli 
M.  a.  779  c.  10  endlich  erscheint  als  Beweismittel  im  Meineidsproceß' 
das  Kreuzordal,  Die  merowingische  und  karlingische  Gesetzgebung 
zeigt  dem  Bisherigen  zufolge  das  Bestreben,  nicht  den  Parteieneid 
durch  das  Gottesurtheil  zu  ersetzen,  sondern  umgekehrt  die  Schranken 
des  Parteieneides  möglichst  nieder  zu  legen.  Man  erreicht  dieß,  indem 
man  die  Eidessclielte  erschwert  und  zwar  einmal,  indem  man  zur 
Eidesschelte  Führung  eines  Zeugenbeweises  oder  aber  Erlag  der  Pro- 
ceßbuße  verlangt,  sodann  indem  man  an  die  Stelle  des  einseitigen 
das  zweiseitige  Ordal  setzt.  H.  Brunner,  Enstehg.  d.  Schwurger.  p.  178 
hat  gezeigt,  daß  im  anglonormannischen  Recht  das  Kampfordal  von 
vorausgehender  Eidesschelte  abhängig  ist.  Dem  Kampfordal  gieng  ein 
von  beiden  Parteien  geschworener  Eid  voraus.  Ähnliche  Grundsätze 
lassen  sich  im  altfränkischen  Recht  nachweisen.    Vor    dem  einseitigen 


G4  KARL  V.  AMIRA 

Ordal  hatte  der  Beweisführer  einen  Unschuldseid  zu  schwören,  so 
vor  dem  Kesselfang  (Roziere  n.  595,  597),  vor  dem  Ordal  des  glühenden 
Eisens  (ibid.  n.  595,  597,  602  und  III  p.  354),  vor  dem  Ordal  der 
Wassertauche  (ibid.  n.  581,  584,  590,  595).  Ein  Rituale  für  das  Ordal 
des  kalten  Wassers  lässt  beide  Parteien  schwören:  „Postea  jurent  sa- 
cramenta  et  accusans  et  defensor,  quasi  duellum  ingressuri  jurent  . . . 
Deinde  vero  ...  in  aquam  demittatur"  (Roziere  n.  583).  Aber  bereits 
unter  K.  Hludowic  d.  Fr.  wurde  der  Eid  aus  dem  Rituale  des  Gottes- 
urtheils  entfernt.  Von  diesem  eidlosen  Ordal  wird  gesagt:  ,,Hoc  Judi- 
cium autem  petente  domino  Hludowico  imperatore  constituit  beatus 
Eugenius  praecipiens,  ut  omnes  episcopi,  comites,  abbates,  omnisque 
populus  Christianus,  qui  infra  ejus  imperium  est,  hoc  judicio  defendant 
innocentes  et  examinent  nocentes,  ne  perjuri  super  reliquias  sanctorum 
perdant  suas  animas  in  malum  consentientes"  (Roziere  n.  511;  ähnlich 
n.  512,  514).  Das  altfränkische  Gottesurtheil  ist  Bestärkungs- 
mittel  des  Unschuldseides.  Es  ist  bedingt  durch  einen  geschol- 
tenen Unschuldseid.  Der  nämliche  Rechtssatz  kehrt  in  den  ältesten  Be- 
standtheilen  der  1.  Frisionum  wieder.  Sind  mehrere  wegen  eines  Tod- 
schlags alternativ  angeschuldigt,  so  reinigt  sich  ein  jeder  mit  dem 
Zwölfereide;  aber  die  Reinheit  dieses  Eides  bedarf,  nachdem  ihn  die 
mehreren  Beklagten  erbracht,  einer  Bestärkung  durch  das  Loosordal 
(1.  Fris.  tit.  XIV).  Im  altfriesischen  Freiheitsproceß  können  sich  die 
beiden  Parteien  den  Eid  mit  Helfern  durch  Herausforderung  zum 
Kampfordal  verlegen.  Dieses  findet  seine  juristische  Basis  in  der  Eides- 
schelte; der  Herausforderer  spricht:  „ego  solus  jurare  volo,  tu  si  audes 
nega  sacramentum  meum  et  armis  mecum  contende."  Faciant  etiam 
illud,  si  hoc  eis  ita  placuerit  :  juret  unus  et  alius  neget  et  in  campum 
exeant  (1.  Fris.  tit.  XI  §.  3).  Nach  einem  späteren  Zusätze  zu  1.  Fris. 
tit.  III  reinigt  sich  wer  eines  Diebstahls  beschuldigt  ist,  durch  einen 
Eid;  der  Kläger  widerlegt  ihn  durch  seinen  Eid;  beide  Eide  werden 
mit  alleiniger  Hand  geschworen;  der  Beklagte  aber  hat  hierauf  zum 
Kesselfang  zu  schreiten.  (1.  Fris.  tit.  III  §.  8).  Im  Vorbeigehen  mag 
auch  an  Isot  erinnert  werden,  die  sich  das  Gelingen  der  Eisenprobe 
gerade  durch  den  vorausgehenden  mit  listigem  Doppelsinn  gestabten 
Unschuldseid  sichert.  Auch  in  der  Dichtung  fällt  auf  das  Verhältniss 
zwischen  Eid  und  Gottesurtheil  das  Schwergewicht.  Es  ist  altfränkisches 
Recht,  was  hier  nachklingt:  das  Beweismittel  des  Beklagten  ist  der 
Eid;  BeStärkungsmittel  des  Eides  ist  das  Gottesurtheil.  Endlich  ist 
an  dieser  Stelle  der  Ausführung  zu  gedenken,  die  kürzlich  K.  Maurer 
in    dieser    Zeitschrift  XIX,   147    über    das    altnordische    Gottesurtheil 


ZUR  SALFRÄNKISCHEN  EIDESHILFE.  65 

gegeben.  Auch  im  Recht  des  norwegischen  Stammes  sind  die  Spuren 
nachgewiesen,  an  denen  das  ursprüngHche  Wesen  des  Gottesurtheils 
nicht  bloß  als  eines  Ersatzmittels  für  mangelnde  Eide,  sondern  auch 
als  eines  Bestärkungsmitteis  für  geschworene  Eide  erkennbar  ist. 

An  den  Wörtern  darf  ich,  nachdem  ich  von  den  Sachen  gehan- 
delt, nicht  vorübergehen.  Bei  Etymologien  von  Rechtsausdrücken  ist 
ja  der  Juristen  Laienkenntniss  nicht  ganz  und  gar  zum  Schweigen 
verwiesen.  Den  salfränkischen  Namen  für  den  mit  Helfern  geschworenen 
Eid  glaubte  H.  Kern  in  seinem  verdienstvollen  Buche  über  die  Glossen 
der  1.  Sah  p.  136 — 138  in  videred  zu  entdecken.  Der  videred  soll  im 
Wege  der  Volksetymologie  aus  vided  (vithed)  entstanden  und  gleich- 
bedeutend sein  mit  dem  friesischen  witheth,  in  welchem  Kern  wohl 
mit  Glück  einen  „Miteid"  ( —  gegen  v.  Richthofen  — )  ausfindig  macht. 
Wenn  wir  uns  jedoch  an  das  Quellenmäßige  halten,  so  ist  videred 
keineswegs  jeder  „Miteid",  jeder  mit  Helfern  geschworene  Eid,  son- 
dern immer  nur  ein  solcher  Eid,  den  der  Kläger,  der  Anschuldiger 
zu  schwören  hat.  Schon  Zöpfl,  ewa  Cham.  p.  30  u,  32  und  Siegel 
a.  a.  O.  p.  269  haben  hierauf  aufmerksam  gemacht.  In  Cap.  Sah  II,  8 
ist  videred  nicht  der  Eid,  den  „Kläger  und  Beklagter  gegeneinander 
leisten"  (J.  Grimm  RA.  906),  nicht  der  Eid,  womit  der  Beklagte  des 
Klägers  Eid  überbietet,  sondern  allein  der  mit  Helfern  geschworene 
Eid  des  Klägers;  so  auch  in  Cap.  Sal.  V,  9:  „Si  quis  causam  mallare 
debet  et  sie  ante  vicinas  causam  suam  notam  faciat  et  sie  ante  rachym- 
burgiis  videredum  donet."  Der  videred  ist  Angriffs-  nicht  Vertheidi- 
gungseid.  Eine  Interpretation,  die  nach  Kern's  eigenen  Worten  p.  138 
auch  mit  withed  bestehen  kann,  falls  dieß  die  ursprüngliche  Form  war. 
Ist  videred  nicht  für  den  mit  Helfern  zu  leistenden  Eid  technisch,  so 
fordert  ein  anderer  salfränkischer  Kunstausdruck,  der  für  die  Eidhelfer 
gebraucht  wurde,  unsere  Aufmerksamkeit.  J.  G.  Eccard,  leges  Fran- 
corum  Salicae  et  Ripuariorum  (1720)  p.  94  hat  ihn  in  einer  ahd.  Glosse 
aufgespürt:  ,,hamedn  id  sunt  conjuratores  quod  geidon  dicimus."  Gaeidon 
ist  bekannt;  die  Glosse  versteht  hierunter  und  ebenso  unter  hamedii 
schlechthin  die  Eidhelfer.  Eccard  versucht  hamedii  als  identisch  mit 
samedii  zu  deuten.  Allein  h  im  Anlaut  ist  sicher  beglaubigt.  Das  Wort 
steht  genau  so  zweimal  in  einer  Gerichtsurk.  v.  K.  Theodorich  III  a.  680 
(nach  dem  Original  bei  Brdquigny-Pardessus  dipl.  n.  394):  „Sed  veniens 
antedictus  A.  ad  ipso  placito  L.  in  palacio  nostro  una  cum  hamedius 
suos  ipso  sacramento,  quod  eidem  fuit  judecatum  . .  .  ligibus  visus  fuit 
adimplisset  et  tarn  ipse  quam  et  hamediae  suae  diliguas  [1.  de  linguas] 
eorum  derexissent."     Bei  „cum    hamedius  suos"  erinnert  man  sich  so- 

GEKMANIA.  Neue  Reihe.  VIU.  (XX.  Juhrg)  5 


G6  J.  BAECHTOLD 

gleich  an  „cum  rachineburgius  istos"  in  1.  Sal.  tit.  L,  3.  Die  Form 
rachineburgius  ist  salfränkischer  nom.  oder  acc.  pl.  Cum  mit  dem  acc. 
begegnet  in  den  romanischen  Denkmälern  der  Merowingerzeit  auf 
Schritt  und  Tritt.  Zu  rachineburgius  lautete  der  sing,  rachineburgj'o 
oder  rachineburgia.  Vgl.  recemburgio  und  herburgzo  in  den  Varianten 
zu  1.  Sal.  tit.  LXIV  (Kern  p.  162).  Burgio  entspricht  dem  ags.  byrgea. 
Ebenso  entspricht  dem  goth.  sakjis  (=  causator)  salfränk.  gasacio. 
Hiernach  scheint  ein  sing,  hamedio  anzunehmen,  wenn  nicht  der  lati- 
nisierte plur.  hamediae  auf  einen  sing,  hamedza  deuten  würde.  Der 
zweite  Theil  der  comp,  ham-edia  ist  selbstverständlich,  nachdem  wir 
wissen,  daß  der  Eid  salfränk.  ed  hieß;  edia  ist  jurator  wie  gasacio 
causator.  ham  schreibt  der  Romane  für  cham,  dessen  Deutung  aus 
„Salchamae,  Bodochamae,  Widochamae  im  längeren  Prolog  der  1.  Sal. 
sich  gewinnen  ließe,  hamedius  wären  hiernach  begrifflich  die  juratores 
vicini  circa  manentes,  von  denen  früher  die  Rede  war.  In  der  That 
handelt  es  sich  in  der  Urk.  um  einen  Behaltungseid,  bei  dem,  wie  wir 
oben  gesehen  haben,  die  Eidhelfer  aus  den  Umsassen  genommen 
wurden.  Aus  der  Glosse  würde  sich  ein  Bedenken  hiegegen  kaum 
ergeben,  da  ihrem  Schreiber  der  Ausdruck  „hamedii"  selbst  fremd  war. 
MÜNCHEN,  20.  October  1874.  KAKL  v.  AMIRA. 


HEINRICH  WITTENWEILER. 


Noch  immer  wird  in  unsern  größern  litteraturhistorischen  Werken 
der  Dichter  des  „Ring"  als  ein  Baier  aufgeführt.  Ich  habe  schon  vor 
Jahren  (Lanzelet  p.  16)  einen  schwachen  und  ungehörten  Protest  gegen 
diese  Annahme  eingelegt,  und  zwar  zu  Gunsten  der  Schweiz,  speciell 
des  Thurgau.  Seitdem  ist  mir  Hilfe  gekommen  in  den  imlängst  er- 
schienenen „Kleinen  Toggenburger  Chroniken  von  Gustav  Scherer" 
(St.  Gallen  1874),  der  die  Heimat  des  Wittenweilers  für  jeden  Unbe- 
fangenen evident  nachgewiesen  und  zum  nämlichen  Resultat  gelangt 
ist,  daß  der  Dichter  dem  Thurgau,  der  alten  Wiege  allemannischer 
Cultur,  entstammt. 

Scherer  geht  bei  seiner  Beweisführung  ebenfalls  von  den  Orts- 
namen des  Gedichtes  aus.  Die  Nissinger  mit  den  Lappenhausern  in 
Streit  gerathen  und  sich  nach  Hülfe  umschauend, 

santen  überall 
Gen  Aurach  in  Sweiczer  tal 


HEINRICH  WITTENWEILER.  67 

Und  zuo  den  von  Gäygenhofen, 

In  Gadubri  zuo  dem  ofen 

Gen  Kenelbach  und  Leybingen, 

Gen  Höfen  und  gen  Vettringen, 

Gen  Ruczingen  und  Fttczenswille, 

Gen  Seurrenstorff  und  AVattwille  etc. 

(Ring  V.  7038  u.  ff.  p.  18G  der  Stuttg.  Ausg.) 
Abgesehen  von  den  fingierten  Benennungen  liegen  die  vier  Weiler 
Kengelbach,  Höfen,  Libingen  und  Vettingen  in  einer  Reihe  westlieh  von 
derThurbei  Lichtensteig  in  Toggenburg;  ebendort  befindet  sich  Watt- 
wyl;  Füczenswille  dürfte  ein  Wortspiel  aufdas  benachbarte  Bütschwyl  sein. 
Bei  V.  5379  (p.  142)  häuft  die  Namenreihe  sichtlich  von  Toggenburg 
aus  nach  Glarus,  Schwyz,  Appenzell  und  schließt  mit  den  entlegensten 
an  der  Alb  und  Scheer  in  Würtemberg. 

Der  V.  5992  (p.  158)  genannte  Necker  ist  das  Flüßchen  in  Tog- 
geuburg,  nicht  der  schwäbische  Neckar.  Seh.  stützt  sich  in  seiner 
weitern  Beweisführung  auf  Schweiz.  Sittenzüge  und  namentlich  auf  die 
speciell  Schweiz,  Sprachformen,  die  sich  so  vielfach  im  Ring  finden. 
Eine  Anzahl  bairischer  Formen  (es  sind  deren  nicht  so  viel,  als  man 
nach  Schmeller  (II.  Aufl.)  glauben  möchte,  der  das  betreffende  Wort 
stets  bloß  aus  dem  Ring  belegt),  fallen  auf  die  Rechnung  der  Sprach- 
mengerei,  könnten  auch  darauf  hindeuten,  daß  der  Dichter  einige  Zeit 
in  Baiern  gelebt  hat. 

Das  Schloß  Wittenwyl  im  Thurgau  steht  noch.  Seh.  führt  eine 
Reihe  der  Edlen  dieses  Geschlechtes  auf,  die  bereits  gegen  Ende  des 
XlII.  Jhs.  als  Vasallen  der  Grafen  von  Toggenburg  erscheinen  und 
zu  Anfaug  des  XIV.  Jhs.  ihren  Wohnsitz  nach  den  St.  Gallischen 
Städtchen  Wyl  und  Lichtensteig,  wo  eben  auch  unser  Dichter  so  hei- 
misch ist,  verlegten. 

Bedeutungsvoll  ist  namentlich  eine  St.  Galler  Urkunde  von  1426, 
worin  ein  ,, Heinrich  von  Wittenwille  genant  Müller  burger  zu  Liechten- 
steig"  mit  seinem  Siegel  erscheint.  Dasselbe,  nur  noch  theilweise  er- 
halten, zeigt  den  Kopf  eines  Bocks  nebst  Hals  und  in  der  Umschrift 
den  Namen.  Nun  beginnt  nach  A.  v.  Keller,  Vorrede  zum  Ring  p.  VIII^ 
der  Text  der  Meininger  Handschrift  mit  einer  Initiale,  worin  das 
Brustbild  eines  Klerikers  dargestellt  ist,  welcher  in  der  Linken  einen 
Ring  hält  und  mit  der  Rechten  darauf  deutet.  Unter  diesem  Buch- 
staben ist  ein  Wappenschild,  worin  sich  der  Oberleib  eines  ste- 
henden, schwarzen  Bocks  befindet,  also  das  Wappen  des  thurg.  Ge- 
schlechts der  Wittenweiler. 


68  CRECELIUS 

Weder  über  die  Abfassungszeit  noch  über  den  Dichter  selbst 
ist  bis  jetzt  etwas  bestimmtes  eruiert  worden;  es  soll  uns  aber  nicht 
wundern,  wenn  sich  der  muntere  Heinrich  Wittenweiler  —  ganz 
nach  dem  Bild  der  Meininger  Hs.  —  ebenfalls  noch,  wie  sein  lands- 
kräftiger Sangesgenosse,  der  Zatzikhofer,  als  Geistlicher  enthüllt. 

SOLOTHURN.  Dr.  J.  BAECHTOLD. 


HOLUNKE. 


Heyne  führt  in  dem  neuesten  Hefte  des  Wörterbuchs  Beispiele 
des  Wortes  Halunke  an,  in  denen  das  ursprüngliche  o  bewahrt  ist  (Sp. 
1760  Hollunke,  Sp.  1763  Holuuke  und  holunken).  Er  hätte  noch  hinzu- 
fügen können  Schottelius,  Ausführl.  Arbeit  von  der  Teutschen  Haubt- 
Sprache  p.  1338:  y^Holunk,  nichtswerter  loser  Kerl,  homo  semissis." 
Wenn  ich  das  o  für  das  ursprüngliche  halte,  so  denke  ich  an  die  Ab- 
leitung aus  dem  Slavischen,  welche  Heyne  mit  Recht  nach  Weigand 
für  die  wahrscheinlichste  ansieht.  Zur  Bestätigung  derselben  weise  ich 
auf  eine  gedruckte  deutsche  Zeitung  aus  dem  Jahre  1541^  die  einen 
Brand  in  Prag  beschreibt,  in  welcher  Holunke  in  der  Bedeutung  des 
böhmischen  holomek  als  Bettler  vorkommt.  Wir  haben  also  in  diesen 
Stellen  genau  die  deutsche  Form  des  Wortes  in  dem  Sinne  des  zu 
Grunde  liegenden  slavischen.  Den  erwähnten  Druck  beschreibt  E.  Weller 
(die  ersten  deutschen  Zeitungen,  1872,  S.  126,  unter  Nr.  132,  andere 
Ausgabe);  der  Titel  lautet;  „Newe  zeytung  vonn  dem  erschrocken- 
lichen  fewr  vnd  brunst,  so  newlich  in  disem  gegenwertigen  M.D.XXXXI. 
Jar  —  inn  der  klaynern  statt  Prag  auff  dem  Küngklichenn  schloß  — 
geschehen  ist"  etc.  Unter  den  umgekommenen  Personen  werden  auf- 
gezählt Bij'':  „Mer  ij  Kinder  die  sind  eines  Holuncken  geweßt,  auch 
verLraont  worden.  Mer  ist  ein  Holunck  genant  Vicentz  der  ist  ver- 
brant  gefunden  worden."  Auf  Biij*:  „Mer  einer  Jacob  Holumeck,  dem 
seind  seine  fingere  seer  verbrant  worden;"  hier  haben  wir  die  böh- 
mische Form,  wenn  auch  vielleicht  als  Eigennamen.  —  Derselbe  Druck 
enthält  einen  Beleg  für 

Höckin,  Höckerin: 

(Sp.  1651  f.),  „Es  war  eyn  hockin,  oder  ein  huckerinn,  die  het  ein  kleine 
kram  auff  der  rechten  band,  wan  einer  hat  wollen  hinab  gon  von  dem 


HOLUNKE.  G9 

sal,  das  kremle  hat  auch  gebrant,  und  ein  ander  kremle  auff  die  lincken 
hand  gegen  des  Künigs  Weinkeller,  vnd  neben  der  andren  huckerin, 
das  ist  ein   kleins    hauß  gewesen  das  hat  auch  gebrant"   (B''). 

Ich   benutze   diese  Gelegenheit,    um  einige    kleine   Nachträge   zu 
dem  neuesten  Hefte  des  Wörterbuchs  zu  liefern.  Sehr  vollständio:  sind 
in  diesem  die  Zusammensetzungen  mit  hoch  gegeben;    allenfalls    hätte 
noch  hochbejahrt  sich  darunter  befinden  können.  [Für  hochsträßich  findet 
sich  ein  Beispiel  bereits  in:  Supplication  an  Kaiserliche  Maiestat,  Der 
Mortbrenner   halben,  Wittemberg   1541,  Fl    „solcher  hoch  strefFlichen 
Hendel  vnd  Thaten"].  Ebenso  reichlich  ist  die  Hochzeit  bedacht;  doch 
vermisst   man   ungern    den  Hochzeitsgott   Hymenaeus,    die   Hochzeitslust 
und  die  Hochzeitsnacht  (vgl.  Preller  Griech.  Mythol.  HS.  493:  Hyme- 
naios,  das    Bild   der   Hochzeitslust   und   der  Hochzeitsgesänge),    sowie 
die  Bemerkung,    daß  in    der   neuern  Zeit   das  s   der  Composition  fast 
überall  durchgedrungen  ist.  Leicht  entbehrt  man  den  Hochzeit svestivitäts- 
termin  aus  dem  Nutz-  und  Lustreichen  Schauspiel,  das  unter  dem  Titel 
,.Der  Pedantische  Irrthum"   1673  in  Rappersweil   herauskam  (daselbst 
S.  177);  aber  für  den  hochzeitlichen  Ruf  Talassio  wird  man  wohl  am 
besten  kurzweg  Hochzeitsruf  anwenden.  Daß  sich  Heyne  bei  der  Höf- 
lichkeit vor  dem  Übermaß  gehütet  hat,  wird  ihm  niemand  verdenken, 
wir  kommen  im  ganzen   mit   dem  Höflichkeit shesuch,  der  Höflichkeitshe- 
zeugung,    der   Höflichkeitsformel   und    dem   Höflichkeitsworte   schon   fürs 
erste  aus-,  die  Höflichkeitsphrase  dominiert  zwar  noch  stark  in  der  Welt, 
das  Wort  aber  ist  als  Hybridum  etwas  anrüchig.   Für  das  17.  Jahrh. 
freilich  hätte  die  Höflichkeit  des  Wörterbuchs   lange  nicht  ausgereicht. 
Meusebach   (Zur   Recension   der    deutschen    Grammatik.    Unwiderlegt 
herausgegeben  von  Jacob  Grimm,  Cassel  1826)   stellt  aus  dieser    Zeit 
weit  mehr  zur  Verfügung,  wie  Höfflichkeitsrecommendation  (Machiavel- 
lischer  Hocus  Pocus  1675  s.  47),   Höflichkeitsschranken   (Clelia   des  H. 
V.  Scuderi,  übersetzt  durch. den  Unglückseeligen  1664  S.  290),  Höflich- 
keitsioechsel  (daselbst  S.  500),  Höflichkeitsgrenzen  (das.  S.  611),  Höflich- 
keitsgebrauch (König  Demetrius   übersetzt   durch   den    Unglückseeligen 
1653  S.  82).    Die   Hoffnung  ist    bei  Heyne    recht    gut   weggekommen. 
Doch  würden  die  Hoffnungsseligen  sich  auf  Sp.  1677  vergeblich  suchen, 
auch    die   Hoffnungsträume    sind    verbannt.    Bei    der   Behandlung    des 
Wortes  Hof  hätte  auf  Sp.  1655  (unter  3  a)  noch  hervorgehoben  werden 
können,  wie  Hof  in  vielen  Fällen   mit  Hufe   (mansus)   zusammenfällt: 
aus  den  Besitzern   der  Hufen    {Hüben)   werden   schließlich   Hofeserhen, 
Hofesleute,   Hofesmänner;  ein  Hofesding   (Hofgeding)    oder   Hofesgericht 
kann  als  das  Hubengericht   oder   als   ein  unter  der  Autojität  des  herr- 


70  CRECELIUS,  HOLUNKE. 

schaftliclien  Hofes  stehendes  Hofgericht  gefasst  werdeu.     Was  die  Zu- 
sammensetzungen  anlangt,    so   verzeichnet   Schottelius   noch  den  Hof- 
fuchs schioäntzer  (aus  Moscherosch)  und  die  Hoftücke;  Gürtler's  Novum 
Lexicon  (Basel  1715)  hat  Hof  hilf  67'  (custos  atrii).  Alle  diese  sind  leicht 
zu  entbehren ;    dagegen  durfte  der  Hofschultheiß  oder  Hofschxdze  nicht 
fehlen:  er    spielt  auch  abgesehen  von  dem  Immermann'schen   eine    zu 
bedeutende   Rolle,   um   so   ganz   bei  Seite  geworfen   zu  werden.    Von 
HohUn'ppen    (Sp.  1719)   findet   sich    auch   das   Substantiv   auf  ung  bei 
Jac.  Frölinkint  (Eyn  beschreylich  gedieht  redefürung  Dreier  gebrüder 
Eyns  Weinsauffers,  Hurers  vnd  Spielers  1535)  c":  „in  gemeyner  ver- 
maledeiung   vnd   holhippung."     Das    aus  Stolberg   belegte   höhnein  hat 
auch  E.  M.  Arndt  (Kriegs-Lieder  der  Teutschen  1814)  S.  34: 
Auf  deine  Wagen  setzt  er  (der  Franzose)  sich, 
Du  mußt  zu  Fuße  gehen; 
Zu  deinen  Weihen  legt  er  sich, 
Du  mußt  als  Schildwach  stehen; 
Dein  Silber  und  dein  rothes  Gold 
Er  hijhuelnd  sich  ins  Fäustchen  rollt, 
Und  willst  du  zürnend  blicken. 
So  bläut  er  dir  den  Rücken. 
Auch  für  die  Zusammensetzungen  mit  /Zo7^e  bieten  dieselben  Kriegs- 
Lieder  S.  6  das  Wort  Hölletischem  : 

Umnebelt  waren  wir  von  Dünsten, 
Vom  gauklisch  bunten  Höllenschein, 
Und  spannen  uns  mit  eitlen  Künsten 
Stets  dichter  in  die  Lüge  ein, 
Das  Leben  schwankte  ohne  Ziel, 
Und  jeder  that  was  ihm  gefiel. 
Unter  den  mit  Holz  zusammengesetzten  Wörtern  hat  Schottelius 
S.  429  noch  Holzbrüche  (aus  Faust  ord.  1128),  Holzbiiß  und  Holzbörde 
(planicies   regionis   silvestris   Meib.).    Als   technischer  Ausdruck   hätte 
vielleicht  Holzgeioächs  angeführt  zu  werden  verdient,  vgl.  Wagner  und 
Hebig    Botan.   Forsthandbuch    (Gießen  1801)  S.  3   „Holzgeivächse    sind 
Pflanzen  mit  holzigen  Stämmen  oder  Stengel,  die  viele  Jahre  hindurch 
dauern".  Auffallend  ist  das  Fehlen  des  Platen'schen,  fast  sprichwörtlich  ge- 
wordenen Holzklotzpflock.  Ohne  Beleg  steht  Holzmangold  (pyrola  rotundi- 
folia) ;  es  kommt  schon  vor  in  Bocks  Kräuterbuch :  „Das  Kraut  heißt 
recht  Wintergrün,  weil  es  vor  dem  Frost  unerschrocken  bleiben  kann, 
in  etlichen  Orten  nennet  mans  holtz  Mangelt,  Waldt  Mangolt." 
ELBERFELD.  CEECELIUS. 


HANS  LAMBEL,  KRITISCHE   BEITRAGE.  71 

KRITISCHE  BEITRÄGE 

VON 

HANS  LAMBEL. 


I. 

Zum  Grazer  Marien  leben. 
Dieses   von   Herrn   Prof.   Anton   Schönbach  vor    kurzem   in    der 
Zeitschrift  für   deutsches  Alterthum,  Neue  Folge  V  (XVH)  519—560 
herausgegebene  Gedicht   gehört  zu    den    silbenzählenden:    bei    solchen 
Denkmälern    entsteht    immer    die   Frage,    ob    und    innerhalb    welcher 
Grenzen  der  Dichter  sich  Unterdrückung  der  Senkungen  erlaubt 
habe.  Der  Herausgeber  beantwortet  die  Frage  S.  521    dahin,  daß  diese 
Freiheit  im  vorliegenden   Gedichte   nur  in   zwei   Fällen    nachzuweisen 
sei  und  zwar  1.  in  compositis,  2.  bei  ursprünglich  zweisilbigen  Wörtern. 
Allein  so  eng  wird  man  die  Schranken  doch  nicht  ziehen  dürfen.  Nach 
meinen  Beobachtungen  darf  die  Senkung  auch  noch  fehlen  3.  bei  stär- 
kerer Interpunktion:  282  loirt^  nCt   lool  heim  mit  mir  (doch  kann  man 
auch  betonen  wirt,  nü  wöl  heim  nach  2);  365  {und  was  diu  süeze    doch 
da    hl)    so    künste    rieh  :  stcdz  si   sach    und    ebenso    467,    auf   welchen 
Vers    ich    aber    im    folgenden    noch    zurückkommen    werde;    4.   wohl 
auch    zur    nachdrücklicheren    Hervorhebung    des    Gedankens:    so    23 
(sioaz  er  hef  envoUen)  gap  er   durch  got  ein  teil  (den  armen   liuten)  im 
Gegensatz  zu  28  und  32;  (von   der  nahe  liegenden   Ergänzung    eines 
des  wird  man  absehen  können).  208  swaz   du  mir  wöldest  geben,  (daz 
selbe  solt  du  ophern  got).    Die  Gründe  für  diese  beiden  Fälle  sind  ein- 
leuchtend, im  ersten  füllt  die  Interpunktionspause  die  Zeit  aus,  welche 
der  Senkung  gebührte,  im  letztern  entsteht  durch  die  stärkere  Betonung 
überlange  (vgl.  Brücke :  Die  physiologischen  Grundlagen  der  neuhoch- 
deutschen Verskunst,  Wien  1871,  besonders  S.  58);  5.  bei  Eigennamen: 
Vers  7  von  dem  geslehte  Jilda    wird   man   nicht   anders   lesen    können, 
ebenso  290  zehant  nante   Mdrja    oder  wie   ich   lieber  schreiben  würde 
Maria,  denn  beide  Formen,  die  zwei-  und  dreisilbige,  finden  sich  neben- 
einander, vgl.  610.  441.  841.  643;  vielleicht   auch  709   daz  Möyses  ge- 
schriben  hat,    wiewohl   hier   auch   die  Betonung  Moyses  möglich  wäre. 
Immerhin    bleiben    noch    einige  Verse   übrig  mit   einer   unterdrückten 
Senkung,   die   sich  unter  keinem  der  angeführten  Gesichtspunkte  ein- 
reihen lassen.  Am  wenigsten  anstößig  ist  es,  wenn  die  zwei  neben  ein- 
ander   stehenden    Hebungen    in    dasselbe  Wort    fallen:    so  425    aller 


72  HANS  LAMBEL 

xcerlde  erlcp.sa.re,  oder  wie  mir  Birtsch  für  das  handschriftliche  ^ceser 
\orsch\ägt  tcisaere,  99  er  helejp  jihif  manode  (]ar,  869  ze  hdibemie  hi  hat 
muot,  welche  Verse  man  allenffills  auch  mit  Synkope  und  versetzter 
Betonung  lesen  könnte,  um  die  Auslassung  der  Senkung  zu  vermeiden. 
Auf  zwei  Worte  fallen  die  Hebungen  zwischen  welchen  die  Senkung 
fehlt  74  als  ez  an  der  schrift  lit,  296  ervüUet  nach  der  schrift  säge,  88  und 
gar  noch  äne  kint  sit,  254  schiere  er  des  enein  kam,  373  dar  nach  si  an 
ir  teere  sdz,  auffallend  gerade  im  Versschluß;  397  von  in  allen  da  ge- 
nant loart  ist  vom  Herausgeber  sicher  gebessert  genennet  (vgl.  471); 
929  und  ersten  an  dem  dritten  tage  ist  leicht  zu  bessern^  indem  man 
schreibt  am,  das  651  überliefert  ist;  auch  258  sin  gebet  sprechen  er  he- 
gan  Joachim  mit  seneder  klage  lässt  sich  ohne  Schwierigkeit  bessern, 
indem  man  entweder  het  (s.  Lexer  I,  233),  oder  gan  (Haupt  zu  Erec  "^ 
S.  329,  Jänicke  Ztschr.  f.  d.  Phil.  V,  112)  schreibt,  wenn  man  nicht 
noch  lieber  er  streichen  will.  Die  Verse  welche  der  Herausgeber  S.  521 
als  'unregelmäßig'  aufführt,  sind  zum  Theil  wie  23.  208.  280  schon  durch 
das  vorstehende  erledigt  und  bedürfen  keiner  Emendation;  auf  750  werde 
ich  noch  zurückkommen;  50  lässt  sich  aber  mit  versetzter  Betonung  so 
leicht  lesen  wie  irgend  ein  anderer  ir  icären  vil  tilgende  bereit  oder  mit 
Syncope  icdrn,  und  die  Umstellung  tugende  vil  war  hier  so  wenig  nöthig 
wie  43  do  nam  er  ze  icibe  Anndm  [ze  tüibe  er],  (die  Betonung  Anndm 
ist  hier  gewiß  ebenso  berechtigt  wie  643  Marja ,  647,  670  Johdns,  661 
Juddm,  663  Jakop  und  180  u.  667  Anna,  261  Annen)  und  888  und*)  in 
icerde  der  sünden  buoz  [der  sünden  icerde],  wo  ungrammatische  Betonung 
nicht  einmal  nothwendig  ist,  wenn  man  den  Vers  trochäisch  liest. 

Dagegen  wird  man  doch  öfter  als  der  Herausgeber  will,  Kürzung, 
namentlich  Apokope  des  tonlosen  e  annehmen  müssen,  die  in  der  Zeit, 
welcher  unser  Gedicht  angehört,  überhaupt  nichts  Befremdendes  hat 
und  mehrfach  durch  die  Keime  desselben  (V.  18.  394.  804)  bewiesen 
wird.  So  V.  35  dise  vuor  [vuore  Hs.  u.  Ausg.]  nam  err  sich  an  (vgl.  172, 
wo  die  Handschrift  selbst  überliefert  schämen  muoz  die  wil  daz  ich), 
V.  50  kann  man  schreiben  nach  rehter  minne  se  sinnete  [minne  sij), 
122  daz  ich  so  gar  an  [äne]  kint  nü  bin,  158  dar  umb  [umbe]  diu 
frouice  weinte,  866  entweder  siner  bekorung  [bekorunge]  der  ist  vil  oder 
derst,  aber  889  durch  die  erloesung  [erloesunge]  bin  ich  komen,  wenn  man 
nicht  zu  der  Form  ürlasünge  seine  Zuflucht  nehmen  will,  die  bekannt- 

*)  Daß  dieses  und  in  daz  geändert  werden  müsse,  wie  der  Herausgeber  thut, 
will  mir  nicht  einleuchten :  und  mit  dem  persönlichen  Pronomen  statt  des  wiederholten 
relativen  ist  doch  nichts  auflfallendes  (s.  mhd.  Wb.  I,  183^  III.  435"^),  so  wenig  als  der 
Übergang  vom  collectiven  Singular  (daz)  zum  Plural  {in). 


KRITISCHE  BEITRÄGE.  73 

lieh  bei  Wolfram  Parz.  806,  30  und  Willeh.  331,  30  überliefert  ist 
(auch  425  könnte  dann  die  aus  dem  Rolandslied  und  der  Vorauerhs. 
bekannte  Form  urloswre  aushelfen),  886  ilher  menschltch  gesieht  [geslehtej 
daz  ich,  953  und  vertihif  [vertilge]  dm  truren  sd,  denn  Betonungen  wie 
hekorilnge ,  erloesünge,  geslehte,  vertilge  sind  für  das  13.  Jahrhundert  doch 
unglaublich. 

Erinnern  will  ich  zum  Schluß  dieser  Bemerkungen,  daß  O^  Jänicke 
das  Princip  der  Silbenzählung  in  der  Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie 
V,  112  auch  für  den  Dichter  von  Mai  und  Beaflor  nachgewiesen  hat, 
der  nach  Schönbach  (S.  521)  von  unserm  Dichter  nachgeahmt  wurde. 
Was  die  Reime  betrifft,  so  habe  ich  zu  bemerken,  daß  die  S.  521 
erwähnte  Bindung  i  :  ie  durchaus  nur  vor  r  (Brückes  r  iivulare)  er- 
scheint (vgl.  Weinhold  Bair.  Gramm.  §.  90.  Alem.  Gr.  §.  63),  woraus 
sie  sich  lautphysiologisch  leicht  erkläi't.  Zu  den  rührenden  Reimen, 
die  der  Herausgeber  ;^a.  a.  0.)  verzeichnet,  ist  hinzuzufügen  menscheit  : 
heit  944.  Unerwähnt  ist  ferner  geblieben  die  Ausdelmung  desselben 
Reimes  über  zwei  Verspaare  529  f.  907  f  und  eine  Reimfreiheit,  die 
man  freilich  in  der  Ausgabe  nicht  findet,  da  sie  der  Hei*ausgeber  an 
den  drei  Stellen,  wo  sie  überliefert  ist,  wegemendiert  hat.  Sie  ist  aber 
ohne  Bedenken  zu  restituieren,  denn  sie  ist  nicht  schlimmer  und 
stimmt  zur  Technik  der  Zeit  nicht  schlechter  als  die  Bindungen  d  :  g 
und  ht  :  ft,  die  nicht  weggeschafft  wurden.  Ich  meine  den  Reim  e  :  en. 
Die  Stellen  sind  folgende: 

746  mit  drin  personen  wir  sin 
und  doch  in  einer  gotheit 
und  in  eine  forme  gekleit 
mit  ewicUchem  geivalte, 

750  mit  tugenden  manicvalten  u.  s.  w. 
So  sind  V.  749.  750  überliefert  und  sicher  lesbarer  als  in  der 
Fassung  die  ihnen  der  Herausgeber  aufnöthigt:  mit  eivecltcher  getoalt,  mit 
tugenden  manicvalt,  unbekümmert  darum,  daß  gewalt  im  ganzen  Ge- 
dicht nirgends  als  stf.  nachweisbar  ist  (als  stm.  steht  es  deutlich  213. 
737.  829;  unentschieden  ist  das  Geschlecht  834-  856).  Die  Betonung 
ewicltchem  ist  nicht  ohne  Analogie:  vgl.  ewigen  765.  840.  lüillecllchen  S'dS. 
loerdekeit  468.  rehtlkeit  835;  so  wird  es  nicht  nöthig  sein  die  übrigens 
leichte  Änderung  gwalte  vorzunehmen.  Die  zweite  Steile  lautet  nach 
der  Überlieferung: 

ist  der  niht  vil 

515  die  du  ze  junger  nceme, 
oh  si  dir  gezoemen^ 


74  HANS  LAMBEL 

ohne  Zweifel  dem  Gedanken  angemessener  als  oh  es  dir  gezceme,  wie 
der  Herausgeber  schreibt,  denn  darauf  kommt  es  an,  ob  sie,  die  er  zu 
Jüngern  annehmen  soll,  ihm  würdig  erscheinen,  Audi  die  Änderung 
des  handschriftlich  überlieferten  junger  in  Jüngern  ist  hier  wie  662  {die 
Christ  ze  junger  an  sich  nam)  vom  Übel;  der  Singular  ist  keineswegs 
unstatthaft.  Vgl.  Karl  65  daz  ivas  Karl  der  reine,  der  alle  die  gemeine 
ze  friunde  hat  gewunnen,  die  sich  versinnen  kunnen  und  Grimms  Gramm. 
IV,  291,  Kachtr,  S.  954.  Noch  im  zweiten  Decennium  des  18.  Jhs. 
finde  ich  die  Construction  bei  Günther,  Ausg.  v.  1764,  S.  34:  (Der 
Heiland)  machte  durch  Gelassenheit  die  Zöllner  sich  zum,  Freunde.  Wenn 
etwas  geändert  werden  soll,  so  wäre  es  niht  514,  wofür  ich  iht  ver- 
muthe. 

Nach  diesen  zwei  Stellen  wird  man  auch  483  er  hat  ir  toerden 
süezen  lip  im  selben  ericelt  ze  minnen  (:  gebietcerinne)  die  Überlieferung 
nicht  antasten  (Schönbach  ze  minne). 

Schon  die  bisherigen  Erörterungen  führten  mich  auf  das  Gebiet 
der  Textkritik;  ich  fahre  nun  fort,  einzelne  Stellen  zu  besprechen, 
wo  ich  der  Auffassung  des  Herausgebers  eine  andere  entgegenzu- 
setzen habe. 

V.  11  der  arbeite  e)'  sich  heioac 

daz  er  ivan  sines  vihes  'pßae 
So  die  Hs.  Die  Quelle  des  Dichters  für  diesen  Theil  seiner  Erzählung 
(vgl.  Sehönbach  S.  529)  hat  aber  '^cui  nidla  erat  alia  cura  nisi  greguni 
{Tischendorf  Evang.  apocr.  p.  53):  das  führt  a.ui  andei^;  der  Fehler  der 
Überlieferung  erklärt  sich  leicht  aus  dem  vorhergehenden  gewan. 
138  f.  Anna  hat  die  Botschaft  des  Engels  empfangen: 

si  gie  da  si  ir  kamer  vant 

und  leit  sich  an  ir  bette  sä 

und  lac  rehte  als  vür  tot  aldd 

al  die  naht  und  al  den  tac 

daz  si  niht  des  gehetes  pßac. 
Die  letzte  Zeile,    wie  sie  überliefert  ist,   steht  nicht  im  Einklang  mit 
der  Quelle,  die  vielmehr  erzählt  '^tota  die  et  nocte  in  tremore  nimio  ac 
in  oratione  permansit^  (Tischend,  p.  56):  also  wohl  daz  si  niht   ivan 
gehetes  pflac. 

163.  Der  Engel  erscheint  Joachime  der  gar  sin  dinc 

an  knehte  und  an  vihe  het. 
Ist  in    der  letzten  Zeile    der  Accusativ  möghch   oder  nicht  viel- 
mehr  knehten   zu    schreiben?    Derselbe  Fehler  findet  sich  in  der  Hs, 
öfter,  z.  B.  375  iem  statt  iein.  449  cha  statt  chü,  469  nam  st.  nam, 


KRITISCHE  BEITRÄGE.  75 

meschleich  st.  meschleich  und  wie  ich  glaube  auch  267  dierne  st.  dierne, 
denn  in  der  Quelle  heißt  es  cum  puellis. 

350  überliefert  die  Hs. :  die  muot  ir  stcete  volgte  mite.  Der  Heraus- 
geber schreibt  dafür  dirre  muot,  aber  solcher  Änderung  bedarf  es  nicht, 
man  lese  nur  diemuot. 

355  fg.  diu  künde  si  wurJcen  also  wol 
daz  ez  die  liute  nämen  viir  vol. 
So  die  Ausgabe.  Die  Hs.  hat  navi,  vielleicht  also  daz  Hute?  (doch  vgl. 
auch  meine  Anm.  zu  163). 

374  fg.  daz  worhte  si  danne  haz 
danne  ieman  do  twte. 
Die  Hs.  hat  dan  iem  al  due  tete.  Darnach  lese  ich  dan  iemen  aldä  tcete. 
428  wird  lesbarer,  wenn  man  schreibt  ir  herze,  ir  Up,  und  ouch 
ir  sin :  und  ouch  fehlt  der  Hs.,  der  Herausgeber  ergänzt  nur  und,  aber 
vgl.  661  {Marjä  Älphei  diu  trtioc  vier  silne)  sant  /Simednem  und  ouch 
Judam*). 

461  f.  Der  Dichter  hat  Maria  dem  weiblichen  Geschlechte  als 
Vorbild  vor  Augen  gestellt  und  fährt  fort: 

sich  idijylich  loip,  nü  lois  vro, 
daz  got  dich  hat  gehoehet  so, 
daz  er  sich  durch  dich  menschlichen  lie 
hie  sehen  und  alhie  emphie 
465  die  menscheit  von  unplicher  art. 
aldä  dm  name  gehoihet  ivart 
über  alliu  wtp.  nü  nim  war 
diner  werdeJceit  und  heioar 
dinn  namen,  sit  got  die  muoter  sin 
470  nach  dir  und  nach  dem  namen  dm 
genennet  hat.  . 

Wie  Z.  466.  467  hier  stehen,  könnten  sie  nur  einen  Sinn  geben,  wenn 
man  sie  von  Maria  verstehen  dürfte.  Das  verbietet  aber  der  ganze 
Zusammenhang,  der  Dichter  redet  vielmehr  immer  noch  zum  Weibe 
im  Allgemeinen:  dann  aber  ist  es  unmöglich  zu  sagen,  daß  der  Name 
*Weib'  über  alle  Weiber  erhöht  worden  sei.  Ich  fasse  demnach  w7p 
als  Anrede  wie  451  und  461  und  lese 

aldä  dm  name  gehoehet  ivart 

über  alle  (sc.  namen).  wip,  nü  nim  loar  u.  s.   w. 


*)  Der  Herausg.  schreibt  hier  SimSon,  aber  die  lat.  Endung  wird  hier  so  wenig 
wie  816  vom  Schreiber  herrühren. 


70  HANS  LAMBEL 

Nachdem  der  Dichter  hierauf  das  weibliche  Geschlecht  ermahnt 
der  Würde  des  Namens  nachzuleben,  heißt  es  bei  Schönbach: 
480  f.  du  solt  daz  wol  gelouben  mir, 
dd  got  hat  so  liep  sin  wtp, 
er  hat  ir  loerden  siiezen  lip 
im  seihen  erioM  ze  minnen  u.  s.  w. 
Zu  Z.  481  theilt   der  Herausgeber  jedoch   als   handschriftliche   Lesart 
mit:  da  got  nicht  hat  u.  s.  w.    Das  führt,   wenn    man  die  Gewohnheit 
des  Schreibers,  Endconsonanten  zu  vernachlässigen  (422  enge  statt  en- 
get, 466  war  statt  wart,  628   scho   statt  schol)   und   den   Gedankenzu- 
sammenhang  berücksichtigt,    mit   leichter  Änderung    auf  das  richtige 
daz  got  niht  hat  so  liep  sam  wip.  Zum  Gedanken  vgl.  488 — 491: 

dar  an  er  uns  machet  schm 

daz  er  wipUch  geslehte  hat 

gehcehet  übr  al  sin  hantgetät 

und  über  al  sin  geslehte. 
So  lese  ich  mit  der  Hs.  Der  Herausgeber  streicht  490  al. 

Seltsam  mißverstanden  hat  der  Herausgeher  die  Verse  707  bis 
720,  wie  seine  Interpunktion  zeigt,  und  doch  hätte  ihn  die  von  ihm 
selbst  (S.  524 — 529)  herausgegebene  lateinische  Quelle  schon  auf  die 
richtige  Auffassung  führen  müssen.  Jesus  hat  686  gesagt  von  angenge 
was  ich  bi  got  ie  {eixim  in  principio  semper  apud  deum  S.  525  V.  13). 
Darauf  fragt  ihn  693  fg.  Maria  waz  ist  daz  angenge,  daz  du  bist  gewesen 
alle  dine  vrist  bi  dinem  vater  und  mit  im  ?  mit  bezeichnender  Betonung 
{quod  est  hoc  principium  quo  dicis  te  fuisse  apud  patrem  etc.  S.  525  V.  17) 
und  nachdem  sie  hierauf  Antwort  erhalten,  noch  einmal  707  fg.: 
daz  angenge,  waz  ist  daz, 

{daz  soltü  mir  bescheiden  baz) 

daz  Moyses  geschriben  hat, 

dd  unser  geloube  noch  an  stät, 

in  dem  got  himel  und  erde 

geschuof  lool  nach  ir  werde? 
(S.  525  V.  23  quod  est  hoc  principium,  Moyses  quod  scripsit,  in  quo  celun- 
('■tque  terram  creasse  deum  dixit?) 

Hierauf  antwortet  Jesus  713  fg.: 

daz  ist  daz  wäre  angenge: 

dd  got  an  wite  an  lenge 

geschuof  die  zit  den  himel  klär  u.  s.  w. 
(S.  525  V.  25    hoc    verum  est  principium,    in   quo  sunt  creata  tempus, 
celum  etc.) 


KRITISCHE  BEITRÄGE.  77 

Es  ist  deutlich,  daß  hier  zwischen  dem  uneigentlichen  angenge 
von  Ewigkeit  her*)  (antiquum  princiinum  nennt  es  zum  Unterschied 
die  Vita  metrica  S.  525  V.  19]  und  dem  wahren  angenge  in  der  Zeit, 
von  dem  Moses  schrieb,  unterschieden  wird.  Der  Herausgeber  jedoch 
verdunkelt  den  Gedanken,  indem  er  nach  707(?),  nach  708 (.)  setzt 
und  auch  die  Vs.  709 — 712  schon  Jesus  zuweist,  daher  er  auch  nach 
712  (,)  statt  (?)  setzen  muß.  Wie  er  714  sein  an  loite  an  lenge  ver- 
steht, errathe  ich  nicht:  der  Dichter  kann  doch  unmöglich  von  der 
Schöpfung  in  Raum  und  Zeit  (im  Gegensatz  zur  räum-  und  zeitlosen 
Ewigkeit)  sagen  wollen,  daß  sie  ohne  räumliche  und  zeitliche  Aus- 
dehnung (und  diese  beiden  Begriffe  zusammen  liegen  in  den  Worten 
wlte  und  lenge)  geschaffen  worden  sei:  soll  aber  die  Unermeßlichkeit 
der  Schöpfung  bezeichnet  werden,  so  wäre  der  Ausdruck  doch  sehr 
unglücklich  gewählt:  ich  schrieb  daher  an. 

728  kann  man  der  Überlieferung  sich  enger  anschließend  schrei- 
ben da  wir  nü  sin,  da  war  (bar  Hs.,  warn  Seh.)  wir  do. 
743  f.  nü  wer  ist  diu  drivaltekeit 

der  goiltch  magenkraft  ist  hreit? 
So  die  Überlieferung,  an  welcher  der  Herausgeber  keinen  Anstoß 
nimmt.  Auch  ich  will  nicht  läugnen,  daß  die  Stelle  zur  Noth  einen 
Sinn  gebe,  aber  wenn  man  die  entsprechende  Zeile  der  Vita  metrica 
(S.  525  V.  36  que  est  illa  trinitas  divine  maiestatis  ?)  und  der  vom  Her- 
ausgeber selbst  angeführten  Bearbeitung  Walthers  von  Rheinau  (waz 
diu  dricaltkeit  st,  der  götlich  magenkraft  ist  M)  berücksichtigt,  kann 
man  sich  doch  nicht  der  Überzeugung  verschließen,  daß  hreit  ver- 
schrieben sei  für  bereit,  das  ebenso  Z.  50  steht  ir  loären  vil  tugende 
bereit. 

798  genzlichen  hie  üf  der  erden:  man  braucht  der  nicht  zu  streichen; 
der  Herausgeber  hat  S.  521  selbst  bemerkt,  daß  der  Dichter  viermal 
gehobene  Verse  mit  klingendem  Ausgang  auch  mit  dreimal  gehobenen 
bindet  (nur  451  gehört  nicht  hieher,  da  auch  452  vier  Hebungen  hat). 
Der  Artikel  steht  auch  838. 

813  f.  siieziu  muoter,  niht  krenke 

dinen  lip,  doch  gedenke 

der  Simeonis  Worte 
Die  Hs.  hat  noch:  ist  vielleicht  ^/ocÄ  zu  lesen? 


*)  von  dem  es  697  heißt  däz  angenge  int  n'ht  vürwdr  gean&venget  mit  iht  (non 
est  inceptivum  ulliiis  inicii  vel  inchoativum  S.  525  Z.  19  f.)  was  der  Herausgeber  yiel- 
leicht  doch  mit  Unrecht  in  geangenget  ändert. 


78  HANS  LAMBEL 

829  f.  mit  gotlichem  geioalte  ich  icol 

ei'lceste  si,  toan  daz  ich  sol 

mit  rehtikeit  si  erloesen. 

wand  si  sich  den  vinden  hoesen 

hänt  loillecllchen  gegeben, 

in  ir  geicalt  ir  vriez  leben. 
sich  in  832  gehört  sicher  dem  Schreiber  und  ist  ebenso  wie  die 
Interpunktion  nach  833  zu  tilgen,  damit  die  Construction  ihre  uner- 
träghche  Härte  verliere.  831  :  832  ist  dann  ein  gewöhnliches  Reimpaar 
aus  dreihebigen  Versen  mit  klingendem  Ausgange  und  S.  521  zu 
streichen. 

850  f.  mm  Itp  dich  sunder  meil  gebar 
und  äne  allen  mitewist 
du  von  mir  geborn  bist. 
Die  zweite  Zeile  ist  jedenfalls  unrichtig  überliefert  und  muß  offenbar 
ebenso  lauten,  wie  433  tmd  an  aller  manne  mitewist,  vgl.  die  vita  me- 
trica  S.  526  V.  87  f.  sine  commixtione  virilis  contagii  .  . .  te  concepi  und 
Walther  4,  23. 

Ich  wende  mich  nunmehr  von  der  Besprechung  einzelner  Stellen  *) 
zur  Geschichte  der  Überlieferung  unsers  Gedichts  im  Allge- 
meinen, über  welche  der  Herausgeber  S.  521  —  523  eine  Ansicht  ent- 
wickelt, der  ich  nicht  zu  folgen  vermag. 

In  der  einzigen  Handschrift,  in  der  uns  das  Gedicht  erhalten  ist, 
erscheint  der  Zusammenhang  der  Erzählung  keineswegs  durchaus  un- 
gestört. Bis  Z.  508  liest  man  ohne  fühlbaren  Anstoß  von  Joachim  und 
Anna  und  dem  Jugendleben  Mariens  bis  zur  Geburt  Jesu,  die  der 
Dichter  als  bekannt  nur  kurz  erwähnt,  um  sofort  zum  Lobe  Mariens 
und  einer  Betrachtung  über  die  Würde  des  weiblichen  Geschlechts 
überzugehn,  worauf  nun  noch  in  wenigen  Versen  erzählt  wird,  wie  be- 
reitwillig Jesus  oft  Fragen  seiner  Mutter  beantwortete.  Von  509  bis 
580  findet  sich  dann  allerdings  ein  solches  Gespräch  zwischen  Maria 
und  Jesus,  aber  es  fügt  sich  inhaltlich  durchaus  nicht  an  508,  indem 
es  mit  einer  Antwort  Jesu  beginnt  und  sich  vielmehr  als  Schluß  der 
Fragen  und  Antworten  erweist,  an  die  sich  ohne  Unterbrechung  wieder 
eine  Betrachtung  schließt  581  -  634.  Hierauf  folgt  ohne  vermittelnden 
Übergang   ein  Abschnitt  über  unser    vromven    künne  635 — 670.    Dann 


*)  Nur  in  einer  Anmerkung  will  ich  noch  auf  eine  Stelle  hindeuten,  die  ich  freilich 
nicht  sicher  zu  heilen  vermag:  628  f.  heißt  es  man  sol  edel gesleine  niht  ntcete  werfen  under 
diuswin;  daß  sUete  hier  unpassend  ist,  bedart'wohl  keiner  Auseinandersetzung;  etwai/toecZe? 


KRITISCHE  BEITRÄGE.  79 

folgt  wieder  ebenso  unvermittelt  ein  Stück  Wecliselrede  zwischen 
Maria  und  Jesus,  mit  dem  die  Handschrift  schließt.  671 — 958.  Dieses 
Stück  aber  fügt  sich  inhaltlich  vollkommeud  passend  zwischen  508  und 
509  ein  und  stellt  somit  an  dieser  Stelle  den  zerrissenen  Zusammenhang 
wieder  her. 

Dieß  der  Thatbestand,  aus  dem  sich  jedenfalls  zunächst  soviel 
ergibt,  daß  der  Zusammenhang  schon  in  der  Vorlage  gestört  war. 

Was  aber  folgert  der  Herausgeber  weiter  daraus?  Er  geht  von 
dem  letzten  Stück  671 — 958  aus,  das  288  Zeilen  enthält,  also  gerade 
4  Blätter  füllen  würde,  wenn  auf  der  Seite  36  Zeilen  einspaltig  standen. 
Unter  dieser  Voraussetzung  würde  auch  der  Schluß  des  Gespräches 
509 — 580  gerade  auf  ein  Blatt  gehen.  Bei  den  übrigen  Theilen  des 
Gedichtes  geht  aber  die  Vertheilung  auf  Seiten  zu  36  Zeilen  nicht 
mehr  so  leicht.  Der  Herausgeber  sucht  zunächst  die  Einleitung  zu  dem 
mit  671  *ganz  ex  abrupto'  beginnenden  Gespräch  abzugrenzen,  deren 
Beginn  er,  allerdings  nur  hypothetisch,  auf  V.  437  fixieren  möchte, 
*rait  dem  die  Besprechung  eines  neuen  Gegenstandes  ausdrücklich  er- 
öffnet wird,  nachdem  der  früher  behandelte  Stoflf  in  den  Versen  435.  6 
ebenso  ausdrücklich  als  erledigt  bezeichnet  worden  war\  So  erhält  er 
'abermals  von  V.  437 — 508  ein  Stück  von  72  =  2  X  36  Versen,  also 
ein  Blatt.  V.  1 — 436  behandelt  der  Herausgeber  in  der  Weise,  daß 
er  430 — 436  für  einen  von  späterer  Hand  angefertigten  Vermittlungs- 
versuch' erklärt  und  als  'zweifellos'  annimmt,  'daß  die  Erzählung 
wirklich  mit  einem  Verse  432  abschloß,  bevor  die  Einleitung  zu  dem 
Gespräch  daran  geknüpft  wurde'.  So  gewinnt  er  abermals  6  Blätter 
und  es  bleibt  nur  noch  V.  581 — 670  übrig,  wovon  sich  der  Abschnitt 
von  unser  vrouioen  kümie  (635 — 670)  leicht  wieder  als  ein  Stück  von  36 
Versen,  also  Y^  Blatt  heraushebt.  Der  Rest  aber  (581 — 634  der  Preis 
Marias)  sei  aus  dem  Lobe  Annas  (47 — 64)  und  Marias  (441  —  508)  zu- 
sammengearbeitet, und  wer  solche  Wiederholungen  nicht  auffallend 
finde,  den  mache  er  aufmerksam,  daß  das  Stück  595 — 630  ^36  Verse 
allerdings  für  sich  zusammenhängt.  Auf  diese  Weise  ergeben  sich  ihm 
127«  (13?)  Blätter  einer  Handschrift,  die  Bruchstücke  eines  Marien- 
lebens enthielten,  welche  dann  'durch  eingeschaltete  Verse  in  Zusam- 
menhang gebracht  wurden.  Da  aber  zwischen  den  einzelnen  Theilen 
des  Gedichtes  durchaus  keine  sprachliche  noch  metrische  Differenz 
wahrnehmbar  ist,  so  wird  angenommen,  'daß  schon  in  den  zu  begren- 
zenden Theilen  eine  Überarbeitung  vorliege,  von  deren  Autor  denn 
auch  die  weniger  genau  bestimmbaren  Stücke  stammen.  Das  ursprüng- 
liche Gedicht  wird  dann  in  die  Mitte  des  13.  Jhs.,  die  Überarbeitung 
'bald  darnach'  gesetzt. 


80  HANS  LAMBEL,  KRITISCHE  BEITRÄGE. 

Man  wird  dieser  Methode  das  Zeugniss  energischer  Eindringlichkeit 
nicht  leicht  versagen,  aber  auch  eine  gewisse  Künstlichkeit  derselben 
Avird  niemand  entgehen,  der  sie  aufmerksam  und  unbefangen  prüft. 
Wie,  derselbe  Mann,  der  sich  die  Aufgabe  stellte,  die  Bruchstücke  eines 
altern  Marienlebens  durch  Überarbeitung  und  Interpolation  zu  einem 
Ganzen  zusammenzufügen,  der  wirklich  es  nöthig  fand  von  430—436 
ein  überleitendes  Zwischenstück  aus  eigenen  Mitteln  beizusteuern, 
sollte  entweder  die  klaffende  Lücke  zwischen  508  und  509  nicht  be- 
merkt haben,  nicht  bemerkt  haben,  daß  671 — 95S  diese  Lücke  aus- 
füllen, oder  um  eine  ausfüllende  Interpolation  verlegen  gewesen  sein? 
Ihm  sollte  entgangen  sein,  daß  mit  958  das  Gedicht  unmöglich  schließen 
könne  oder  die  Sorge  um  einen  passenden  Abschluß  so  wenig  am 
Herzen  gelegen  haben?  Er  sollte  für  das  Stück  von  unser  frowen  Minne 
^635 — 670)  keine  engere  Anknüpfung  gefunden  haben?  Das  ist  doch 
unglaublich ! 

Oder  sollen  wir  uns  denken,  daß  dasselbe  Schicksal  der  Zer- 
trümmerung und  Verwirrung,  welches  das  ursprüngliche  Gedieht  ge- 
troffen haben  soll,  auch  wieder  das  Werk  des  Überarbeiters  und  Inter- 
polators  getroffen  habe?  Das  ist  kaum  glaublicher! 

Und  woran  soll  man  bei  dem  eingestandenen  Mangel  sprachlicher 
und  metrischer  Differenzen  die  'Zwischenstücke'  von  den  ursprüng- 
lichen Theilen  mit  einiger  Sicherheit  unterscheiden?  Es  fällt  schwer 
den  Eindruck  abzuwehren,  als  habe  nur  das  Bestreben,  Reste  einer 
Handschrift,  welche  36  Zeilen  auf  der  Seite  enthielt,  zu  reconstruieren, 
auf  die  Annahme  einer  Interpolation  zwischen  430  und  436  geführt. 
Und  wer  an  den  Wiederholungen  in  581 — 634  Anstoß  nimmt,  dem 
müssten  streng  genommen  auch  die  Anklänge  in  441 — 508  (vgl.  451  u. 
59.  453.  u.  57)  verdächtig  sein.  Allein  ohne  die  Annahme  solcher 
'Zwischenstücke'  ist  die  Vertheilung  der  gesammten  Verszahl  auf 
Seiten  zu  36  Zeilen  eben  nicht  streng  durchführbar.  Und  dabei  bleibt 
es  noch  immer  seltsam,  daß  uns  ein  wundei-bar  spielender  Zufall  viel- 
leicht gar  zweimal  (595 — 630  u.  635—670)  nur  je  ein  halbes  Blatt 
erhalten  haben  sollte. 

Sollte  sich  solchen  Schwierigkeiten  gegenüber  nicht  eine  ein- 
fachere Hypothese  als  wahrscheinlicher  empfehlen?  Eine  solche  wäre 
folgende : 

Die  Vorlage,  aus  welcher  unsere  Abschrift  des  Gedichtes  floß, 
Avar  am  Ende  schadhaft:  einige  Blätter  hatten  sich  losgetrennt  und 
giengen  zum  Theil  verloren;  um  weiteren  Verlust  zu  vermeiden,  legte 
man  die  noch  vorhandenen  losgerissenen  Blätter  zwischen  Z.  508  (Schluß 


E.  WILKEN,  ZU  DEN  MURBACHER  HYMNEN.  81 

der  Rückseite)  und  671  (Anfang  der  Vorderseite  eines  Blattes)  ein  und 
in  dieser  Ordnung  schrieb  der  Copist  unbekümmert  um  den  Zusammen- 
hang die  Verse  ab.  Wenn  sich  die  Gesammtzahl  derselben  nicht  ganz 
genau  zu  36  auf  die  Seite  vertheilen  lässt  (und  auf  diese  Ziffer  weist 
das  Stück  671 — 958,  von  dem  bei  der  Reconstruction  der  Handschrift 
offenbar  auszugehn  ist,  allerdings  hin),  so  erklärt  sich  das  wohl  bei 
der  geringen  Zahl  überschüssiger  Verse  aus  einem  ja  auch  sonst  nicht 
unerhörten  Schwanken  der  auf  eine  Seite  fallenden  Verszahl,  wenn 
die  Verszeilen  überhaupt  abgesetzt  waren,  was  nach  dem  V.  11  be- 
merkten Fehler  bezweifelt  Averden  darf. 

Unter  dieser  Voraussetzung  fällt  die  Annahme  einer  Überarbeitung 
von  selbst  weg. 

Die  bairische  Heimat  aber  unseres  Gedichtes  (S.  519  f.)  ist 
möglich,  ja  sie  mag  durch  die  nachgewiesene  Benutzung  des  Mai  eine 
gewisse  Wahrscheinlichkeit  gewinnen,  aber  sicher  ist  sie  nicht:  denn 
weder  sind  die  aufgeführten  Reime  ausschließlich  bairisch-österreichisch 
(ja  für  ein  bairisch-österreichisches  Gedicht  aus  dieser  Zeit  ist  es  sogar 
auffallend,  daß  kein  ei  u.  ou  f.  ?,  ü  erscheint),  noch  ist  es  undenkbar, 
daß  Mai  auch  von  einem  nicht  bairisch-öslerreichischen  Dichter  nach- 
geahmt worden  sein  könne. 

PRAG  im  October  1874. 


ZU  DEN  MURBACHER  HYMNEN. 


Auch  die  neue  Ausgabe  der  althochdeutschen  Hjmnenübersetzung  ^) 
lässt  eine  von  Jacob  Grimm  in  seiner  Edition  S.  5  nur  kurz  berührte 
merkwürdige  Erscheinung  ohne  genauere  Untersuchung.    Grimm,    der 

sich  über  die  Sache  bekanntlich  so  äußerte:  interdum  monacho 

dubitatio  hcesisse  videtur  de  vera  verhi  latini  sigmßcatione  ideoque  duohus 
illam  tlieotiscis  attingere  studuit,  quorum  posterius  uncis  inclusi  —  hat 
die  betreffenden  Stellen  des  Textes  wenn  auch  nur  in  äußerlicher  Weise 


')  Von  Ed.  Sievers:  Die  Murbacher  Hymuen,  Halle  1874.  —  In  Bezug  auf  den 
Text  beiläufig  folgendes:  XV,  5,  4  entspricht  dem  deutschen  Texte  und  wie  mir  scheint 
auch  dem  Sinne  besser  die  von  Grimm  gegebene  Fassung  des  lat.  Textes  vigilve  sensxis 
somniet,  die  auch  bei  Daniel  I,  42  als  Variante  steht.  XXVI,  14  war  wohl  in  beiden 
Fällen  die  Lücke  der  Hs.  durch  hina  auszufüllen,  da  der  Umstand,  daß  bei  hinädSn 
der  Gen.  bisher  nicht  sicher  belegt  scheint,  wohl  nur  zufällig  ist,  für  Icinädon  c.  Gen. 
GEKMANIA.  Neue  Reihe  VIII.  (XX.)  Jali.j;.  8 


82  K.  WILKEN 

markiert;  die  neue  Ausgabe  lässt  dagegen  die  Doppelparaphrase  un- 
bezeichnet,  und  nur  der  deutsche  Index  macht  gelegentlich  darauf 
aufmerksam"). 

Da  bei  der  sonstigen  ängstlichen  Worttreue  des  Übersetzers  sich 
diese  doppelte  Version  einzelner  Stellen  doch  nicht  ohne  Weiteres  er- 
klärt, wird  eine  genauere  Betrachtung  der  etwa  24  Fälle,  die  ich  zu- 
nächst übersichtlich  zusammenstelle,  nicht  abwegig  erscheinen. 

1)  I,  3,2  angelus  =r  pofo^  chundo.  — Vgl    I,  4,2  angelus  =  pnto. 

2)  T,  4,  1   hora  =  ivila,  stunfa.  —  Vgl.  IX,  4  septies  =  sihtm  stun- 
fon;  XIII  nonam  :=  niunta  wzJa. 

3)  I,  4,  3  punire  ^=  sclalian,  icizzinon. 

4)  I,  6,  1   israhel  =  israhel,  lint. 

5)  I,  7,  4  conditor  =  felaho,  scheffo. 

6)  I,  9.  4  regia  =  turi,  pwtun. 

7)  II,   1,  4  pandis  =  spreifis,  inlncMs. 

8)  II,  3,  2  radiis  =  scimon,  speichov. 

9)  II,  8,  3  fideli  =  triuaße,   kalauhige.  —  Vgl.  TIT.  .5.  2  fideli  = 
trmaftemu. 

10)  III,  6,  4  Spiritus  =  ätumes,  keistes.  —  Vgl.  V.  4.  2  Spiritus  = 
dhim,  keist. 

11)  IV,  3,4  revectans  =  moar  traganti,  loidar  fuarinti. 

12)  V,  2,  1   depellitur  =  fartripon  ist,  wirdtf. 

13)  V,  2,  2  nitor  =  sconi,  cliz.  Vgl.  III,  2,  2  nitore  =  scimin,  cUzze. 

14)  VI.  3,  2  per  =  id)er,  duruch. 

15)  VTII,  5,  2  invideamus  =  apastohem^,  kafardem. 
IQ)  XV,  2,  3  dum  =  unzi,  denne. 

17)  XVIII,  3,  1  pudicitiae  =  kahalHni,    . . .  .agini*). 

18)  XTX,  6,  3  in  galilea  =  in  galilea,  in  kawimizze.  —  Vgl.  8,  2  in 
galilea  =  in  gewimezze. 


pibt  Graff.  II,  1030  Beispiele.  —  Zu  VI,  6,  1  hätte  bemerkt  werden  mögen,  daß  die  zu 
helfanf  g^enaiier  stimmende  Lesunfj  adiutor  bei  Daniel  I,  68  sich  vorfindet.  —  Bei 
VTII,  3,  3  ist  weder  der  lat.  noch  der  deutsche  Text  gesichert,  letzterer  führt  auf  nox 
nee  succedens  ortui. 

')  Doch  mangelt  S.  84  im  Art.  sctmo  der  Hinweis  auf  die  auch  S.  71  im  Art. 
cliz  fehlende  Form  clizze  (III,  2,  2). 

*)  Vielleicht  ist  doch  apanatoem  zu  bessern. 

^)  Ich  ergänze  keilMgini,  das  zu  den  verwandten  Formen  heilafjt  und  -gtn  bei 
Graff  IV,  878  stimmen  würde.  —  Bez.  des  zweifelhaften  kaunrth  (XXII,  1,  2),  das 
Grimm  zu  ändern  versuchte,  mag  an  das  gleichlautende  Nom.  propr.  erinnert  werden, 
das  Graff  wohl  mit  Recht  unter  gawi  gestellt  hat:  gawiAh  also  =  terrcB  regnum,  rex, 
dann  nur  so  viel  als  regnum  oder  triumphus. 


zu  DEN  MUEBACHER  HYMNEN.  83 

19)  XX,   1,  4  probrosa  =  ihcizlicho,  michusco. 

20)  XXI 11,  4,  4  hostem  =  heri,  fiant. 

21)  XXIV,  3,  3  formam  =  kilihnissa,  inlidi. 

22)  XXVI,  1,  4  veneratur  =  wirdit,  eret. 

23)  XXVI,  7,  1   devicto  =  kerihtemo,  uharwunnomo. 

Auch  könnte  man  als  24)  aus  II,  5,  4  potens  =  mahtiger,  ma- 
gantiu  noch  dazu  rechneu.  —  Der  Umstand,  daß  in  den  ersten  Hym- 
nen die  meisten  Düppelversionen  begegnen,  mag  als  ein  zufälliger 
gelten  dürfen,  da  H.  I — XXI  von  einer  Hand  geschrieben  sind;  auch 
möchte  ich  darauf,  daß  die  zweite  Glosse  mehrfach  theils  am  Rande 
(so  11.  15.  17.  23),  theils  oberhalb  der  ersten  Glosse  (14.  19)  oder 
unter  dem  lat.  Worte  (III,  2,  2)  nachgetragen  ist,  kein  besonderes 
Gewicht  legen. 

Doch  erhellt  aus  dem  Angeführten  zur  Genüge,  daß  die  Doppel- 
versionen nicht  etwa  auf  bloße  Schreiberlaune  zurückzuführen  sind, 
Flüchtigkeiten  in  der  Übertragung  sind  ganz  vereinzelt"),  auch  die  Fälle 
in  denen  die  zweite  Version  als  Berichtigung  der  frühern  erscheinen 
könnte,  nur  Ausnahme^).  Vielmehr  ist  trotz  einiger  Verstöße,  die  dem 
Latiuisten  des  19.  Jhs.  freilich  als  etwas  grobe  Solcecismeu  auffallen 
mögen,  die  Version  im  Ganzen  nicht  nur  wortgetreu,  sondern  zeigt 
ein  Vermögen,  das  sich  als  eine  wenn  auch  noch  ungewohnte  Gewalt 
über  die  Sprache  bezeichnen  lässt.  Es  zeigt  sich  diese  namentlich  in 
dem  Bestreben,  selbst  die  biblischen  Fremdworte  so  weit  als  irgend 
möglich  in  Laut-  und  Begriffsform  der  Muttersprache  zu  übertragen, 
und  in  Bezug  auf  diesen  Patriotismus  übertreffen  die  Hymnen  wohl 
jedes  andere  ahd.  Denkmal'). 

Ein  Schwanken  in  Betreff  der  wahren  Bedeutung  des  lat.  Wortes 
tritt  fast  nirgend  zu  Tage®)  —  sollte  auch  ein  Reichenauer  oder  Mur- 


^)  So  wenn  XVI,  3,  2  nee  hostis  durch  nee  hostis  übersetzt  wii'd,  vgl.  Sievers 
zu  der  Stelle. 

*)  Dieß  ist  namentlich  der  Fall  mit  N.  24,  dagegen  ist  N.  14  die  zweite  Glosse 
nur  genauer,  nicht  eigentlich  besser,  über  16  entscheide  ich  nicht. 

")  Es  ist  darauf  zuerst  von  Grimm,  dann  auch  von  R.  v.  Raumer  (Einwirkung 
des  Christenthums  auf  die  ahd.  Sprache  S.  340  fif.)  gelegentlich  hingewiesen.  Am  auf- 
fälligsten ist  die  Übersetzung  von  osanna  durch  kahaÜ ,  vgl.  auch  XIX,  8,  2.  Ähn- 
lich wie  im  Tatian  (s.  Räumer  S.  356)  wird   Jesus   mehrfach    durch    heilant  übersetzt, 

(vgl.  heilant   in  Sievers  Index),  und  XXIII,  1,3  ist  wohl    auch  heilante   aus  c te 

zu  machen. 

*)  Es  ist  wohl  nur  N.  8  hier  anzuziehen ,  wo  gemäß  der  Doppelbedentung  des 
lat,  radius  =  Strahl  und  =  Radspeiche  sich  auch  eine  Version  findet,  die  zwischen 
beiden  Bedeutungen  die  Wahl  lässt;    aber  die  erstere  bleibt  wohl  vorzuziehen. 

6'= 


84  K.  BARTSCH,  ABSCHRIFT  VON  HARTMAXXS   IWKIN. 

bacher  Mönch  des  VIII.  bis  IX.  Jh.  über  den  Sinn  von  hora,  Spiritus, 
per  u.  s.  Av,  im  Halbdunkel  gewesen  sein? 

Abgesehen  von  dem  Bestreben,  dem  Sinne  des  lat.  Wortes  durch 
die  zweite  Glosse  noch  näher  zu  rücken,  vgl.  3)  7)  13)  14)  20)  —  wird 
wohl  auch  die  Erwägung,  im  Veralten  begriffene  Wortformen  durch 
geläufigere  zu  ersetzen,  für  das  Verfahren  des  Glossators^)  maßgebend 
gewesen  sein.  Nach  dieser  Seite  hin  verdienen  5)  10)  11)  23)  —  viel- 
leicht auch  2)  9)  15)  17)  19)  21)  Beachtung.  —  Was  den  Wechsel 
von  'poto  und  chundo  betrifft  (1),  so  ist  zu  bedenken,  daß  2?oto  sich 
mit  der  Zeit  als  übliche  Version  von  apostolus  festsetzte,  und  so  noch 
im  Mhd.  namentlich  als  Comp,  zwelfhote  üblich  ist,  während  für  angelus 
vor  dem  völligen  Durchdringen  der  entlehnten  Form  angil,  engil  neben 
dem  freilich  auch  hier  giltigen  poio  sich  cliundäri  (=  chundo)  z.  B.  bei 
Notker  wechselnd  gebraucht  findet,  vgl.  Raumer  a.  a.  0.  S.  379.  — 
Von  Interesse  ist  schließlich  (12)  die  doppelte  Übersetzung  von  de- 
pellitur,  wie  denn  überhaupt  für  den  noch  nicht  fest  geregelten  Gebrauch 
der  Hilfsverben  wesan  und  werdan,  deren  ersteres  aber  auch  für  das 
lat.  manere  eintritt^"),  die  Hymnen  sehr  lehrreiche  Belege  bieten,  wor- 
über man  sich  nun  leicht  aus  dem  Sieverschen  Index  orientiert,  und 
die  schon  von  Grimm  Gr.  IV,  12,  13  gemachte  Bemerkung,  daß  in 
den  ältesten  ahd.  Denkmälern  loesan  vorherrscht,  weiter  belegt  findet. 

E.  WILKEN. 


ABSCHRIFT  VON  HARTMANNS  IWEIN. 


Eine  Abschrift  des  hartmanni sehen  Iwein  vom  J.  1521  befindet 
sich  in  der  Stadtbibliothek  zu  Lindau  unter  der  Bezeichnung  PH  62: 
sie  ist  citiert  in  Pertz'  Archiv  9,  587  und  im  Anzeiger  für  Kunde  der 
deutschen  Vorzeit  1872,  Sp.  368.  Zu  untersuchen  wäre  ob  sie  aus  einer 
der  uns  erhaltenen  älteren  Handschriften  geflossen  ist  oder  nicht. 

K.  BARTSCH. 


')  Ob  eine  allere  Arbeit  von  jüngeren  Händen  revidiert  wurde,  oder  derselbe 
Autor  sich  selbst  corrigierte,  ist  nebensächlich. 

*")  Dagegen  tritt  piUhan  für  remanere  im  Sinne  des  fehlerhaften  Zurückbleibens 
oder  des  Nachlassens  (unhilibantich  =  incessahilis)  ein,  während  das  Wort  im  Schwe- 
dischen und  Dänischen  {hlifva,  blifve)  den  Sinn  von  loerden  angenommen  hat,  und 
also  wenn  man  noch  das  nhd.  bleiben  =  vianere  in  Anschlag  bringt,  einen  merkwürdig 
verschiedenen  Gebrauch  aufweist. 


LITTERATUK:  IIKiNZKL,  GESCHICHTE  DER  NFR  GESCHÄFTSSPRACHE.        85 


LITTERATÜR. 


Geschichte  der    niederfränkischen  Geschäftssprache  von  Eichard  Heinzel. 
Paderborn   (Schöuingh)    1874.   464  S.   8. 

Unter  niederfränkischer  Geschäftsspracbe  versteht  der  Verf.  den  Dialekt 
der  fränkischen  und  benachbarten  Canzleien  von  Mainz  abwärts  bis  in  die 
Niederlande,  insofern  er  mindestens  noch  v  für  b  oder  t  für  z  in  Pronominal- 
formen auch  auBer  dit  aufweist,  und  andererseits  nicht  ndl.  ist'.  Die  Urkunden 
dieses  Gebietes  sind  mit  größerer  Vollständigkeit  publiciert,  als  leider  die  der 
meisten  übrigen  Gegenden  Deutschlands,  und  die  darin  auftretenden  Dialekte 
bieten  ein  hervorragendes  Interesse,  weil  sie  verschiedene  Zwischenstufen  zwischen 
hoch-  und  niederdeutsch  repräsentieren.  Eine  Verarbeitung  des  vorhandenen 
Materials  muß  daher  sehr  willkommen  sein,  und  der  Verf.  hat  dieselbe  mit 
großem  Fleiße  und  großer  Genauigkeit  unternommen.  Er  unterscheidet  auf  dem 
Gebiete  eilf  verschiedene  Typen,  wie  er  es  nennt,  die  zum  Theil  wieder  in 
Unterabtheilungen  zerlegt  werden.  Für  jede  Abtheilung  gibt  er  ein  Verzeichniss 
der  Quellen,  darauf  eine  Beschreibung,  d.  h.  eine  vollständige  Zusammenstellung 
der  vorkommenden  Schreibweisen  und  aus  den  ältesten  Quellen  auch  der 
Declinationsformen;  dann  folgt  eine  allgemeine  Charakteristik  und  eine  Über- 
sicht über  die  geographische  Verbreitung.  Dazwischen  sind  größere  oder  kleinere 
Excurse  über  verschiedene  Fragen  eingestreut.  Über  das  eigentliche  Wesen 
dieser  Typen  spricht  sieh  der  Verf.  nirgends  deutlich  aus,  aber  man  erkennt 
aus  der  ganzen  Behandlung,  daß  er  sie  als  etwas  von  den  gesprochenen  Mund- 
arten verschiedenes,  gewissermaßen  als  Schriftsprachen  für  ein  bestimmtes 
kleines  Gebiet  auffasst.  Die  Anwendung  dieser  Typen  ist  nach  H.  nicht  in  be- 
stimmte dauernde  Gränzen  eingeschlossen.  Ihr  Gebiet  kann  sich  erweitern  und 
verengen;  es  kann  derselbe  Typus  auf  verschiedenen  Gebieten  und  verschiedene 
Typen  auf  demselben  Gebiete  auftreten.  Diese  von  der  Mundart  losgelösten 
Canzleisprachen  sollen  schon  bestanden  haben,  als  die  ältesten  lateinischen  Ur- 
kunden und  Rechtsbücher  aufgesetzt  wurden.  Ihre  Existenz  wird  als  selbstver- 
ständlich vorausgesetzt.  Dieselbe  zu  erweisen,  zu  zeigen,  durch  welche  Umstände 
sie  sich  gebildet  haben,  hat  H.  nirgends  versucht.  Seine  Anschauungen  beruhen 
meiner  Überzeugung  nach  auf  einer  unrichtigen  Auffassung  des  Verhältnisses 
von  Schriftsprache  und  Mundart.  Das  Bestehen  einer  Schriftsprache  ist  nicht 
so  selbstverständlich  wie  das  der  Mundart.  Jede  natürliche  Sprachentwicklung 
führt  nur  zu  einer  fortwährenden  Steigerung  der  dialektischen  Verschieden- 
heiten. Die  Schriftsprache  entsteht  nur  durch  bewusstes  Aufgeben  des  Natür- 
lichen, durch  einen  gewaltsamen  Zwang,  den  der  Einzelne  sich  nicht  zu  seinem 
Vergnügen  auferlegt,  sondern  wozu  ihn  nur  ein  wirkliches  Bedürfniss  veran- 
lasst. Dieß  Bedürfniss  kann  aber  nur  darauf  beruhen ,  daß  er  mit  der  Mund- 
art sich  nicht  verständlich  machen  kann.  Es  besteht  nur  für  den  großen  Ver- 
kehr, der  über  ein  weites  Gebiet  sich  erstreckt,  aber  nicht  für  kleine  Terri- 
torien, innerhalb  deren  die  sprachlichen  Unterschiede  so  gering  sind,  daß  das 
gegenseitige  Verständniss  dadurch   nicht  behindert  ist.     Aber  gei"ade  für  solche 


86        LITTERATUK:  HEINZEL,  GESCHICHTE  DERNFR.  GESCHÄ  FTSSPRACHE. 

niintnt  H.  besondere  Canzleisprachen  an.  Es  gehört  ferner  doch  Zeit  und  Übung 
dazu,  ehe  eine  Gemeinsprache  sich  fixieren  und  über  die  Mundarten  erheben 
kann.  Wie  soll  aber  die  dürftige  Anwendung  von  Eigennamen  und  einigen  ver- 
einzelten deutschen  Wörtern  in  lateinischen  Urkunden  dazu  genügen,  wenn  man 
auch  vielleicht  für  die  spätere  Zeit  die  Möglichkeiten  zugeben  mag?  Wenn  nun 
wenigstens  Heinzeis  Typen  sich  als  einheitliche  und  von  einander  deutlich  ge- 
schiedene Idiome  darstellten!  Aber  keineswegs.  Er  muß  Unterabtheilungen,  Spiel- 
arten unterscheiden,  die  nach  einer  Seite  von  ihrem  Typus  abweichen  und  die 
verschiedene  Typen  mit  einander  verbinden,  und  muß  schließlich  bei  der  Ein- 
reibung der  einzelnen  Urkunden  doch  mit  einer  gewissen  Willkür  verfahren. 
Man  vergleiche  z.  B.  die  Bemerkung  S.  285  unten:  Sobald  ein  Denkmal  auch 
nur  ein  uf  zeigt,  habe  ich  es  zu  VT  gerechnet.  Nur  ein  v/ph  schien  mir,  wenn 
andere  Umstände  dafür  sprachen,  den  Charakter  von  IV  nicht  zu  verändern. 
Damit  ist  also  doch  zugegeben ,  daß  diese  Typen  mehr  oder  minder  passend, 
aber  immerhin  nicht  ohne  Willkür  unterschieden  sind,  daß  sich  recht  wohl  eine 
Eintheilung  in  mehr  oder  weniger  Typen  und  anders  gezogen  denken  ließe,  daß 
also  in  Wirklichkeit  in  der  Canzleisprache  dieselbe  Continuität,  derselbe  all- 
mähliche Übergang  von  einer  Sprachgestaltung  in  die  andere  stattfindet  wie  in 
der  Volksmundart,  was  die  Vermuthung  nahe  legt,  daß  die  Canzleisprache  nichts 
anderes  ist  als  Volksmundart.  Jedenfalls  ist  man  berechtigt  den  Nachweis  der 
Verschiedenheit  zu  verlangen.  Dazu  war  es  nöthig  die  neueren  Mundarten,  da- 
neben auch  die  Reime  der  älteren  Dichter  zur  Vergleichung  heranzuziehen.  Da 
diese  von  Heinzel  ganz  bei  Seite  gelassen  sind,  so  müssen  wir  ihm  überhaupt 
das  Recht  absprechen  über  das  Verhältniss  von  Canzleisprache  und  Mundart  zu 
urtheilen.  Mindestens  ist  das  Urtlieil  unmotiviert,  da  die  einzigen  zu  Gebote 
stehenden  Kriterien  nicht  benutzt  sind.  H.  konnte  überhaupt  nach  der  Be- 
schränkung, die  er  sich  auferlegt  hatte,  wesentlich  nur  eine  Materialiensammlung 
liefern.  Denn  es  war  auch  nicht  möglich,  ohne  neuere  Mundart  und  Reim  eine 
genügende  Feststellung  der  Aussprache,  eine  eigentliche  Lautlehre  zu  geben. 
Ungefähr  das  nämliche  Dialektgebiet  wie  H.  hat  gleichzeitig  behandelt 
W.  Braune  in  den  Beiträgen  zur  Gesch.  der  deutschen  Sprache  u.  Lit.  I,  1. 
Hier  werden  neben  den  Urkunden  auch  die  neueren  Mundarten  behanrlelt, 
Braune  geht  dabei  von  der  Voraussetzung  aus,  daß  die  Sprache  in  den  Ur- 
kunden den  heimischen  Dialekt  der  Schreiber  darstellt.  Er  geräth  bei  dieser 
Ansicht  in  keinen  Widerspruch  mit  den  Thatsachen.  Vielmehr  ergibt  sich  die 
genaueste  Übereinstimmung  zwischen  den  heutigen  Dialektgränzen  und  den 
Gränzen  der  Urkundensprache.  Daß  H,  diese  Übereinstimmung  verkannt  hat, 
liegt  zum  Theil  daran ,  wie  Braune  in  seiner  Recension  des  Buches  im  Litter. 
Centralbl.  1874  no.  25  bemerkt  hat,  daß  ihm  nicht  klar  geworden  ist,  daß  in 
der  Kegel  derjenige  die  Urkunde  ausstellen  lässt,  in  dessen  Vortheil  das  be- 
treifende  Geschäft  begründet  ist.  Es  hätte  überhaupt  zunächst  von  den  rein 
localen  Urkunden  ausgegangen  werden  müssen,  bei  denen  nur  Personen  der- 
selben Mundart  betheiligt  sind.  Bei  diesen  würde  sich  ergeben  haben,  daß  die 
Sprache  stets  zu  der  betreff"enden  Mundart  stimmt.  Dann  würde  sich  auch  weiter 
ergeben  haben,  daß  in  Urkunden,  die  sich  auf  verschiedenredende  Personen  be- 
ziehen, immer  die  Sprache  der  einen  Partei  erscheint,  daß  es  also  keine  Ge- 
meinsprache für  den  Verkehr  gab. 


LITTEKATUR:  HEINZEL,  GESCHICHTE  DER  NFR.  GESCHÄFTSSPRACHE.         g7 

H.  hat  Braunes  Arbeit  mit  Rücksicht  auf  seine  eigene  besprochen  in 
einer  Eecensiou  der  Beiträge  Zeitschr.  f.  d.  östr.  Gymn.  18  74,  S.  163  flf.  Er 
hat  darin  manches  eingeräumt ,  sucht  aber  doch  im  Wesentlichen  seine  An- 
sichten aufrecht  zu  erhalten.  Bedauerlich  scheint  mir  besonders  seine  Polemik 
gegen  Braunes  äußerst  zweckmäßige  Eintheilung  der  fränkischen  Dialekte  in 
Nieder-,  Mittel-,  Süd-  und  Ostfräukisch ,  deren  allgemeine  Einführung  äußerst 
wünschenswerth  wäre.  H.  wendet  zunächst  ein,  daß  MüIIenhoffs  Eintheilung 
schon  zu  sehr  eingebürgert  sei,  als  daß  man  sie  gegen  eine  andere  vertauschen 
könnte.  Aber  das  ist  wohl  in  dem  Maße  nur  in  dem  engern  Schülerkreise  der 
Fall.  Aber  wenn  man  sich  auch  schon  viel  mehr  in  dieselbe  eingelebt  hätte, 
80  müsste  sie  doch  aufgegeben  werden,  weil  MüUenhoffs  Abgränzung  des  Süd- 
fränkischen auf  einem  unwesentlichen  und  nach  kurzer  Zeit  wieder  verschwin- 
denden Unterschiede  beruht,  während  im  Rheinfränkischen  durch  ihren  Con- 
sonantenstand  scharf  und  dauernd  geschiedene  Mundarten  zusammengeworfen 
werden.  H.  weicht  ja  selbst  von  MüUenhoffs  Eintheilung  und  Terminologie  ab. 
Sein  Niederfränkisch  umfasst  MüUenhoffs  Nieder-  und  Rheinfiänkisch.  Es  ist 
ein  ganz  haltloser  Begriff.  Einerseits  wird  das  Niederländische  von  der  mit  ihm 
auf  einer  Consonantenstufe  stehenden  Mundart  von  Geldern,  Cleve  und  Mors 
losgerissen,  andererseits  beruht  auch  die  Südgränze  auf  gar  keinem  klaren 
Kriterium.  Auffallend  ist  Heinzeis  Opposition  gegen  die  Scheidung  von  Nieder- 
und  Mittelfiänkisch,  die  er  nicht  als  gleichberechtigt  der  von  Mittel-  und  Süd- 
fränkisch anerkennen  will.  Die  Scheidung  muß  doch  gemacht  werden,  wenn  wir 
überhaupt  eine  Scheidung  von  Nieder-  und  Mitteldeutsch  machen,  mit  der  sie 
zusammenfällt.  Die  Verschiedenheiten  innerhalb  des  mittelfränkisehen  Gebietes, 
auf  die  H.  aufmerksam  macht,  den  allmählichen  Übergang  in  das  Sudfränkische 
wird  auch  Braune  zugeben.  Aber  das  kann  eben  nirgends  anders  sein.  Die  Mund- 
arten hangen  überall  continuierlich  zusammen.  Nie  wird  ein  Sprung  gemacht. 
Unsere  Eintheilung  ist  jedesmal  willkürlich,  aber  wir  bedürfen  einer  solchen  aus 
praktischen  Gründen  und  müssen  sie  so  zweckmäßig  als  möglich  einrichten. 
Es  hindert  ja  nichts  das  Mittelfränkische  in  weitere  Unterabtheilungen,  be- 
sonders in  zwei  Hauptgruppen  zu  sondern,   die  auch  von  Braune  angezeigt  sind. 

Unter  den  von  H.  eingestreuten  Excursen  ragen  zwei  durch  Umfang  und 
Bedeutung  des  behandelten  Gegenstandes  hervor:  über  die  westgermanischen 
Vocale  46  —  90  und  über  die  Lautverschiebung  115 — 179.  Leider  kann  ich 
seinen  Ansichten  nur  in  wenigen  Stücken  beipflichten.  H.  leidet  an  einer  Nei- 
gung zur  Künstelei,  die  das  natürlich  sich  darbietende  verschmäht,  überall  nach 
absonderlicher  und  gesuchter  Deutung  hascht.  Bei  diesen  beiden  Untersuchungen 
folgt  er  unverkennbar  dem  Muster  Scherers,  von  dem  er  indeß  mehrfach  ab- 
weicht. So  ist  sein  Excurs  über  die  Vocale  eine  Ausführung  der  von  Scherer 
z.  Gesch.  S.  1'26  ausgesprochenen  Ansicht,  daß  der  Hochton  die  Wirkung  habe 
den  Eigenton  des  Vocals  zu  erhöhen,  also  eine  Veräuderung  in  der  Richtung 
—  u  —  a  —  i  hervorzubringen.  Mit  Hülfe  dieses  Grundsatzes  sucht  er  das  Verhält- 
niss  von  e  zu  i,  o  zu  u,  ä  zu  e,  auch  die  Contraction  von  Diphthongen  und 
die  Diphthongisierung  von  langen  Vocalen  zu  erklären.  Es  ist  nun  zunächst 
zweifelhaft,  ob  für  den  germanischen  Accent  eine  Erhöhung  des  Stimmtons  und 
nicht  vielmehr  bloß  eine  größere  Energie  der  Hervorbringung  wesentlich  ge- 
wesen ist.  Die  vollständige  Haltlosigkeit  der  Hypothese  zeigt  aber  folgende 
Überlegung.  Erstens  linden  sich  ähnliche  Vocalveränderungen  auch  iu  den  übrigen 


88       1.ITTP:RATUK :  HEINZKL,  GESCIITCHTE  der  NFR'  gesciiäftssprache. 

europilsclien  Sprüchen,  olme  .biß,  al)gescheii  \oi  der  Diplithongisierung,  der  Ton 
auf  den  bctrofffDCM  Silben  ruht.  Die  Verwandlung  des  a  zu  e,  die  doch  auch 
auf  Erhöhung  des  Eigentoiis  beruht,  ist  in  den  meisten  Fällen  gemeineuropäisch. 
Sie  findet  sich  gerade  in  einer  Anzahl  von  Verben,  die  im  litauischen,  wo  die 
ursprünglichen  Accentverhältnisse  am  getreuesten  bewahrt  sind,  den  Ton  auf 
der  Endung  haben  z.  B.  lesü  {—  got.  lisa),  metü  (=  lat.  mitto),  vezü  {=  lat. 
veho,  got.  viya).  Dieses  c  erhöht  sich  weiter  im  lit.  häufig  zu  i  z.  B.  iriu 
(rudere,  Würz,  ar),  skiriü  (sondere,  Würz,  skar);  es  wechselt  e  und  i  im  praes. 
und  praet,  z.  B.  hredüy  bridaü  (wate),  kerM,  kirtaü  (haue).  Ebenso  wird  im 
slaw.  e  in  ?  verwandelt,  welches  stäts  accentlos  ist  und  ausgestossen  werden 
kann  z.  B.  mtr({,  mrq  (morior),  stlrq,  strci  (sterno),  und  mit  Wechsel  her({  (fero), 
blrafhu,  brachü,  Inf.  blraii,  brati.  Wenn  man  also  einen  Einfluß  des  Accents 
annehmen  will,  so  kann  dieser  nur  darin  bestehen,  daß  die  Tonlosigkeit  das 
a  zu  e  und  weiter  zu  i  treibt.  Zweitens  aber  finden  sich  die  von  Heinzel  auf 
Eechnung  des  Accents  gebrachten  Vocalveränderungen,  wieder  mit  Ausnahme 
der  Diphthongisierung,  gerade  so  wie  in  den  Wurzelsilben  auch  in  den  Ab- 
theilungs-  und  Flexionssilben,  und  in  proklitischen  Partikeln.  So  geht  a  durch 
c  zu  z  über  in  dages,  dagis,  nimis,  nimip  *),  swnjus  aus  sunivas,  sunive,  himivs, 
katils,  agis,  aggvipa,  salipva,  in,  ahd.  ga-,  ge-,  gi-,  za-,  ze-,  zi-.  Langes  a  wird 
zu  e  in  dage,  hanane.  Vollends  die  Contraction  von  ai  und  au  ist  gerade  in 
den  Endsilben  auch  im  ahd.  und  selbst  altn.  consequent  durchgeführt.  Wjis 
braucht  es  also  zur  Erklärung  dieser  Erscheinungen  des  Accentes?  Dieß  ganz 
unnöthige  Erklärungsmittel  steht  aber  sogar  mit  den  Thatsachen  im  Widerspruch, 
den  H.  trotz  aller  künstlichen  Mittel  nicht  zu  beseitigen  vermag.  Er  nimmt  an, 
um  sein  Princip  zu  retten,  daß  aus  a  entstandenes  o  schon  gemeingermanisch 
durchgängig  zu  u  geworden  sei,  nicht  ebenso  e  zu  i.  Hierfür  könnte  allerdings 
die  verschiedene  Behandlung  von  indog.  i  und  u  in  den  nichtgotischen  Dia- 
lekten sprechen.  Aber  es  finden  sich  doch  auch  eine  Anzahl  von  H.  selbst  S.  46 
aufgezählter  i,  die  gerade  wie  u  dem  Einfluß  eines  folgenden  a,  (e,  o)  erliegen 
ganz  gegen  das  Princip  der  Tonerhöliung.  Im  übrigen  widerspricht  dieser  An- 
nahme Heinzeis  und  überhaupt  seinem  ganzen  Principe  das  in  den  germanischen 
Sprachen  durchgehende  analoge  Verhalten  von  e,  i  zu  a  und  o,  u  zu  a,  welches 
sich  auch  in  der  ahd.  Diphthongisierung  von  e  zu  ia,  ie  und  ö  zu  ua,  uo  und 
in  der  Verwandlung  von  ai  und  au  in  ei  und  ou  zeigt.  H.  müsste  ferner  den 
Übergang  des  o  in  m  in  eine  Zeit  zurückschieben,  in  welcher  das  germanische 
Accentuationsgesetz  noch  nicht  durchgedrungen  war  und  annehmen,  daß  die 
Wurzelsilben,  in  welchen  derselbe  eintrat,  ursprünglich  sämmtlich  unbetont  ge- 
wesen seien,  wofür  man  doch  wohl  einen  Beweis  fordern  dürfte.  —  Absolut 
verfehlt  scheint  mir  ferner  die  Aufstellung  einer  gotisch-fränkischen  Sprach- 
gruppe, die  in  Bezug  auf  Vocalismus  sich  von  den  übrigen  Stämmen  absondern 
MoU  (S.  Gl).  Weder  sind  die  verschiedenen  Punkte  von  Übereinstimmung,  die 
H.   aufführt,    allen  zu  der  Gruppe    gerechneten  Stämmen  geraein,  wie  er  zum 


*)  Mit  Heinzel  anzunehmen,  daß  nimis,  nimip  aus  7iimasi,  nimajii  durch  Assi- 
milation an  das  Schluß-i  entstamlon  seien,  verbietet  der  Umstand,  dalJ  nimip  auch  in 
der  II.  plur.  eintritt,  wo  ein  a  abpjefallen  ist.  Überhaupt  wurde  das  a  nicht  unmittelbar 
zu  i,  sondern  zunächst  zu  e  übereinstimmend  in  allen  indogermanischen  Sprachen.  Das 
lit.  zeiurt  allerdint^s  a  in  der  II.  plur.  und  III.  sing.  Dieß  beruht  aber  wohl  auf  späterer 
Assimilation  an  die  übrigen  Personen  gerade  wie  ahd.  nemat. 


LITTERATUR:  HEINZEL,  GESCHICHTE  DERNFR.  GESCHÄFTSSPRACHE.        89 

Theil  selbst  zugibt,  noch  ist  erweish'ch,  d;iß  sie  sich  dadurch  von  den  übrigen 
sondern.  Die  Gruppe  soll  sämmtliche  mit  den  Römern  in  Berührung  gekommenen 
Völkerschaften  umfassen.  Wenn  dieselbe  nun  in  ihren  ältesten  Denkmälern,  in 
Eigennamen  und  vereinzelten  Wörtern  bei  lateinischen  Schriftstellern  gemein- 
same Eigenthümlichkeiten  zeigt,  die  sich  bei  den  andern  Stämmen  nicht  nach- 
weisen lassen,  so  liegt  das  einfach  daran,  daß  wir  von  der  Sprache  der  letzteren 
gar  keine  oder  nur  höchst  spärliche  Denkmale  haben  eben  wegen  der  mangelnden 
Berührung  mit  den  Römern.  Die  aufgeführten  Eigenheiten  lassen  sich  aber  fast 
alle  in  andern  Dialekten  wirklich  nachweisen.  So  ist  Empfindlichkeit  der  Vocale 
für  consonantische  Einflüsse  doch  in  viel  höherm  Grade  als  dem  fränk.,  dem 
ags.  (lond,  eafora,feallan,  svearf,  meaht,  ceorl)  und  altn.  (hjarga,  hjdlpa,  koniingr) 
eigen.  Rückkehr  von  e  zu  ä,  die  übrigens  im  got.  nicht  nachweisbar  ist,  hat 
wahrscheinlich  bei  allen  germanischen  Stämmen,  die  nicht  frühzeitig  genug 
untergegangen  sind,  stattgefunden.  Über  die  Alamannen  vgl.  Jaoobi,  Beitr.  111; 
schon  der  Name  Suevi  ist  Beweis.  Reste  des  e  im  alts.  sind  ger,  uueg,  hcdi 
etc.  cf.  Heyne,  alts.  Gramm.  §.  5 :  im  ags.  cven^  ven,  mece,  cveman  Noch  viel 
zahlreicher  sind  sie  im  altfr.  jer,  mel,  jevon  etc.  Nur  im  altn.  ist  keine  Spur 
davon,  und  für  dieses  mag  es  zweifelhaft  bleiben,  ob  jemals  das  ä  dem  e  an- 
genähert gewesen  ist.  Doch  ließe  sich  auch  aus  der  Vergleichung  der  ver- 
wandten Sprachen  wahrscheinlich  machen,  daß  e  oder  wenigstens  ein  Mittellaut 
zwischen  ä  und  e  gemeiugermanisch  gewesen  ist.  Ferner  eii,  eima,  treuua  sind 
ganz  gewöhrilich  in  der  vordem  Partie  des  Hei.  im  Mon.  Noch  weniger  können 
die  unter  nr.  1 — 7  (S.  67  ff.)  angeführten  Erscheinungen  als  specifische  Eigen- 
thümlichkeiten der  Gruppe  angeführt  werden,  was  eigentlich  für  den  Unbefangenen 
so  auf  der  Hand  liegt,  daß  es  Raumverschwendung  wäre  es  noch  weiter  aus- 
zuführen.  Was  soll  also  die  Aufstellung  dieser   Gruppe  ? 

Nicht  so  ganz  durchgängig,  wiewohl  auch  zum  großen  Theil  verfehlt 
scheint  mir  der  Excurs  über  die  Lautverschiebung.  Derselbe  berührt  sich  viel- 
fach mit  den  Arbeiten  von  Braune,  Beitiäge  I,  43  ff.  und  513  ff.  und  von  mir 
ib.  147  ff.  H.  hat  seine  Aufstellungen  später  gegen  die  abweichenden  Ansichten 
von  Braune  und  mir  zu  rechtfertigen  gesucht  in  der  oben  erwähnten  Recension 
der  Beiträge.  Zunächst  über  einen  principiellen  Gegensatz  der  beiderseitigen 
Anschauungen  spricht  er  sich  dort  (S.  178)  folgendermaßen  aus:  Was  dem 
Aufsatz  schadet,  scheint  mir  die  physiologische  Methode  zu  sein ;  Paul  vernach- 
lässigt gänzlich  die  Controlle,  unter  welcher  das  Ohr  die  gesprochene  Sprache 
hält  und  gegen  zugemuthete  Lautändfrungen  schützt .  Allerdings  besteht  eine 
solche  Controlle,  welche  jeden  plötzlichen,  sofort  deutlich  ins  Gehör  fallenden 
Lautwandel  verhindert.  Ich  habe  von  derselben  nirgends  gesprochen,  aber  ich 
wüsste  nicht,  wo  ich  gegen  die  Gesetze  derselben  sollte  Verstössen  haben.  Bei 
allen  von  mir  angenommenen  Lautverändrrungen  sind  contiuuierliche  Übergänge 
möglich.  Die  einzige  darunter,  die  nicht  auch  Heinzel  annimmt,  ist  der  Über- 
gang von  Reibelaut  in  homorgauen  Verschlußlaut  ohne  Vermittlung  einer  Af- 
fricata.  Daß  dieser  nicht  gegen  das  Gesetz  der  Continuität  verstösst,  ist  doch 
wohl  klar.  Denn  von  der  größten  Weite,  bei  der  noch  ein  Cousonant  ertönt, 
bis  zum  völligen  Verschluße  giebt  es  unendlich  viele  Abstufungen,  und  ebenso 
giebt  es  unendliche  viele  Grade  der  Verkürzung  des  Dauerlautes  bis  zum  Moment. 
Und  alle  diese  Zwischenstufen  der  Articulation  sind  auch  Zwischenstufen  für 
den  akustischen  Eindi-uck,   Der  Vorwurf,   den  mir  H.   machen  kann,   kann   also 


90       LITTERATUR:  HEINZEL,  GESCHICHTE  DER  NFR.  GESCHÄFTSSPRACHE. 

nur  der  sein,  daß  ich  neben  der  Controlle  des  Ohres  auch  noch  die  physio- 
logische Schwierigkeit  berücksichtigt  habe,  daß  ich  nicht  jeden  Lautübergang 
für  möglich  und  wahrscheinlich  halte,  wenn  nur  der  Abstand  von  dem  ursprüng- 
lichen Laute  nicht  zu  sehr  ins  Gehör  fällt,  gleichviel  ob  er  nach  allgemeinen 
lautphysioiogischen  Gesetzen  oder  nach  den  sonstigen  Beobachtungen,  die  wir 
über  die  speciellen  Eigenthümlichkeiten  eines  Volkes  machen  können,  wahr- 
scheinlich ist  oder  nicht.  Diesen  Vorwurf  will  ich  mir  gern  gefallen  lassen. 
Kaum  begreiflich  ist  es,  wie  mir  die  physiologische  Methode,  nicht  bloß  die 
falsche  Anwendung  derselben  zum  Vorwurf  gemacht  wird,  da  doch  aller  Fort- 
schritt, den  die  Lautlehi-e  in  neuerer  Zeit  gemacht  hat,  darauf  beruht.  Die 
Laute  unterliegen  als  physische  Erzeugnisse  wesentlich  nur  physischen  Gesetzen, 
gerade  so  wie  Wortbedeutung,  Ableitung,  Flexion  und  Syntax  psychologischen. 
Es  kommen  dabei  einige  psychologische  Momente  allgemeinster  Art  in  Betracht, 
insofern  z.  B.  die  nach  vorwärts  wirkende  Assimilation  nicht  durch  den  ge- 
sprochenen Laut  selbst,  sondern  durch  die  Vorstellung  des  zu  sprechenden 
Lautes  bewirkt  wird,  oder  insofern  Schnelligkeit  des  Sprechens,  die  wieder  mit 
Schnelligkeit  des  Denkens  zusammenhängt,  Assimilation  und  Abschleifung  der 
Endungen  befördert.  Aber  bewusste  Tendenzen,  wie  sie  H.  annimmt,  wirken 
bei  der  Lautveränderung  nicht.  Es  ist  vor  allem  in  der  natürlichen  Sprache 
keine  Vorstellung  von  dem  Lautsysteme  vorhanden,  wie  wir  Grammatiker  sie 
haben. 

H.  triflPt  zusammen  mit  Braune  in  der  gelungenen  Widerlegung  von 
Scherers  Ansicht,  daß  got.  Tenues  sich  im  ahd.  unmittelbar  zu  Reibelauten, 
nicht  durch  Affricaten  hindurch  verschoben  hätten,  mit  mir  in  der  Annahme, 
daß  die  got.  Medien  und  im  Allgemeinen  auch  die  denselben  entsprechenden 
Laute  in  den  nicht  von  der  hochdeutschen  Verschiebung  betroffenen  Dialekten 
wenigstens  im  Inlaut  einen  andern  Lautwerth  repräsentieren,  als  wir  mit  den 
Zeichen  des  lateinischen  Alphabetes,  durch  welche  wir  sie  wiedergeben,  sonst 
zu  verbinden  gewohnt  sind,  und  daß  in  diesen  abweichenden  Lautwerthen  eine 
ältere  Stufe  erhalten  ist.  Unsere  Ansichten  gehen  aber  darin  auseinander,  daß 
er  dafür  wenigstens  ursprünglich  Medialaflfricaten  annimmt,  ich  dagegen  bereits 
gemeingermanisch  einfache  weiche  Reibelaute.  H.  hält  in  der  Recension  an 
seiner  Ansicht  fest  und  sucht  sie  genauer  zu  begründen  (S.  180  ff.).  Bei  ihm 
wie  früher  bei  Scherer  ist  die  Annahme  von  Aflfricaten  wesentlich  veranlasst 
durch  den  unläugbaren  Übergang  der  fraglichen  Laute  in  Verschlußlaute,  die 
sie  beide  immer  nur  zunächst  aus  Affricata,  nicht  aus  Reibelaut  entstehen 
lassen  wollen.  Dabei  ist  maßgebend  für  sie  gewesen  die  Analogie  des  engli- 
schen th,  welches  gegenwärtig  in  der  Sprache  der  Gebildeten  oflPenbar  im  Über- 
gang zum  Verschlußlaut  begriffen  ist,  während  die  Dialekte  diesen  Übergang 
zum  großen  Tlieil  schon  vollständig  vollzogen  haben.  Aber  die  Auffassung  des 
Übergangslautes  als  AftVicata  ist  eben  falsch,  wie  ich  Beitr.  I,  189  bemerkt 
habe.  Er  ist  vielmehr  ein  durchaus  einfacher  Reibelaut,  sehr  kurz  und  mit 
starker  Verengung  der  Articulationsstelle  gesprochen,  wofür  gelegentlich  auch 
schon  wirklicher  Verschlußlaut  ertönt.  H.  geht  darüber  in  der  Recension  S.  184 
etwas  leicht  hinweg:  'Die  englische  Analogie  soll  durch  Sievers  Beobachtungen 
hinweggeschafft  sein.  In  wie  fern  das  richtig  ist,  kann  ich  nicht  beurtheilen. 
Dem  muß  ich  entgegenhalten:  es  ist  richtig,  festgestellt  durch  zuverlässige  Be- 
obachtungen,  deren   Geltung  dadurch  nicht  entkräftet  wird,   daß   sie  H.   gerade 


LITTERATUR   HEINZEL,  GESCHICHTE  DER  NFR   GESCHÄFTSSPRACHE.        91 

nicht  nachprüfen  kann.  Damit  wird  aber  die  englische  Analogie  nicht  bloß  für 
Heinzeis  Annahme  beseitigt,  sondern  für  die  meinige  gewonnen.  Es  nöthigt  uns 
überhaupt  nichts  mehr  Affricateu  anzunehmen ,  wir  verwickeln  uns  im  Gegen- 
theil  dadurch  bloß  in  unnöthige  Schwierigkeiten.  Zum  Theil  gibt  H.  selbst  ein- 
fache Reibelaute  zu.  Wo  er  aber  Affricaten  annimmt,  können  die  dafür  vorge- 
brachten Gründe  mit  demselben  oder  mit  besserem  Rechte  für  den  soeben  be- 
schriebenen Übergangslaut  geltend  gemacht  werden.  So  das  Schwanken  zwischen 
6  und  V  in  der  Wiedergabe  des  got.  h.  .Außerdem  ist  zu  beachten,  daß  lat. 
V  labiodental  war,  daß  also  der  labiolabiale  got.  Reibelaut,  auch  abgesehen 
von  einer  etwaigen  Annäherung  an  den  Verschlußlaut,  zwischen  lat.  h  und  n 
in  der  Mitte  stand  Daß  durch  b  ein  bloßer  Reibelaut  bezeichnet  werden  konnte, 
beweist  am  besten  die  Wiedergabe  des  got.  Halbvocals  v  durch  üb  neben  nv. 
W^enn  H.  fragt,  wie  die  Afifricata  im  lat.  anders  hätte  bezeichnet  werden  sollen 
als  durch  b  oder  u,  so  muß  ich  einfach  antworten  durch  Jw.  Vollkommen  un- 
begreiflich ist  mir,  wie  H.  Zeitschr.  182  behaupten  kann,  daß  der  Wechsel 
von  Spirans  und  Media  nur  bei  den  Vertretungen  von  indog.  k  und  t  sich 
fände,  während  dem  indog.  p  kein  solcher  Wechsel  entspräche.  Gerade  hier 
tritt  uns  ja  der  Wechsel  am  lebendigsten  entgegen  {asahis,  ioseba,  abuh,  ubuh). 
Hier  dürfen  wir  am  allerwenigsten  eine  Erweichung  von  Tenuisaffricata  in  Me- 
dialaffricata  statuieren.  Für  got.  g  und  d  im  Inlaut  gibt  H.  reinspirantische 
Aussprache  zu.  Im  Anlaut  setzt  er  für  alle  drei  Articulationsstellen  Affricata 
an.  Er  beruft  sich  dafür  Zeitschr.  181  auf  das  alts.  und  ags.,  wo  g  auf  j 
allitteriert.  Daraus  zieht  er  den  merkwürdigen  Schluß,  daß,  da  ^  ,  ^  und  j 
nach  Druckes  Bezeichnung  für  das  Ohr  zu  weit  abständen,  man  das  alts.  ags. 
g  als  f/'^j^  ansetzen  müsse,  als  ob  es  bei  der  Allitteration  auf  den  zweiten  Laut 
ankäme  und  nicht  allein  auf  den  ersten.  Und  da  ihm  die  Verbindung  g-j  mit 
Recht  seltsam  vorgekommen  sein  wird,  so  meint  er,  es  sei  wohl  gar  nicht  die 
regelmäßige  Aussprache  gewesen ,  vielmehr  habe  die  Aussprache  zwischen  g  j 
und  g'j'  geschwankt,  zumal  da  Reime  wie  gumon  :  Josepe  doch  selten  wären. 
Zunächst  bemerke  ich,  daß,  wenn  diese  Reime  seltener  sind  als  manche  andere, 
dieß  natürlich  nicht  anders  sein  kann,  weil  _;'  seltener  ist  als  andere  Laute.  Es 
allitteriert  daher  noch  viel  seltener  auf  ein  anderes  j  als  auf  g.  Ich  habe  für 
den  Hei.  nach  Heynes  Glossar  die  Reime  durchgesehen,  in  welchen  andere  mit 
j  beginnende  Wörter  als  Eigennamen  und  das  sehr  häufige  jungaro  vorkommen. 
Danach  ergeben  sich  folgende  Zahlenverhältnisse:  es  reimen  drei  j  auf  einander 
zweimal  (1175.  2802),  wobei  immer  der  Name  Johannes,  1175  auch  Jacobus 
vorkommt,  ein  j  auf  ein  anderes  zweimal  (859.  3258  jung  :  Jesus),  zwei  j 
und  ein  g  zweimal  (735.  5296),  ein  j  und  zwei  oder  ein  g  siebenzehnmal 
(80.  148.  949.  1117.  2192.  2466.  3278.  3309.  3469.  3472.  3498.  3613. 
4427.  4757.  5916.  5948.  5967).  Es  muß  also  unbedingt  zugegeben  werden, 
daß  g  und  j  für  die  Allitteration  nicht  unterschieden  werden.  Daraus  würde 
man  folgern,  daß  auch  in  der  Aussprache  gar  kein  Unterschied  gewesen  wäre, 
wenn  nichts  anderes  dagegen  spräche.  Für  einen  Unterschied  im  alts.  spricht 
nun  allerdings,  daß  im  allgemeinen  j  und  g  in  der  Schrift  unterschieden  werden. 
Aber  allerdings  findet  sich  g  für  j  geschrieben  vor  i  und  e  z.  B.  gihit,  ger 
(immer  im  Mon.).  Dagegen  vor  a,  u  wird  statt  dessen  gi  geschrieben  giämar, 
giudeo  und  im  Inlaut  zwischen  Vocalen  ge  uualcogeandi.  Das  beweist  unzweifel- 
haft, daß  g  vor  dunklen  Vocalen  anders  gesprochen  wurde  als  vor  hellen.   Denn 


92        LITTEI.'ATUK:  HKINZEL,  GESCHICHTE  DER  NFR.  GESCHÄFTSSPRACIIE. 

c,  i  Bind  doch  oftViibur  wie  im  franz.  und  ital.  aufzufassen  als  Zeichen,  daß 
g  nicht  wie  sonst  vor  dunklen  Lauten,  sondern  wie  vor  hellen  zu  sprechen  ist. 
Wir  hätten  also  drei  abweichende  Laute,  den  des  alten  j,  den  des  </  vor  hellen, 
den  des  g  vor  dunklen  Vocalen.  Unter  diesen  muß  der  zweite  dem  ersten  näher 
stehen  als  der  dritte  und  dem  dritten  näher  als  der  erste,  und  alle  zusammen 
dürfen  einander  nicht  zu  fern  stehen,  da  sie  auf  einander  allitterieren  und  auch 
durch  denselben  Buchstaben  bezeichnet  werden  können.  Der  Unterschied  des  zweiten 
und  dritten  muß  durch  die  Qualität  des  nachfolgenden  Vocals  begründet  werden. 
Ich  wüsste  nicht ,  wie  man  diese  Verhältnisse  einfacher  deuten  wollte  als  so : 
j  ist  Halbvocal ,  der  aber  bereits  beginnt  sein  vocalisches  Element  einzubüssen 
und  deßlialb  nicht  mehr  auf  Vocal  allitteriert  wie  im  altn.,  sondern  auf  g  und 
auch  in  der  Schrift  durch  g,  gi,  ge  ersetzt  werden  kann;  g  vor  e  und  i  ist 
palataler  Reibelaut,  mit  dem  j  zusammenfällt,  sobald  es  sein  vocalisches  Element 
verliert;  g  vor  a,  o,  u  ist  gutturaler  Reibelaut,  welcher  wieder  unter  allen  mög- 
lichen Lauten  dem  palatalen  Reibelaut  zunächst  liegt.  Noch  klarer  sind  die 
Verhältnisse  im  ags.  H.  geht  Zeitschr.  181  von  der  irrigen  Ansicht  aus,  der 
ich  selber  früher  verfallen  bin,  daß  das  Zeichen  5  erst  im  neuags.  eingeführt 
sei.  Dasselbe  bestand  schon  im  altags.,  und  zwar  als  einziges  Zeichen  für  den 
Laut,  der  in  unseren  Ausgaben  durch  g  wiedergegeben  wird,  neu  eingeführt 
wird  im  neuags.  vielmehr  das  g.  Im  neuags.  kann  5  gutturalen  und  palatalen, 
weichen  und  harten  Reibelaut  bezeichnen.  Im  altags.  wird  5  außer  für  goth.  g 
auch  gebraucht  für  anlautendes  got.  j  vor  hellen  Vocalen,  vor  dunklen  da- 
gegen tritt  statt  dessen  ^e  ein.  Das  heißt  also  doch  wohl:  es  besteht  ein 
Unterschied  in  der  Aussprache  zwischen  ^  vor  harten  und  dem  vor  weichen 
Vocalen,  got.  j  ist  mit  dem  5  vor  weichen  Vocalen  zusammengefallen;  das 
letztere  ist  palatal,  das  andere  guttural.  —  H.  nimmt  bei  den  indogermanischer 
Tenuis  entsprechenden  weichen  Lauten  wenigstens  zum  Theil  Erweichung  aus 
Tenuisaffrieata  an.  Ich  muß  an  den  dagegen  und  für  Erweichung  aus  einfachem 
Reibelaut  Beitr.  I,  155  ff.  vorgebrachten  Gründen  entschieden  festhalten.  Ich 
hebe  vor  allem  noch  einmal  die  Analogie  der  Erweichung  des  s  hervor,  die  am 
schlagendsten  ist  bei  dem  grammatischen  Wechsel;  vgl.  Braunes  Abhandlung 
Beitr.  I,  513.  Für  einen  Theil  der  Fälle  giebt  H.  selbst  zu,  daß  der  aus 
hartem  Reibelaute  entstandene  weiche  sich  erst  wieder  mit  dem  Vorschlag  eines 
Verschlußlautes  versehen  habe.  Zu  dieser  Annahme  ist  weiter  keine  Veranlassung 
als  die  irrige  Voraussetzung,  daß  der  Übergang  von  Reibelaut  in  Verschluß- 
laut durch  die  Affricata  hindurch  erfolge,  welche  Voraussetzung  wieder  nur  auf 
der  falschen  Auffassung  der  heutigen  Aussprache  des  engl,  th  beruht. 

H.  nimmt  mit  Scherer  au,  daß  ursprünglich  im  indog.  Medialaspiraten 
bestanden  haben,  die  also  nach  seiner  Ansicht  im  germ.  zum  Theil  unverändert 
erhalten  wären,  während  ich  mich  Curtius ,  Ascoli  und  andern  angeschlossen 
habe,  die  wirkliche  Aspiraten  wie  im  neuindischen  ansetzen.  Ich  habe  besonders 
die  lautphysiologische  Schwierigkeit  des  von  Scherer  angenommenen  Überganges 
von  bv  etc.  in  bh  betont.  H.  wendet  Zeitschr.  179  dagegen  ein,  der  Übergang 
von  tönender  Spirans  in  k  biete  gar  keine  Schwierigkeit.  Dabei  übersieht  er 
vollkommen,  worauf  es  ankommt.  Nicht  an  dem  Übergang  der  Spirans  in  h  an 
und  für  sich  habe  ich  Anstoß  genommen,  sondern  an  dem  Übergang  des 
tönenden  homorganen  Lautes  in  den  tonlosen  nichthomorganen  neben  dem  tönenden 
Verschlußlaut.    In   den  Medialaspiraten    hat  man   noch    stets     lautpbysiologische 


LITTERATUR:  HEINZEL,  GESCHICHTE  DER  NFR.  GESCHÄFTSSPRACHE.        ()3 

Schwierigkeiten  gefunden ,  und  ganz  besonders  auch  Brücke.  Für  das  germa- 
nische ist  meiner  Überzeugung  nach  die  Frage  von  keinem  Belang.  Auch  ich 
nehme  Medialaffricata  als  nächste  Vorstufe  der  germanischen  weichen  Eeibelaute 
an.  Aber  H.  benutzt  den  im  indischen  vorausgesetzten  Übergang  von  Medial- 
affricata in  Aspirata  als  Analogie  zur  Erklärung  des  Wandels  der  Media  in 
Tenuis  im  ahd.  Nämlich  bv  wurde  zu  bh,  b  wurde  durch  den  assimilierenden 
Einfluß  des  h  des  Stimmtons  beraubt  wie  im  griech,,  und  nachdem  das  h  den 
gewünschten  Dienst  geleistet  hatte,  konnte  es  nun  gehen.  —  Noch  seltsamer 
seheint  mir  die  Erklärung  der  ahd.  Affricaten  aus  Jerierung  (Geschäftsspr.  146  flf.) 
Es  sollen  k,  t,  p  zunächst  zu  kj,  tj,  pj  geworden  sein,  die  sich  dann  in  k^, 
ts,  pf  gewandelt  hätten.  Um  einen  in  anderer  Weise  schon  ganz  befriedigend 
erklärten  Lautwandel  auf  eine  neue  Art  zu  erklären,  wird  zunächst  ein  ganz 
unerklärter  und  unerklärbarer  Vorgang  statuiert,  die  Einschiebung  eines  j  ohne 
jede  Veranlassung,  um  daraus  dann  weiter  zu  erklären.  Und  auch  dabei  werden 
wieder  Vorgänge  angenommen ,  für  die  jede  Analogie  fehlt.  Es  entsteht  zwar 
häufig  z  (ts)  aus  tj,  aber  niemals  k"/  und  pf  aus  kj  und  pj.  Denn  die  aus 
romanischen  Sprachen  angeführten  Beispiele  sind  anders  zu  erklären.  Auf  die- 
selbe Weise  will  H.  die  Verschiebung  der  indog.  Tenues  durch  Jerierung  er- 
klären und  sogar  die  der  indog.  Medien.  Aus  g,  d,  b  sollen  zunächst  gj,  dj,  bj 
entstanden  sein.  Daraus  hätte  nun  nach  Analogie  der  Tenues  bv  etc.  werden 
müssen  und  hieraus  hätte  Heinzel  dann  nach  Analogie  des  ahd.  bh  und  weiter 
p  ableiten  können.  Das  wäre  wenigstens  consequent  gewesen.  Aber  da  hätte 
ja  das  neue  bv  =  indog.  b  mit  dem  alten  indog.  bv  zusammenfallen  müssen. 
Um  das  zu  vermeiden  wird  hier  ein  Sprung  gemacht:  bj  geht  ohne  Vermittlung 
von  bv  in  hh  über.  Eine  Häufung  von  Unwahrscheinlichkeiten,  ohne  daß  mau 
den  Grund  einsieht,  warum  der  einfachste  Weg  der  Erklärung  verlassen  wird. 
Ganz  verfehlt  endlich  scheint  mir  die  Art,  wie  H.  das  Verhältniss  des 
fränkischen  Consonantenstandes  zum  hochdeutschen  auffasst.  Braune  hat  die 
Abweichungen  des  fränkischen  und  der  übrigen  mitteldeutschen  Dialekte  als 
verschiedene  Abstufungen  der  Lautverschiebung  aufgefassr,  die  einen  natürlichen, 
allmählichen  Übergang  vom  niederdeutschen  zum  strengoberdeutschen  vermitteln, 
und  er  hat  auf  Grund  derselben  die  Chronologie  der  verschiedenen  Acte  der 
Lautverschiebung  zu  bestimmen  gesucht.  Anders  H.  in  seinem  Buche  und  in  der 
Recension.  Braunes  Chronologie  lässt  sich  nicht  gut  mit  seinen  Hypothesen  ver- 
einigen. Nach  ihm  ist  die  Verschiebung  nur  in  Oberdeutschland  spontan.  In  das 
fränkische,  und  zwar  auch  in  das  südfränkische  ist  sie  durch  Culturübertragung 
aus  Oberdeutschland  eingedrungen.  Die  Franken  sollen  sich  die  gebildetere 
Sprache  der  Oberdeutschen  theilweise  angeeignet  haben.  Diese  Culturübertragung 
widerspricht  wieder  vollkommen  den  allgemeinen  Entwicklungsgesetzen  der 
Sprache  und  den  besonderen  Verhältnissen  der  Zeit,  in  der  sie  stattgefunden 
haben  müsste.  Vergleichen  wir  die  Einwirkung  der  neuhochdeutschen  Schrift- 
sprache auf  die  Dialekte.  Dieselbe  hat  bei  den  Gebildeten  und  in  den  größeren 
Städten  die  eigentliche  Mundart  meist  ganz  verdrängt,  hat  die  letztere  modi- 
ficiert  oder  ist  von  ihr  modificiert  worden,  wie  wir  es  nach  der  Verschiedenheit 
des  Mischungsverhältnisses  bezeichnen  mögen,  aber  in  keiner  Gegend  Deutsch- 
lands ist  die  Mundart  auch  auf  dem  Lande  ganz  von  ihr  verdrängt  oder  durch- 
gängig entfernt  so  stark  verändert  worden,  wie  es  hier  die  fränkische  sein  soll. 
Was  also  unsere  fest  geregelte  Schriftsprache  irotz   alles  Fortschritts  der  Cultur, 


04  LITTERATUR:  MÜLLENHOFF.  LAUKIN. 

trotz  ihrer  Herrschaft,  die  sie  seit  wenigstens  drei  Jahrhunderten  in  Kirche, 
Schule  und  Litteratur  behauptet  hat,  nicht  vermocht  hat,  das  hat  das  Ober- 
deutsche des  achten  und  neunten  Jahrhunderts  vollbracht.  Und  wir  müssen 
weiter  fragen:  inwiefern  waren  denn  die  Oberdeutschen  der  in  der  Cultur  fort- 
geschrittenere, der  mäclitigere  und  gebildetere  Stamm  ?  Kein  Menscli  kann  doch 
bestreiten,  daß  zu  der  Zeit^  in  der  die  Verschiebung  eingetreten  sein  muß,  die 
Franken  sowohl  mächtiger  als  gebildeter  waren.  H.  selbst  vertheidigt  ja  MüUen- 
hoflfs  Annahme  einer  fränkischen  Hofsprache,  die  auf  Oberdeutschland  gewirkt 
haben  soll.  Man  kann  zugeben,  daß  die  Verschiebung  in  Oberdeutschland  be- 
gonnen hat  und  sich  allmählich  weiter  über  Mitteldeutschland  verbreitet  hat,  wie 
wir  dieß  an  der  Veränderung  des  th  in  historischer  Zeit  wahrnehmen.  Aber  ein 
spontaner  Trieb  muß  dabei  immer  vorhanden  sein,  der  nur  durch  den  Verkehr 
mit  den  Nachbarn  unterstützt  wird.  Höhere  oder  geringere  Cultur  kommt  dabei 
gar  nicht  in  Betracht,  sondern  nur  Intensität  des  Verkehrs.  Es  liegt  eine  natür- 
liche Entwicklung  vor,  ganz  verschieden  von  der  Einwirkung  einer  Schriftsprache 
auf  die  Mundart. 

FREIBURG  i./Br.  Jan.  1875.  H.  PAUL. 


Laurin,  ein  tirolisches  Heldenmärchen  aus  dem  Anfange  des  XIII,  Jahrhunderts 
herausgegeben  von  Karl  Müllenhoff.  Berlin  1874.  Weidmannsche  Buch- 
handlung, kl.  8.    78  S. 

Ein  Abdruck  des  Textes  aus  dem  Deutschen  Heldenbuche  I  (1866)*) 
ohne  Einleitung,  Anmerkungen,  Lesarten.  Man  fragt  sich,  zu  welchem  Zwecke 
soll  dieser  Abdruck  dienen?  Soll  er  bei  Vorlesungen  an  Universitäten  zu  Grunde 
gelegt  werden,  so  ist  dabei  der  kritische  Apparat  unentbehrlich,  es  wird  dem- 
nach zu  dem  Texte  im  Heldenbuch  gegriffen  werden  müssen.  Ist  aber  die  Ab- 
sicht, damit  das  Gedicht  etwa  auf  unsern  Schulen  einzuführen,  so  müssen  wir 
diese  Absicht  für  eine  ganz  verkehrte  halten;  die  geringe  Zeit,  die  auf  Schulen 
für  altdeutsche  Leetüre  übrig  bleibt,  soll  man  wahrhaftig  nicht  verwenden,  um 
Gedichte  von  so  untergeordnetem  Werthe  zu  lesen  wie  doch  im  Ganzen  dieser 
Laurin  ist.  Jenes  scheint  aber  wirklich  die  Absicht  zu  sein,  wie  man  daraus 
schließen  muß,  daß  in  die  eben  erschienene  neueste  Auflage  von  E.  Martins 
Glossar  zu  den  Nibelungen  und  zu  Walther  auch  Laurin  verarbeitet  ist.  In  der 
Tliat  eine  recht  passende  Zusammenstellung!  Vielleicht  gilt  dieselbe  aber  dem 
Werthe  der  kritischen  Leistung,  vielleicht  ist  hier  in  der  Herstellung  ein  ähn- 
liches Meisterstück  geliefert  wie  in  den  Lachmannschen  Nibelungen  und  ihren 
zwanzig  Liedern!  Die  kritische  Aufgabe  war  hier  in  der  That  keine  leichte, 
es  galt  aus  der  sehr  entstellten  und  überarbeiteten  Überlieferung  das  ursprüng- 
liche Gedicht  herauszuschälen.  Daß  dieses  noch  dem  1*2.  Jahrhundert  angehört 
ist  nach  den  Reimen  unzweifelhaft,  dabei  allerdings  möglich,  ja  wahrscheinlich, 
daß  schon  an  der  Grenze  des  12.  und  13.  Jahrhs.  es  eine  Umarbeitung  er- 
fahren hat.     Über  diese  hinaus  führen  unsere  Quellen    nicht;  es  lässt  also  die 


*)  Auf  dem  Titel  dieses  Abdruckes  nennt  sich  Müllenhoff  als  Herausgeber,  im 
1.  Band  des  Heldenbuchs  ist  in  schrullenhafter  Weise  auf  dem  Titel  wie  hinter  der 
Einleitung  der  Name  weggelassen;  daher  der  Irrthum  Kellers  wohl  verzeihlich  ist,  der 
die  Laurinausgabe  einem  andern  beilegt  (Heldenbuch.  Stuttgart  1867,  S.   776). 


LITTERATUR:  MÜLLENHOFF,  LAURIN.  95 

älteste  zu  erreichende  Gestalt  immer  noch  auf  eine  ältere  Vorlage  blicken. 
Denn  wenn  Heldenbuch  I,  S.  XLVII  gesagt  wird,  daß  die  Ungenauigkeit  der 
Eeime  sich  neben  der  strengen  Regel  aus  dem  XII.  Jahrb.  durch  das  dreizehnte 
fortpflanze,  so  gilt  das  doch  nur  von  gewissen  Ungenauigkeiten,  wie  daß  b  :  g, 
p  :  t,  b  :  d,  m  :  n,  s  :  z  gebunden  werden.  Aber  eine  Reihe  von  Reimen  des 
Lauiin  sind  der  Art,  daß  sie  schlechterdings  nur  zu  erklären  sind  als  aus  einer 
älteren  Fassung  stehen  geblieben.  Nicht  bloß  die  drei,  die  M.  als  der  alten 
Kunst  gemäß  bezeichnet,  obe7ie  :  voyele,  bidtrbe  :  toidere,  brünege  :  menege.  Wir 
finden  den  Reim  oben e  :  vögele  Aueg.  10,  38.  Genesis  D.  82,  1,  und  vögele', 
lobene  Genes.  3,  16;  den  Reim  biderbe  ■:  widere  Gehüg.  427.  Gr.  Rud.  F  2. 
Rol.  173,  10.  276,  5.  Maria  156,  12.  174,  14.  Anzeig.  6,  157;  auf  nidere 
gereimt  steht  biderbe  Gr.  Rud.  C  26.  K*"  12.  Rol.  142,  17.  144,  7.  Der  dritte 
Reim  endlich  wiederholt  sich  nur  Alex.  1145;  ihm  entspricht  die  Bindung 
menige  :  kunige  Roth.  3053.  3613.  3691.  3855.  3979.  4079.  4185.  4261. 
Kaiserchr.  11651.  Fundgr.  2,  95.  Exod.  D.  161.  Diemer  36,  3.  Also  in  keiner 
Dichtung,  die  bis  ins  letzte  Vieitel  des  12.  Jahrhs.  hinabreichte.  Ist  es  glaub- 
lich, daß  noch  zwischen  1195 — 1215  (denn  in  diese  Zeit  setzt  M.  die  Ab- 
fassung des  Laurin)  solche  Reime  vorkamen,  dann  muß  man  sich  wundern,  in 
den  spätem  Dichtungen  des  12.  Jahrhs.  sie  gar  nicht  mehr  zu  finden.  Und 
dasselbe  gilt  von  andern  Reimen.  Die  Bindung  liez  :  lief  hat  entsprechendes  nur 
in  Reimen  des  Anegenge  (23,  17,  24,  5),  des  Alexander  (1034),  des  Rolant 
(150,  13.  162,  12.  292,  32),  der  Kaiserchronik  (6911),  und  der  Bücher  Mose 
(Fundgruben  2,  57.  85).  Dem  sehr  auffallenden  Reim  fuezen  :  slüege  307  lässt 
sich  nur  vergleichen  whe  :  Uden  Fundgruben  2,  28,  sluoge  :  muose  Fundgr.  2,  28. 
Hahn  20,  77,  und  jähen  :  säzen  Kaiserchr.  1886.  Der  zweimalige  Reim  geioelbe 
•.gesellen  1321.  1329  hat  genau  entsprechendes  nur  in  selbe:  welle  Rol.  73,  15; 
aber  analog  sind  die  Reime  erbeigen  :  wellen  Anzeig.  8,  41.  gewelde  :  helle  Glaube 
1483.  :  eile  2506.  velde  :  helle  Rol.  271,  15.  gelden  :  bewellet  Fundgr.  2,  54  ;  und 
mit  andern  Vocalen  ivalde  :  gevalle  Dietmar  von  Eist  37,  10.  holden  :  Apollen 
Rol.  86,  24.  volle  :  wolde  Maria  156,  31.  volgent  :  wollent  Glaube  2017.  2680. 
hulden  :  ervullen  German.  4,  441  (Margarete).  Wie  nach  solchen  Analogien  der 
Reim  friuntschaft  :  ivart  1884  unglaublich'  sein  soll,  begreift  man  nicht,  da 
er  in  den  Dichtungen  des  12.  Jahrhs.  keineswegs  selten  ist*).  Hätte  der  Her- 
ausgeber, statt  Reime  aus  Ottacker  anzuführen,  in  denen  ein  r  des  einen  Reim- 
wortes unberücksichtigt  bleibt,  sich  lieber  etwas  in  der  doch  hier  viel  näher 
liegenden  Poesie  des  12.  Jahrb.  umgesehen,  so  würde  er  gefunden  haben,  daß  Wör- 
ter auf  schaff,  reimen  auf  :  hochvdrt  Rol.  9,  20.  :  wart  1 1 5,  4.  239,  8  ;  ferner  scaft : 
Richart  281,  9.  :  wart  Kaiserchr.  7149.  kraft  :  wart  Rol.  292,  10.  sedelhaft  :  wait 
Kais.  5107.  unberhaft  :  loart  Genesis  D.  57,  13.  Was  aber  wirklich  'unglaublich' 
ist,  das  ist,  daß  zwischen  1195  — 1215  ein  Dichter  einen  solchen  Reim  gebraucht 
haben  soll;  und  dasselbe  gilt  von  den  andern  vorher  angeführten  Reimen.  Wir 
müseen  daher  die    älteste  Gestalt    des  Laurin    spätestens  um  1170   setzen,  die 


*)  Daß  er  mit  der  Änderung  des  zweiten  Reimwortes  zerbrach  (statt  zerbrochen 
wart)  'nicht  wesentlich  besser'  würde,  ist  allerdings  richtig;  vielmehr  wäre  dieser  halt- 
lose Einfall  von  M.  eher  eine  Schlimmbesserung,  da  eine  derartige  Reimbindung  gar 
nicht  vorkommt. 


90  LITTEKATUK:  MÜLLENHOFF,  LAUEIN. 

allerdings  uns  nicht  erhalten  ist;  denn  schon  die  relativ  älteste  der  uns  erhal- 
teneu Fassungen   trügt  entschieden  das   Gepräge  der  Überarbeitung. 

Bei  der  Herstellung  des  Textes  ist  von  K  im  wesentlichen  ausgegangen 
und  auf  die  Übereinstimmung  mit  P  das  entscheidende  Gewicht  gelegt  worden. 
Indeß  auch  ihre  Übereinstimmung  beweist  nicht,  daß  wir  darin  die  echte  Les- 
art haben,  sondern  diese  muß,  namentlich  wo  alte  Assonanzen  beseitigt  wurden, 
erst  ermittelt  werden,  wozu  mitunter  die  Jüngern  lis.  verhelfen.  Ist  nun  die 
Möglichkeit  vorhanden  ,  daß  hie  und  da  in  jeder  Hss.  oder  in  einzelnen  der 
verschiedenen  Familien  und  Gruppen  das  Echte  sich  erhalten  haben  kann 
(S.  XLI),  so  ergab  sich  daraus  für  den  Herausgeber  die  Verpflichtung,  den  ge- 
summten Apparat  zu  geben.  Denn  erst  so  ist  die  Geschichte  der  Überarbeitungen 
auch  dem  Auge  dargelegt,  und  das  ist  gerade  hier  die  Aufgabe  des  hs.  Appa- 
rates, da  schon  die  besten  Hss.  Überarbeitungen  sind.  Mindestens  aber  mussten 
die  Lesarten  derjenigen  Hss.,  die  vorzugsweise  zu  Grunde  gelegt  sind,  vollständig 
mitgetheilt  werden.  Vor  allen  also  von  K.  Wenn  bemerkt  wird,  es  sei  die  Les- 
art von  K.  in  V.  34  wer  sie  ansichtigt  will  werden  deßhalb  gar  nicht  angeführt, 
weil  keine  Möglichkeit  sei  daß  sie  in  A  gestanden  habe,  so  ist  dieß  kein  aus- 
reichender Gruud;  denn  diese  Lesart  ist  für  die  ßeurtheilung  von  K,  der  re- 
lativ besten  Hs.,  von  Bedeutung.  Freilich  musste  der  Apparat  viel  geschickter 
eingerichtet  sein,  um  übersichtlich  zu  werden  und  die  Geschichte  des  Textes 
darzustellen,  als  es  bei  M.  der  Fall  ist.  Das  hätte  er  doch  aus  Lachmanns 
Ausgaben  lernen  können.  M's  Angabe  der  Lesarten  ist  unklar  und  ungenau 
zugleich.  Zu  V.  65  z.  B.  küenest  aller  manne  werden  die  Lesarten  folgender- 
maßen angegeben:  kün  rP,  und  kune  w,  ain  kunig  v,  gen  allen  K,  und  ist  auch 
von  konst  ein  man  f,  und  ist  der  klenest  s ;  während  eine  übersichtlich  geordnete 
Lesartensammlung  schreiben  würde  kUn  r  P,  und  kune  w,  ain  kunig  v,  und  ist 
der  kienest  s,  U7id  ist  auch  von  konst  f,  gen  K.  allen  mannen  K*),  ein  man  f. 
V.  96  lautet  hirsen  ze  Tirol  für  den  walt'^  dazu  die  Lesarten  preysent  für  zu 
tyrollez  K,  piersen  für  Tirol  an  den  v,  pyrssen  zu  tyroif  dem  loalde  f,  für  tirol 
in  den  r,  czu  tyrolde  vor  dem  walde  P  w,  zu  thirol  gegen  dem  walde  s.  Dadurch 
daß  bald  der  ganze  Vers,  bald  nur  ein  Verstheil  angeführt  ist,  bleibt  man  zu- 
7iächst  im  Unklaren,  in  welchen  Hss.  das  erste  Wort  fehlt.  Übersichtlich  geordnet 
würden  die  Lesarten  so  lauten:  pyrssen  i,  piersen  v,  preysent  K,  fehlt  Prsw. 
ze]  für  zu  K,  für  r  v.  tyroif  f,  tyrolde  P  w,  tyrollez  K.  für  den  fehlt  K,  vor 
dem  Pw,  an  den  v,  in  den  r,  gegen  dem  s,  dem  f.  loalde  Pfsw.  Und  solche  Un- 
klarheiten und  Ungenauigkeiten  stehen  nicht  vereinzelt;  vgl.  die  Lesarten  zu 
130.    180.   454.  478.   532.   670.   1002   etc. 

Erschwert  die  UnvoUständigkeit  und  Ungenauigkeit  des  Apparates  die 
kritische  Nachprüfung,  so  reicht  das,  was  gegeben  ist,  doch  hin,  um  zu  zeigen, 
daß  von  einem  Abschluß  der  kritischen  Arbeit  auch  nicht  entfernt  die  Rede 
sein  kann.  Ich  will  dieß  an  einer  Reihe  von  Beispielen  darthun.  V.  24  f.  weisen 
die  Abweichungen  der  Handschriften  nicht  auf  das  von  M.  gesetzte  deheinen 
der  an  alle  schände  |  lehe  als  der  edele  Dietrich ,  sondern  auf  deheinen  der  lebe 
an  alle  schände  \  sani  der  edele  herre  Dietrich.  Schreibt  man  dehein  (vgl.  Anm. 
zu  4),  so  fällt  jeder    metrische  Anstoß  hinweg ,    den   die  Anderer    nahmen  und 


*)  M.  gibt  an  gen  allen,  aber  nicht  «lajuien ;  geti  allen  manne  hat  K  doch  sicher- 
lich nicht. 


LITTERATÜK:  MÜLLENHOFF,  L AURIN.  97 

der  zu  Änderungen  führte:  w  setzte  lebe  an  den  Anfang  der  folgenden  Zeile 
und  vertauschte  deßwegen  der  edele  herre  nur  mit  her'y  andere  lassen  deheinen 
fort  oder  nehmen  es  in  die  vorausgehende  Zeile,  wieder  andere  streichen  alle]. 
in  V.  '25  finden  wir  der  edele  oder  herre.  Daß  endlich  sam  nur  in  einer  Hs. 
{zam  w)  sich  erhalten  hat,  während  die  andern  cds,  also  schreiben,  ist  bei  Hss., 
von  denen  die  älteste;i  dem  14.  Jahrh.  angehören,  nicht  zu  verwundern.  Auch 
163  ist  das  in  Pr  erhaltene  sam  für  als  der  übrigen  sicher  das  echte;  ebenso 
181  in  P,  215  Pw,  372  Pf;  1138  und  1342  dagegen  hat  M.  sam,  das  auch 
nur  einzelne  Hss.  für  als  haben,  aufgenommen.  —  51  gehen  in  Bezug  auf  das  erste 
Verbum  die  Hss.  ganz  auseinander;  r  hat  merke,  und  dieser  Lesart  folgt  M., 
da  K  327  diese  Fassung  des  Verses  hat,  wo  alle  andern  abweichen;  allein  was 
sollte  der  Grund  gewesen  sein,  daß  ein  so  geläufiges  Verbum  von  K  (hier)  in 
erfert,  von  P  in  gehört,  von  wz  in  iveiß ,  tvisse,  von  f  in  vernement  verwandelt 
worden  wäre?  Ohne  Zweifel  muß  hier  ein  Verbum  gestanden  haben,  das  in 
spätt'rer  Zeit  uuüblich  war ,  und  das  wird  vreischen  gewesen  sein.  Denn  dieses 
Wort  beseitigen  in  der  That  jüngere  Handschriften,  namentlich  durch  hoeren, 
vernemen  (vgl.  Nibel.  51,  1.  516,  4.  850,  4.  1627,  2.  1716,  4);  es  sind  demnach 
beide  Zeilen  zu  lesen  unz  er  vreische  loie  manz  k're  :  so  hat  er  tugent  und  ere. 
unde  in  der  zweiten  Zeile  bei  M.  ist  falsch,  da  vor  folgendem  Vocal  unde  nicht 
Hebung  und  Senkung  bilden  kann,  namentlich  nicht  wenn  es  zwei  Subst.  ver- 
bindet; daher  muß  unz  er  als  Auftact  genommen  werden.  —  Ib  er  statt  her,  was 
doch  sicher  gegen  alle  Hss.  geschrieben  ist,  und  noch  öfter  im  Lauriu,  hätte  doch 
wenigstens  einmal  bemerkt  werden  sollen;  die  Lesarten  und  Anmerk.  schweigen 
darüber  vollständig.  —  104  horten  hat  M.  hier  und  in  den  entsprechenden  Stellen 
(138,  290.  408.  1158)  geschrieben,  während  doch  grade  das  Mißverständniss 
porte  (Pforte)  auf  die  Schreibung  porten  weist,  die  auch  im  Nib.  und  andern  ösler- 
reichischen  Gedichten  die  übliche  ist.  —  121  ist  die  Lesart  aus  v  aufgenommen 
worden:  als  verre  ich  mich  kau  verstän ,  allein  das  Ursprüngliche  war  hier  un- 
zweifelhaft alse  ich  mich  kan  verstau^  da  die  Schreiber  als  sprachen,  änderten 
die  meisten,  ah  ver  v,  mich  [rechte]  Pw,  [des  nu]  mich  f,  mich  [danne]  sd.  — 
130 — 132.  Die  Herstellung  dieser  Verse  bei  M.  scheint  mir  sehr  gewagt;  viel- 
mehr lautete  die  ursprüngliche  Fassung  wohl 

ich  muoz  im  minner  machen 
siner  hochverte , 
diu  lit  an  dem  garten. 
oder  noch  näher  anschließend  ich  muoz  minner  machen  im  der  hochverte.  Die 
Form  hochverte,  die  drei  Hebungen  trägt,  und  die  Assonanz  waren  Anlaß,  daß 
eine  Zeile  angefügt  wurde,  um  einen  genauen  Reim  zu  gewinnen.  —  144.  Die 
Form  iren  mag  in  allen  Hss.  stehen,  aber  sie  wird,  wenn  man  das  Österreich. 
Gedieht  des  12.  Jahrhs.  herzustellen  unternimmt,  in  ir  oder  ire  zu  verändern 
sein.  —  150  ir,  das  Kv  haben,  ist  nicht  zu  tilgen,  vielmehr  von  den  Schrei- 
bern erst  des  überladenen  Verses  wegen  getilgt  worden;  1.  ir  iecltch  shis  leides 
vergaz.  Ebenso  ist  263  zu  schreiben  iiver  iecltch  gehe  mir  ein  phant,  M.  schreibt 
ietweder  ohne  iiver.  —  200  weichen  in  der  Stellung  der  Substantiva  die  Hss. 
ab;  die  im  Texte  gegebene  Stellung  wen  stahel  stein  hat,  so  viel  man  sehen 
kann,  keine  einzige  Quelle;  es  wird  daher  nach  fs  (vd)  zu  lesen  sein  stahd 
tsen  stein  ez  sneit,  wenn  man  nicht,  was  ich  durchaus  für  zulässig  halte,  die 
Lesart  von  KPz  stahel  stein  isen  ez  sneit  beibehält,  stein  fällt  dabei  in  die 
GERMANIA.  Neue  Eeihe.  VIII.    (XX.)  J;ilirg.  7 


98  LITTERATUR:  MÜLTvENHOFF,  LAURIN. 

Senkung,  ein  ähnliclicr  Fall,  wie  wenn  so  oft  die  sechs  Farben  in  dinen  Vers 
gebracht  werden;  grade  das  aber  konnte  zu  Änderungen  veranlassen.  —  202. 
Ob  die  Aufnahme  von  ouch  aus  w,  das  allen  Hss.  sonst  fehlt,  das  Richtige 
trifft,  möchte  ich  bezweifeln;  es  wii*d  vielmehr  geheissen  haben  cUs  (auf  gehilze 
zu  beziehen)  knöpf  gap  Hellten  sclün.  Ebenso  wie  hier  ouch,  so  ist  213  ein  Zu- 
satz dar  zuo,  was  nur  Kv  haben.  Der  Vers  hieß  unde  der  karfunkel;  statt  wwrfe, 
das  erste  Hebung  und  Senkung  bildet,  schrieb  P  und  [ouch],  {und  [da  bi],  wz 
da  bey,  v  und  [dar  2?/],  K  und  [auch  dar  zii],  s  endlich,  für  unde  der,  dar  by 
der' Hecht.  Nicht  minder  ist  215  liehte  ein  Zusatz,  der  Satz  lautete  diu  naht 
wart  nie  so  tunkel,  ez  enWite  sam  der  tac]  zunächst  fiel  das  beschränkende  en 
aus,  wie  in  Jüngern  Hss.  gewöhnlich,  und  das  veranlasste  die  Zusätze,  f  [?-ecÄ<] 
cds,  8  [schon]  cdso,  rwz  der  [liecfite].  Die  Übereinstimmung  in  der  Ergänzung 
dieses  so  nahe  liegenden  Beiwortes  kann  gar  nichts  beweisen;  daß  lichte  in 
KPfs  fehlt,  hätte  den  Herausgeber  doch  etwas  stutzig  machen  sollen,  sam,  das 
Pw  haben,  ist  auch  hier  das  echte;  vgl.  zu  V.  24.  —  226.  Der  Sing,  mit 
spere,  den  Kv  haben,  ist  das  ursprüngliche,  und  es  begreift  sich  leicht,  daß 
der  Plural  dafür  gesetzt  wurde.  Der  Sing,  ist  auch  das  nachdrucksvollere:  mit 
speie  nie,  auch  nicht  mit  öinem  Speere.  —  230  ist  zu  schreiben  und  nach  eim 
andern  wilde  strebete  (K  einem) ;  wenn  die  Vorlage  auch  einem  hatte,  so  erklärt 
sich,  daß  in  rv  andern,  in  den  übrigen  Hss.  außer  K  einem  wegblieb.  —  236 
hat  wohl  r  das  echte  bewahrt:  got  miieze  unser  phlegen,  das  schien  zu  kurz, 
und  daher  schrieben  Pv  unsers  heiles,  Kw  unser  [beider],  s  unser  [iemer],  z  unser 
[Mute].  —  244  ist  beiden,  das  nur  K  hat,  wieder  interpoliert;  der  Vers  hieß 
nur  ich  fürhte  er  trage  uns  haz;  daher  schrieben,  weil  man  ihn  leicht  mit  drei 
Hebungen  lesen  konnte,  K  uns  [beiden],  P  uns[er],  wz  [zu]  uns,  rs  änderten  er 
in  der  enget,  und  nur  s  hat  hier  das  Echte  bewahrt.  Ein  analoger  Fall  in  246, 
wo  nach  K  geschrieben  ist  so  hat  ez  guot  reht  dar  an-,  guot  hat  nur  K,  wofür 
v  auch,  d  schreibt  zv:ar  so  hat,  die  übrigen  aber  nur  so  hat  ez  reht  dar  an. 
Will  man  nicht  betonen  dar  ein,  was  sich  rechtfertigen  ließe,  indem  dar  demon- 
strative Bedeutung  hat,  so  ist  wohl  das  virsprüngliche  gewesen  so  hat  ez  rehte  dar 
an,  indem  hat  im  Sinne  von  hat  getan  zu  nehmen  ist.  —  249  f.  sind  gewiß  nicht 
richtig  hergestellt ;  es  ist  zu  lesen  do  gruozt  die  hochgebornen  Laurin  {iz  zorne. 
M.  schreibt  die  fiirsten  hochgehorne  gruozt  ez  uz  grozem  zorne',  aber  dem  wider- 
spricht entschieden  die  Überlieferung,  die  mit  Ausnahme  von  f  das  Verbum  in 
der  ersten  Zeile  hat.  Ob  grozem  echt  ist  (es  fehlt  in  Kfr),  bezweifle  ich  auch.  — • 
255  f.  liest  die  Ausgabe  den  ich  hän  geheien  vor  manegem  starken  leien  nach  r, 
während  KPw(f)  haben  den  ich  hän  behalten  vor  manegem  twerge  starken.  Man 
begreift  nicht,  wie,  wenn  jene  Lesart  die  echte  war,  Hss.,  die  verschiedene 
Gruppen  darstellen,  übereinstimmend  auf  eine  Änderung  kamen,  die  eine  so 
auffallende  Assonanz  {behalten  :  starken)  an  Stelle  eines  genauen  Reimes  setzen, 
an  dem  kein  Anstoß  zu  nehmen  war,  denn  geheien  (st.  part.)  kommt  auch  sonst 
vor,  und  nahm  man  wirklich  Anstoß  daran,  dann  lag  doch  sehr  nahe  die  Än- 
derung den  ich  pflac  geheien.  Ein  Dichter  aus  der  Zeit  zwischen  1195  — 1215 
würde  nun  und  nimmer  aus  freien  Stücken  auf  einen  Reim  wie  behalten  :  starken 
gekommen  sein ,  wenn  er  ihn  nicht  in  seiner  Vorlage  fand,  und  noch  weniger 
ein  jüngerer  Umarbeiter.  Jener  Reim  hat  seine  vollkommene  Analogie  nur  in 
Denemarken  :  lante  Anno  637,  und  weiter  in  lane  :  gewalt  Anno  147,  lamp  : 
wart  Diemer  328,   8.  geuilde  :  perge  Ro\.   183,  17.  Erstellt  sich  mithin  zu  den 


LITTERATUR:  MÜLLEN  HOFF,  LAU  EIN.  99 

früher  besprochenen,  die  eine  spätere  Zeit  als  1170  für  das  ursprüngliclie  Ge- 
dieht ausschließen.  —  279  ich  hän  guotes  also  vil;  guotes  hat  nur  vv,  die  an- 
dern Silber  und  goU,  goldes  und  silbers,  goldes.  Warum  hier  w  gefolgt  ist,  be- 
greift man  nicht,  und  ebensowenig,  warum  dann  282,  wo  w  gutes  hat,  goldes 
mit  den  andern  Hss.  geschrieben  wird.  —  286  ist  kein  Grund  von  der  Les- 
art aller  Hss.  abweichen;  M.  schreibt  ir  habt  unedellich  getän-^  die  Quellen  haben 
so  (K  doch)  habt  ir;  so  wird  das  echte  sein,  das  um  der  Deutlichkeit  willen 
von  K  mit  doch  vertauscht  wurde.  —  318.  auch,  das  nur  P  hat,  ist  ofienbar 
eingeschoben;  der  Vers  hieß  in  eret  diu  werlt  wol.  —  328  ist  nach  r  gegeben; 
die  übrigen  Hss.  aber  weisen  auf  so  hat  ers  fruni  und  ere  (:  hoei-e),  also  eine 
Assonanz,  was  gewiß  das  ursprüngliche  ist.  Derartige  Reime  begegnen  zu  Dut- 
zenden in  der  Poesie  des  12.  Jahrhunderts.  —  830.  er,  das  in  rw  fehlt,  ist  zu 
streichen;  es  steht  wie  gewöhnlich  der  adhortat.  Conjuuctiv  ohne  Pronomen, 
darauf  weisen  auch  vs,  welche  ich  setzen.  —  419.  Der  Reim  stozen  :  vazzen, 
den  f  bietet,  ist  sehr  unwahrscheinlich;  allerdings  begegnet  ein  analoger  im 
Leich  von  der  Samariterin  {smalennzzer  :  ivazser),  aber  das  ist  ganz  ausnahms- 
weise und  außerdem  liegt  hier  das  Tongewicht  fast  ganz  noch  auf  der  letzten 
Silbe.  K.  hat  ayschen;  an  haschen  darf  man  freilich  nicht  denken,  da  das  Wort 
nicht  so  alt  ist.  Sollte  vielleicht  daz  getwerc  wolde  er  reizen  das  ursprüngliche 
sein?  Der  Reim  wäre  wie  wazzer  :  geheizen  Diemer  31,  3.  136,  27,  wozu  sich 
die  häufigen  Reime  -äze  :  -eize  stellen.  An  letzen,  wie  M.  in  der  Anm.  vermuthet, 
darf  nicht  gedacht  werden;  das  würde  nicht  nur  den  Reim  nicht  wesentlich 
verbessern,  wie  M.  meint,  sondern  geradezu  zerstören,  da  22:^2  hochdeutsch 
nicht  reimen  kann.  —  435.  Die  Lesart  von  Kfsd  sold  al  diu  iverlt  an  dir 
stän,  von  dir  abhängen,  dir  unterthänig  sein ,  ist  die  echte ;  dir  gestän,  wie  M. 
schreibt,  würde,  wenn  es  die  echte  Lesart  war,  nicht  so  zahlreiche  und  mannig- 
faltige Änderungen  nach  sich  gezogen  haben,  sondern  einfach  in  dir  hestän 
(bi  stän)  geändert  worden  sein.  —  440.  an  keines  fürsten  stat  gestän-^  die 
Übereinstimmung  zwischen  Pw  und  K  weist  vielmehr  auf  die  Lesart  keines 
(oder  deheines)  fürsten  stat  verstän.  —  460.  an  mir,  das  nur  r  hat,  ist  sicher- 
lich interpoliert;  das  echte  war  nu  richä  dm  herzcleit;  dafür  schrieb  r  rieh  an 
mir,  die  andern  rieh,  P  fügt  außerdem  groz  ein.  —  469  weisen  die  Abweichungen 
der  Hss.  auf  er  sluoc  im  üf  sins  schiltes  rant;  M.  schreibt  er  sluoc  üf  sines. 
Vgl.  1328.  —  493  f.  daz  deme  getriuwen  man  daz  bluot  durch  die  brünne  ran. 
Die  Stelle  kann  nicht  von  1371  f.  getrennt  werden,  wo  M.  schreibt  daz  deme 
jungen  man  daz  bluot  durch  die  ringe  ran.  Zunächst  begreift  man  nicht,  warum 
das  zweite  Mal  ringe  gesetzt  ist,  da  doch  w  auch  hier  braune  hat,  und  dieser 
Hs.  bei  494  gefolgt  ist.  Die  Bildung  des  ersten  Verses,  an  beiden  Stellen  auf- 
fällig und  ohne  Analogie,  führt  vielmehr  auf  daz  dem  getriuwen  (oder  jungeii) 
manne  daz  bluot  ran  durch  die  brünne.  Der  Reim  ist  wie  manne  :  wunne  Rother 
322.  Fundgr.  2,35.  :  SMwwe  Rother  3441.  4100.  danne  :  chunneYnndgx.  2,^1. 
dannen  :  sunnen  Diemer  344,  21.  gewunne  :  manne  353,  7.  mannen  :  entrunnen 
Rother  2845,  und  hat  im  Laurin  selbst  seine  Analogie  in  brünege  :  menege 
(oben  S.  95).  —  514.  aber,  das  in  Krw  fehlt,  ist  zu  streichen.  Der  Vers  hieß 
rief  smen  herren  an\  daher  setzen  Krvw  ruofte ,  um  den  Vers  zu  verlängern, 
was  die  andern  durch  aber  bewirken.  Der  gleiche  Fall  574,  wo  zu  schreiben 
rief  Dietleiben  an,  wo  Krvw  i-ief  herrn,  die  andern  rief  do  setzen.  630  hat  w 
das    richtige    bewahrt    rief  Hildebranden   an,    M.    schreibt    ruofte    mit  K,    was 

7* 


100  LITTEKATUR:  Mri.I.ENTTOFF,  EATRIN. 

wiederum  metiische  Correctur  ist,  wie  der  rief  in  h,  rief  hern  in  Pz,  ruoffe 
den  in  r,  und  ruofte  sinen  meister  an  in  v.  —  522.  und,  daz  Kvwzd  haben, 
ist  gestrichen;  warum?  Auch  859  fehlt  und  in  P,  940  in  Pvmws,  und  doch 
ist  es  au  diesen  beiden  Stellen  beibehalten.  —  542.  statt  sin  ist  wohl  es  das 
ursprüngliche,  das  jüngere  Hss.  mit  sin  vertauschen.  Hier  haben  es  oder  ez 
Pwhzs.  Auch  1262  ist  es  das  ursprüngliche,  gar  an  unserer  Stelle  ist  inter- 
poliertes Wort,  das  Kv  haben,  dafür  r  all,  zere  wzs,  in  den  übrigen  fehlt  es.  — 
550  ist  statt  üf  die  erde  vielmehr  ?iider  iif  d'erde  das  ursprüngliche.  Vgl.  571. 
664.  —  640  ist  denne  zu  streichen,  das  die  Jüngern  Hss.  bei  beschränkendem 
Satze  gern  hinzufügen.  Mit  Recht  hat  es  M.  453  gestrichen,  aber  so  i.st  es 
auch  128  und  1312  noch  zu  tilgen.  —  659  weichen  in  dem  adj.  die  Hss. 
auffallend  ab;  ich  glaube  daß  keine  Hs.  das  echte  bewahrt  hat,  sondern  daß 
der  Vers  hieß  sehe.f  wd  die  zwene  man,  zunächst  fiel  wä  aus,  und  das  hatte  die 
Ergänzungen  zur  Folge.  —  673  beider,  das  Kr(v)  haben,  ist  beizubehaltt-n ; 
was  wäre  für  ein  Grund  gewesen  es  hinzuzufügen?  Aber  die  Weglassung  ver- 
anlasste der  zweisilbige  Auftact.  —  676  ist  unnöthig  geändert;  diese  und  die 
folgende  Zeile  müssen  heißen  si  träten  in  d'erde  unz  über  die  sporn  :  ire  siege 
wären  groz;  die  Überladung  der  ersten  Hebung  ist  so  wenig  auffallend,  wie 
der  Gebrauch  von  ire;  vgl.  712,  wo  natürlich  auch  ire  zu  schreiben  ist.  — 
724,  so  wil  ich  dich  zeim  svjcujer  hän  war  die  echte  Lesart;  zu  einem  haben  KPv, 
zom  w,  ze  die  übrigen,  denen  M.  folgt;  aber  es  ist  bekannt,  daß  die  jungen 
Hss.  in  dieser  Verbindung  eia  gern  weglassen,  oder,  wie  hier  w,  mit  bestimmtem 
Artikel  vertauschen.  —  738.  Auch  hier  mnß  von  der  Lesart  von  K  ausgegangen 
werden.  K.  hat  da  ich  daz  hauff  vant.  Wäre  die  von  M.  gesetzte  Lesart  da 
ich  die  reinen  Huschen  vant  (=  Pfd)  die  echte,  so  begriffe  man  nicht  die  Les- 
art von  K  wie  die  andern  Änderungen.  Wahrscheinlich  hieß  es  da  ich  die  hove- 
lichen  vant,  oder  da  ichs  da  ze  hüse  vant.  Das  war  in  der  Vorlage  von  K  und 
in  den  übrigen  geworden  da  ich  daz  hus  vant  und  erklärt  die  Änderungen,  in 
Pfd,  die  schone  reyne  w,  dy  fraun  r,  dy  auserwelt  v.  —  758.  warum  enweder 
statt  weder  geschrieben?  —  794  hieß  ursprünglich  und  wil  im  mit  triwen  ge- 
stdn;  für  gestün  setzten  die  Änderer  nach  jüngerer  Weise  ht  stän,  bi  bestän. 
Auch  1518  ist  zu  schreiben  die  weint  den  twergen  gestän,  wo  die  Hss.  bi  ge- 
stän,  bi  stän,  bi  bestän  haben.  Nur  1409  hat  auch  M.  das  Richtige  getroffen. — 
868  hieß  ursprünglich  ddr  friste  unser  leben;  dieß  schien  zu  kurz,  daher  r  der 
mac  wol  fristen,  wie  auch  M.  schreibt,  der  behiet  s,  der  frist  uns  m,  der  frist 
uns  wol  v,  der  friste  wol  P,  der  friste  tws  auch  daz  leben  Kw.  —  872  ist  aber, 
das  Kw  haben,  sicher  nicht  das  ursprüngliche,  sondern  wohl  joch ,  das  nicht 
verstanden  wurde;  daher  die  Änderungen  aber  Kw,  groz  P,  da  uch  mr,  dar 
umb  V.  —  876  hat  P  mit  sus  wil  betriegen  gewiß  das  echte  bewahrt;  dafür 
schrieb  z  also  wil,  r  uns  al  schol  also,  alle  wil  die  übrigen,  denen  M.  folgt.  — 
884.  Die  Abweichungen  der  Hss.  erklären  sich  leichter,  wenn  man  ursprüng- 
lich rührenden  Reim  (staete  län  :  an  dm  triuwe  län)  annimmt.  —  887  ist  zu 
schreiben  so  wil  ich  iu  mit  triwen  gestän;  M.  schreibt  ohne  Hs.  ich  wil  iu  mit 
triuwen  bi  gestän.  Vgl.  zu  794.  —  890.  holn  hat  r  nicht,  und  wenn  man  als 
ursprüngliche  Lesart  annimmt  gegen  einem  (oder  eime,  worauf  deme  in  f  d  weist) 
berg,  so  erklärt  sich  die  Einschiebung  des  nahe  liegenden  holen,  wenn  aus  gegen 
wurde  gein,  gen,  sehr  leicht.  —  892.  alle,  das  Pmf  haben,  ist  gewiß  echt;  der 
Vera  hat  zweisilbigen  Auflact,   der  durch  Weglassung  von  alle  beseitigt  werden 


IJTTERATUR:  MÜLLENHOFF,  LAURIN.  101 

sollte.  —  909  weisen  die  Lesarten  nur  auf  swaz  vögele  man  haben  sol;  dieß 
schien,  wenn  vogel  gesprochen  wurde,  zu  kurz,  daher  die  verschiedenen  Ände- 
rungen für  man  :  stimme  man  Prz,  stimme  m,  gesanc  man  vs,  dy  werlit  w,  man 
auch  f;  K  schreibt  mit  Umstellung  und  Einschiebung:  man  folgez  gesangs.  — 
954  lautete  ursprünglich  dar  nach  treten  an  einen  tanz  (vgl.  zu  330);  die  Ein- 
schiebung von  ivir  beim  adhortat.  Conjunctiv  veranlasste  die  Auswerfung  von  an, 
wie  die  Andei'ungen  in  den  und  ein.  —  967  zugen  ist  sicherlich  nicht  das  ur- 
sprüngliche, sondern  zogtens.  zogen  hat  M.,  allerdings  verkehrt,  an  einer  andern 
Stolle  (1758)  eingeführt.  —  969  f.  lauteten:  do  vuorte  I Murin  daz  getwerc\ 
si  mit  im  in  den  berc;  M.  folgt  K,  wo  970  lautet  mit  im  die  fürsten  in  den 
berc:,  die  andern  nehmen  si  in  die  vorige  Zeile  und  schreiben  daher  hier  den 
holn  berc.  —  977.  gesin  ist  durchaus  nicht  mit  v  in  mn  zu  verändern ;  ebenso- 
wenig 1016.  —  984.  Im  Hinblick  auf  942  ist  sieher  zu  schreiben  ja  betrüge 
uns  nie  der  kleine.,  oder  vielmehr  an  beiden  Stellen  nimer  für  nie.  —  990  muß 
lauten  ich  briche  an  in  mmr  triuwe  niht:,  an  in  lässt  f  weg  und  diese  Lesart 
nimmt  M.  auf,  m  schreibt  mein  für  miner,  die  übrigen  lassen  miner  triuwe  weg.  — ■ 
991  gegen  den  ist  doch  wohl  das  richtige,  wie  dfs  haben,  dafür  K  gegen  die, 
V  gegen,  die  andei-n  für  die.  —  992.  statt  der  verschiedenen  substant.  {ritter, 
getwerg,  fursten)  stand  vielleicht  ursprünglich  kurzen,  subst.  gebraucht,  als  Zwerg  . 
—  1003.  Laurm  phlac  schöne  der  herschaft;  statt  schöne  der  hat  r  der,  grosser 
VW,  der  Vers  lautete  nur  Laurin  phlac  herschaft.  —  1051.  an  ist  ebenso  Zu- 
satz wie  beide;  es  hieß  si  huoben  so  sUezez  sanc.  —  1063.  Die  ursprüngliche 
Lesart  war  daz  stuont  in  harte  schöne,  harte,  das  auch  sonst  Anlaß  zu  Ände- 
rungen war,  vertauschten  r  mit  allez,  Ks  mit  gar  wol,  Pd  mit  uzzer  mazzen, 
tiz  der  mazzen,  m  mit  alles  gar  wol  an.  —  1085.  Die  Änderung  ist  unnöthig; 
überladene  erste  Hebung  kommt  auch  sonst  im  L.  vor;  vgl.  1295.  1389.  1710. 
1779.  1873.  1878.  —  1089  den  ist  mit  Pw  zu  streichen.  —  1112  wan,  das 
KP  übereinstimmend  haben,  ist  nicht  zu  tilgen;  es  ist  umzustellen  tvan  si  an 
got  geloubent  niht;  die  jungem  Hss.  setzen  gern  die  prosaische  Wortfolge.  Um- 
stellung ist  auch  V.  1122.  1187.  1398  und  öfter  vorgenommen.  Die  schöne  Indi- 
cativform  gelouben  hat  bei  M.  ihre  Parallele  in  getrüwen  V.  1348!  —  1119. 
Gewiß  ja  nime  ich  dich;  vgl.  K  und  zu  726.  —  1136  lautete  sin  tisch  helfen- 
beinen;  von  helfenbeine,  wie  Pm  haben  und  M.  schreibt,  ist  Reimglättung.  —  1167  f. 
sind  die  Reime,  mit  Rücksicht  auf  die  beiden  folgenden  Zeilen  und  auf  1131. 
134Ö  in  her:  mer  zu  verändern.  —  1174.  Die  Ausdrucksweise  daz  du  keime 
tuest  an  sin  leben  sieht  nicht  alt  und  echt  aus ;  ich  halte  tuost  für  entstellt  aus 
tarst,  und  der  Vers  hieß  daz  du  ir  keime  tarst  an  dem  leben,  daraus  machte  P 
die  Lesart  M's.,  v  tuest  an,  w  keinen  tuest  von,  K  in  tuest  kein  schaden  an,  m 
in  nit  wcrd  an,  f  yn  nit  schadest  an  irme.  —  1186  ist  zu  schreiben  vile  lieber 
swäger  min,  wie  mPz  haben  (nur  natürlich  vil).  Daher  schrieben  rv  herzen- 
lieber, K  herzenswager,  trawter  swager  w,  M.  schreibt  nach  letzterer  Quelle  vil 
lieber  trütswdger  min.  Wahrscheinlich  ist  herzen  auch  1251.  1276  hinzugefügt.  — 
1191.  die  neue  Lesart  (1874)  swaz  in  geschiht,  geschehe  auch  mir  scheint  mir 
eine  Verschlechterung  des  früheren  sioaz  in,  daz  geschehe  ouch  mir,  denn  jene 
Lesart  würde  nicht  in  allen  Hss.  entstellt  überliefert  sein;  bei  der  zweiten  ist 
es  natürlich.  —  1205  ouch  (aus  v  aufgenommen)  ist  unecht;  K  schiebt  auch 
den  ein,  aber  die  Fassung  der  andern  Hss.  beide  mete  unde  win  enthält  das 
echte.   So  ist   1213   sament  (rm)    eingeschoben,  wie    gar  in  f,  um  die  Senkung 


102  LITTERATUR:  MÜLLENHOFF,  LAUKIN. 

zu  füllen;  Pw  si  wacren  alle  i:erlorn  bot  das  Richtige.  Ebenso  ist  1243  zu 
schreiben  frou  KUneldlt  gienc  zehant,  rd  scliieben  nach  gienc  ein  da,  w  do,  K 
al,  die  andern  haben  das  echte;  M.  schreibt  sä  zehant.  —  1244  hieß  es  da 
si  ire  hruoder  vani;  P  schiebt  Dietleihen  ein,  als  Glosse  oder  aus  metrischen 
Gründen;  M.  nimmt  es  auf  und  streicht  gegen  alle  Hss.  im  hruoder.  —  1258 
muß  interpungiert  und  geschrieben  werden  gehabent  —  mm?  Gegen  die  indirecte 
Frage  spricht  die  Wortstellung,  zum  Coiij.  ist  gar  kein  Anlaß;  aber  bei  M. 
ist  gehaben  wahrscheinlich  ebenso  Indic.  wie  an  den  zu  1112  bemerkten  Stellen! 
—  1298  muß  geschrieben  werden  da  wäpent  in  diu  künegtn]  in  ist  nicht  pron., 
sondern  adverb.  —  1340.  sarringen  ist  an  sich  nicht  schlecht  conjicicrt; 
aber  hier  ist  wohl  ringen  allein  das  echte;  der  Vers  hieß  vone  riehen  ringen, 
imd  da  von  geschrieben  wurde,  ergänzte  man  ringen  zu  loappenringen,  herzen- 
ringen, herten  ringen,  stalringen.  —  1381  die  sluogen  hinden  üf  den  man,  früher 
schrieb  M.  die  sluogen  üf  den  einen  man;  aber  einen  wie  hinden,  ferner  swinde, 
alle,  jungen  sind  Interpolationen,  der  Vers  lautete,  ganz  richtig  gebildet,  nur 
die  sluogen  Hf  den  man,  und  diese  richtige  Lesart  hat  auch  K  bewahrt.  — 
1401  hieß  wol  werte  sich  der  degen;  v  schrieb  vast  wol,  r  das,  d  da,  außerdem 
wurde  junge,  kling,  junge  man  zur  Verlängerung  eingeschoben.  —  1425  ist  daz 
zu  streichen  mit  Kvs;  vgl.  1283.  1485.  1563.  —  1462.  warum  Iceinen  mit  P, 
während  die  Überlieferung  auf  te'nez,  ganz  richtig  an{  getiverc  bezogen,  weist?  — 
1463  ist  zu  schreiben  alse  wir  ez  hoeren  sagen;  M.  schreibt  mit  m  als  wir  ez 
hoeren  von  in  sagen ;  von  in  hat  auch  K,  aber  an  anderer  Stelle,  was  für  Inter- 
polation spricht.  Vgl.  noch  1597. —  1482.  statt  erschrac  K  (=  M.),  wofür  die 
andern  floch  haben,  wird  wohl  erquam  das  echte  gewesen  sein.  —  1537.  an 
str'tten  ist  doch  wohl  nur  Koimglättung  (wegen  zUen)  für  an  strUe.  —  1542. 
auch  hier  ist  wir  zu  streichen  und  dringen  zu  schreiben.  —  1593  1.  die  risen 
tcaeren  gerne  dan,  der  in  der  altern  Sprache  übliche  Gebrauch  des  präter.  für 
das  plusquampf.  veranlasste  die  Hinzufügung  von  gewesen,  das  übrigens  rf  mit 
Recht  nicht  haben,  —  Von  1601  steht  allein  K  zur  Verfügung;  auch  hier  ist 
manches  anders  zu  stellen  als  in  der  Ausgabe  geschieht,  1609  f.  hießen  sicher- 
lich ich  htm  llp  und  mm  leben  üf  dme  genüde  ergeben;  die  Hinzufügung  von 
mmen  in  der  ersten  Ztile  hat  die  ungeschickte  Placierung  von  hdn  im  zweiten 
Verse  nach  sich  gezogen.  —  1616  gewiß  bezU  statt  bi  der  zU\  in  der  folgenden 
Zeile  ist  die  Ergänzung  tiverge  unnöthig;  vgl.  zu  992.  —  1623.  die  Umstellung 
ist  unnöthig,  wenn  man  triive  schreibt.  —  1625  ist  ohne  Grund  von  der  Hs. 
abgewichen:  I.  do  daz  erhört  diu  schoene  meit.  —  1630  liest  man  besser  wer 
für  gewer.  Richtig  ist  so  geschrieben  1651.  1708.  1876;  aber  auch  1659  wird 
zu  lesen  sein  unde  loert.  Ebenso  steht  gehoeret  1621  sicherlich  für  das  ursprüng- 
liche hoeret,  wodurch  du  in  die  Hebung  kommt,  gern  statt  begern  ist  mit  Recht 
1652.  1662.  1700  gesetzt.  —  1634  1.  imde  daz  gesinde  sin;  die  Hs.  hat  für 
gesinde  —  getwerg  f/esinde,  vielleicht  nur  ein  Schreibfehler,  M.  schreibt,  sehr 
unwahrscheinlich,  tioercgesinde.  —  1645  f.  lies  läz  niht  ungewert  mich  imd  tuo  noch 
swes  ich  bite  dich,  die  Hs.  vertauscht  in  der  ersten  Zeile  niht  und  mich,  und 
schreibt  in  der  zweiten  ich  dich  bite,  also  die  prosaische  Wortstellung.  M.  schreibt 
lä  mich  niht  ungewert  hie  mite  und  tuo  noch  swes  ich  dich  bite.  —  1650  des 
zu  ergänzen  ist  ganz  überflüssig.  —  1708.  besser  2md  tvert  mich  aller  miner 
bete;  vgl.  macht  in  der  folgenden  Zeile.  —  1712.  so  ist  beizubehalten,  und  mit 
da  von  der  vorigen  Zeile    zu    verbinden:    'deßhalb    also.   —   1716.    Statt  jtinc- 


LITTEKATUR  :  MCLLENHOFF.  LAURIN.  103 

vrouwe  zu  ergünzeii ,  ergänze  man  nach  1652.  1(502  hat  und  schreibe  swes  ir 
an  mir  hat  gegert  (Hs.  weyert,  wie  an  jenen  beiden  Stellen  auch).  Ubi-igens  fehlt 
auch  1652  h.ät  in  der  Hs.  —  1733.  zam  ist  ganz  unnöthig  in  gezam  geändert; 
im  Gegentheil  setzen  die  Jüngern  Hss.  gezemen  statt  zemen,  geivem  statt  wern, 
begern  statt  gerrij  wo  also  zam  überliefert  ist,  ist  es  sicherlich  echt.  —  1734. 
der  Vers  wird  auch  durch  sä  nicht  gut;  1.  do  gie  si  hin  -id  zehant.  —  1739. 
daz  enmac  ist  unnöthig  in  des  enmac  geändert;  auch  1752  ist  so  sire  beizu- 
behalten. —  1759.  Ursprünglich  gewiß  jungistez  statt  lezzistez.  —  1758 — 59. 
Der  Reim  zogen  :  sagen  ist  ganz  unglaublich  und  hat  keine  Analogien  im  Laurill, 
denn  Reime  wie  garten  '.  horten  unterscheiden  sich  dadurch  wesentlich  von  diesem, 
daß  sie  den  verschiedenen  Vocal  auf  der  vorletzten  Hebung  haben,  stehen  also 
gleich  mit  menege  :  brünege,  nur  daß  die  Vocale  sich  näher  berühren.  Im 
stumpfen  Reime  begegnet  a  :  o  nur  ganz  spärlich  und  nur  vor  r  (denn  von 
Jüngern  Belegen,  wie  sie  I,  S.  XLIX  angeführt  sind,  ist  hier  ganz  abzusehen). 
Ein  Reim  aber  wie  varen  :  sagen ,  den  K  hier  bietet,  hat  in  Dichtungen  des 
12.  Jahrhs.  so  massenhafte  Analogien,  daß  eine  gänzliche  Unkenntniss  des 
Reimgebräuches  jener  Zeit  dazu  gehört,  wenn  man  behauptet,  hier  musste  der 
Reim  zogen  :  sagen  hergestellt  werden  (S.  XLVIU).  Auffällig  erscheint  auch 
der  in  der  Hs.  überlieferte  Reim  tote  :  tele  1859  f.,  aber  für  diesen  fehlt  es 
doch  nicht  an  Analogien  im  12.  Jahrb.;  vgl.  beten  :  geböte  Kaiserchr.  47  :  ap- 
goten  993.  stete  :  apgote  7973.  treten  :  geboten  12393.  gebete  :  gote  Fundgruben 
2,  65.  Diemer  24,  16;  auch  gebiete:  bete  Fundgr.  2,  38.  Beachten  wird  man 
auch  hier,  daß  es  nur  sehr  alte  Dichtungen  sind,  die  entsprechende  Reime 
zeigen.  —  1762  f.  sind  in  der  Hs.  überliefert  Hilprant  der  weisz  man  rufft 
herrn  Dietreich  umb  den  kleinen  man.  M.  schreibt  Hildebrant  der  sprach  sän  | 
herre,  umb  den  kleinen  man  |  ir  sult  tiion  als  ein  wise  man,  ganz  willkürlich, 
und  unwahrscheinlich  schon  deßhalb,  weil,  wenn  die  zweite  Zeile  schon  zur 
Rede  gehörte,  in  der  dritten  Inversion  stehen  würde.  Es  ist  zu  lesen  Hildebrant 
der  weiz  sän  hern  Dietrich  um  den  kleinen  man.  iveiz  ist  prät.  von  wizen,  strafen, 
tadeln,  vorwerfen;  das  verstand  der  Schreiber  von  K  so  wenig  als  der  gelehrte 
Herausgeber  des  19.  Jahrhs. ;  da  er  glaubte,  das  Verbum  fehle,  schob  er  rufft 
ein.  —  1768  ist  zu  sehreiben  des  diu  frouwe  Künhilt  hat  gebeten;  yi.  daz  diu, 
frou.  —  1788  wird  gespotes  und  1791  spates  ganz  grundlos  gegen  die  mhd. 
übliche  Schreibung  und  Verwendung  im  klingenden  Reim  {späten  als  stumpfer 
Reim  gehört  ganz  zu  den  Ausnahmen)  mit  einem  t  geschrieben.  —  1856  ist 
das  ursprüngliche  wohl  über  allez  daz  laut,  —  1883  —  86  sind  überliefert: 
do  swuoren  si  die  friuntschaft 
diu  Sit  niemer  mer  zebrochen  wart. 
M.   macht  daraus  vier  Zeilen: 

do  swuoren  si  die  friuntschaft, 

diu  Sit  hete  gröze  kraft 

und  niemer  mer  zebrochen  wart 

U71Z  an  ir  beider  hinvart. 
Das  cursiv  gedruckte  sind  Ergänzungen,  das  in  Z.  2  aus  Walberan  1166  entnommen. 
Aber  wenn  der  Walberan  so  manche  Verse  des  Laurin  entlehnt  oder  nachahmt , 
folgt  daraus,  daß  die  Entlehnung  sich  auf  zwei  Zeilen  erstrecken  muß?  Er 
ahmte  1883  nach,  1884  veränderte  er  eben  um  des  Reimes  willen.  Daß  aber 
der    Reim    friuntschaft  :  wart    ein    ganz    unanstößiger  ist,    wurde    bereits    oben 


104     LITTERATUR:  SIEVERS,  PARADIGMEN  ZUR  DEUTSCHEN  GRAMMATIK. 

(S.  95)  bemerkt.  Dns  Vcrfulnen  M.'s  hier  ist  d;isselbe,  das  wir  die  alten  Um- 
arbeiten so  oft  beobnchten  sehen,  daß  sie  aus  einem  assonierenden  Reimpaare 
durch  Einflicken  zweier  Zeilen  vier  Reimverse  machen.  Aber  so  durfte  nicht 
verfahzvn ,  wer  nicht  Überarbeitung  des  Überlieferten  geben ,  sondern  aus  der 
Überlifferung   das   üriirüngliche   herausschälen   wollte. 

Schon  wegen  der  großen  Unsicherheit  der  Herstellung  in  vielen  einzelnen 
Fällen  scheint  es  sehr  mißlich,  von  diesem  Gedichte  einen  bloßen  Textabdruck 
zu  veranstalten,  da  man  sich  doch  überall  genöthigt  sehen  wird,  das  'herge- 
stellte mit  der  Überlieferung  zu  vergleichen.  Somit  halte  ich  diesen  Abdruck 
für  etwas  ganz  überflüssiges.  Was  aber  jemand  unternehmen  sollte,  das  wäre 
eine  mit  dem  vollständigen  Apparate  versehene  kritische  Ausgabe  des  Laurin, 
die  die  Geschichte  der  Überlieferung  klar  und  anschaulich  darlegte,  und,  so 
weit  es  mit  einiger  Sicherheit  geschehen  kann,  das  älteste  Gedicht  herstellte. 
Daß  beiden  Forderungen  die  Ausgabe  von  MüllenhofF  durchaus  nicht  genügt, 
denke  ich   durch   diese  Kritik   erwiesen  zu  haben. 

HEIDELBERG,  23.  Januar  1875.  KARL  BARTSCH. 


Paradigmen  zur  deutschen  Grammatik   zum  Gebrauche  bei  Vorlesungen  zu- 
sammengestellt von  Eduard  Sievers.  Halle  (Waisenhausbuchhandlung)  1874. 

Diese  Paradigmen  unterscheiden  sich  von  den  früher  erschienenen  derartigen 
Hülfs mittein    zunächst    durch'  den   Umfang,    indem    sie    nicht  bloß  gotisch   und 
hochdeutsch,   sondern  auch  altsächsisch,   angelsächsisch  und  altnordisch  begreifen. 
Sodann  ist    der  Verf.,    so  weit    man    dieß    von    einer    derartigen  Arbeit    irgend 
verlangen   kann,    auf  die    ursprünglichen   Quellen    zurückgegangen.     Er  hat   die 
größte   Mühe   und   Sorgfalt    aufgewendet,    um    überall    das   wirklich    überlieferte 
festzustellen,   so  daß   in  dieser  Beziehung  den  Paradigmen   der  Vorzug  vor  allen 
bisherigen  Grammatiken  gebührt.   Es  ist  streng  unterschieden  zwischen   belegten 
und  bloß  erschlossenen  Formen,  welche  letzteren  in  Klammer  gesetzt  sind.   Außer- 
ordentliche Vortheile  gewährt  ferner  die  vom  Verf.  gewählte  Tabellenform,  bei  deren 
Einrichtung    sich    das    praktische   Geschick    desselben   in    glänzender   Weise   be- 
thätigt.   Die   dadurch   erzielte   Übersichtlichkeit   erleichtert  sowohl   das   Auffinden 
als  das  Lernen  der  Formen  ungemein.     Endlich    hat  S.   den  Versuch   gemacht, 
alle  nicht  aus  den  ursprünglichen   auf  rein  lautlichem  Wege  entwickelten  Formen 
durch   Cursivdruck  auszuzeichnen.  Dieß   Verfahren    ist  um  so  mehr  zu  billigen, 
je  weniger  bis  jetzt  allgemein  anerkannt  ist,  welche  Bedeutung  die  Neubildungen 
nach  Analogie  vorhandener  Formen  für  die  Geschichte  der  Flexion  haben,  was 
vi'ieder  damit  zusammenhängt,    daß    man    es  •  mit    den    Laut-,    insbesondere   den 
Auslautgesetzen  nicht  sehr  scharf  genommen    hat.    Freilich  ist  dieß  ein  schwie- 
riges  Gebiet,   auf  dem  die  Ansichten  leicht  auseinandergehen    können.     Im  all- 
gemeinen, glaube  ich,   hat  S.   eher  zu  wenig  als  zu  viel  Analogiebildungen  an- 
genommen.  Die  hervorgehobenen  Eigenthümlichkeiten  dieser  Paradigmen  werden 
ihnen  gewiß  die  allgemeinste  Anerkennung  sichern  und  eine  recht  ausgedehnte 
Anwendung    besonders    für  Vorlesungen.     Allerdings    ist    der  Preis    für    diesen 
Zweck    etwas    hoch.     Es    dürfte    doch    zu    bedenken  sein,   ob   es  sich  nicht  für 
eine    zweite   Auflage    empfehlen  würde,    neben   der    größeren  vollständigen  eine 
kleinere,    nur   gotisch    und    hochdeutsch    umfassende  Ausgabe    zu    veranstalten. 


LITTERATUR:  SIEVERS,  PARADIGMEN  ZUR  DEUTSCHEN  GRAMMATIK.     105 

Etwas  hätte  vielleicht  auch  gespart  werden  können,  wenn  die  allerdings  sehr 
ansprechende  Ausstattung  etwas  weniger  luxuriös  ausgefallen  wäre.  Ein  kleineres 
Format  würde  auch,  besonders  für  die  Benutzung  bei  Vorlesungen  bequemer 
sein.  Statt  der  Einlegung  der  losen  Tabellen  in  eine  Mappe  wäre  wohl  Einband 
mit    Zusammenfaltung   zu   empfehlen. 

Ich  knüpfe  einige  Bemerkungen  an  über  einzelne  Punkte.  Zu  Bl.  1  (Sub- 
stantiva,  gotisch):  Der  acc.  sing,  giba  hätte  durch  Cursivdruck  ausgezeichnet 
werden  sollen,  da  dieß  die  Nominativform  ist.  Die  eigentliche  Accusativform 
■würde  giho  sein  gleich  dem  gen.  pl.,  da  beiden  Casus  dieselbe  Grundform  gehäm 
zu  Grunde  liegt.  Der  Unterschied  zwischen  nom.  und  acc.  ist  erhalten  im  ags. 
{gifu  —  g'ifs)  und  im  ahd.  und  alts.  pron.  und  adj.  ( —  iu,  —  a).  Im  altn.  ist 
die  Form  des  nom.  in  den  acc.  getreten  wie  im  got.,  im  ahd.  und  alts.  subst. 
umgekehrt  die  des  acc.  in  den  nom.  Der  Unterschied  ist  auch  im  got.  noch 
erhalten  bei  den  j(J-Stämmen  mit  langer  Wurzelsilbe  (bandi  —  bandja).  Daß 
die  Zusammenziehung  nur  im  nom.  eingetreten  ist,  beweist  die  ursprüngliche 
Verschiedenheit  beider  Formen.  Die  Verkürzung  des  et  oder  6  im  acc.  kann 
hier  allerdings  nicht  aus  Analogie  des  nom.  erklärt  werden.  Aber  daraus  folgt 
nicht,  daß  überhaupt  die  Erklärung  des  kurzen  a  aus  Analogie  des  nom.  falsch 
ist  und  daß  bloß  lautliche  Verkürzung  eingetreten  ist  gegen  die  sonst  allgemein 
geltende  Eegel,  daß  ä  unverkürzt  bleibt,  wenn  es  ursprünglich  durch  einen 
Nasal  gestützt  war.  Bei  den  wenigen  hierher  gehörigen  Wörtern  wird  der  acc. 
der  Analogie  der  übrigen  (J-Stämme  gefolgt  sein,  während  eine  Anlehnung  an 
den  nom  durch  die  zu  starke  Abweichung  verhindert  wurde.  Ebenso  wie  der 
acc.  sing,  ist  auch  der  acc.  pl.  gibos  als  Nominativform  aufzufassen.  Die  des 
acc.  würde  yilovs  lauten  müssen.  Ein  Verklingen  des  Nasals  vor  s  findet  sonst 
nicht  statt,  wie  dagavs,  avstivs,  handmis  beweisen.  Man  darf  sich  nicht  auf 
das  Sanskrit  berufen,  wo  das  fem.  acvds,  das  niasc.  agvdn  lautet.  Diese  ver- 
schiedene Behandlung  von  m.  und  fem.  ist  eine  specififcch  indische  Eigenthüm- 
lichkeit,  die  keine  andere  Sprache  kennt.  Sie  lässt  sich  kaum  auch  nur  als 
Analogie  herbeiziehen,  da  sie  sich  im  sanskrit  nicht  auf  die  a-Stiimme  be- 
schränkt, sondern  sich  auf  die  ?'-  und  w-Stämme  und  die  Verwandtschaftsbe- 
zeichnungen auf  far  erstreckt.  Wir  haben  hier  vielmehr  eine  Ausgleichung 
zwischen  nom.  und  acc,  wie  sie  das  sanskrit  bei  eonsonantischen  Stämmen  (as*) 
für  beide  Casus),  das  lateinische  in  der  dritten,  vierten  und  fünften  Declination, 
das  griechische  z.  B.  in  nöXfig,  ßaaiXiTs  zeigt.  Genauer  lässt  sich  das  slaviscbe 
vergleichen ,  welches  die  Ausgleichung  gerade  auch  bei  den  femininalen  ^-Stäm- 
men **)  hat  eintreten  lassen ,  nur  daß  hier  nicht  der  acc.  durch  den  nom., 
sondern  der  nom.  durch  den  acc.  verdrängt  ist  ir(iky,  dub^).  Die  Ausgleichung 
hat  ferner  stattgefunden  bei  allen  eonsonantischen  Stämmen,  wahrscheinlich 
wenigstens  erst  auf  germanischem  Boden ,  so  daß  dann  auch  von  diesen  die 
Accusative  cursiv  zu  drucken  gewesen  wären.  Weiterhin  hat  dann  allgemein 
im  südgermanischen  im  Gegensatz  zum  altnordischen  die  Form  des  nom.  pl. 
die   des  acc.    verdrängt,    welcher  Vorgang    dadurch    begünstigt    wurde,    daß  im 

*)  Als  gemeinindogermanisch  dürfen  wir  die  Ausgleichung  wohl  nicht  ansetzen, 
da  das  griecliische  dagegen  spricht.  Auch  im  slavischen  und  litauischen   ist  der  Unter- 
schied aufrecht  erlialten,  wenn  auch  nicht  mehr  in  den  alten  Formen,  die  zum  Theil 
durch  Aialogiebildungen  nach  vocalischer  Declination  verdrängt  sind. 
**)  Allerdings  auch  bei  den  femininalen  t-Stämmen  (kosti). 


lOG     LITTERATUR:  SIEVERS,  PARADIGMEN  ZUR  DEUTSCHEN  GRAMMATIK. 

sing,  beide  Casus  rein  lautlich  durch  Abfall  des  *  zusammeDfielen.  —  Cursiv 
wiire  noch  zu  setzen  gewesen  der  voc.  der  Stämme  auf  an  und  ar  als  Norai- 
nativform.  Die  eigentlichen  Vocativformen  haiian,  svestar  hätten  nach  Eintritt 
der  Auslautgesetze  han,  svestr  ergeben.  —  Der  nom.  des  substantivierten  part. 
nasjands  ist  cursiv  gesetzt,  weil  nach  der  Einleitung  die  Übereinslimmung  des 
skr.  bharan,  gr.  fftQcoi',  ksl.  hery  beweist,  daß  schon  in  uralter  Zeit  das  als 
Endung  vorauszusetzende  -ts  geschwunden  war.  Aber  lat.  ferens,  auch  altbaktr. 
barüg  hat  doch  noch  das  s.  Ein  früher  Ausfall  des  t  ist  allerdings  durch  die 
Ubereinslimmung  aller  Si^rachfamilien  wahrscheinlich.  Wir  brauchen  daher  nur 
anzunehmen,  daß  d  in  den  nom.  und  voc.  aus  den  übrigen  Casus  wieder  ein- 
gedrungen ist,  keine  Formenübertragung  aus  der  a-Declination.  Die  Cursivsetzung 
der  nom.  mcnojis,  nahts  und  baurgs  kann  ich  nicht  gerechtfertigt  finden.  Wie 
sollten  die  Formen  nach  eonsouautischer  Declination  anders  lauten?  Ein  all- 
gemeiner Abfall  des  s  nach  vorausgehendem  Consonanten  ist  doch  nicht  er- 
weislich. —  Von  dem  dat.  sing,  der  masculiuen  und  neutralen  a-Declination 
ist  jetzt  von  W.  Braune  (Beiträge  z.  Gesch.  der  deutschen  Sprache  II,  161) 
überzeugend  nachgewiesen,  daß  er  als  instrum.  zu  fassen  sei  {daga  =  ahd.  tagu). 
Auf  Bl.  2.  3  (subst.  altn.)  sind  die  Analogiebildungen  in  der  schwachen 
Declination  unbezeichnet  geblieben.  Die  rein  lautlichen  Veränderungen  beruhen 
hier  hauptsächlich  auf  zwei  Auslautgesetzen  des  altn. :  s  (?•)  nach  n  fällt  ab ; 
darauf  verklingt  auslautendes  n,  gleichviel  ob  es  ursprünglich  im  Auslaute  stand, 
oder  ob  ein  s  vorher  abgefallen  ist  (vgl.  Scherer,  Zur  Gesch.  S.  416).  Die 
Formen,  welche  diesen  Regeln  zu  widersprechen  scheinen,  sind  nach  Analogie 
der  vocalischen  Declination  gebildet.  Der  nom.  pl.  müsste  gleich  dem  acc.  hana, 
vilja  lauten;  das  r  ist  nach  Analogie  von  ülfar  angetreten.  Ebenso  ist  der  gen. 
hana  statt  des  zu  erwartenden  hanna  (cf.  gumna)  nach  Analogie  von  i'dfa  ge- 
bildet. Die  Wirkung  der  Analogie  begreift  sich  leicht,  da  dat.  und  acc.  bereits 
lautlich  mit  den  Formen  der  a-Declination  zusammengefallen  waren.  Sicher  in 
etwas  anderer  Weise  nach  der  a-Declination  gebildet  sind  nom.  gumnar  und 
acc.  gumna  (gum{n)ar  und  ebenso  kljär  sind  wohl  Druckfehler) ,  indem  hier 
derselbe  Weg  eingeschlagen  ist,  der  im  got.  schon  beim  dat.  {abnam)  betreten 
war.  Nom.  acc.  des  neutr.  hiörtu  kann  nicht  aus  h'ertoria  entstanden  sein,  welches 
hiörtun  hätte  geben  müssen,  sondern  ist  nach  Analogie  des  vorauszusetzenden 
ordu,  löndu  gebildet;  der  Abfall  des  u  ist  dann  verhindert  durch  Einwirkung 
des  im  ganzen  sing,  auslautenden  Vocals.  Im  nom.  acc  des  fem.  tungur  etc. 
ist  das  r  an  die  wahrscheinlich  zunächst  entstandene  Form  tungu  nach  Analogie 
vcn  gjafar  getreten.  Man  vergleiche  hiermit  den  unzweifelhaft  späteren  Antritt 
des  r  in  nom.  pl.  blindir  =  blindai  und  in  ]>eir,  tveir.  Der  dat.  tungum  ist 
wahrscheinlich  an  den  des  masc.  und  neutr.  angeglichen ,  ebenso  wie  in  der 
a-DecIination  gjöfum  an  ülfum  und  ordum.  Wenigstens  sollte  mau  nach  ahd. 
gebom,  zungojn  und  nach  gjafar,  gjafa  =  got.  gibus,  gibö  erwarten  gjafam, 
tungam.  Allerdings  finden  wir  auch  im  ags.  -um  und  im  alts.  -un  im  fem.,  aber 
wohl  gleichfalls  in  Folge  einer  Angleichung  an  masc.  und  neutr.  entstanden. 
Dieselbe  Ausgleichung  hat  im  gen.  stattgefunden  tungna,  bylgna  nach  gumna, 
hjartna  und  gydja  nach  hana,  zugleich  wohl  nach  gjafa.  Denn  das  o  hätte 
nicht  ausfallen  können.  Im  ahd.  bildet  sich  umgekehrt  gen.  und  dat.  der 
schwachen  masc.  und  neutr.  nach  dem  der  fem.  —  Noch  bemerke  ich,  daß 
sott    nicht    der    echte    nom.    der    femininen  i-Stämme    ist.     Die  Form    desselben 


LITTERATUR:  SIEVERS,  PARADIGMEN  ZUR  DEUTSCHE  N  GRAMMATIK.     107 

haben  wir  in  heidr.  Dagegen  ist  sott  dem  acc.  angeglichen  mit  Anlehnung  an 
die  a-Declination  {gjöf),  wo  umgekehrt  der  acc.  dem  nom.  angeglichen  war. 
Überhaupt  sind  die  Unterschiede  in  der  Declination  der  fem.  im  sing.,  von  ein- 
zelnen Wörtern  abgesehen,  ganz  verwischt.  Im  acc.  pl.  söttir  ist  die  Form  des 
nom.  eingetreten,  wie  in  der  a-Declination  schon  im  gemeingermanischen  {gibös). 
Auf  Bl.  4  (subst.  ags.)  weichen  die  Paradigmen  der  fem.  von  den  bis- 
herigen Aufstellungen  ab,  indem  die  a-Stilmme  mit  langer  Wurzelsilbe  nicht, 
wie  es  früher  geschah,  mit  den  i-Stämmcn  zusammengeworfen  werden.  Näher 
begründet  hat  S.  sein  Verfahren  in  den  Beitr.  z.  Gresch.  d.  deutschen  Spr.  I,  486  fF. 
Danach  muß  man  zugeben,  daß  die  Scheidung  für  die  älteste  Zeit  berechtigt 
ist.  Aber  die  Vermischung  beginnt  doch,  wenn  auch  der  Unterschied  sehr  über- 
wiegend aufrecht  erhalten  wird,  theilweise  schon  ziemlich  früh,  wie  auch  S.  ein- 
räumen muß,  selbst  nachdem  er  einige  Beispiele  derselben  auf  etwas  gezwungene 
Weise  wegzuschaffen  versucht  hat.  Daher  kann  ich  die  völlige  Ausschließung 
der  acc.  auf  e  in  der  z-Declination  und  der  ohne  e  in  der  a-Decliuation  vom 
Paradigma  nicht  billigen,  zumal  da  auch  die  jüngere  Entwickelung  Berücksichti- 
gung beanspruchen  darf,  so  gut  wie  im  ahd. ,  wo  die  Flexionsendungen  bis  zu 
ihrer  letzten  Abschwächung  aufgenommen  worden  sind.  Durch  die  Anwendung 
von  Klammer  und  Cursivdruck  konnte  ja  das  Verhältniss  der  Jüngern  zu  den 
altern  Formen  gekennzeichnet  werden.  —  Der  dat.  sing,  gife  stimmt  lautge- 
setzlich nicht  zu  ahd.  gebu,  altn.  giöf.  Wir  haben  darin  wohl  die  Genitivform  zu 
sehen.  Auch  im  ahd.  und  alts.  werden  ja  die  Formen  des  gen.  und  dat.  unter- 
mischt für  beide  Casus  gebraucht.  Das  ags.  unterscheidet  sich  nur  dadurch, 
daß  hier  die  Form  des  dat.  ganz  verloren  gegangen  ist.  Der  gen.  gife  würde 
sich  zu  got.  gibos,  ahd.  geba  verhalten  wie  tunge  zu  tuggo,  zunga,  eage  zu  augo, 
ouga,  der  acc.  sing,  gife  zu  einem  ui-sprünglich  vorauszusetzenden  got.  gibo  = 
ahd.  g'eba^  der  nom.  acc.  pl.  gife,  neben  gifa  zu  gibös,  gebd*)  Eine  Einwirkung 
der  ^-Declination  werden  wir  nicht  anzunehmen  haben.  Vielmehr  ist  erst  durch 
das  Zusammenfallen  der  Formen  des  gen.  und  dat.  die  Ausgleichung  der  Ac- 
cusativformen  veranlasst.  —  Der  gen.  pl.  der  i-Declination  hätte  eigentlich 
nicht  cursiv  gedruckt  werden  sollen.  Denn  gästa  und  bena  gehen  auf  gästia,  benia 
zurück  wie  rica  auf  ricia.  Das  j  ist  wie  überall  im  ags.  ausgefallen.  Ebenso 
gehen  die  dat.  gästum,  benum  auf  gästium,  benium  zurück,  die  wie  alts.  gesilun 
nach  Analogie  der  ^a-Stämme  gebildet  sind,  wozu  die  schon  übereinstimmende 
Bildung  des  gen.  die  Veranlassung  gab.  Ob  der  nom.  acc.  pl.  gästas  nach 
Analogie  der  ja-Stämme  (also  ursprünglich  gästias)  gebildet  ist  oder  erst  nach 
Ausfall  des  j  im  gen.  und  dat.  nach  der  der  a-Stämme,  wird  sich  schwer  ent- 
scheiden lassen.  Im  letztei-en  Falle  aber  hätte  die  Analogie  näher  gelegen,  weil 
dann  schon  die  Bildung  des  ganzen  sing,  übereinstimmte.  —  In  der  schwachen 
Declination  ist  zunächst  der  gen.  dat.  sing,  des  neutr.  edgen  Druckfehler  für 
edgan.  Im  gen.  pl.  ist.  -ena  im  masc.  und  neutr.  wohl  aus  dem  fem.  über- 
tragen. Das  kurze  a  der  Ableitungssilbe  hätte  syncopiert  werden  müssen  wie 
in  fugla,  ceastra.     Das  e  entspricht  wie  in  den  oben    angeführten  Fällen   {eage 


*)  Also  gerade  das  umgekehrte  hat  stattgefunden  von  dem,  was  Scherer  (zur 
Gesch.  436)  annimmt,  der  gife  für  die  echte  Dativform  erklärt,  die  in  den  gen.  über- 
getreten sei. 


108     LITTERATUR:  SIEVEKS,  PARADIGMEN  ZUR  DEUTSCHEN  GRAMMAT.K. 

etc.)  dem   gotischen  6.   Dieselbe  Übertragung  haben  wir  ja  im   ahd.,  wo  sie  von 
S.  bezeichnet,   und  im   alts.,   wo   sie  es  nicht  ist. 

Die  Paradigmen  der  ahd.  Substantive  (Bl.  6),  ebonso  die  der  Adjectiva 
(Bl.  11)  und  Verba  (Bl.  22)  bedürfen  jetzt  einer  wesentlichen  Correctur  in  Be- 
zug auf  QuantitJitsbezeichnung.  Durch  Braunes  Abhandlung  Über  die  Quan- 
tität der  althochdeutschen  Endsilben  (Bi'iträge  II,  117)  ist  nachgewiesen,  daß 
alle  auslautendt'n  Vocale  des  ahd.  schon  in  ältester  Zeit  verkürzt  sind  mit 
Ausnahme  der  fem.  auf  t,  der  I.  III.  sing.  conj.  praet.  sw.  verb.,  des  nom.  acc. 
plur.  fem.  und  wohl  auch  masc.  nach  der  o-Declination  und  vielleicht  des  gen. 
sing.  fem.  der  a-Dcciination.  S.  hat  sich  hier  noch  den  früher  üblichen  Quan- 
titätsbezeichnungen angeschlossen.  Dagegen  hat  er  sich  beim  alts.  aller  Länge- 
zeichen  enthalten.  Es  könnte  fraglich  sein,  ob  er  dabei  nicht  nach  der  ent- 
gegengesetzten Seite  das  Maß  überschritten  hat.  Doch  scheint  in  der  That  der 
Unterschied  von  hoch-  und  niederdeutsch  in  der  Behandlung  der  Endsilben 
darin  zu  bestehen,  daß  dieses  die  Verkürzung  frühzeitig  vor  Consonanten  wie 
im  Auslaut  hat  eintreten  lassen,  während  im  hochd.  auslautender  Consonant  die 
Verkürzung  verhindert.  Das  fränkische  scheint  sich  dem  niederdeutschen  näher 
anzuschließen.  —  Das  o  im  gen.  plur.  masc.  und  neutr.  tago,  uuorto  entspricht 
nicht  unmittelbar  lautlich  dem  got.  dage^  vaurde,  sondern  ist  aus  dem  fem. 
iibertragen,  wie  in  der  schwachen  Declination.  Es  ist  dann  auch  auf  die  i-Stämme 
und  die  sonstigen  consonantischen  übertragen.  Dasselbe  wie  vom  ahd.  gilt 
natürlich  auch  vom  alts,  —  Nach  der  Art,  wie  S.  die  Formen  des  gen. 
und  dat.  sing.  fem.  der  a-Declination  ansetzt  und  ordnet  (gehä,  -6,  -u,  -o,  e  und 
gebo,  -w,  •«,  -o,  -a,  -e,)  scheint  er  nicht  anzunehmen,  daß  die  Formen  beider 
Casus  untermischt  für  einander  gebraucht  worden  seien,  sondern  daß  die 
Formen,  die  für  jeden  einzelnen  gebraucht  werden,  alle  lautlich  aus  einander 
entwickelt  seien.  Das  ist  aber  nach  den  ahd.  Lautgesetzen,  wie  sie  von  Braune 
a  a.  O.  entwickelt  sind,  unmöglich.  Die  Form  des  gen.  geht  auf  a  aus,  welches 
vielleicht  in  der  ältesten  Zeit  noch  lang  war  und  keine  andere  Veränderung  er- 
leiden kann,  als  die  schließliche  Schwächung  zu  e,  die  des  dat.  auf  u,  o,  welches 
niemals  zu  a  werden  kann.  Wir  haben  also  wieder  Formübertragung,  die  durch 
Cursivdruck   anzuzeigen   wäre. 

Beim  mhd.  subst.  (Bl.  7)  und  ebenso  beim  adj.  (Bl.  1 1)  folgt  S.  dem  ge- 
wöhnlichen Schema  in  der  Darstellung  des  Ausfalles  des  sogenannten  stummen  e. 
Die  Formen  sind  nach  einer  abstracten  Norm  aufgestellt,  denen  der  Schreib- 
gebrauch und  auch  die  Aussprache  bei  weitem  nicht  immer  entspricht.  Insbe- 
sondere sind  gen.  pl.  wie  telre,  lamere,  holre,  eigenre  und  dat.  wie  holme,  eige- 
ni-me  fast  nur  mitteldeutsch,  allerdings  nach  Lachmanns  Vorgang  vielfach  will- 
kürlich in   oberdeutsche  Texte  eingesetzt. 

Bei  den  adj.  (Bl.  8 — 11)  hat  S.  den  Cursivdruck  zur  Unterscheidung 
der  substantivisch  und  der  pronominal  flectierten  Formen  angewendet,  gewiß 
sehr  angemessen,  nur  ist  ihm  dadurch  das  Mittel  genommen  einige  hier  vor- 
kommende Analogiebildungen  zu  bezeichnen,  über  die  er  selbst  (Beiträge  VI,  98  ff.) 
gehandelt  hat.  Auch  bei  den  pion.  hat  er  von  der  Bezeichnung  der  Analogie- 
jjildungen  abgesehen,  einige  vereinzelte  Fälle  ausgenommen  (peir,  sin)  bei  denen 
sie  dann  lieber  auch  hätte  unterbleiben  sollen,  wenn  eine  consequente  Durch- 
führung des  Princips  bei  den  hier  allerdings  sehr  compliciertcn  Verhältnissen 
unthunlich  schien. 


LITTERATUR:  BLUPLME,  DIE  GENS  LANGOBARDORUM.  109 

Weniger  Anlaß  zu  Bemerkungen  geben  die  Verba.  Sehr  zu  loben  ist  die 
Einrichtung,  daß  nachdem  die  Bildung  der  Modi  und  Personen  auf  einer  be- 
sondern  Tafel  für  jeden  einzelnen  Dialect  dargestellt  ist  (Bl.  18 — 23),  die 
Bildung  der  Tempusstämme  und  des  part.  praet.  durch  übersichtliche  Neben- 
einanderstellung der  verschiedenen  Dialecte  auf  demselben  Blatte  veranschaulicht 
wird  (Bl.  24 — 29).  Die  zu  letzterem  Zwecke  verwendeten  Beispiele  sind  sehr 
gut  gewählt,  um  alle  möglichen  Besonderheiten,  die  dabei  eintreten  können,  dar- 
zustellen. Die  Auszeichnung  durch  Cursivdruck  ist  nur  sehr  sparsam  angewandt, 
fast  nur  wo  die  Formen  von  verschiedenen  Stämmen  abgeleitet  sind.  Analogie- 
bildungen sind  beim  verb.  allerdings  nicht  so  zahlreich  als  beim  subst.,  doch 
fehlen  sie  auch  hier  nicht  und  hätten  sich  auch  wohl  bezeichnen  lassen.  So  ist 
a  in  der  II.  phir.  praes.  ind.  (gebat)  im  südgermanischen  statt  des  älteren  i 
nach  Analogie  der  I.  und  II.  pers.  eingetreten.  Im  alts.  und  ags.  ist  I.  plur. 
praes.  ind.  durch  die  Form  der  lautlich  zusammengefallenen  II.  und  III.,  IL 
plur.  praes.  opt.  und  praet.  ind.  und  opt.  durch  die  Form  der  I.  und  III.  ver- 
drängt. Im  opt.  praes.  und  praet.  vertritt  die  Form  der  III.  sing,  auch  die  I. 
sing.  Im  altn.  sind  neben  derselben  noch  die  regelrecht  gotischen  gibau  und 
gebjau  entsprechenden  gifa  und  g(efa  erhalten.  Im  ahd.  habm  ist  das  durch 
alle  Formen  durchgehende  e  (e)  gegenüber  gotischem  Wechsel  zwischen  ai  und 
a  jüngere  Veranalogisierung.  Die  II.  sing,  praet.  der  starken  verb.  im  südger- 
manischen (ahd.  gdbi)  ist  aus  dem  conj.  übertragen  (cf.  Braune ,  Beiträge  II, 
155  £F.),  das  s  im  Auslaut  der  secuudären  Personalendungen  vor  dem  Abfalle 
durch   Einfluß   der   primären  geschützt   (cf.    ibid). 

FKEIBUEG  i/Br.,  Januar  1875.  H.  PAUL. 


Die  gens  Langobardorum.  Zweites  Heft:  Ihre  Sprache.  Von  Friedrich  Bluhme. 
Bonn  1874.   8.    54  S. 

So  befriedigend  im  Allgemeinen  der  Eindruck  war,  welchen  das  erste 
Heft  von  Bluhmes  „gens  Langobardorum"  hervorgerufen  hatte,  und  so  sehr 
man  mit  den  meisten  der  dort  in  Bezug  auf  Herkunft  und  Wanderungen  des 
Langobardenvolkes  aufgestellten  Behauptungen  einverstanden  sein  koni)te ,  so 
ganz  anders  ist  der  Eindruck,  welchen  das  zweite  Heft  auf  unbefangene  For- 
scher machen  wird.  Schon  der  Titel  des  Büchleins  ist  eigentlich  nicht  so  ge- 
wählt, daß  er  dem  Inhalte  desselben  entspräche.  Die  Schrift  enthält  nur  zum 
kleineren  Theile  Abhandlungen  oder  Bemerkungen  über  die  wirkliche  lango- 
bardische  Sprache;  der  größere  Theil  derselben  zeigt  vielmehr  die  Einflüsse, 
welche  das  Langobardische  auf  die  Sprache  der  unterworfenen  Bewohner  Italiens 
gehabt  hat  oder  vielmehr  nach   Bluhmes   Ansicht  gehabt  haben  soll. 

Gewiß  ist  es  allerdings ,  daß  auch  die  Langobarden  an  der  Wiege  der 
italienischen  Sprache  gestanden  haben;  es  fragt  sich  nur,  wie  weit  in  diesem 
Falle  ihr  Einfluß  gereicht  hat.  Bluhme  geht  in  dieser  Beziehung  jede.sfalls  viel 
zu  weit,  und  wenn  er  Corssen  und  Schuchardt  neben  Pott  berücksichtigt  hätte, 
wäre  er  ohne  Zweifel  zu  andern  und  theilweise  richtigeren  Resultaten  gekommen. 
Manche  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  romanischen  Lautlehre  haben  sich 
durchaus  ohne  das  Zuthun  der  Langobarden  entwickelt  und  sind  auch,  wie 
man    bei   Corssen  leicht    finden  kann,    älter  als   deren  Einwanderung  in  Italien ; 


110  LITTERATTR:  RLUHME,  DIE  GENS  LANGOBARDORUM. 

so  z.  B.  das  Verschwinden  des  auslautenden  t  (S.  18),  der  Abfall  des  h  (S.  21), 
welcher  von  der  Nichtaussprache  desselben  herrührt  (Corssen  I,  96  — 113)  und 
weit  älter  ist,  als  Bluhme  annimmt.  Das  Neutrum  und  das  Masculinum  waren 
nach  der  vulgären  Aussprache  gar  nicht  zu  unterscheiden,  und  darum  sind  sie 
so  häufig  verwechselt  worden,  nicht  bloß  in  Folge  langobardischen  Einflusses. 
Auch  in  dem  Gebrauche  der  Casus  (S.  33)  musste  die  regelmäßige  Entwicklung 
der  lateinischen  Sprache  zu  Verwechslungen  führen;  da  nämlich  in  der  vulgären 
Aussprache  m  und  s  im  Auslaut  nicht  gehört  wurden,  so  mussten  Nom.  und 
Accus,  zusammenfallen;  die  Schreiber  wussten  nicht  mehr,  wo  s  und  wo  m  am 
Platze  war.  Höchst  dankenswerth  sind  hingegen  die  Beispielsammlungen  auf 
S.  33  ff. 

Was   nun   den   germanistischen  Theil  der  Schrift  betrifft,   so  hat  bekannt- 
lich   schon  J.   Grimm   (Gesch.   d.   deutschen  Sprache  S.  690)   die  langobardische 
Sprache  in  den  Kreis    seiner  Untersuchungen  gezogen.     Und  wenn    auch  diese 
letztern  weder  erschöpfend  sind  noch  in  allen  Punkten  zu  richtigen  Ergebnissen 
geführt  haben,   so  sind  sie  doch  wenigstens    der  Art,    daß    sie    gewissermaßen 
die  erste  Grundlage  späterer  Untersuchungen  bilden  müssen.   Bluhme  hat  leider 
nicht  nur  über  Grimm  hinaus    keine  weitern  Fortschritte  gemacht,    sondern  er 
ist  sogar  hinter  diesem  beträchtlich  zurückgeblieben.   Schon  in  dem  seiner  Aus- 
gabe der  langobardischen   Gesetze  angehängten  Glossar  hat  er,   beherrscht  von 
der  irrigen  Annahme,   die  Langobarden  seien  ein  niederdeutscher,   den  Angel- 
sachsen besonders  nahe  verwandter  Stamm,  mancherlei  Irrthümer  begangen,  und 
in  der    vorliegenden  Schrift    wiederholen    sich  dieselben.    Da  soll    Pertulo  wört- 
liche Übertragung  von  Liutpert    sein  (S.  49),    klein    soll  bei   den  Langobarden 
Hut    und    groß     hrot    gelautet  haben  u.  s.  w.     Und  doch  beweisen  die  in  den 
Denkmälern  keineswegs  seltenen  z,   daß  die  Langobarden  die   hochdeutsche  Laut- 
verschiebung mitgemacht;  haben;  vgl.  Zangrulf,  Zuchilo,  nuzzi  (goth.  nati),  stole- 
suzo,  sculdkaiz,  marpaiz  u.  s.  w.    Vgl.   auch  lang,  ivifan  (goth.  veipan),   anagrif 
(g.  greipan),  lang,  plodraub  (g.  blop)  u.  s.  w.  Nur  die  dentale  Aspirata  ]>  ist  häufig 
auf   der  gothisch -germanischen    Stufe    stehen    geblieben:    thinc,    thingare,  Lethu 
(zu  ahd.  leid);  daneben  aber  doch  plodraup  (g.  blop),  casindi  (g.  sinps),  gaido 
=  ga-aido  (g.  aips  .  Auch  die  zahlreichen  diphthongischen  ai  und  au  bestätigen 
im   Gegensatze  zu  den  niederdeutschen  Verengungen  e  und   6,   daß  die  Sprache 
der  Langobarden  ein    überwiegend    oberdeutsches  Gepräge  hatte ,    und    daß   sie 
am  meisten  Ähnlichkeit  mit  den  Mundarten  der  auch  geographisch  benachbarten 
Baiern    und  Alamannen    hat;    nur    hat    das    gemeinsame    oberdeutsche   Gepräge 
hier  einen  noch  alterthümlicheren  Anstrich   als  in   den  erhaltenen  alamannischen 
und  bairischen  Denkmälern,    es    fehlt  z.  B.   der  Umlaut,    und  ai  und  au,   sind 
noch  nicht  zu  ei  und  ou  geworden. 

Mit  Recht  stellt  Bluhme  (S.  18)  gafans  (Roth.  247)  zu  fallen,  fangen'; 
sonst  lässt  er  sich  nur  selten  in  Deutungen  ein,  wie  er  denn  auch  die  lango- 
bardischen Worte  meist  in  der  herkömmlichen  Form  braucht  (Rothari,  Alhoin 
statt  Ilroiharit ,  Älbivini),  statt  Versuche  zu  einer  Wiederherstellung  älterer, 
richtigerer  Formen  zu  machen. 

BASEL,  Nov.  1874.  KARL  MEYER. 


LITTEKATUR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG.  Hl 

Entgegnung 
in  Sachen  meines  Buches:    „Die  Forschungen  über  das  Nibelungenlied  seit  Karl 

Lachmann." 

Als  im  Juni  dieses  Jahres  mein  Erstlingswerk  der  Öffentlichkeit  übergeben 
worden  war,  da  dachte  ich  wohl  daran,  daß  Widerspruch  nicht  fehlen  werde,  insbe- 
sondere dem  Anhange  der  Schrift  gegenüber;  ich  freute  mich  auf  diesen  Wider- 
spruch, denn,  mochte  ich  im  Kampfe  gewinnen  oder  unterliegen,  der  Sache  musste 
mit  einer  lebhaften  Discussion  gedient  sein.  Ich  war  mir  bewusst,  daß  die  ganze 
Diction  meines  Buches  so  vorsichtig  als  möglich  war,  daß  ich  mich  bestrebt 
hatte,  Jedem  gerecht  zu  werden,  in  einer  Weise,  daß  ich  halb  und  halb  be- 
fürchtete, des  Eklekticismus  angeklagt  zu  werden;  ich  hatte  dabei  selbst  der 
Ansicht,  die  zu  bekämpfen  Gi'undtendenz  bei  mir  war,  der  Lachmannischen, 
Zugeständnisse  gemacht,  hatte  Lachmanns  Sagendeutung  neben  der  feindlichen 
W.  Müllers  gelten  lassen,  ja  bei  Lachmanns  Liederkritik  wenigstens  das  zuge- 
standen, daß  er  „oftmals  mit  feinem  Geschmack  schlechte  Strophen  herausge- 
fühlt habe",  daß  „seine  Lieder  in  der  That  im  allgemeinen  die  schönsten  Stro- 
phen enthalten".  Was  war  natürlicher,  als  daß  ich  Widerspruch  zwar,  aber 
W^iderspruch  in  sachlich  gehaltener  Form  erwartete?  Dabei  hatte  ich  allerdings 
mich  verrechnet.  Zwei  gegnerische  Aufsätze  sind  mir  zu  Gesichte  gekommen. 
Auf  beide  antworte  ich  bloß ,  weil  meine  wissenschaftliche  Ehre  in  dem  einen, 
meine  moralische  in  dem   andern  angetastet  ist. 

In  der  Ztschr.  f.  österr.  Gymn.  hat  Anton  Schönbach  bei  Gelegenheit 
einer  Kecension  von  Vollmöllers  „Kürenberg  und  die  Nibelungen"  Anlaß  ge- 
nommen, über  meine  Arbeit  und  vor  allem  deren  Anhang  sich  lustig  zu  machen 
(a.  a.  0.  Bd.  XXV,  Heft  5,  Seite  353  —  358).  Ich  bin  allerdings  nicht  der  Ein- 
zige, der  dabei  schlecht  wegkommt;  denn  gleich  S.  353  f.  steht  zu  lesen:  „Man 
sieht,  die  Preisrichter  hatten  das  lebhafte  Bedürfniss,  sich  nach  keiner  Seite 
hin  unangenehm  zu  machen,  denn  Vollmöller  hat  gegen  den  Kürenberger 
einen  ersten  Preis  erhalten,  Fischer  für  den  Kürenberger  einen  Hauptpreis 
davongetragen".  Da  nun  Vollmöllers  Schrift  ausdrücklich  und  hoch  gelobt  wird, 
die  meinige  aber  sich  im  Laufe  von  Schönbachs  Besj^rechung  als  ein  recht 
schlechtes  Machwerk  herausstellt,  so  kann  in  den  citierten  Worten  nichts  Anderes 
gefunden  werden ,  als  eine  gröbliche  Beleidigung  der  Tübinger  philosophischen 
Facultät,  welche  so  diplomatisch,  sagen  wirs  frei  nach  Seh. 's  Meinung,  so  ge- 
mein und  feig  gewesen  sein  soll,  ein  vortreffliches  und  ein  miserables  Elaborat 
mit  demselben  Preise  zu  bedenken.  Doch  —  mir  steht  die  Beantwortung  dieser 
Anschuldigung  eigentlich  nicht  zu.  —  Weiter  hat  Seh.  versucht,  auch  Bartsch 
der  Theilnehmerscbaft  an  meinen  Fehlern  zu  bezichtigen,  indem  er  davon 
redet,  daß  ich  in  dem  Vorworte  zu  meinem  Buche  dem  „Geheimen  Hofrath 
Professor  Dr.  Karl  Bartsch  in  Heidelberg"  für  seine  Unterstützung  bei  der  Ab- 
fassung des  Anhangs  danke.  Die  Sache  verhält  sich  so.  An  Pfingsten  1874  suchte 
ich  Bartsch  in  Heidelberg  auf,  um  ihm  für  seine  Unterstützung  bei  der  Durchsicht 
meines  Buches  zu  danken  und  zugleich  von  VoIimöUers  und  Scherers  Aufsatze 
mit  ihm  zu  reden.  Wir  giengen  beide  mit  einander  durch,  und  ich  verdanke 
einen  großen  Theil  fruchtbarer  Gedanken  dieser  Unterredung.  W^enn  es  aber 
gelingt,  einen  Unsinn,  einen  unlogischen  Schluß  bei  mir  nachzuweisen  —  meine 
Schlüsse  für  zwingend  zu  halten ,  bin  ich   zu  bescheiden  — ,  so  ist  die  Schuld 


112  LITTERATUR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG. 

an  demselben  mein;  und  vor  Allem  kann  ich  versichern,  daß  Sch.'s  Spott  nur 
solche  Ausführungen  getroffen  hat,   die  mein  sind. 

Gehen  wir  zu  den  sachlichen  Ausstellungen  Sch.'s  über.  Er  sagt  S.  354: 
„Fischer  weist  die  —  allgemeinen  Betrachtungen  Scherers  [Scherer  S.  562]  mit 
einer  einfachen  Negation  ab  [bei  mir  S.  258].  Sie  hätten  sich  nicht  widerlegen 
lassen."  Nicht  weiter  geredet  habe  ich  von  jenen  Gründen  Scherers  —  abge- 
sehen davon,  daß  sie,  weil  ganz  allgemeiner  Natur,  weder  stricte  widerlegbar 
noch  absolut  beweisend  sind,  —  einfach  deßhalb,  weil  sie  den  Kürenberger 
Pfeiffers,  nicht  den  Bartschs,  noch  weniger  den  meinigen  treffen.  Daß  Pfeif- 
fers Kürenberger,  der  zwischen  1120  und  1140  gesetzt  wurde,  nicht  wohl  an- 
nehmbar ist  und  daß  auf  ihn  Scherers  Gründe  passen  mögen,  das  will  ich  nicht 
leugnen,  brauche  es  aber  auch  nicht  zu  leugnen.  Bartsch  setzt  des  Kürenbergers 
Lieder  „spätestens  um  1150"  (Untersuchungen  S.  355};  eine  „Kluft  von  vier 
bis  fünf  Dt'Cennien"  existiert  also  zwischen  ihm  und  Eilhart  von  Oberge  oder 
dem  Verfasser  des  Grafen  Rudolf  nicht.  Noch  weniger  trifi't  Scherers  Argument 
meine  Ansicht  vom  Kürenberger.  Bartsch  setzt  die  Nibelungen  in  ihrer  ersten 
Abfassung  ebenfalls  vor  1150,  der  erhaltenen  Assonanzen  wegen.  Daß  ich  die 
Beweisführung  Bartschs  in  diesem  Punkte  nicht  annehme,  habe  ich  in  meinem 
Buche  S.  86  f.  gesagt  und  S.  255—257  näher  auseinandergesetzt.  Ich  sehe 
keinen  zwingenden  Grund,  über  das  Original  der  Bearbeitungen  AB  und  C, 
das  Bartsch  um  1170  ansetzt,  zurückzugehen  auf  eine  noch  ältere  Textesgestalt. 
Ich  habe  S.  250  gesagt:  „Der  Dichter,  der  um  oder  vor  1150  lyrische  Ge- 
dichte sang,  kann  gar  wohl  um  1170  (vielleicht  dürfen  wir  das  Nibelungenlied 
etwas  früher  setzen)  im  Mannesalter  ein  großes  Epos  verfasst  haben."  Daß  1  170 
aber  von  Eilhart  von  Oberge  und  dem  Verfasser  des  Grafen  Rudolf  nicht  so 
sehr  weit  entfernt  ist,  dürfte  die  Litteraturgeschichte  lehren.  —  Ich  denke, 
das  Auseinandergesetzte  könnte  es  einfach  erklären,  warum  ich  auf  dieß  betr. 
Argument  Scherers  nicht  eingieng.  Auch  was  Scherer  am  selben  Orte  gegen 
Passau  als  Brennpunkt  romanischer  Einwirkung  vorgebracht  hat,  trifft  mich  nicht, 
da  ich  ausdrücklich  erklärt  habe  (S.  250),  daß  ich  auf  die  Identification  des 
Liederdichters  Kürenberg  mit  einem  der  anderweitig  bekannten  Kürenberger 
verzichte.  —  Scherers  weiterer  Grund,  daß  wir  von  den  Nibelungen  kein  Frag- 
ment einer  älteren  Gestalt  haben,  schien  mir  gegenüber  von  Bartschs  Beweis- 
führung (wovon  unten  mehr)  unwesentlich. 

Schönbach  fährt  fort:  „Weiters  ist  mir  in  dem  Fischerischen  Aufsatze 
insbesondere  die  Mangelhaftigkeit  der  Logik  aufgefallen."  Beweise  dafür  folgen 
sogleich.  „Schon  S.  258  bietet  eine  kleine  Probe.  Bei  dem  Versuch,  Scherers 
ästhetischen  Anschauungen,  welche  ich  nicht  vertheidigen  möchte,  einen  Widei-- 
spruch  nachzuweisen,  finden  sich  folgende  Worte:  Wenn  volksthümlicher,  so 
doch  wohl  auch  alterthümlicher.'  So  doch  wohl  auch  alterthümlicher.  Es  ist 
doch  schön,  daß  die  deutsche  Sprache  so  viele  Partikeln  besitzt,  welche  geeignet 
sind,  einen  Riß  in  der  Schlußfolgerung  vor  dem  unaufmerksamen  Leser  zu  ver- 
kleistern." Habe  ich  etwa  gesagt,  daß  ich  MF.  3,  17 — -25  für  alterthümlicher, 
weil  für  volksthümlicher  halte,  als  die  Kürenbergsstrophen?  Nein,  ich  wollte  mit 
jenen  Partikeln  nur  das  sagen,  daß  Scherers  Bev/eisführung  auf  jene  Ansicht 
leite;  denn  ich  fuhr  unmittelbar  nachher  fort:  „Denn  der  conventioneile  Frauen- 
dienst der  Nibelungen  ist  nach  Scherer  Zeichen  jüngerer  Zeit  und  S.  581  sucht 
er  eben  das  hohe  Alter  jenes  Liedchens  zu  erweisen."  Die  Auslassung  dieser 
Worte  entstellt    meine  ganze   Beweisführung. 


LITTERATUK:   FISCHER,  ENTGEGNUNG.  113 

In  ganz  unerhörter  Weise  entstellt  sind  ancli  meine  Ausführungen  auf 
S.  259 — 261,  welche  darthun  sollten,  daß  die  Beispiele  gemeinsamer  Strophen- 
formen bei  mehreren  Dichtern,  die  Wilmanns  gegeben  hat,  das  Gesetz  der 
Nichtentlehnung  nicht   umstoßen.   Ich  muß  die  ganze   Stelle  hieher  setzen. 

„Mit  den  durch  Wilmanns  beigebrachten  Beispielen  von  Strophenent- 
lehnungen in  der  altern  Lyrik",  sagt  mein  Gegner  S.  354  f.,  „hat  es  Fischer 
gar  leicht  genommen.  Die  meisten  erledigen  sich  nach  ihm  (S.  259  f.)  ^eben 
dadurch,  daß  ganz  sicher  die  betreffenden  Dichter  unabhängig  von  einander  auf 
die  ihnen  gemeinsamen  Strophenformen  gekommen  sind.  Dieß  ist  anzunehmen, 
wenn  diese  Strophenformen  sehr  einfach  sind.  Ein  ähnlicher  Fall  ist  es,  wenn 
eine  von  Mehreren  gebrauchte  Strophe  fremdländischen  Ursprungs  ist;  denn 
der  Dichter,  der  eine  ausländische  Form  benutzt,  ist  selbst  nicht  mehr  Original, 
hat  also  auf  Wahrung  seines  Eigenthums  keinen  Anspruch.  Wenn  Dichter  von 
einander  unabhängig  auf  ihnen  gemeinsame  Strophenformen  gekommen  sind 
und  diese  Gemeinsamkeit  ihrem  Rufe  nichts  geschadet  hat,  wo  bleibt  dann  das 
Gesetz  von  der  Strophenentlehnung?" 

Bis  hieher  habe  ich  mich  noch  keineswegs  über  Entstellung  zu  beklagen; 
da  vielmehr  in  der  ganzen  Kritik  meiner  hieher  bezüglichen  Ausführung  dieß 
der  einzige  sachlich  gehaltene  Satz  Schönbachs  ist,  so  will  ich  gleich  hier 
auf  ihn  antworten. 

Daß  ein  Gesetz  der  Nichtentlehnung  bestand,  daß  es  für  Uukunst,  ja 
für  Verletzung  litterarischen  Eigenthums  galt,  fremde  Weisen  sich  anzueignen, 
das  beweist,  um  nur  von  meinen  Gegnern  selbst  beigebrachtes  zu  verwerthen, 
der  Ausdi'uck  dcenediep,  den  Vollmöller  S.  10  anfährt,  das  beweist  schon  der 
Umstand ,  daß  unter  den  zahllosen  lyrischen  Gedichten  der  Blüthezeit  und  des 
Minnesangsfrühlings  sich  nur  fünf  Strophenformen,  welche  von  Mehreren,  bald 
zwei-,  bald  drei-,  bald  viermal  gebraucht  sind,  zusammen  1 4  Fälle,  finden ;  das 
ist  für  das  13.  Jahrhundert  auch  von  meinen  Gegnern  kaum  bestritten.  Was 
für  das  13.  Jahrhundert  gilt,  wird  man  geneigt  sein,  auch  auf  das  12.  auszu- 
dehnen ;  denn  auch  dieses  weist  eine  Reihe  und  zwar  gerade  der  trefflichsten 
Sänger  auf.  Nun  zeigt  sich,  daß  jene  14  Beispiele  (von  dem  dvTileyofAivov  bei 
Reinmar  und  Walther  und  von  dem  romanischen  Metrum  bei  Kud.  von  Fenis, 
Bligger  von  Steinach  und  Hartwic  von  Rute  abgesehen)  lauter  sehr  einfache 
Strophenformen  zeigen ;  daß  sich  keine  Strophe  darunter  findet,  welche  so  com- 
pliciert  wäre  (wie  es  die  Mehrzahl  aller  verwendeten  lyrischen  Strophen  ist), 
daß  man  sagen  müsste,  sie  sei  von  einem  andern  entlehnt.  Wenn  nun  dieß  der 
Fall  ist,  was  ist  natürlicher,  als  anzunehmen:  der  Dichter  A,  der  ein  Lied  in 
einer  solchen  einfachen  Form  sang,  wusste  einfach  nicht,  daß  ein  B  dieselbe 
schon  gebraucht  hatte,  er  hat  sie  selbst  für  seinen  Gebrauch  erfunden.  Daß 
dieß  geschehen,  daß  solche  Gedichte  gesungen  und  hernach  erkannt  werden 
konnte,  daß  auch  ein  anderer  dieselbe  Strophenform  schon  gebraucht  hatte, 
ohne  daß  das  dem  Riafe  des  zweiten  geschadet  hätte,  —  das  anzunehmen, 
scheint  mir  keinen  Widerspruch  mit  der  Annahme  des  Entlehnungsverbots  zu 
enthalten.  Die  aufblühende  Lyrik  schuf  sich  immer  neue  Formen ;  was  spätere 
Zeiten  schon  fertig  vorfanden,  ein  festes  Gerippe  metrischer  Formen  und  Regeln, 
wurde  damals  erst  allmählich  ausgebildet;  dazu  die  weit  größere  Strenge  jener 
Metrik  und  Eeimkunst  im  Vergleich  mit  der  unsrigen;  dazu  weiter  der  musi- 
kalische Vortrag    vom    lyrischen    Gedichte    unzertrennlich :    ich  denke,   das  sind 

GERMANIA.  Neue  Eeihe  VIII.    (XX.  Jahrg.)  8 


114  LITTERATÜR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG. 

Momente,  die  es  begreifen  lassen,  wie  man  dazu  kam,  die  Benutzung  einer 
fremden  Form  für  sich  selbst  zu  verschmähen,  an  anderen  bitter  zu  tadeln. 
Denn  wo  die  Schaffung  neuer  Formen  ein  wiikliches  Kunstwerk  war,  da  mnsste 
Jeder  stolz  darauf  sein.  Eigenes  zu  finden;  wer  es  gefunden,  auf  seine  Erfin- 
dung eifersüchtig  sein.  Zugleich  aber  wird  aus  jener  Motivierung  des  Entstehun^s- 
verbots  erhellen,  warum  man  aus  der  Gleichheit  ganz  simpler  Liederformen,  auch 
weun  man  sie  entdeckte,  nicht  viel  Aufhebens  machte;  ich  sage,  wenn  man 
sie  entdeckte;  denn  bei  der  Einfachheit  jener  Formen  hörte  man  es  wohl  gar 
nicht,  daß  zweimal  dieselbe  vorkam;  denn  wenn  jemand  ein  Gedicht  von  der 
Form  z.  B.  4a4b4a4b4c4d4c  gehört  oder  gelesen  hatte,  so  prägte  diese 
Form  sich  ihm  nicht  so  ein,  daß  es  ihm  nachher  aufgefallen  wäre,  sie  wieder 
verwendet  zu  sehen;  so  wenig  als  es  uns  auifällt,  daß  Göthes  Fischer  das 
gleiche  Maß  hat  wie  „Im  Walde  schleich  ich  stumm  und  wild".  Ich  hoffe,  es 
ist  deutlich  geworden,  daß  ich  damit  nicht,  wie  Seh.  mir  nachher  imputiert, 
einen  Canon  geben  will,  nach  welchem  einfache  Formen  hätten  entlehnt  werden 
dürfen,  compliciertere  nicht;  biege  gen  hätte  Seh.  mit  den  Worten  ganz  Recht, 
daß  „sehr  einfach"  ein  relativer  Begriff  sei.  Daß  die  Scheu,  schon  von  andern 
gebrauclite  Weisen  zu  verwenden ,  sich  auch  auf  einfache  Maße  erstreckt  hat, 
dafür  genügt  zum  Beweise,  wie  ich  denke,  die  kleine  Zahl  der  Fälle,  wo  dieß 
doch  geschehen  ist.  Den  Satz  wird  man  wohl  kaum  anfechten  können:  auch 
weim  es  ein  Entlehnungsverbot  gab  (dieser  Ausdruck,  einmal  üblich,  ist  freilich 
schief,  weil  er  die  Idee  eines  rechtlichen  Instituts  erwecken  könnte ,  aber  was 
ich  darunter  mir  denke,  habe  ich  expliciert),  konnte  es  vorkommen,  daß  ein 
Dichter,  einer  aus  einfachen  Elementen  componierten  Form  sich  bedienend,  nicht 
wnsste  oder  nicht  merkte,  daß  er  hier  nicht  erster  Erfinder  war,  und  daß  das 
Publicum  es  auch  nicht  merkte.  Nun  haben  wir  ein  solches  Entlehnungsverbot 
wirklich  vor  uns;  eine  ganz  kleine  Anzahl  von  Fällen  streitet  wider  das-^elbe; 
werden  wir  um  dieser  willen  jenes  Verbot  als  ein  non  ens  erklären?  Nein, 
sondern  die  gegebene  Erklärung  jener  Fälle  als  die  einzig  natürliche  ansehen. 
—  Mit  dem  romanischen  Maße  bei  Rudolf  von  Fenis,  Bligger  von  Steinach  und 
Hartwic  von  Rute  verhält  sich's  etwas  anders.  Aber  das  Gefühl,  das  wir  heut- 
zutage haben,  daß  ein  Dichter,  der  nach  Vorgang  eines  andern  ein  ausländi- 
sches M;)ß,  sei  es  auch  sehr  compliciert,  benutzt,  diesen  seinen  Vorgänger  damit 
nicht  eines  Eigenthums  beraubt  habe,  dieses  Gefühl  hatte  man  im  Mittelalter 
ganz  gewiß  auch.  —  Und  vor  allem  gilt  es  nochmals  im  Auge  zu  behalten, 
daß  ich  mit  meiner  Beseitigung  jener  zwölf  Fälle  unter  tausenden  einem  unan- 
fechtbaren kritischen  Grundsatze  folge,  wonach  es  nicht  gestattet  ist,  ein  anders- 
woher bekanntes  Gesetz  um  etlicher  Ausnahmen  willen  für  nichtig  zu  erklären, 
es  vielmehr  geboten  ist,  vorher  diese  Ausnahmen,  wenn  möglich,  zu  erklären 
und  ihr".  Beweiskraft  damit  zu  beseitigen.  Ja,  ich  wäre  geneigt,  um  dessen 
willen  mit  Pfeiffer  das  h\ed  junger  man,  wis  hohes  muotes  Reinmarn  zuzuschreiben; 
obwohl   diese   eine   Ausnahme   das   Gesetz   nicht   erschüttern   könnte. 

Was  ich  hier  genöthigt  war  des  erfolgten  Widerspruchs  wegen  etwas  aus- 
führlich, manchem  wohl  zu  breit,  darzustellen,  das  war  doch  aus  den  einschlä- 
gigen Seiten  meines  Buches  auch  ziemlich  deutlich  zu  verstehen,  wenn  nämlich 
der  Leser  den  guten  Willen  zum  Verständnisse  mitbrachte.  Daß  dem  so  ist, 
ersehe  ich  aus  der  Recension  meines  Buches  in  der  Jenaer  Litteraturzeitung, 
wo   H.   Paul   sagt,    daß   ich   die   Giltigkeit   des  Entlehnungsverbots   in    der   Lyrik 


LITTERATUR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG.  115 

„ganz  gut"  bewiesen  habe.  Hören  wir,  was  Seh.  —  nun  beginnt  die  Ent- 
stellung —  dazu  sagt.  Er  fährt  da,  wo  ich  seine  Worte  abbrach,  unmittelbar  fort : 
„Freilich  finde  ich  auch  dafür  eine  Erklärung,  wenn  ich  mir  die  Vor- 
stellung, welche  Fischer  von  dem  Zustande  der  deutschen  Litteratur  im  12.  Jahr- 
hundert hat.  aneigne.  Die  Minnesänger  werden  wahrscheinlich  vor  einem  zur 
Wahrung  des  geistigen  Eigentbums  eingesetzten  Reichsgerichtshofe  einen  Fatent- 
proceß  geführt  und  ihre  Rechte  urkundlich  nachgewiesen  haben. 

„Ferner  —  sieht  denn  Fischer  nicht,  daß  ^sehr  einfach  ein  relativer 
Begrifi"  ist,  mit  dem  sich  gar  nicht  so  geschwind  operieren  lässt?  Nach  ihm 
müsste  das  Gesetz  vom  Verbote  der  Strophenentlehnung  etwa  folgendermaßen 
gelautet  haben  :  „Im  Allgemeinen  dürfen  Strophenformen  nur  von  ihren  Erfindern 
verwendet  werden;  ausgenommen  von  diesem  Privilegium  werden  die  Formen, 
welche  so  einfach  sind,  daß  jeder  sie  für  sich  erfinden  kann  (zum  Beispiel: 
4a  '6h  4a  3b  4c  4c  3b,  welche  Albrecht  von  Johannsdorf  und  Reinmar  ge- 
meinsam haben*),  und  diejenigen,  welche  den  von  romanischen  Dichtern  er- 
fundenen nachgeahmt  sind."  Vorausgesetzt  wird  natürlich,  daß  die  ritterlichen 
Minnesänger  ganz  bestimmte  Kriterien  für  die  Beurtheilung  der  Töne  besaßen, 
auch  dafür,  ob  dieselben  etwa  aus  Frankreich  gekommen  waren,  und  daß  sie 
über  deren  Erfindung  und  Verbreitung  gewissenhaft  Buch  führten.  Oder  sollte 
es  vielleicht  gelingen,  eine  alte  Liederhandschrift  aufzufinden,  in  welcher  die 
Strophen   mit  Taufscheinen   pünktlich   versehen   sind?" 

Diese   Verdrehung    meiner  Argumente,    die    mich    lächerlich  macheu  soll, 
verdient  kein  weiteres  Wort. 
Es  kommt  noch   stärker. 

„Je  nun  aber,  gehört  denn  die  Nibelungenstrophe  nicht  auch  zu  den  ein- 
fachen Strophenformen?  Das  wäre  freilich  fatal,  und  so  fühlt  Fischer  das  Be- 
dürfniss,  ein  entsprechendes  Schema  der  Nibelungenstrophe  zu  geben  S.  261, 
welches  so  aussieht: 

4a 

3b 

4c 

3b 

4d 

3e 

4f 

4e 
Er  freut  sich  über  dieses  Kunststück,  indem  er  ausruft:  Das  ist  nun 
doch  ein  weit  weniger  einfaches  Maß  .  Und  wie  klug  angestellt;  6  Buchstaben : 
abcdef  mussten  dazu  verwendet  werden,  um  diese  complicierte  Strophe  klar 
zu  machen!  Ich  möchte  wirklich  gerne  wissen,  auf  was  für  Leser  diese  Dar- 
stellung berechnet  sein  mag.  Ofi'enbar  auf  solche,  die  nicht  wissen,  daß  in 
diesen  imponierenden  6  Buchstaben  nur  zwei  Reimpaare  aa  bb  stecken.  — 
Die  Sache  verurtheilt  sich  selbst." 


*)  Hier  ganz  im  Speciellen  eine  falsche  Darstellung  des  Maßes  und  meiner 
Darstellung.  Das  Maß  heißt:  4a  3^b4a3v^b4c  4c  3^b.;  ich  sagte  darüber  S.  260: 
„wir  werden  alles  Recht  haben,  statt  3  ^  hier  4  zu  setzen,  indem  alsdann  die  Zeile  ge- 
nau der  viermal  gehobenen  epischen  Reimzeile  entspricht.  Also  einer  allgemein  ge- 
brauchten Form"  u.  s.  w.  Das  ist  wieder  einmal  von  Seh.  verschwiegen. 


IIG 


LITTERATUR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG. 


Ich  will  Schönbachs  Wunsch  gerne  erfüllen,  indem  ich  ihm  sage,  auf 
was  für  Leser  diese  Darstellung  berechnet  war.  Sie  ist  berechnet  auf  solche, 
welche  sehen,  daß  unter  diesen  imponierenden  sechs  Buchstaben  nur  zwei  je 
zweimal  vorkommen,  b  und  e,  und  welche  daraus  folgern  können,  daß  die 
Strophe  nur  zwei  Reimpaare  hat,  daß  also  4a,  4c,  4  d,  4  f  Waisen  sein  müssen; 
auf  solche,  welche  ferner  wissen,  daß  die  Nibelungenstrophe  in  jeder  Langzeile 
eine  Cäsur  hat,  und  daß  Scherer,  dessen  Aufsatz  ich  in  meinem  Anhange  an- 
gefochten habe,  dessen  Aufsatz  also  der  Kritiker  des  meinigen  gelesen  haben 
musste,  S.  569  f.  die  Nibelungenstrophe  sehr  schön  aus  dem  Einschub  von 
Waisen  erklärt  hat,  daß  man  demnach  die  Strophe  gleich  acht  Kurzzeilen  setzen 
kann,  ja  daß  dieß  früher  öfters  geschehen  ist ;  auf  solche,  welche  einsehen,  daß 
eine  siebenmal  gehobene  Langzeile  mit  Cäsur  anders  bezeichnet  werden  muß 
als  eine  solche  ohne  Cäsur ,  welche  wissen ,  daß  auch  in  der  modernen  Lyrik 
Waisen  sogar  sehr  beliebt  sind  und  daß  man  beispielsweise  eine  Strophe  4  a 
4b  4c  4b  (oder,  um  die  Waisen  deutlicher  zu  kennzeichnen,  4x  4a  4x  4a) 
meist  so  schreibt: 

4  a      / 4  X  \ 

4b  4a 

4c  4x 

4b      \4.aJ 

und   nicht:      4a  4b      /4x  4a\ 

4c  4b      \4x  4a/ 

welche  endUch  wissen,   daß  ich  die  Nibelungenstrophe  in  Kurzzeilen  darstellen 

musste,  um  ein  den  vorher  gegebenen  und  mit  ihr  verglichenen  Strophen   „ent- 

.sprecheudes"   Schema  derselben  zu  geben,  daß  ich  also  zum  Vergleich  mit 


4  a 
3-b 
4  a 
3-b 
4  c 
4  c 
3-b 


oder 


4  a 
4b 
4a 
4b 
4c 
4d 
4c 


die  Nibelungenstrophe  nicht  so  bezeichnen  konnte,  wie  sie  gewöhnlich  gedruckt 
wird,   also  etwa  so: 


4x 
4x 
4s 
4x 


3a 
3a 
3b 

4  b, 


da  ich  sonst  im  zweiten  Beispiele  statt  des  Abgesangs 

4c 

4d 

4  c, 
wie  ihn  Haupt  gibt,  hätte  analog  schreiben   müssen 

4c 
4d(x)  4c, 
was  den  Bau    dieser  Strophe    aus    lauter  viermal  gehobenen  Zeilen  hätte  alte- 
rieren  müssen.   Ich  habe  übrigens  für  Leser,   die  mein   Schema  der  Nibelungen- 
strophe aus  irgend  welchem  Grunde  nicht  verstehen  sollten,  beigefügt,  daß  4  a 


LITTERATUR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG.  117 

4c   4d  4f  in  jenem   Schema  der   N.   Str.   Waisen    seien,   was    wohl    die  Sache 
klar  genug  darstellte. 

Was  „verurtheilt  sich  nun  von  selbst",  meine  Argumente  oder  Seh. 's 
Art,  sie  dem  Gelächter  der  Vielen  preiszugeben,  welche  seine  Kritik  lesen 
mochten,  ohne  ihrer  Basis  weiter  nachzufragen? 

Leider  bin  ich  mit  Seh. 's  Ausfällen  gegen  mich  noch  nicht  zu  Ende. 

„Auf  ähnliche  Weise",  fährt  Seh.  S.  356  fort,  „wird  die  Aufforderung, 
auch  Ortnit  und  die  Wolfdietriche  dem  Kürenberger  zuzuweisen,  weil  diese  Ge- 
dichte ebenfalls  in  der  Nibelungenstrophe  geschrieben  sind,  abgelehnt.  Die  achte 
Halbzeile  hat  dort  nämlich  neben  vier  auch  drei  Hebungen  und  zwar  viel 
häufiger  drei  als  vier.  Dai-aus  wird  S.  262  f.  gefolgert:  Also  zeigen  alle  diese 
Gedichte  eine  metrische  Verwilderung,  welche  verbietet ,  aus  ihnen  für  oder 
gegen  die  Strophenentlehnung  einen  Schluß  zu  ziehen,  da  diese  Verwilderung 
auf  eine  Zeit  hinweist,  der  die  Strophenform  überhaupt  nichts  mehr  galt.  Und 
sollte  aus  anderweitigen  Gründen  die  Zeit  zwischen  1220  und  1230  nicht  als 
eine  Zeit  der  Formenverwilderung  angesehen  werden ,  so  werden  wir  sagen, 
Ortnit  und  die  Wolfdietriche  stammen  aus  den  niedrigen  Kreisen  der  Fahrenden, 
während  die  Küreuberglieder  wie  die  Nibelungen  aus  ritterlichen  Kreisen  stammen, 
in  welchen  der  Sinn  für  die  Form  rein  und  fein  ausgebildet  und  so  auch  das 
Entlehnungsverbot  bekannt  und  befolgt  war;  oder  —  fallen  die  Gedichte  in 
spätere  Zeit.  Also  drei  Erklärungen  —  man  kann  von  den  Gedichten  halten, 
was  man  will,  immer  läuft  es  ungefährlich  für  den  Kürenberger  ab.  Zwar  finden 
sich  in  den  Nibelungen  auch  Strophen,  in  welchen  die  letzte  Halbzeile  drei 
Hebungen  hat  und  ist  es  bisher  Niemanden  beigefallen,  diese  Strophen  nicht 
für  Nibelungenstrophen  zu  halten   —  aber  das  thut  nichts." 

Solche  Strophen  finden  sich  in  den  Nibelungen,  aber  nie  in  allen  Hand- 
schriften, meist  nur  in  A;  s.  Bartsch,  Unters.  157  fi'.  Dieß  hat  denn  auch 
außer  Lachmann  die  meisten  bewogen,  diese  Halbzeilen  für  fehlerhaft  zu  halten, 
und  die  Ausgaben  beseitigen  sie.  Daß  es  „niemanden  beigefallen"  sei,  diese 
Strophen  nicht  für  Nibelungenstrophen  zu  halten,  ist  also  einfach  ixnwahr.  Oder 
sollte  Seh.  von  dem  „Hildebrandston"  nie  etwas  gehört  haben?  Nun,  wer  diesen 
Ausdruck  gebraucht,  der  beweist  eben  damit,  daß  er  Strophen  mit  drei  Hebungen 
in  der  achten  Halbzeile  nicht  für  Nibelungenstrophen  hält. 

„Der  erste  gefolgerte  Satz  nimmt  an  (denn  das  liegt  in  den  Worten: 
eine  Zeit,  der  die  Strophenform  überhaupt  nichts  mehr  galt"),  daß  die  Ver- 
fasser des  Ortnit  und  der  Wolfdietriche  so  feines  Gefühl  hatten,  daß  sie  wussten, 
mit  Strophen,  deren  Mehrzahl  in  der  letzten  Halbzeile  drei  Hebungen  hätte, 
sündigten  sie  nicht  wider  das  Entlehnungsverbot,  der  zweite  Satz  hält  dagegen 
diese  selbigen  Verfasser  für  niedrige  Fahrende  und  muthet  ihnen  die  Rohheit 
zu ,  das  Entlehnungsverbot  in  ihrem  Kreise  nicht  anzuerkennen ,  während  es 
neben  ihnen  in  den  ritterlichen  Kreisen  galt.  Wie  zart  und  doch  wie  scharf 
muß  man  sich  die  Grenzen  zwischen  den  Ständen  der  Dichter  denken!  Ich 
mache  aufmerksam,  daß  beide  Erklärungen  von  demselben  Forscher  aufgestellt 
worden  sind.  Aber  vielleicht  ist  die  eine  von  Fischer,  die  andere  von  Bartsch 
und  es  wurde  in  der  Eile  der  Composition  nicht  weiter  darauf  geachtet,  daß 
die   beiden   Sätze   von   gänzlich   entgegengesetzten   Vorstellungen   ausgehen." 

Also  Bartsch  hat  doch  auch  eins  abkriegen  müssen !  Ich  versichere  übrigens, 
daß  der  betreffende  Passus  vollständig  von  mir  stammt. 


118  LITTEKATUR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG. 

Ist  es  aber  nöthifz;,   daß   icli    Seh. 's   Vcrdreliung  widerlege?  Besser,  ich  sage 
hier  etwas  umständlicher  und  pedantischer,  was   ich   gemeint  habe. 

Wenn  ein  Dichter  ein  Gedicht  in  der  Nibelungenstrophe  so  abfasst,  daß 
die  achte  Halbzeile  bald  drei  bald  vier  Hebungen  hat,  so  wird  man  (nach  der 
gewöhnlichen  Annahme,  daß  die  drei  Hebungen,  wo  sie  im  Nibelungenliede  vor- 
kommen, Fehler  seien,  welche  Annahme  Seh.  zuvor  widerlegen  muß)  sagen: 
dieser  Dichter  hatte  kein  Gefühl  für  die  Reinheit  des  Metrums,  er  verstand 
seine  Strophe,  die  er  nach  Vorgang  benutzte,  nicht.  Daraus  wird  weiter  folgen, 
daß  er  für  metrische  Feinheiten  kein  Gt^fühl  hatte;  daß  also  von  einer  Be- 
achtung des  Entlehnungsverbots,  selbst  wenn  es  zu  seiner  Zeit  in  Kraft  war, 
bei  ihm  nicht  die  Rede  sein  kann.  Dieser  Schluß  hat  nun  für  mich  Kraft  in 
allen  den  di-ei  Fällen,  die  Seh.  als  einander  widersprechend  bezeichnet.  Mit 
jener  Argumentation  hätte  ich  die  Auseinandersetzung  schließen  können^  denn 
ihr  Kern  ist:  mögen  die  Dichter  des  Ortuit  und  der  Wolfdietriche  gelebt  haben, 
wann  sie  wollen,  gewesen  sein,  was  sie  wollen:  sie  haben  kein  Verständniss 
ihrer  Strophe  gehabt,  also  konnten  sie  auch  von  dem  Entlehnungsverbote  nicht 
Notiz  nehmen.  Nun  wollte  ich  aber  doch  gerne,  obwohl  für  den  Hauptbeweis 
unnöthig,  versuchen,  zu  zeigen,  woher  denn  wohl  jener  Mangel  an  Verständ- 
niss für  die  Form  bei  den  betr.  Dichtern  stamme.  Es  gibt  nun  zwei  Möglich- 
keiten: entweder  die  Zeit  um  1220 — 1240,  in  welche  man  jene  Gedichte  setzt, 
war  eine  Zeit  der  Formenverwilderung,  in  der  man  vom  Strophenbau  nichts 
mehr  verstand;  dann  haben  jene  Dichter  eine  unregelmäßige  Behandlung  der 
Strophe  eben  deßhalb,  weil  sie  in  einer  solchen  Zeit  gelebt  haben.  Die  andere 
Möglichkeit,  die  ich  für  die  aus  andern  Gründen  wahrscheinlichere  halte,  ist,  daß  um 
1220  — 1240  sonst  die  Form  noch  ganz  gut  gewahrt  wurde.  Wie  kamen  jene 
Dichter  dann  dazu,  so  formlos  zu  dichten?  Entweder  sie  gehören  jener  Zeit 
wirklieh  an ;  dann  ist  anzunehmen,  daß  sie  ihrer  Persönlichkeit,  ihres  ungebil- 
deten Standes  wegen  nicht  zu  feiner  Behandlung  der  Formen  gelangten;  oder 
aber  —  sie  gehören  jener  Zeit  nicht  an,  sondern  einer  späteren,  wo  die  Form- 
losigkeit allgemein  war. 

Aber  mag  von  diesen  drei  Erklärungen  richtig  sein  welche  da  will ,  sie 
alle  sollen  nicht  erklären,  warum  die  Dichter  das  Entlehnungsverbot  nicht  be- 
achteten, sondern  warum  ihre  Form  verwahrlost  ist;  und  erst  aus  der  verwahr- 
losten Strophenform,  die  unter  allen  Umständen  vorliegt,  folgere  ich  Mangel 
an  Formgefühl  und  aus  diesem  die  Unfähigkeit,  die  Feinheiten  der  Metrik  zu 
wahren. 

War  das  logisch  genug?  Ich  fürchte  unbefangene  Leser  zu  ermüden,  und 
diese  Blätter  sind  fast  zu  gut,  um  alle  seis  aus  Mangel  an  Aufmerksamkeit 
seis  aus  Nichtverstehen- wollen  enstandenen  Verdrehungen  in  extenso  darin  zu 
besprechen. 

So  schweige  ich  von  Schönbachs  letzten  Abschnitten,  die  sich  hauptsäch- 
lich gegen  Bartschs  Handschriftentheorie  wenden,  für  welche  ich  nicht  tenent 
bin  einzutreten.  Die  eigentliche  Motivierung,  warum  ich  Anhänger  von  Bartsch 
bin,  steht  bei   mir  S.   87,  u.   88,  o.   zu  lesen. 


In  der  Zeitschr,  für  deutsches  Alterthum,  Band  XVIII,  Heft  1,  hat  Wil- 
helm Scherer  meinen  Anhang  angegriffen.  Über  Entstellung  meiner  Aus- 
führungen habe  ich  hier  kaum  zu  klagen ;  wohl  aber  gilt  es,   einen  moralischen 


LITTERATUR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG.  119 

Vorwurf,   den  Seh.  mir  gemacht  hat,  zurückzuweisen  und  zugleich  einige  meiner 
Ausstellungen  an  Scherers    „Kürenberger"    zu  vertheidigen. 

Er  citiert  die  auch  von  Schönbach  berührte  Stelle  meines  Anhanges, 
S.  258,  in  welcher  ich  versucht  hatte,  in  Scherers  Bemerkungen  S.  562,  Z.  3. 
2  V.  u.  und  S.  581,  Z.  8 — 5  v.  o.  einen  Widerspruch  nachzuweisen.  Scherer 
bemerkt  dazu  S.  150:  „Es  ist  mir  wirklich  neu,  daß  man  den  Versuch,  in  die 
Geschichte  der  poetischen  Motive  einzudringen,  als  überfeines  Asthetisieren  be- 
zeichnen darf." 

Das  thue  ich  auch  nicht,  wenn  ich  auch  die  Art,  wie  die  Lachmaunische 
Schule  aus  ästhetischen  Dingen  kritische  Waffen  schmiedet,  nicht  billigen  kann. 
Etwas  derart  ist  in  der  That  bei  Scherer  a.  a.  0.  vorhanden.  Er  will  aus  ästhe- 
tischen Verschiedenheiten  (denn  was  er  zu  Nib.  294.  292,  2  beibringt,  sind 
doch  wohl  solche),  aus  der  verschiedenen  Auffassung  der  Minne  —  einem  so 
unendlich  disceptabeln  Punkte  !  —  den  verschiedenen  Ursprung  der  Kürenberg- 
strophen  und  der  Nibelungen  beweisen.  Das  ist  meiner  Ansicht  nach  verkehi't. 
Was  berechtigt  uns,  zu  sagen:  weil  Nib.  292,  2  mit  höfischer  Formel  steht  si 
twavc  gen  einander  dei'  senenden  minne  not  (was  nur  eine  Hs.  hat,  die  sich 
eben  durch  den  höfischen  Charakter  der  Stelle  verdächtig  macht),  weil  Str.  294 
gesagt  ist,  Siegfried  hätte  im  Sommer  und  selbst  im  Mai  nicht  mehr  Freude 
empfinden  können,  als  ihm  durch  Kriemhilds  Gegenwart  zu  Theil  geworden; 
weil  aber  beiderlei  Züge  beim  Kürenberger  fehlen:  deßhalb  kann  er  nicht  Ver- 
fasser der  Nibelungen  sein?  Ja,  wenn  das  letztere  anderswoher  bewiesen  ist, 
dann  darf  man  auf  solche  Züge  als  Charakteristica  hinweisen,  aber  zuvor  nicht. 
Wenn  ich  demnach  Scherers  Argumentation  für  verkehrt  halte,  wenn  ich  außer- 
dem in  derselben  einen  Widerspruch  mit  der  analogen  auf  S.  581  zu  finden 
glaubte:  konnte  ich  da  nicht  mich  für  berechtigt  halten,  zu  sagen:  ein  Asthe- 
tisieren, das  auf  Widersprüche  führt,  zeigt  damit,  daß  es  über  das  Ziel  hinaus- 
schießt, daß  es  überfein  ist;  und  war  ich  nicht  berechtigt,  das  zu  sagen, 
wenn  jener    Widerspruch  wirklich   existiert? 

Aber  Scherer  weist  mir  nach,  daß  dieser  Widerspruch  nicht  vorhanden 
ist,  daß  er  mit  jenen  ästhetischen  Verschiedenheiten  zwischen  Kürenberg  unti 
den  Nibelungen  nicht  einen  zeitlichen  Unterschied  habe  beweisen  wollen ,  son- 
dern nur   eine   Verschiedenheit   der   Verfasser.    Er   fährt  fort: 

„Daß  der  Frauendienst  etwas  verhältnissmäßig  spätes,  in  das  deutsche 
Leben  von  außen  eingedrungenes  sei,  ist  eine  sehr  bekannte  Thatsache,  die 
doch  wohl  niemand  bezweifeln  wird.  Bei  der  Beurtheilung  von  MF.  3,  17 — 25 
kommt  sie  gar  nicht  in  Betracht  und  wird  in  der  citierten  Äußerung  ganz  un- 
gehörig eingemischt.  Dieß  alles  aber  ist  sehr  gleichgiltig,  ich  bedaure  nur, 
Hrn.  Dr.  Fischer  bemerken  zu  müssen ,  daß  er  seine  Polemik  mit  einer  Lüge 
führt.  Die  Stelle  auf  S.  581  lautet:  „Das  Gedicht  ist  nach  den  Reimen 
älter  und  durch  diese  Combination  von  Natur  und  Liebe  volksthümlicher  als 
irgend  eines  der  dem  Kürenberger  zugeschriebenen  Sammlung."  Hr.  Dr.  Fischer 
fälscht  den  Sinn  meiner  Äußerung,  indem  er  die  hervorgehobenen  Worte  weg- 
lässt.  Ich  habe  die  Verkettung  von  Natur-  und  Liebesgefühl  nirgends  weder 
für  ein  Zeichen  der  Altertbümlichkeit  noch  für  ein  Zeichen  der  Jugend  erklärt. 
Ich  halte  sie  für  das  eine  oder  für  das  andere  nur  erklären  können,  wenn  ich 
gar  nichts  von  den  deutschen  Minnesängern  wüsste.  Das  Motiv  ist  an  sich  alt 
volksthümlich,   obgleich   nicht  specifisch  deutsch,   kehrt  aber  in   der  ganzen  mhd. 


120  LITTERATUR:  FISCHER.  ENTGEGNUNG. 

Lyrik  wieder.  Für  einzelne  Dichter  ist  es  charakteristisch,  daß  sie  es  verschmähen, 
für  andere,  daß  sie  es  häufig  gebrauchen :  über  Alter  oder  Jugend  eines  Ge- 
dichts oder  Dichters  ist  daraus  nie  das  geringste  zu  schließen.  Nur  als  Argument 
für  die  Verschiedenheit  der  Autoren,  nicht  als  Argument  für  die  Verschieden- 
heit des  Alters  ^kann  und  muß  (um  mit  dem  Hrn.  Verf.  zu  reden)  diese 
Beobachtung  verwerthet  werden." 

Der  Lüge  und  der  Fälschung  werde  ich  hier  bezichtigt.  Ein  schwerer 
Vorwurf,  der  seinem  Urheber  die  Verantwortlichkeit  auferlegt,  denselben  be- 
weisen zu  können.  Ist  er  denn  in  der  That  gerechtfertigt,  dieser  gegen  mich  ge- 
schleuderte Vorwurf?  Wenn  ich  die  Worte  „nach  den  Reimen  älter"  ausließ 
(daß  etwas  fehle,  habe  ich  ja  durch  einen  Strich  angedeutet),  so  that  ich  es 
deßhalb,  weil  ich  gleich  hernach  sagte:  „und  S.  581  sucht  Scherer  eben  das 
hohe  Alfer  jenes  Liedchens  zu  erweisen". 

Womit  dachte  ich  denn  wohl,  daß  Scherer  das  hohe  Alter  von  MF.  3,  17 
erweisen  wolle,  als  mit  den  Reimen,  von  denen  er  nicht  nur  in  dem  betr. 
Satze,  sondern  schon  auf  S.  580  redet?  Scherer  wird  doch  wohl  nicht  denken, 
daß  ich  mit  dem  „sucht  zu  beweisen"  eben  das  Wort  „volksthümlicher"  ge- 
meint habe?  Ich  sagte  also  nichts  anderes  als  dieß:  Scherer  nennt  die  Ver- 
kettung von  Natur-  und  Liebesgefühl  in  MF.  3,  17  volksthümlich  5  da  er  nun 
für  dieses  Lied  an  derselben  Stelle,  wo  er  von  der  Volksthümlichkeit  desselben 
redet,  aus  anderen  Gründen  ein  höheres  Alter  beweisen  will,  so  wird  wohl  die 
Volksthümlichkeit  für  ihn  auch  ein  Moment  sein,  das  eben  auf  hohes  Alter 
hinweist.  An  das  zuletzt  gesagie  konnte  ich  recht  wohl  denken,  da  auch  sonst 
volksthümlicher  Charakter  und  hohes  Alter  Hand  in  Hand  gehen. 

Wo  bleibt   nun  die  Lüge  und  Fälschung? 

Das  Materielle  meiner  Polemik  auf  S.  258  fallt  natürlich  mit  Scherers 
Versicherung,  daß  er  nicht  daran  gedacht  habe,  einen  Altersunterschied  zu  er- 
weisen, weg.  Es  dürfte  aber  gerathen  sein,  daß  ich  hier  meine  Polemik  recht- 
fertige, indem  ich  sage,  wie  ich  dazu  kam,  anzunehmen,  daß  Scherer  vom  re- 
lativen Alter  der  Kürenbergstrophen  und  der  Nibelungen  handle. 

Er  spricht  (s.  0  )  S.  581  von  dem  volksthümlichen  Motiv  der  Combination 
von  Liebe  und  Naturgefühl  in  Verbindung  mit  Beweisen  eines  hohen  Alters; 
S.  562  f.  heißt  es:  „die  Str.  [Nib.]  295,  4.  736,  4.  1459,  2  kennen  den  con- 
ventioneilen Frauendienst  als  etwas  ganz  feststehendes  und  gewöhnliches,  das 
zum  Ritter  gehört".  Diese  Worte,  besonders  „feststehend"  und  „gewöhnlich", 
machen  doch  sehr  wahrscheinlich,  daß  damit  eine  Beziehung  auf  die  Zeit  ge- 
geben sein  soll;  und  in  Verbindung  mit  dem  conventioneilen  Frauendienst  hat 
Scherer  auch  die  Auffassung  der  Minne  in  den  Nibelungen  erwähnt.  Ich  frage, 
ob  diese  Zusammenhänge  auf  S.  562  f.  und  581  mich  nicht  berechtigten,  beide 
Argumentationen  auf  das  Alter  der  betr.   Gedichte  zu  beziehen? 

„Im  übrigen  glaube  ich  nicht",  fährt  Scherer  S.  151  fort,  „daß  ich  ver- 
pflichtet bin,  der  oben  genannten  Schrift  Rede  zu  stehen.  Sie  erfüllt  nicht  ein- 
mal ihren  nächsten  Zweck,  über  den  äußern  Verlauf  der  Nibelungenforsohungen 
zu  orientieren.  Die  Arbeit  von  Konrad  Hofmann  Zur  Textkritik  der  Nibelungen 
(Münclien  1872)  wird  nirgends  erwähnt:  Bartschs  L^ntersuchungen  sind  nach 
S.  72   die  letzte  über  die   Handschriftenfrage  erschienene  Schrift." 

Einen  Mangel  meines  Buchs  hat  Scherer  hier  erwähnt,  den  ich  nur  da- 
mit entschuldigen   will,   daß  Hofmanns  Aufsatz  zur  Zeit  der  ersten  Ausarbeitung 


LITTERATUR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG.  121 

meiner  Schrift  (1871/1872)  noch  uiclit  erschienen  war,  sondern  erst  1873  erschien, 
wo  ich  durch  eine  andere  wissenschaftliche  Arbeit  und  hernach  durch  Amts- 
geschäfte überlastet  war,  so  daß  mir  der  Aufsatz  Hofmanns  wohl  entgehen 
konnte.  Übrigens  habe  ich  auf  Scherers  Tadel  hin  denselben  verglichen  und 
kann  hier  nachtragen,  daß  er  meine  Gesammtanschauung  nicht  alteriert  hat 
(warum,  habe  ich  vielleicht  ein  andermal  Gelegenheit  auseinanderzusetzen),  daß 
er  mich  vielmehr  nur  in  Beziehung  auf  die  BeschaiFenheit  von  A  in  der  Partie 
Str.  324  —  666  überzeugte.  Ich  glaube,  Hofmanns  Ansicht,  daß  A  dort  einem 
andern  Codex  folge,  unbedenklich  acceptieren  zu  können,  ohne  deßhalb  mit  ihm 
annehmen  zu  müssen,  daß  die  kürzere  Fassung  jenes  Codex  ihm  zugleich  ein 
höheres   Alter,   eine  ursprünglichere   Gestalt  des  Textes  vindiciere. 

Aber  deßwegen,  weil  mir  hier  eine  Nachlässigkeit  begegnet  ist,  weil  mein 
Buch  nicht  seinem  nächsten  Zwecke  genügt,  deßwegen  glaubt  Scherer  sich  von 
einer  Kritik  meiner  Beweisführungen  gegen  seinen  Aufsatz  dispensiert?  Holtz- 
manns  Wort  (Untersuchungen  VI)  „statt  der  Beweise  Schmähungen  vorzubringen, 
das  sollte  nie  und  nirgends,  auch  dem  größten  Gelehrten  nicht  gestattet  sein" 
ist  mir  unwillkürlich  dabei  eingefallen.  —  Ein  blindes  Huhn  findet  doch  manch- 
mal auch  ein  Korn,  und  mein  Buch,  das  seinen  nächsten  Zweck  nicht  erfüllt, 
könnte  doch  am  Ende  den  fernerliegenden  einer  Widerlegung  Scherers  theilweise 
wenigstens  erreicht  haben.  Fast  möchte  ich  das  schließen  eben  aus  dem  salto 
mortale,   mit  dem  Scherer  über  meine  Argumente  sich  hinwegsetzt. 

„Zur  Charakteristik  des  Verfassers  und  seiner  Leistung"  citiert  Scherer 
die  beiden  Stellen  aus  meinem  Buche:  S.  285,  Z.  15—24  und  S.  265,  Z.  21 
bis  27,  an  welchen  beiden  ich  mich  gegen  ihn  einfach  auf  Bartschs  Hand- 
schriftentheorie und  Metrik  berufen  hatte.  Die  Tendenz  jener  beiden  Citate  ist 
bei  Scherer  offenbar  keine  andere  als  die,  zu  zeigen,  daß  ich,  anstatt  zu 
widerlegen,  mich  auf  Bartsch  berufe,  daß  ich  statt  mit  Gründen  mit  Autoritäten 
kämpfe.  Nun  wäre  dem  wirklich  so,  wenn  ich  in  meinem  ganzen  Buche  sonst 
nirgends  davon  geredet  hätte,  daß  und  warum  ich  Bartschs  Anhänger  bin.  Aber 
ich  habe  das  gethan  auf  mehreren  Seiten;  ich  habe  Bartschs  Theorie  auf  S.  40 
bis  72,  vielleicht  zu  ausführlich,  dargestellt  und  auf  S.  84 — 92  gesagt,  warum 
ich  sie  —  und  das  nicht  als  blinder  Nachbeter,  sondern  mit  Einschränkung  — 
annehme.  Daß  ich  mich  also  im  Anhang  auf  diese  Exposition  berufe  und  sage, 
das  Nichtvorhanden-  oder  besser  Nichtgefundensein  eines  assonierenden  Nibe- 
luDgenfragments  genüge  nicht,  um  Bartschs  Theorie  zu  widerlegen,  —  daran 
fände  wohl  ein  anderer  nichts  zu  tadeln.  Mit  dem  zweiten  Fall  verhält  sichs 
auch  materiell  etwas  anders.  Scherer  hat  Bartschs  Metrik  angegriffen,  er  will 
nicht  liehh  mit  leide,  sondern  liehe  mit  leide  lesen  (beiläufig:  das  von  Seh.  nicht 
gebrauchte  Beispiel  zierten  anderiu  ivtp  kam  mir  in  die  Feder ,  weil  es  öfters 
citiert  wird,  um  den  Unterschied  von  Lachmanns  und  Bartschs  Betonung  zu 
zeigen).  Darauf  entgegnete  ich:  „Ich  will  davon  schweigen,  daß  Bartsch 
—  seine  metrischen  Gesetze  —  meiner  Ansicht  nach  bewiesen  hat.  Das  aber 
ist  zu  bemerken,  daß,  wenn  wir  je  jenes  Betonungsgesetz  Bartschs 
fallen  ließen,  es  dann  auch  für  Kürenberg  fällt,  so  daß  zwischen 
seinen  Strophen  und  dem  NL.  hierin  jedenfalls  kein  Unterschied 
ist."  Mein  Argument  war  also:  mögen  Bartsch  oder  Lachmann  —  Scherer 
mit  ihrer  Betonung  Recht  haben,  die  Sache  macht  nichts  aus.  War  es  nun 
nicht  erlaubt,   dem  beizufügen:  übrigens  halte  ich   an  Bartschs  Metrik  fest?  — 


122  LITTKRATUR:  FISCHER,  ENTGEGNUNG. 

Ich  wäre  hier  auch  in  ilor  Lage  zu  sagen:  ., Scherer  fälscht  den  Sinn  meiner 
Äußerung,   indem   er  die  hervorgehobenen   Worte  weglässt. " 

Weiterhin  beschäftigt  sich  Scherer  mit  dem,  was  ich  S.  269  gegen  seine 
Argumente  für  die  Verschiedenheit  der  Verfasser  in  den  Kürenbergstrophen 
gesagt  habe.  Zuerst  etwas  persönliches.  Er  wirft  mir  den  Ausdruck,  „vorsichtiger- 
weise" habe  er  MF.  8,  9  — 16  entfernt,  als  ehrenkräukend  vor.  Daß  eine  vor- 
hergefasste  Ansicht  über  ein  Ganzes  auch  die  einzelnen  Argumente  mit  bestimmt, 
das  liegt  ja  so  natürlich  in  der  Verfassung  menschlichen  Denkens;  und  ich 
glaubte  und  glaube  noch  sagen  zu  können,  ohne  die  vorherige  Überzeugung 
von  der  Mehrheit  der  Verfasser  wäre  Scherer  nicht  dazu  gekommen,  MF.  8,  9 
bis  16  aus  der  Sammlung  auszumerzen.  Daß  dieß  mit  bewusster  Absicht  ge- 
schehen, was  allerdings  in  dem  Ausdruck  „vorsichtigerweise"  liegt,  will  ich 
durchaus  nicht  behaupten,  und  insofern  bedaure  ich  diesen  Ausdruck.  Kann 
mans  einem  aber  fürwahr  verargen,  wenn  angesichts  einer  so  subjectiven  Kritik, 
wie  die  von  Scherer  an  jener  Stelle  geübte  ist,  die  Mißbilligung  einen  auch 
zu   solchen   Ausdrücken   führt? 

Was  die  Sache  betrifft,  so  wirft  mir  Scherer  S.  153  vor,  daß  ich  seine 
Auseinandersetzung,  in  wie  fern  zwischen  Männer-  und  Frauenstrophen  eine 
unausfüllbare  Kluft  bestehe,  weder  erwähnt  noch  zu  widerlegen  versucht  habe. 
Ich  bin  auf  diesflbe  nicht  eingegangen,  weil  ich  erweisen  zu  können  glaubte, 
daß  jene  Kluft  nicht  existiert.  Ich  fühlte  Stelleu  an,  wo  das  Weib  sich  unweib- 
lich, der  Mann  weich  zeigt.  D;)s  erstere  jedenfalls  gibt  Scherer  zu;  schon  in 
dem  ersten  Aufsatze  sagt  er  S.  577:  Das  Ende  von  MF.  8,  1 — 8  sei,  was  man 
heute  „un weiblich"  nennen  würde.  Darauf  hat  er  in  seiner  Entgegnung  S.  153 
wieder  hingewiesen.  Er  sagt  auch  (in  Bezug  auf  9,  21—28):  „Über  den  Ton 
wollen  wir  doch  lieber  nicht  streiten,  wo  uns  greifbare  Gedanken  vorliegen 
und  deren  scharfe  Betrachtung  ausreicht."  Wenn  es  sich  um  Unterschiede  des 
Gefühls  in  zwei  Liedern  handelt,  so  ist,  dächte  ich,  der  Ton,  der  in  ihnen 
klingt,  ganz  wesentlich.  In  8,  16  gibt  er,  einen  „derben  Ausdruck"  zu,  den  ich 
somit  auch  unter  die  Rubrik  „unweiblich"  werde  stellen  dürfen.  Scherer  sagt 
zusammenfassend:  „Die  Richtigkeit  meiner  Behauptung  ist  nicht  davon  abhängig, 
daß  alle  Frauen  eine  den  Männern  fremde  Seelen  Weichheit  bewähren,  son- 
dern nur  davon,  daß  kein  Mann  diese  frauenhafte  Empfindung  zeigt."  Wo 
bleibt  denn  aber  die  unausfüllbare  Kluft,  wenn  ein  Theil  sich  an  den  andern 
so  weit  annähern  darf?  —  Es  scheint  mir  doch ,  sie  ist  wenigstens  von  einer 
Seite  beinahe  überbrückt.  Nach  diesem  Zugeständnisse  Scherers  wird  es  meines 
Erachtens  nicht  mehr  gestattet  sein,   kritische  Schlüsse  auf  jene  Kluft  zu  bauen. 

Es  ist  mir  im  Vorstehenden  nur  um  die  Wahrheit  zu  thun  gewesen,  um 
meine  Person  nur  soweit,  als  meine  Ehre  von  gegnerischer  Seite  engagiert  war. 
Ich  wäre  wahrhaftig  froh  gewesen,  den  wissenschaftlichen  Streit  ohne  alle  Per- 
sönlichkeiten ausfechten  zu  können ;  meine  Gegner  selbst  haben  mir  diese  Mög- 
lichkeit genommen.  Sie  haben  es  sich  und  der  Unbctheiligte,  der  so  gerne  die 
widerwärtigen  Händel  über  der  Nibelungen  Hort  geendigt  sehen  möchte,  hat  es 
ihnen  zuzuschreiben,  wenn  ich  die  Angreifer  hier  mit  gleichen  Waffen  zurück- 
zuweisen  gcnöthigt  war. 

LEIPZIG,  den  13.  November  1874.  HERMANN  FISCHER. 


MISCELLEN. 


MISCELLEN. 


Karajans  Bibliothek. 

Am  3.  Mai  d.  J.  beginnt  in  Leipzig  iu  dem  Auctionsinstitut  der  Herren 
List  und  Francke  die  Versteigerung  der  von  Tli.  G.  von  Karujan  hinterlassenen 
Bibliothek.  Der  Katalog  derselben  umfasst  in  dem  ersten  bis  jetzt  erschienenen 
Theile  auf  258  Seiten  6822  Nummern.  Voran  geht  ein  Lebensabriß  des  Ver- 
storbenen und  ein  Verzeichniss  seiner  Schriften.  Wir  rücken  beides  hier  ein, 
die  Schriften  jedoch  nicht  iu  alphabetischer,  sondern  chronologischer  Folge 
und   mit  Hinzufügung  einiger  dort   ausgelassenen. 

Theodor  Georg  von  Karajan,  geboren  in  Wien  am  22.  Januar  1810, 
erhielt  seine  erste  Bildung  auf  der  griechischen  Schule  und  dem  Gymnasium 
zu  Wien,  beendete  1828  seine  philosophischen  Studien  an  der  Hochschule  da- 
selbst und  trat  1829  in  den  Staatsdienst  und  zwar  in  die  Kanzlei  des  da- 
maligen Hofkriegsralhcs ,  aus  welcher  er  aber  schon  1832  in  das  Archiv  des 
Finanzministeriums  übergieng.  Bei  seiner  großen  Vorliebe  für  das  geschichtliche 
Studium,  und  zwar  zunächst  aus  den  Quellen,  erfuhr  er  sehr  bald,  daß  zum 
richtigen  Verstäudniss  derselben  die  genaue  Keuntniss  der  altdeutschen  Sprache 
nöthig  sei.  Er  begann  nun  mit  dem  Studium  derselben,  und  der  verdiente 
Sprachfoi'scher  Karl  August  Hahn  war  es,  der  ihn  in  ihre  wissenschaftliche 
Behandlung  einführte.  1841  an  der  k.  k.  Hofbibliothek  angestellt,  bot  sich  ihm 
reiche  Gelegenheit  dar,  seinen  historischen  und  sprach  historischen  Neigungen 
mit  nachhaltigem  Erfolge  obzuliegen.  Im  Mai  1848  wurde  Karajan  in  das  Frank- 
furter Parlament  gewählt,  in  welchem  er  seinen  Sitz  im  rechten  Centrum  hatte. 
Im  Jahre  1850  übernahm  er  die  Professur  der  deutschen  Sprache  und  Litte- 
ratur  an  der  Wiener  Universität;  da  ihm  aber  die  Vereinigung  beider  Stellen, 
an  der  Hofbibliothek  und  der  Universität,  unzulässig  erschien,  gab  er  die 
erstere  auf  und  las  während  dreier  Semester  bis  September  1851  über  deutsche 
Sprache  und  Litteratur.  In  seiner  Stellung  als  Professor  musste  Karajan  die 
eigenthümliche  Erfahrung  machen,  daß  das  griechisch  nicht-unierte  Bekenntniss, 
welches  das  seinige  war,  ihn  nicht  vor  Vexationen  sicherte,  welche  gei-ade  da- 
mals, als  das  Concordat  im  Entstehen  begriffen  war,  an  der  Tagesordnung 
waren.  Karajan  mochte  keine  Verkümmerung  in  den  ihm  als  k,  k.  ordent- 
lichen Professor  zustehenden  Rechten  ertragen  und  legte  unter  solchen  Um- 
ständen lieber  seine  Professur  nieder,  ehe  er  sich  in  dem  ihm  zukommenden 
Rechte  durch  einen  Act  unverständiger  Willkür  beeinträclitigen  ließ.  Karajan 
versah  die  ihm  seit  1851  zu  Theil  gewordene  Stelle  eines  Vicepräsidenten  der 
kais.  Akademie  der  Wissenschaften;  im  übrigen  lebte  er  seinen  Forschungen, 
bis  er  im  October  1854  zum  Custos  der  k.  k.  Hofbibliothek  befördert  wurde. 
Von  1866  — 1869  war  er  Präsident  der  k.  k.  Akademie  der  Wissenschaften, 
1867  wurde  er  zum  lebenslänglichen  Mitglied  des  österreichischen  Herreuhauses 
und  1870  zum  k.  k.  ßegierungsrath  und  zweiten  Vorstand  der  k.  k.  Hofbiblio- 
thek in  Wien  ernannt.  Seit  Anfang  November  1872  schwer  erkrankt,  erlag  er 
am   28.   April    1873   einem  schmerzlichen  Leberleiden. 


224  MISCELLEN. 

1839.  Friihlingsgabe  für  Freunde  älterer  Literatur.    Wieu. 

Voa  den  sieben   Slafaeren.   Gedicht  des  XIII.  Jahrhunderts.   Heidelberg. 

1841.  Ulrich  von  Lichtenstein  mit  Anmerkungen  von  Th.  von  Karajan  heraus- 
gegeben von  K.  Lachmann.  Berlin. 

1842.  Der  Schatzgräber  herausg.  von  Th.  v.  Karajan.  Leipzig.  (Neue  Titel- 
Ausgabe  der    „Frühlingsgabe".) 

1843.  Michael  Beheims  Buch  von  den  Wienern.  1462 — 1465.  Herausg.  von 
Th.   G.  V.   Karajan.   Wien  (Neue  Titel-Auflage    1867.) 

1844.  Seifried  Helbling  herausg.  von  Th.  G.  von  K.  Leipzig.  (Separatabdruck  aus 
der  Zeitschrift  für  deutsches   Alterthum.) 

1846.  Deutsche  Sprachdenkmale  des  XII.  Jahrhs.  Mit  32  Bildern  und  1  Fac- 
simile.    Wien. 

1849.  W.  Schmelzl,  ein  Lobspruch  der  Stadt  Wien,  welche  wider  den  Tyrannen 
u.  s.  w.,  beschrieben  im  1548  Jahr.  Nach  dem  einzigen  bekannten  Exem- 
plar im   Besitz  Karajans  von  demselben  herausgegeben.   Wien. 

Quellen  und  Forschungen  zur  vaterländischen  Geschichte,  Literatur  und 

Kunst,  von  Th.  v.  Karajan,  Firnhaber,  Birk  u.  s.  w.  Mit  7  Kunstbei- 
lagen. Wien.  Darin :  Zehn  Gedichte  M.  Beheims  zur  Geschichte  Österreichs 
und  Ungarns.  Herausg.   von  Th .   G.  v.  Karajan. 

Eyn  kurtzweylig  Predige  Dr.  Schmoßmanns  herausgeg.  v.  M.  Haupt  u.  A. 

1850.  Mittelhochdeutsche  Grammatik.   I.   Laut-   und  Flexionslehre.   Wien. 
Hartmann  von  Aue,   der  arme  Heinrich.  Herausgegeben  von  Th.   G.   von 

K.   Wien. 
Gedanken  über  den  Unterricht  in    der    deutschen  Sprache    und  in  ihrer 

Geschichte  an  unseren  Gymnasien.   Wien.   (Separatabdruck.) 
Zur  Geschichte  des  Concils  von  Lyon   1245.   Wien   (Separatabdruck.) 

1851.  Über  zwei   Gedichte  Walthers  von  der  Vogelweide.  Wien. 

Capinianae  strenae.  Die  Erbhuldigung  1520,   der  Landtag  zu  Brück  1519. 

Aus  der  Handschr.   M.   Capiuis  herausgegeben.   Wien. 

Fastnacht-Predigt,  eine  kurtzweilige,  vom  Doctor  Schwärmen  zu  Hummels- 
hagen etc.  Wien. 

1854.  Über  zwei  Bruchstücke  eines  deutschen  Gedichtes  aus  dem  XIIL  Jahrh. 
Wien  1854. 

Heinrich  der  Teichuer.  Ein  Vortrag.   Wien. 

Über  eine  bisher  unerklärte  fgothische)  Inschrift.  Mit  Anhang  und  Nach- 
schrift. Wien. 

1855.  Über  Heinrich  den  Teichner.   Wien. 

1858.  Zwei    bisher    unbekannte    Sprachdenkmale    aus    heidnischer    Zeit.     Mit   1 

Schrifttafel.   Wien. 
Maximilian  I    geheimes    Jagdbuch    und    von    den    Zeichen    des  Hirsches. 

Herausgegeben  von  K.  Mit  Illustrationen.   Wien. 
1861.  J.  Haydn  in  London   1791   und   1792.  Wien. 
—  —   Aus  Metastasio's  Hofleben.  Wien. 
1863.  Die  alte  Kaiserburg  zu   Wien  vor  dem  J.    1500.   Wien. 

1866.  Über  eine  Lebensgeschichte  Pater  Abrahams  a.   S.   Clara.  Vortrag. 

1867.  Abraham  a  Saucta  Clara.  Wien. 

1868.  Procession,  so  die  Hispanier  am  15.  Aufjusti  1554  bei  den  Barfusern 
zu  Wien   gehalten  haben.   S.   1.  1554.  Wien. 

1870.    Seifricd   Helbling   und   Ottacker   von   Steiermark.   Wien. 


MISCELLEN.  1 25 

Den  Schluß  des  Kataloges  bilden  „Handschriften",  meist  Abschriften  mittel- 
hochdeutscher Dichtungen.  Ich  bemerke  darunter  Der  werden  mynne  1er,  Ge- 
dicht aus  einer  Papierhandschrift  der  Lobkowitzischen  Bibliothek  in  Prag  aus 
dem  15.  Jahrh.  84  S.  ,  doch  wohl  das  Gedicht  Heinzelins  von  Constanz  in 
einer  von  Pfeiffer  zu  seiner  Ausgabe  nicht  benutzten  Handschrift;  Enenkels 
Weltchronik,  Copie  der  Neresheimer  Handschrift;  Friedrich  von  Schwaben  aus 
einer  Handschrift  der  Wiener  Hofbibliothek;  Gedichte  und  Erzählungen  von 
dem  Stricker,  Abschrift  des  Wiener  Codex  2705;  ebenso  der  Melker  Hand- 
schrift Strickerscher  Gedichte;  Ottackers  Chronik  nach  der  Wiener  Hs.  3040  u.  a. 


Gesellschaft  für  Herausgabe  altfranzösischer  Texte. 

Das  nachstehende  Programm  einer  in  Paris  in  Bildung  begriffenen  Ge- 
sellschaft, die  sich  die  Aufgabe  stellt  Denkmäler  der  altfranzösischen  Litter atur 
in  kritischer  Weise  zu  veröffentlichen,  wird  für  die  Leser  der  Germania  von 
solchem  Interesse  sein,  daß  sie  für  dessen  vollständige  Mittheilung  mir  Dank 
wissen  werden.  Daß  dem  Unternehmen,  welches  unter  den  günstigsten  Anspielen 
ins  Leben  tritt,  der  beste  Erfolg  zur  Seite  stehen  möge ,  diesen  Wunsch  wird 
mit  mir  Jeder  theilen,  der  den  Werth  und  die  Bedeutung  der  auch  für  uns 
so  wichtigen  altfranzösischen  Litteratur  würdigt. 

Soci^td  des  anciens  textes  francais. 

La  Soci^te  que  nous  fondons  se  propose  de  publier  des  monuments  de 
nolre  ancienne  langue  et  de  notre  ancienne  litterature.  Ces  monuments,  pour 
la  plupart,  gisent  eucor  inedits,  souvent  inconnus,  dans  nos  archives  et  dans 
nos  bibliotheques,  expos^s  ä  toutes  les  chances  de  destruction.  II  est  vrai  que 
depuis  le  siecle  dernier  on  a  commenc^  a  mettre  au  jour  quelques-uns  de  nos 
vieux  textes,  et  qu'il  se  passe  peu  d'annees  sans  qu'il  en  paraisse  encore ;  mais 
ces  publications  sont  peu  de  chose  si  on  les  compare  k  l'immensite  du  fonds 
qui  reste  k  exploiter.  D'ailleurs  beaucoup  d'entre  elles,  executdes  par  des  ama- 
teurs  mal  prepares,  ne  repondent  en  aucune  fa^on  aux  exigences  de  la  science. 
Enfin,  surtout  depuis  quelques  annees,  la  plupart  se  fönt  hors  de  chez  nous, 
en  AUemagne,  en  Belgique,  en  Angleterre.  Cet  dtat  de  choses  est  regrettable: 
nous  convions  tous  ceux  qui  le  pensent  comme  nous  k  nous  aider  dans  l'ceuvre 
que  nous  allons  entreprendre. 

Les  anciens  textes  francais  et  proven9aux  ont  une  trij^le  importance,  sui- 
vant  qu'on  les  cousidere  comme  servant  h  Thistoire  de  la  langue,  de  la  litte- 
rature, ou  de  la  nation  elle-meme.  Ce  dernier  point  de  vue  est  peut-etre  celui 
qui  a  le  moins  attire  l'attention:  on  s'est  enquis  des  faits  de  notre  histoire,  et 
c  est  ce  qui  a  fait  mettre  au  jour  un  nombre  considerable  de  nos  anciennes 
chroniques;  mais  Thistoire  des  idees,  des  sentiments,  des  mceurs  de  nos  ancetres 
a  ^te  bien  plus  n^gügee.  Elle  est  tout  eutiere  dans  ces  innombrables  ouvrages 
qui,  du  XIF  siecle  au  XVF,  ont  charme  toutes  les  classes  de  la  societe  fran- 
§aise,  soit  qu'ils  en  exprimassent  l'ideal,  soit  qu'ils  en  refletassent  la  vie.  La 
religion,  les  institutions,  le  droit,  la  fatnille,  l'education,  la  soci(5te,  la  guerre, 
le  commerce,  Tindustrie,  l'art  du  moyen  äge  ne  redeviendront  comprdhensibles 
et  vivants    pour  nous    que  quand    les    documents  de    tout  genre,   mis  en  grand 


120  MISCELLEN. 

nombre  k  la  portee  des  travailleurs ,  auront  ^t^  rapproche's,  analyses  et  inter- 
pretes. 

Quant  ä  l'histoire  de  notre  langue,  cette  expression  essentielle  de  notre 
nationalitd,  eile  est,  faute  de  textes,  ä  peine  ^bauchäe.  Faire  revivre  les  aiicieus 
dinlectes  et  les  rattacher  aux  patois  modernes,  suivre  dans  son  elaboration  et 
daiis  son  ddveloppotnent  la  langue  litteraire,  teile  est  la  täcbe  immense  qui 
s'impose  au  pliilologue.  II  ose  k  peine  aujourd'hui  en  aborder  quelque  partie, 
silr  que  merae  en  ne  restreignant  il  n'atti  indra  qiie  des  resultats  provisoires. 
Et  cependant  les  moyens  d'information  abondent.  A  partir  du  XIIF  siede,  di-jä 
plus  anciennement  sur  quelques  points  isoles,  les  dialectes  vulgaires  ont  et^ 
employes  ä  la  r«5daction  des  actes  prives  et  publics;  les  oeuvres  litteraires,  qui 
apparaissent  des  le  IX*  siecle,  pullulent  ä  partir  du  Xir.  Un  glossaire  de  la 
lange  d'oil  et  de  la  langue  d'oc,  une  grammaire  comparde  des  dialectes  fran9ais 
et  proven^aux,  enfin ,  cette  oeuvre  magnifique,  une  histoire  de  la  langue  fran- 
caise,  ne  pourront  etre  executes  d'une  mani^re  satisfaisante  que  quand  des 
dditions  faites  avec  sein  et  critique  auront  mis  le  savant  en  mesure  de  con- 
naitre  et  de  classer  toutes  ces  richesses  dont  l'existence  ne  fait  aujourd'hui  que 
le  decourager. 

Mais  l'int^ret  littäraire  domine  peut-etre  les  deux  autres.  Sans  parier  du 
mdrite  et  du  cbarme  si  divers  des  productions  du  vieux  g<^nie  fr:in9ais,  elles 
ont  une  importance  capitale  pour  l'histoire  des  litteratures  modernes.  Ces  litte- 
ratures,  on  le  sait  maintenant  ä  n'en  pas  douter,  ont  la  notre  pour  mere.  Au 
Nord,  la  grande  poesie  epique,-  la  plus  vraiment  nationale  que  uous  ayons  jamais 
possedee,  puis  les  compositions  romanesques  näes  dans  une  societe  dejä.  raffiuee 
et  brillante,  plus  tard  les  eontes,  les  oeuvres  didactiques,  enfin  le  drame  reli- 
gieux  et  populaire,  ont  suscite  tout  autour  de  nous  des  imitations  d'abord  ser- 
viles, puis  de  plus  en  plus  libres,  gräce  auxqueiles  les  peuples  voisins  sont 
arrives  k  leur  tour  ä  produire  des  oeuvres  originales.  Au  Midi,  c'est  la  poesie 
lyrique,  qui,  eveillee  la  premiere  apres  un  silence  de  six  siecles,  a  passe  de 
bouche  en  bouche  d'abord  ä  nos  trouveres,  puis  aux  poetes  de  l'Espagne  et 
du  Portugal ,  aux  mivnesinger  allemands ,  aux  chantres  Italiens ,  precurseurs  de 
Dante  et  de  Petrarque.  Aussi  la  littdrature  fran^aise  du  moyeu  äge  est  eile 
en  quelque  sort  le  patrimoine  commun  de  l'Europe,  car  toutes  les  nations  de 
l'Europe  la  retrouvent  ä  la  base  de  la  leur.  Partout  on  publie  les  traductions, 
les  imitations  de  nos  poemes,  de  nos  romans,  de  nos  chausons,  de  nos  mys- 
teres;  et  combien  de  fois  n'avons-nous  pas  ä  rougir  en  lisant  dans  la  prdface 
de  r^diteur  anglais ,  Italien,  allemand,  hollandais,  suedois  ou  norvegien,  qu'il 
n'a  pu  comparer  1' oeuvre  qu'il  imprime  ä  l'original  francais,  parce  que  celui-ci 
est  inedit!  Aussi  se  däcident-ils  h  venir  aux  frais  de  leurs  gouvernements  copier 
sous  nos  yeux,  dans  nos  bibliotheques,  pour  les  imprimer  dans  leurs  pays,  ces 
manuscrits  que  nous  gardons,  mais  que  nous  semblons  mdpriser.  A  tous  ces 
ouvriers  du  dt'hors  qui  Iravaillent  dans  notre  vigne,  nous  ne  devons  que  des  re- 
merciments:  mais  il  est  grandement  temps,  croyons  nous,  de  les  dispenser  de 
leur  obligeant  concours   et  de  faire  la  vendange  nous-memes. 

II  est  un  dernier  point  de  vue  sur  lequel  nous  appellerons  l'attention, 
c'est  la  valfur  de  notre  ancienne  littdrature  pour  l'dducation  nationale.  Nous 
ne  parlons  pas  seulement  de  l'instruction  qui  se  donne  dans  nos  Colleges:  les 
Allemands  associent  dans  leurs  gymnases  l'etude  de  leur  potJsie  du  moyeu  age 


MISCELLEN.  127 

ä  Celle  des  oeuvres  antiques;  chez  nous  aussi,  croyons-nous ,  il  y  aurait  tout 
avantage  h  faire  lire  ä  la  jeunesse  Joinville  et  la  Chansons  de  Roland  ä  cote 
d'Heiodote  et  de  Vlliade.  Mais  pour  tout  le  monde  il  y  a  un  grand  interet  ä. 
connaitre  ce  qu'a  ^te  pendant  six  siicies  la  vie  intellectuelle  et  morale  de  la 
France:  aussi  ue  craindrons  nous  pas,  ä  cote  de  simples  reproductions,  de  joindre 
ä  uos  volumes  des  introductions,  des  commectaires,  des  glossaires,  des  traduc- 
tions  meme,  qui  mettront  ä  la  portee  de  tous  le  plaisir  et  le  profit  que  cou- 
tiennent  ces  vieux  livres. 

Ce  sont  ces  considerations  et  ces  sentiments  qui  nous  ont  ddcid^s  ä 
fonder  la  Societd  des  anciens  textes.  Nous  pensons  qu'il  n'est  pas  d'ceuvre  plus 
vraiment  nationale  que  celle  ä  laquelle  nous  voulons  nous  consacrer.  Nous 
faisons  appel  pour  nous  aider  nou-seulement  k  tous  ceux  qui  s'interessent  k 
l'histoire  des  langues  et  des  litteratures  romanes,  mais  encore  ä  tous  ceux  qui 
aiment  la  France  de  tous  les  temps,  ä  tous  ceux  qui  croient  qu'un  peuple  qui 
ignore  son  passe  prepare  mal  son  avenir,  ä.  tous  ceux  qui  savent  que  la  con- 
science  nationale  n'est  pleine  et  vivante  que  si  eile  relie  dans  un  sentiment 
profond  de  solidarite  les  gen^rations  presentes  ä  Celles  qui  se  sont  eteintes. 
Pour  reussir,  notre  oeuvre  a  besoiu  de  puissants  encouragements:  nous  avons 
la  confiance  qu'ils  ne  nous  manqueront  pas.  Nous  avons  fixe  k  une  somme  peu 
dlevee  le  chifire  de  la  cotisation;  nous  avons  abaiss^  encore  celui  de  la  coti- 
sation  perpetuelle,  parce  que  nous  ne  nous  adressons  pas  seulement  aux  eru- 
dits  ou  aux  riches ,  parce  que  nous  voudrions  que  tous  pussent  participer  ä 
notre  eutreprise.  Mais  les  cotisations,  si  nombreuses  qu'elles  soient,  nous  per- 
mettront  difficilement  d'atteindre  le  but  que  nous  visons,  c'est-ä-dire  de  publier 
beaucoup,  bien  et  ä  bon  marcM.  Nous  esperous  que  des  donations  plus  impor- 
tantes  nous  aideront  k  realiser  une  pensde  qui,  surtout  au  moment  präsent, 
doit   rencontrer   de   nombreuses   sympathies. 

Les  jiublications  de  la  Societe  seront  in-octavo;  chaque  volume  sera  re- 
vetu  d'un  elegant  cartonnage.  Le  nombre  des  volumes  publies  annuellement 
sera  ddterminä  par  les  ressources  de  la  Socidte.  Les  ouvrages  dont  nous  pou- 
vons   des  ä  present  promettre  la  publication  prochaine  sont,  entre  autres: 

Aiol,  chanson  de  geste;  la  Bataille  de  Roncevaux  (texte  rajeuni  de  la  Clianson 
de  Roland);  —   Tristan;  —  ffiuvres  de    Crestien  de  Troyes;  —  Le  roman  de  Bermus; 

—  Le  roman  des  Sejjt  Sages;  —  Girai't  de  Roussillon;  —  Chansons  du  roi  de  Na- 
varie;  —  Chronique  de  Jehan  le  Bei;  —  Recueil  de  mysteres  ou  miracles  de  la 
Vierge;  —  Recueil  general  des  farces ;  — Le  mystere  de  la  Passion  en  provencjal;  — 
Chansons    populaires  du  XV*^   siecle;  —  Contes  de   Philippe   de  Vigneulles,    etc.,  etc. 

La  cotisation  est  fixee  k  25  francs  par  an.  On  peut  racheter  sa  coti- 
sation annuelle  pour  la  duree  de  sa  vie  en  payant  une  somme  de  250  francs. 

—  On  pourra  souscrire  aux  publications  sur  grand  papier  moyennant  50  francs 
par  an  ou  500  francs  une  fois  payäs.  - —  Les  membres  qui  verseront  une  somrae 
de  500  francs  au  moins  recevront  le  titre  de  membres  fondateurs  et  figureront 
en  tete  de  la  liste  des  membres.  —  Les  membres  qui  verseront  une  somme  de 
250  francs  auront  le  titre  de  membres  perpetuels  et  figureront  sur  la  liste  apres 
les   membres   fondateurs. 

Independaminent  de  la  cotisation,  cbaque  membre  nouveau  admis  dans  la 
Societe  aura  k  acquitter  un  droit  d'entree  de  10  francs.  Les  trois  cents  premiers 
souscripteurs  seront  exemptes  de  ce  droit.  Ce  droit  est  personuel  et  ne  varie 
pas  quaud  uu   meme  membre   souscrit  k  plusieurs  exemplaires. 


128  MISCELLEN. 

Le  bureau  de  la  Socidte  est  composd  de: 
MM.   Paulin  Paris,   membre  de  l'Institut,  president] 

Natalis  de  Wailly,  membre  de  l'Institut,  vice-prdsident ; 
Marquis  de  Queux  de  Saint- Hilaire,  administrateur ; 
Paul  Meyer,  charge  du  cours  de  langues  romanes  ä  1  Ecole 

des   Cliartes,   secritaire; 
Baron  James  E.  de  Rothschild,   trhorier\ 
L'^diteur  de  la  Societd  est  M.   Ambroise  Firmin-Di dot. 
Les  adherents   sont  pries  d'öcrire  ä  M.  Paul  Meyer,   99,   rue  de  la  Tour, 
Passy-Paris.   Dfes  que  la  Societd  aura  recueilli  un  nombre  suifisant  d'adhesioiis, 
le  bureau  provoquera  une  reunion  generale,   ä  laquelle  on   soumettra  les  Statuts 
de  la  Societe. 

Nachtrag  zu  Germania  XVIII,  456. 

[Brief  an  F.  Liebrecht.]  Ihre  Anfrage  in  der  Germania  XVIII,  456,  die 
AschgeberstraCse  in  Stettin  betreffend,  kann  ich  dahin  beantworten,  daß  die  von 
Ihnen  ausgesprochene  Vermuthung  über  die  Herkunft  dieses  Namens  richtig  ist. 
Ich  selbst  habe  von  1861 — 67  in  amtlicher  Stellung  in  Stettin  gelebt  und  kenne 
daher  die  betreffende  Ortlichkeit  genau.  Die  Aschgeberstraße  ist  in  der  That 
eine  enge  Straße,  wenn  auch  nicht  so  eng  wie  die  Breslauer.  Die  Häuserreihe 

der  einen  Seite  hat  diese  Front:    I        so  daß  ersichtlich  die  Straße  früher  noch 

enger  gewesen  ist.  Die  ganze"  Straße  ist  zwischen  dem  Roßmarkt  und  der  großen 
(kleinen?)  Domstraße,  die  sie  in  schräger  Richtung  verbindet,  gleichsam  einge- 
klemmt. Es  ist  mir  außerdem  von  einem  Stettiner,  wenn  ich  nicht  irre,  dem 
damals  schon  hochbetagten,  jetzt  wohl  lange  verstorbenen  Restaurateur  Kunowsky, 
bei  dem  ich  zu  Mittag  aß,  positiv  versichert  worden,  die  Straße  habe  früher 
Arschkerbenstraße  geheißen.  Dieselbe  Bewandtniss  wird  es  jedenfalls  auch  mit 
der  Straße  in  Resral  haben. 

HANNOVER.  Dr.  CARL  PAULI. 

Personalnotizen. 

Professor  Dr.  Theodor  Aufrecht  in  Edinburg  hat  einen  Ruf  als  Pro- 
fessor des  Sanskrit  und  der  Sprachvergleichung  an  die  Universität  Bonn  erhalten 
und  angenommen;  ebenso  folgt  Professor  Dr.  Ernst  Windisch  in  Heidelberg 
zu  Michaelis  d.  J.   einem  gleichen  Rufe  an  die  Universität  Straßburg. 

Dr.  Hermann  Suchier,  der  im  Herbste  v.  J.  seine  Stellung  als  außer- 
ordentlicher Professor  an  der  Universität  Zürich  angetreten  hatte,  geht  Ostern 
d.  J.   als   Ordinarius   nach   Münster. 

Dr.  E.  Wülcker,  bisher  am  Stadtarchiv  zu  Frankfurt  a.  M.,  hat  die 
erste  Secretärstelle  am    Haupt-  und   Staats-Archive  zu  Weimar  erhalten. 

Dr.  Erich  Schmidt  hat  sich  für  neuere  deutsche  Litteratur  an  der  Uni- 
versität Würzburg  habilitiert. 

Professor  Rudolf  von  Raum  er  in  Erlangen  hat  vom  preußischen  Mini- 
sterium der  Unterrichtsai)gelegenheiten  die  Aufforderung  erhalten,  zur  Anbahnung 
einer  größeren  Gleichmäßigkeit  in  der  deutschen  Orthographie  zunächst  im  Be- 
reich der  höheren  Schulen  Deutschlands  eine  grundlegende  Schrift   auszuarbeiten. 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN, 


Die  nachfolgenden  Glossen  zu  Sedulius  Carmen  paschale  und  Pros- 
pers  epigrammata  habe  ich  einem  ursprünglich  dem  monasterio  s. 
Jacobi  zu  Lüttich  gehörigen  Codex  entnommen.  Theodor  Poelmann  hatte 
ihn,  wie  ich  vermuthe,  von  den  Mönchen  jenes  Klosters  entlehnt*). 
Er  benutzte  ihn  zu  seinen  Ausgaben  des  Statius  und  des  Lucanus,  wie 
der  Index  der  von  ihm  benutzten  Handschriften  zeigt.  Die  Stücke  des 
Statius  sind  im  Anfange  des  XIV.  Jahrhunderts  geschrieben,  die  des 
Lucanus  am  Ende  des  XIL  oder  zu  Anfange  des  XIII.  Zwischen  beiden 
stehen  Sedulius  und  Prosper,  welche  dem  Ende  des  X.  oder  Anfang 
des  XI.  Jahrhunderts  angehören.  Prospers  Epigrammata  und  die  Verse 
des  Andreas  orator  gab  er  aus  diesem  Codex  heraus.  Leider  hat  Poel- 
mann, wie  in  anderen  Codices,  so  auch  in  diesem  vielfach  die  ursprüng- 
liche Lesart  ausradiert  und  die  anderer  Handschriften  oder  seine  eigenen 
Conjecturen  an  deren  Stelle  gesetzt. 

Zu  Sedulius  hat  Hattemer  (St.  Gallens  altdeutsche  Sprachschcätze 
Bd.  L  p.  276 — 277  u.  p.  282)  ein  paar  Glossen  ediert;  zu  Prosper  sind 
keine  veröffentlicht.  In  Graffs  althochdeutschem  Sprachschatze  finden 
sich  hier  und  da  einige  aus  beiden  angeführt. 

Die  deutschen  Glossen  zu  Arator,  welche  Graff  in  seiner  Diu- 
tiska  Bd.  III  p.  43.5  aus  der  Handschrift  Nr.  17  der  Dombibliothek 
zu  Trier  veröffentlicht  hat,  gebe  ich  berichtigt  und  vermehrt. 

Zu  des  Avianus  Fabeln  waren  bisher  meines  Wissens  keine  Glossen 
bekannt;  sie  werden  daher  um  so  willkommener  sein. 

Zu  Boethius  hat  Graff  im  II,  Bande  seiner  Diutiska  viele  Glossen 
veröffentlicht;  gleichwohl  werden  die  wenigen,  welche  ich  bieten  kann, 
von  Nutzen  sein. 

Zu  Arator  hat  Graff  Bd.  III  p.  433  sqq.  manche  Glossen  heraus- 
gegeben, die  unsrigen  sind  aber  an  Umfang  wie  Werth  viel  bedeu- 
tender. 

*)  Diese  Handschrift  ist  jetzt  Eigenthnm  des  Herrn  Moretns  und  befindet  sich 
im  sogenannten  Plantin'schen  Hause  zu  Antwerpen.  Man  hat  sie  auf  mein  Auratlien  in 
drei  zerlegt,  da  die  Miniaturen  im  Sedulius  zuviel  litten;  Sedulius  und  Prosper  bilden 
eine  Handschrift;  Statius  die  zweite,  Lucanus  die  dritte. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  VIII.  (XX.)  Jahrg.  9 


130 


NOLTE 


Zu  Prudentius  hat  Graff  1.  1.  Bd.  II  sehr  umfangreiche  Grlossen 
veröffentlicht;  indessen  findet  sich  die  Mehrzahl  der  unserigen  bei 
ihm  nicht;  auch  von  den  durch  E.  Steinmeyer  (Haupts  Zeitschrift  XVI) 
gesammelten  weichen  sie  vielfach  ab. 

Die  Glossen  zu  Avianus,  Boethius,  Arator  und  Prudentius  habe  ich 
aus  der  Handschrift  1393  (Standnummer  1464)  der  Trierer  Stadtbi- 
bliothek abgeschrieben,  welche  zur  Zeit  Kaiser  Heinrichs  III.  copiert 
wurde.  In  dieser  Handschrift  fol.  maxim.  steht  Prudentius  fol.  1  rect. 
init.  —  114  vers.  fin.,  einzelne  Blätter  sind  jedoch  zweimal  oder  drei- 
mal mit  derselben  Ziffer  bezeichnet. 


I.  Zu  Sedulius  c 

Epistol.  ad  Maced. 
obiurges  utpote  qui,  über  qui  steht 

kidfr  '). 
parvi    fomitis     nutrimentum ,     am 

äußeren  Rande  cinselunga. 
muti  tenacitate  silentii,  aragi. 
non  supervacue  sicut  didicisti,  upiga. 
aquila  super  nubes  elevata  pervo- 

litat^  suueuoft. 
saepe  belliger  miles  armis.  cuono. 

Prolog. 
9  doctorum  (philosophorum  glos.) 
vescere  coenis  (libris  gl.);  über 
vescere  steht  commed  (e  oder 
vielmehr  ere  ist  hier  ausradiert; 
lies:  commedei  u.  daneben  unp, 
in  dem  vermuthlich  die  hier  er- 
forderliche Form  von  inpizan  (in- 
piz)  steckt. 

Carm.  Pasch,  lib.  I. 
47  confiuia.  glmfrkf. ") 
91  marcebant  (arebant)  uueleche 
dun'»). 


armen  Paschale. 

94  praecordia.  hfrz  bthrpn. 
167  inlaesam.  ongedarida'*). 
217  Camino,  dxfntfm. 
220  rictusque.  gknfzxngb^). 
232  caecatis.  frphkntfn^). 

lib.  II, 

vs.      7  noxia.  scxldkhc. 

24  acerbis  (acidis,    inmaturis, 
duris).   sfrfn. 
58  pannis.  Ixthrxn. 
81  halens'^).  zelens^). 
104  In  patriam    hfkmb .  . 
115  stimulatus    (instigatus).   er- 

gremit. 
121  nefas   (scelus).    infkndbt^). 
124  secuit.  crazota. 
227  Sanguis    alat    (uutrit,    lies : 
nutriat).  fxrftrfgkt. 

lib.  III, 
108  Singultu.  gischezunga. 

110  matura  (nubilis).  hkbfrkc. 

111  occidit  (cecidit).  fntfkl. 
116  inundantem.  durahlofente. 


")  Wohl  verschrieben  für   khdfr  =  ih   der.  ^)  1  ist  Fehler,  es  muß  f  oder 

k  sein.  ')  u  nach  d  über   der   Zeile;   a  ist   im   Te.xte   ausradiert.  ■*)  nach  r 

Rasur  eines  Buchstaben;  a  am  Ende  ist  auch  vom  Corrector.  ^)  b  kaum  sichtbar. 

*)  h  muß  1  sein.  ')  aus  habens  verbessert;  h   steht  auf  Rasur;   lies   alens. 

*)  ob  für  zilenti  ^^  moliens?  ^)  1.  mfkndbt  =  meindat. 


ALTHOCHDELTTSCHE  GLOSSEN. 


131 


125  Daranavit.  fersluog. 

127  fidele.  gftrxxxl. 

165  Sumpsisti  ^).  minis  (1.  nimis). 

—  gratis,  tbnckfst. 

193  progressus.  zuarukkent. 
202  juges.  samanhaft. 

Lib.  IV, 
221  extorsit.  uzeruuant. 

294  frementis.  brechesendes. 

295  equi    faleris.    osses    (rosses?) 
thes  gereides. 

—  ostro  (purpura).  bitthero. 
297  lento.  baudero. 

—  gestamine.  dragongon. 

lib.  V, 
33  Prodidit.  meldoda. 

37  Esuriant  sitiantque  anira^  sine 

labe  fideles; 

38  Protinus  in  .Tu dam,  sedes  ubi 
livor  habebat.  Diesen  Versen 
gegenüber  steht  am  äußeren 
Rande  la  (der  erste  Theil  des 
Wortes  ist  durch  Beschneidung 
des  Blattes  verloren  gegangen) 
unret. 


4  Pactus;  am  äußeren  Rande 
steht  kfdkngb. 

—  grande.  magende. 
43  numisraata.  muuiza. 

62  Praevius.  uorovuicgigo. 

—  comitaris,  samansindis. 

—  über  signifer  steht  gunt;  über 
enses  steht  anere,  vor  a  ein 
Buchstabe  abgeblasst;  1.  gunt- 
uanere. 

65  prodis.  meldos. 

68  truculenta.  thia  grimm on. 

—  lupus.  uuolp. 

—  porrigit.  ne  reichod. 
103  alapis.  handslagoda-). 

122  demersa  (parata)securis.bnbgf 
slbgbn"^). 

257  liquor.  kfluzzida'*)  lid. 

258  (h)orrendum.  sxrfz. 
287  violat.  aruuarda. 
308  armate.  vuezzent. 

—  signate.  bisiglint. 
310  cardine  rer.  skfrdrf. 


IL  Zu    Prosperi    Aquit.    episcopi  Rheg.    etc.    epigrammaton 

1  i  b  e  r. 

X   delicias  fastidire.  curlustan. 


Praef. 
3  decerpere.  aua  nuppan. 

Epigr. 

IV,  4  spacium.  Frist. 
11  ira.  zorne. 

V,  1  ira.  zorni. 

Villi,  4  gloria.  ru::ni:Hs  =  l. 


XI,  3  spernunt.  entuuerdont. 

XIIII  anima.  upnhuui. 

XVII  inlecebrosa  (voluptuosa).  gi- 

Ivistin. 
XXVII  eruditus.  gizogener. 
XXVI III  mali2:nitatis.  ubiliuullisrin. 


')  ß  fügte  eine  andere  alte  Hand  am  Ende  bei.  ')  Auf  Rasur  u.  go  über  der 

Zeile.  ^)  Zwiseben  den  Endbucbstaben  b  und  n  ist  a  ausradiert;  der  Al>sclireiber 

dachte  nicht  daran,  dali  b   für  a  schon  von  ihm  geschrieben  war.  ')  -=  kkfl.  =  kifl.? 

9* 


132 


NOLTE 


XXXVI  proficit.  frani   thihiz  '). 

XXXVII  infinitas    (interminabili- 
tas).  uneudigi. 

incommutabili.  unueruuandeli- 
chemo. 

XXXVIII  dimitte  nobis.  uerlazuns. 
ignoscit.  fargibit. 

—  4  prospiciunt.  furiscouont. 

—  6  conditione.  gisceppi. 
XXXVIIII  quod    sibi    prosit,    daz 

mobidersusi  ^). 

quo  servus  indiget.  indedemo. 

—  3  augetur.  am  äußeren  Rande: 

uuirdit  furdrit^). 
XXXX  quae   suis    (propriis)    qui- 

buscumque.  thie. 
XXXXII  inpunitas.  unengdani. 
XXXXVII  cupit   ex    iudicio    dei. 

gilate. 
LIII  examen.  rsu : :  chith :  *). 


LX.  8  Et  t.  obl.  succubuisse  bono. 

kfxxchbn  (=  keuuiehan). 
(69)  LXVIII,  3  Devexa  (inclinata 

deorsum).  uohalder^). 

(73)  LXXII,  3  Laudet.  louet. 
8  Ante.  her. 

(74)  LXXm  Remedia.  thie  leh- 
duoma. 

(76)  LXXV  virginiras.  magetheit. 
(78)  LXXVII,  l  dives.  rieho. 

7  damnis.  prfstxngpn. 
(82)  LXXXI  dissimilitudo.  xngk- 

Ikchk. 

11   dissimilis.  ::ngl.eh;.r. 
(86)  LXXXV,  5  velit.  uu=il-. 

(93)  LXXXXII,  6  hospes  (hospes 
dicitur  qui  suscipit  et  qui  sus- 
cipitur  glos.).  knbxps. 

(94)  LXXXXin,  1  concretum. 
gkuubhsf. 


Die  römischen  Ziffern  bezeichnen  die  Nummer  der  von  Theodorus 
Poelmannus  besorgten,  bei  Plantin  1560  zu  Antwerpen  gedruckten  Aus- 
gabe des  Prosper,  in  der  jedoch  die  sententiae  Augustini  nicht  abge- 
druckt sind.  Die  vor  den  römischen  stehenden  Ziffern  beziehen  sich 
auf  die  Pariser  Ausgabe  der  Mauriner.  Übiügens  gab  Poebnannus  die 
Epigrammata  aus  dieser  von  uns  benutzten  Handschrift  heraus. 

m.  Glossen  zu  Arators  Actus  apostolorum. 
In    unserer   Handschrift    steht   Arators  Werk    auf  fol.    198  vers. 
—  fol.  231  rect.  ante  fin. 

17  virtus.  knehtheit. 
20  gymnasii.  spilstat^). 

23  im  E  von  ergo  sidez. 
retiuens.  beauinde. 

24  iuvat  (delectari  faciat  vel  dulce 
faciat).  geliubit. 


init. 
I.  Epistul.  ad.  Florianum. 

8  fluit.  trouf. 

9  grandiloquos.  hohsprachen. 

10  modo  (secundum  modum).  sk*® 

(=  Site). 
12  studiis.  dinemo  lesene. 


*)  Ob  iz  oder  ez  die  Endsilbe  geschrieben  ist,  kann  man  nicht  sehen.         ^)  daz 
mo  biderui  si?  ^)  d  aus  t  verbessert.  *)  1.   ursuochithi.  ^)  a  von  der- 

selben  Hand   über  o   beigefügt.  ^)  i  nur  u,    der    erste    Strich    ist  in  s  verändert 

oder  durchgestrichen. 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN. 


I3r, 


Am  äußeren  Rande  steht  zwischen  den  Schollen  zu  documenta 
vs.  3  u.  natura  vs.  11  gegenüber  vs.  11  u.  12:  Frigo,  gis  id  est  herstu, 
Preteritum  frixi.  Infrictula  pannecuocho.  Frico,  cas.  Preteritum  fricui 
ribun. 


IL  Epistula  ad  Vigilium. 
1  Undosis.  uuazarluot  *). 

11  caulas  (stationes  ovium)  id  est 
fxxkst. 

12  statione  (quiete)  soli^  daneben 
herdes,  estriches. 

20  historiam.  gedanasacha. 

III.  De  actibus  apostolorum. 
Liber  I. 
27  progreditur.  huob  steih. 
31  coramendat.  gelebut. 
82  negotia.  dinc. 
87  retractans    (cogitans).    Bedfu- 

kindi. 
90  elapsus.    Neben     elapsus    am 
äußeren  Rande  Gespoup  aller. 
95  modo,  mitthun. 
113  laterum.  halbum. 
116  circumtulit.  umbevareta. 
120  stemma  (corona).  cierada. 
150  liquorem  (vinum).  lid. 
157  substantia.  xxfsbndk. 
184  portitor.  tregil. 
195  Natui'^  percussit  iter.  fersluog; 
am  äußeren  Rande  steht  frbm 
cunfge. 
212  Divitiasque  metit  locuples;  am 
äußeren    Rande     steht    liebit 
ongenugaz. 
219  fönte  (origine).  Ursprknge. 
225  inexpertum  (iucognitum).  Un- 
aruundan  u.  am  inneren  Rande 


steht  neben  studio  meditemur 

inani.   daz  ernecan. 
245  cum  strage,  uece  helcidu.  di- 

minutione  LaMi. 
247  Respice.  hera  sich. 
253  veua.  ida. 
257  convixere  (reuixerunt,  solidati 

sunt,  conqualescebant).  erque- 

keduni  (=  erquekedun). 
260  incessus.  gang. 
264  figuram      (membrorum;     for- 

mam).  gfschat  (=  geschaft). 
286  Nee  peram.  chulon,  tascun. 
302  Fert  (cupit,  habere  vult).  ge- 

trupgsih. 
305  indice.  Sbgfre. 

331  olivas.  Oliberi. 

332  uva.  Uuinberi. 

338  animata.  selal  hafdu  (=  sela- 

hafdu). 
351  Impetus  (furor).  Drati.  gahi. 
357  queat  memorare  Uuernumugk. 
362  lacrimosa  piaeula.  über  lacri- 

mosa  steht  manda. 
369  lolio.  rathn. 
392  damna.  Prfstxngp. 
401  deterit   (ledit;    pecores   f'acit). 

Nigeuuirserot, 
404  mente      sagaci.     Spurilinemo. 

Clouuuemo. 
421   quando.  Uuane. 
428  über    cautio    verbi   (vel   voti) 

8teht  institutio.  bemenida 


')   Zwischen  a  und  z  ist  Rasnr  von  v;  am  Ende    scheint  mir  t  zu  stehen,  oder 
der  erste  Zug  eines  m,  dann  folgt  eine  schlechte  abgeschabte  Stelle  von  2  Buchstaben. 


134 


NOLTE 


435  conclusitquc.  besloz. 
439  arma.  Uueri. 
450  sacrilega.  Uuerdanero  (1.  uerd.) 
453  decorem  (deitatem).  frambari 
459  O  mihi  si  cursus  (oportunitas 
fart)    facundior    ora  moveret 
am  äußeren  Rande  steht:  Obe 
mir  der  munt  uuola  hortk. 
481  Exciite  (move),  Petre,  gradus 
(gressus  tuos) ;  tecura  medicina 
salutisAmbulat.  Auf  dem  inne- 
ren Rande  steht  Gang,    dann 
folgt  an,  wenn  ich  recht  sehe; 
dann  sind  wohl  6 — 7 — 9  Buch- 
staben   ganz  verwischt;    dann 
hNgang  ist  fruma. 

484  Si  properas.  zuogast. 

485  simul.  samant. 

486  Im  Scholion  zu  dieserä  Verse : 
Dum  saltim  primus  quilibet 
proclamando  sanatur  etc.  steht 
über  primus  der  heristo. 

493  Aridus  (modicus).  dünne. 
497  figuram  (formam).  Gedbt.  Ge- 

scaft. 
515  zelo.  zorne. 

518  sarcula.  Getisart. 

519  Volumina  (densitates).  Uuar- 
hunga  (1.   hwarbunga), 

524  crepidine  (saxo).  Uehaldi. 

526  fallax.  trugenara. 

529  vicim.  per  vices  (herton),  com- 

mutatim. 
548  cavernis.  hrefte^). 
552  Jura.  Gesecida. 
—    Ministerii.  des  dionestes  ^). 


553 

559 


574 

579 

586 
594 

599 

602 

620 
634 
635 
639 

652 
671 

677 
701 
702 

706 


737 

741 


■'')  statuere.  sezthon  iro  ambat. 
Non  patitur  mensura  via.    Id 
est:    brevitas,    inquit,     metri 
longam    exigit    disputationem. 
Nam  metrum  districtior  res  est 
quam  prosa.  Beduungan. 
sagine  (pinguedinis).  Mesti. 
abstractus    (expulsus).    uzfer- 
stozan"*). 
Emicat.  Uzserac, 
limpshata    (bachata    et    insa- 
niens).  debondiu. 
fastigia  regls    (celsa   raoenia). 
hohen  selin. 

acta    (iaculata).   Geuuorfena  . 
Getribena. 
sors.  Geburida. 
perdite.  ferdano. 
venale.  feili. 

quies.  requies  maramiti  (mam- 
munti?).  Suozi. 
sequi.  Beuuerban. 
innocu^  (simplicis).  Unscadeles. 
rotas  (vagationes).  Uuarba. 
iam.  dog  iu. 

custodem   (thesaurarium).    ca- 
merari. 

quo  pignore.  Bidemouuetti. 
Preuius  huic  spado  est?  quo 
precedente  (crescente^  post 
spadonem  adveniente^)  libido. 
daranah  chumendero,  daranah 
farendero. 

actus  (factus).  Gedaner. 
texi     iuncis     palmisque;     am 
äußeren  Rande  steht  texti  und 


')  steht  freilich  über  lege.  ^)  nach  o  ist  n  ausradiert.  ^)  Die  Glossen 

zu  552.  55.3  auf  d  in  inneren  Rande.  *)  s  über  der  Zeile  von  derselben  Hand. 

■')  Also  ist  procedente  zu  lesen,  wie  auch  die  Ausgaben  haben. 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN. 


darüber  geflohtan  mierdan   (1. 
uuerdan). 

747  sinus.  uuiti. 

748  canit.  Besingit '). 

749  signat.  ceikhinit. 
751   species.  daz  bilidi. 

757  vivere ;  auf  dem  inneren  Rande 
ebenso  und  darüber  uiselen 
uuesan. 

760  compone.  fazzo. 

775  iugulantia  (dolentia).  smer- 
zanda. 

778  discrimine.  ungefuori. 

784  poenis.  smerzungen. 

790  porticibus.  Langinnen. 

792  modum.  derauuis. 

—  gyro.   Unbevangidon. 
796  solvens.  ferbrechende. 
812  texuerant.  uuabon. 
816  officiis.  Mit  gebaridun. 

819  materia.  instrumenta  geeuig 
und  auf  dem  inneren  Rande 
instrumenta.gecuig.Machunga. 

—  sonora  (valde  sonans).  clanio- 
sa  lutreistili. 

830  defleta.    Ferclagot.  Beuueinot. 

841  gremiü.  Mammiti. 

844  Salus.  Genist 

856  rectius.  retblichor. 

878  progreditur  (ascendit,  proces- 
sit).  huobsili. 

879  torrente.  Uuarmdemo. 

880  Despiciens.  nidarsiente. 

904  Quatuor      ordinibus      (iniciis. 
ortin),  fierscozzen  u.  auf  dem 
inneren  Rande  fierekkeste. 


135 

ketat. 


905  forma       (substantia) 

scaft. 
—    eminet.  framsciuzzit.    ehonot 
sih, 

923  apex.  hertuom. 

924  victus.  ubercoborot. 

928  ictu.  stihehe. 

929  maculosus.  strirailehter. 

930  extinetura  (perditum,  nuUam 
vim  Habens),  creftelos. 

933  munere.  cegebo  (könnte  auch 
ergebo  gelesen  werden). 

951   Magna  mmes  (fortes)  die  gUG- 
ta  thegana. 

965  Votum  (optionem).  uuuso. 
991  fauce  profundi  (submersione). 

gedinunge. 
996  famulante    (cedente).    keuui- 

chantemo. 
1002  fama  (relatione).  saga. 
1006  cinxit    (circumdedit).    Umbi- 

uieng. 
1027  documenta.  kleini. 

1048  Ludificante  (deludente).    dri- 
gentemo. 

1049  doli(fraudis,  delusionis).trgidi 
(=r  trugidi?). 

1054  cedunt.  Geuuichent ''). 
1065  pondera      (magnitudinem). 
frambare. 

Libe^'  II. 
3  sacravit  (benedixitj.    Segenota. 
6  Pergit    (cepit)    adire.    huopsih. 

buritasih. 
8  procaci.  fravelemo. 
ll   Im  Scliolion  nuper.  mitthun. 


\)  n  über  der  Zeile,  von  derselben  Hand.       •)  h  über  der  Zeile  von  derselben  Hand. 


136 


NOLTE 


19  viam.  uart. 

—  iaculata.  gescoz. 

—  retorquens.  widarsciezanten. 
27  gressibus.  Gengin. 

30  didicit.  uerstuont. 

37  nuper.  miththunt. 

38  hostem.  Barzeu(?). 

45  cedens.  Uuichenti. 

46  vices.  uurhsal  (1.  uuehsal). 

51  Per  varios  modos,    Thie  mis- 
selichen   uueson  *). 

52  venis.  idon. 

—  apertis.  entanen. 
56  veterem.  frambare. 

58  innata.  Auaburdig. 

—  disiuncta.  Gesceidan, 

59  de.  uzar. 

73  evolvite.  bedenkit. 
105  precium.  tiuri. 
120  Linquere.  ergeiian. 
156  passibus  (gressibus).  scritiu. 
158  ferre.  Gehaben. 
170  persona  vetus.  Der  alto  man. 
172  Scholion    Adhuc  insuetus  am- 

c 

bulandi  vacillat  scrandot'. 

—  modo.  Mitthut  (=  raitthunt). 
174  serta  (coronas  llorum).  houbi- 

bant  (1.  houbitbant). 
180  fusa.  gegozzan. 

182  Abscisis.  erhouuuan. 

183  Innocuos.  Unscadelih. 
190  Vulnere.  snite. 

196  daranosa.  sc§dehaft. 
203  vieissira.  hertlicho. 
220  properantibus.  zuoilanten. 
249  Qu§  (id  est  tu)  thu  der. 
253  premi.  Gehindrit  uuerdan. 

—  opem.  fruma. 


258  juris,  herticomes. 

—  omnia.  negotia  dinc. 

274  statuere  (decrevere).  funton. 

280  lux.  sconi. 

282  progressa.  Fergangan. 

285  preputia.  Fureuuasth. 

298  iter  (introitum).  inuuart. 

o07  laxarc.  entlazan. 

308  hgonibus  (fossox'iis).  seh. 

328  relatus  (dictus).  Gesageter.  Gc- 
zalter. 

335  gravati.  Pesolotiu. 

342  habitum  (vestes)  nitido  cora- 
ponere  (ornai'e)  cultu.  karuuu 
id  est  auro  et  lapidibus, 

357  redit.  xzdfruniribit. 

3  76  rea.  fertan. 

379  natale.  Geburte. 

—  via.  fart. 

381  Conditione  (debita  lege)  caret. 
Nistmo  mannes  sculdih. 

390  Nudus  (ab)  amore  timor  (dia- 
boli).  Nite  dardah  duroh  sine 
liubi. 

415  ruinam.  Anaprast.  Clafata. 

417  vagatur.  uueibeta. 

424  In  iugulum  (suum,  in  suam 
necem)  vult  ferre  manum  (su- 
am), sed  non  licet  illi.  herne- 
hanotamo. 

433  Blandiloquus.   Spanaxxprdpn. 

435  ad  crimina  (sua).  ce  sinen  ubi- 
litetin  % 

436  predo.  heneri. 

439  fallit   (falsum    est),   trugidinc. 

untriuua. 
447  Verborum  sator.  Callere, 
452  lolii.  rbthn. 


')  e  von  derselben   Hand  =  streiche  e   und  setze  i. 
von  derselben  Hand. 


')  6  in  a  gebessert 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN. 


137 


456  pr^sidet.  heriscot. 

460  motionem.  Ruorida. 

472  raateria.  Anazimbri. 

488  cessit.  geuueih. 

491  coiere.  gehullun. 

507  bimarisque  Corinthi.    Scholion 

auf  dem  inneren  Rande:  quia 

ex  utraque   parte  alluit  mare, 

ideo  bimaris.  Über  parte  alluit 

mare  steht:   uinhezzerit.    ana- 

sleit  (zu  alluit). 
512  Instrumenta  (virtutes).  Geciug. 
514  scenifactor       (tabernaculorum 

compositor).  flehtari. 
523  argumenta  (significationes.  da). 

Becochiuissi  ^)  (1.  bezechinissi). 
530  declinatis    (infirmis).  Gesuue- 

chenten. 
532  fovet.  Brustit. 
536  natalis.  Geburdich  dag, 
552  virtute.  crefte. 
559  irabres  (lesiones).  ungeuuideri 

u.  darüber  ungeuuore. 
562  ictum.  slag. 
569  Ulteriora  (superiora).  sumera. 

ferrora. 
579  Fundere  (emittere).  vuerfan. 
621   damnorum.  Brestungan. 
631   sudaria.  hubitduoch. 

644  preponimus,  farebieten. 

645  Pervasos.  Anageuartat. 

653  spectacula  (miracula).  uundai'. 

678  distractio.  fercoufida. 

679  donatur.  Ergeban  uuart*^). 

680  petit.  Uuidareiscot. 


—  mala  debita.  Massadati  sculti. 
681  Creditor.  suochenari.  Mezor. 
705  erimenque    foret.     Dazu    das 

Scholion  am  inneren  Rande: 
crimen  (darüber  scult)  nobis 
deputatur  [nobis]  ad  crimen. 
daz  uuizat  manuusih  ze  sculdi, 
des  sulan  uuir  inkeldan, 
710  reposcant.  Uuinderreeisken  (1. 

uuidere  eisken). 
716  impetus  (furor).  gfmuoti. 
718  vestigia  (imagiuem)  bilide. 
728  fusis.  Gegozzenen. 
737  Materies,  anazimbere. 
740  timpana.  Liuti.  Gehelli. 
747  Sacrilego.  demo  heidenemo. 

Am  inneren  Rande  steht  vs.  750 
gegenüber  geuuizida  (zi  über  der 
Zeile  von  derselben  Hand)  und 
vs.  751  calleri,  das  erstere  wird 
wohl  auf  sensu  vs.  749  oder  rati- 
onis  752  sich  beziehen,  das  letztere 
auf  nudam  (sensu  nudatam  et  va- 
cuam)  serit  ore  loquelam  gehen. 
762  coraraisit.  Beval. 
770  Pendula,  hangillun. 

—  celsa  sequi,  ufclimban. 
814  Ingenio  (sensu).  Geuuizze. 
817  ratione  (sensu),  keuuizze. 
829  meraorare.  Gesprechan. 

—  vale.  Gesundida. 

841  discursor     (discussor     andere 
Lesart),  suochenere. 

—  reposcit  (discutiet^).  ersuochit. 


')  Was  da  nach  significationes  bezeichnen  soll,  ist  schwer  zu  sagen.  Ist  es  un- 
vollständig geschrieben  anstatt  der  hier  erforderlichen  Form  von  daht?  *)  Ob 
Er  =  ar  oder  Fr  =  fer  ist  nicht  ganz  deutlich;  doch  fordert  der  Sprachgebrauch  das 
Erstere.              3)  Also  wohl  reposcet,  wie   die  Ausgaben  lesen. 


13« 


NOLTE 


860  ccditc.  Uuichet. 

861  damnosa.  scadehaft. 
871   assuescite.  Gcuuonet. 

882  fluxere(per  oculos).  flozzcdoii; 

auf  dem  inneren  Rande  steht 

fluxore     (emolliti    sunt),     er- 

uueichedun. 
886  mulcet  (consolatur).  loccot. 
894  perfecti.  durahnutes. 
902  canunt    (praedicant)     besin- 

gunt. 
913  coeperat.  Geuieng. 

915  tumultu.cridime  (=  cradime). 

916  Conclamant.  Riefon. 

934  causas.  geburida. 

935  facta,  geburida. 
947   vivere.  erkuekan. 
952  para.  mahadih. 

954  rapuere  phalanges.  liengon 
ce  den  senin  uuorton. 

956  Ventosa  levitate.  zorne. 
960  clamosa.  rufelino. 

971  origo  (initium,  novitas).  ide- 
niuui;  im  Scholion  recenter. 
ideniuues. 

972  malis.  ubildadin. 

973  creat.  machot. 
977  gesta.  geburida. 

981  variat.    tnistelihit   (I.  misseli- 

hit). 
—    stimulatus(tactus).bevorder.^) 
991  fert  (dicit).  sbgpt. 

refert  (negat).  Uuid})rsbgpt. 

994  causa.  Gehurida. 

995  dolos.  Pisuih. 
nefas.  meintat. 

1000  Sacrilegas.  (impias).  ferdanon. 


1001  Vota.  Piheiza. 

1002  Imposuere  sibi  \^cuuiuraue- 
runt  se;  conspiraverunt).  Be- 
hiezunsih. 

1004  pallida  (tenebrosa).    egislich. 

—  imago.  bilide.  Getrehte. 
1011   de.  uzer. 

vicissim.  herdicho  ^). 
1019  monet.  lubot. 
1021   praevenit  (intereepit).  Under- 

nam. 

—  maniplis.  scar  n. 

1023  de  meritis.  tiu  kuottatin; 
Scholion  auf  dem  inneren 
Rande:  Poeta:  Ex  bona  pro- 
ditione  tua  glorificaris.  ketu- 
rit  bist. 

—  honeste.  ersamo.  Scholion  am 
äußeren  Rande:  quia  in  illa 
proditione  honeste.  cusco.  fe- 
eisti. 

1026  virtus  (fides).  triuuua. 

1027  facinus.  Geubiltetin. 
1029  causa  (negotium),  dinc. 
1031  Rhetore.  redinare. 

—  fulta  (firmata).  kesterket.  Ge- 
uuarnot. 

1033  dudum  (ex  multis  annis).  Auf 
dem  inneren  Rande  steht 
Giuuorn,  über  diesem  Worte 
u.  unter  demselben :  Giu  raane- 
goncidon. 

1034  docuraenta  (sapientiam).  uuis- 
tuom 

modestam      (honestam).     er- 
zama. 
1036  dubium.    ziuuoligo  (1.   zuiuo- 
ligoj. 


^)  1.  berorder. 


')  e  über  der  Zeile  von  derselben  Hand. 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN. 


139 


1038  vago.  uppigemo. 

—  movimus  (concitavimus).  pe- 
zigan.  Nergruozoon.  (=-ton). 

1041  nocentem  (obnoxium).  scul- 
digan. 

1042  discrimina  (pericula).  Unge- 
uori. 

1051  morentur.  keduuelt  uuerden. 

1055  provoco.  Gebannon ;  am  äuße- 
ren Rande  steht  Ferdingpn 
in  sina  helfa,  was  wohl  zu 
appello  opem  v.  1056  gehört. 

1065  venustas    fronissci.  Cieri. 

1067  Solverat.  losta. 

1069  patentibus.Certanen.Cersprei- 
ten. 

1071  doli.  Besuicha. 

1072  incanduit.  eruuizeta. 

1073  licta  (fallax).  trugilich.  vuan- 
kelich, 

1074  raoles  (magnitudines).  keuuel. 

1075  abrepte.  ercriftimo. 
1077  sequas.  folgata. 

—  artis  (gubernandi  et  navi- 
gandi  peritia).  cunste. 

1079  Deponunt  animos.  eruiolon 
in  iro  muoton. 

1080  Naufragium.  scifsoufe. 
1082  clavi.  Stiurnagele. 

1085  temptare  (tractare).  handelan. 

1086  obruat.  Beuuerfe. 

1092  Indulsere  cibis.  Anagdierzon. 
anageaftonsih. 

1093  causis.  Geburidon. 

1094  Res.  Geburida. 

1098  ruina  (casus).  Misseburi. 
1103  Ex  preeio.  diuri. 
1105  discrimen.  ungeuore. 


1107  fida(fidelis,bona).  getruwe ') 

1111  Jactur^.  uzuurfes. 

1112  Desperata.  Uerouuan. 

1113  Votum  (optionem).  Uunsc. 

1114  usus.  Nuzzida.  fruma. 

1118  nautraga.  periclitans.  pesuofit; 
immersa.  sinkonte. 

1119  frustrabor  (delud  ir).  Petrogan 
uuirdun. 

1121  statione.  stedi. 

1122  solute  (fracte).  zebrohchenes. 
zeruallenes. 

1 1 25  noctis  (tenebrositatis  in  mari). 
Ungeuuideres. 

—  aperto.  entanero. 
1127  lateri  (plage),  halbo. 

1129  solvite  (frangite)  p.  P.  ieiunia. 

puozant  den  unger. 
1131  Memoranda,  keuuahcelich -). 

1137  gurgite  (profunditate).  sinc- 
vuage. 

1138  convivere.  (conve.sci,  convi- 
vare).  Genesan. 

1140  Observata  legens  (ea  resig- 
nans.  imitans).  uidarceiche- 
nenten. 

1141  causis.  Geburidon. 

1142  Et  repetita.  widarbilidot. 

—  levatur.  Uferhaban. 

1156  nimbis  (tempestate).  unge- 
uuiteren. 

1157  Contulerat  (collegerat),  ce- 
samene  raspoda. 

—  sarmenta.  spacher. 

—  fixit.  hafta. 

1167  agrestia  (ferina).  wilda. 
1172  probant.   beuundun. 
1175  glacies  (algor).  cuili^). 


')  V  über  der  Zeile  von  derselben  Hand.  ')  1.  keuuahtelich. 

dem  ersten  i  ist  e  von  derselben  Hand  beigefügt  d.  h.  cueli  =  queli. 


')  Über 


140 


NOLTE 


1179  Nutrimenta.  cinselunga. 
1181   inque  viccm  (invicem,  vicis- 

sim).  hertlicho. 
1203  dolos,  bisuihca. 

1210  verJs.  lengicenes. 

1211  senio  (canitie).  Greuue. 

1212  cedentibus,  forauuichenten. 
1215  speciem.  Bilide. 

—  cantat  (designat).  Meinit. 
1217  legens   (preteriens    et  transi- 

ens).  fureuarente. 
1223  tendatur    (proteudatur).  Ge- 
breidet  uuerde. 

1225  surrexit  (excreuit).  eruuos. 

—  corpore,    biuange. 

1226  cireumtulit.  Umbiuuarfta. 


1228  fundata.  Geuestinot'). 
—     cacumina.  herinom  (=  heri- 
tom). 
1230  habenas.  betani. 
1232  honor.  hertuom. 

1234  arce  tyranni.  Sezze.  hetuome 
(=  hertuome). 

1235  iura  poli.  himel  geuuelde. 

1236  contingeret.  zuogeuele^    zuo- 
getrafe  '^). 

1239  ortus  (nativitas).  Geburt. 
1246  actus  (biua  actio).  Iro  guodi. 

1248  voluto   (evoluto).     ümbeker- 
derao. 

1249  repetitam.  Uuidarzalt. 

1250  socialis.  geuozlich. 


Glossen    zu  Arators    Act.    apostolor.    aus    der   Trier   Dom- 

.  band  Schrift. 
Die  ehemalige  Handschrift  sancti  Michaelis  in  Hildesia,  welche 
1802  Eigenthura  des  Paderborner  Domdechanten,  des  Grafen  Christoph 
von  Kesselstatt,  ward  und  von  ihm  mit  anderen  Handschriften  der  Trierer 
Dombibliothek  vermacht  wurde,  ist  ein  Codex  miscellaneus.  Er  enthält 
unter  anderen  Stücken  auch  Arators  Act.  apostol.  Dieser  Theil  gehört 
dem  XI  saecul.  an.  Graff  Diutiska  Bd.  3  pag.  435  hat  aus  ihm  Glossen 
mitgetheilt,  welche  wir  hier  vervollständigen  und  berichtigen. 

Epistul.  ad  Vigilium.  98  foecundat.  vuueherhaft^). 

12  statione  (portu,  requie  littoris).      100  cuius  tuba  (vox).  chela. 


stedit. 

lib.  I. 
28  qua.  thar. 
ö3  quo.  thara. 
54  statione  (congregatione).  vuar- 

to. 
72  piscatio,  vueida. 
85  stringens.  eruurginte. 


104  quem,  vuenen. 

114  vocat.  ladota. 

117  iubetur.  pifolen  uuard. 

120  quo  (loco).  thar. 

134  nunc.  thar. 

170  pulsis.  hina  (i  ist  aus  e  ver- 
bessert; nach  a  ist  eine  kleine 
Rasur)  tribene. 


')  Das   erste  e   aus  a   verbessert   von   derselben   Hand.  ')  f  aus   v   ver- 

bessert von    derselben  Hand.  ')  Graff  liest:    vuuoberhafti,    mir   scheint    nicht  o, 

sondern  e  da  za  stehen;  es  i.st  kaum  noch  sichtbar;  i  findet  sich  nicht,  sondern  Graff 
hat  den  unteren  Zug  des  p  in  ponens  des  vorhergehenden  Vers,  welcher  hinter  t  endigt, 
für  i  genommen. 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN. 


141 


173  fus§.  allen  (vor  a  ist  Rasur 
eines  Buchstaben,  ob  es  v  ist, 
kann  nicht  bestimmt  werden). 

178  pavidis.  peche. 

180  tuscare  chaos  (inficere  tene- 
bris).  peche. 

214  sine  limite,  suntrigi  glaube  ich 
dort  zu  sehen,  nach  dem  letzten 
i  ist  etwas  verwischt. 

219  fönte.  vrspr(ing  ist  verwischt)e. 

245  cum  strage  (diminucione ,  vel 


debilitate).  mit  slahto  (nach 

ist  h  ausgekratzt). 
257  convixere.  ebenlebitun. 
285  censuit  (iussit).  firbot. 
295  agmine.  gesemi. 
311  properata.  erhurstiu. 
327  sonare.  uuird. 
—    condere.  uuir. 
335  nata  vetusto.  errunneniu. 

340  ante  uidens.  eror  saher. 

341  fierent.  uuirtin. 


IV.  Glossen  zu  den  Fabeln  des  Avianus. 
Diese  Fabeln  des  Avianus  stehen  in  der  Handschrift  auf  fol.  232 
rect.  ante  med.  —  240  vers.  fin.  Die  lateinischen  Glossen  habe  ich  in 
Klammern  beigefügt. 


p.  4  ed.  Froelmer. 
vit§  argumenta,  cleini. 

Fab.  I, 

1  Rustica  (mulier)  lantsaza. 

7  lustra.  legar. 
10  consumptis.  fersuuieinert  ^). 
14  iurgia.  zorn. 

Fab.  II, 
1  testitudo  (limax).  snega]. 

3  conchas  (cocleas).    Meriselellun 
(^==  meriscellun). 

4  precium  (mercedem).  Mieda. 

6  indignum  (indignans  Froehner). 

Ungesislih. 
—  gressu.  Uigiu. 
13  abhominand^.  Neutrum  absoki- 

tum.  Nahfeugida^)  exose.  post 

iudicia 

h^c  documeuta   quieti    (s    aus- 
radiert), pigricie. 


Fab.  III, 
1  relisit.  strekcht. 


I  pr 
|pr 

gan^) 


osequi 
ocedere 


gressu.     Frammort 


(per  transversum 
transverso   pl.   hec  devia  nate. 
transverso.  ?   uuire  gang"*).   = 
duuiregaug. 
Gestade 

siste  gradus.  gressu  (gau  wohl 
:=  gang  ist  ausradiert). 

Fab.  im, 

1  boreas.  norduuint. 

2  iurgia.  strit. 

3  inceptum  (suum).   Beginnunga. 
7  circumtonat.  chamklot. 

Fab.  V, 
5  exuuvias  (spolia).  hut. 


*)  e^  könnte  auch  o  sein ;  nicht  wohl  v,  da  v  sich  nur  am  Anfange  der  Wörter 
findet.  Lies:  fersuueinten.  ^)  n  ist  etwas    undeutlich    könnte  allenfalls  ei  gelesen 

werden.         ^)  r  nach  f  von  derselben  Hand  über  der  Zeile,  der  letzte  Strich  des  zweiten 
m  ist   aus  o  verbessert.  ^)  3  ist  Zeichen  der  Verweisung  auf  die  Zugehörigkeit. 


142 


NOLTE 


Fab.  VI, 

3  recurrens,  lioppezeiite. 

4  mulcebat(bIandiendo  alloquitur). 
zeqlotiu  ')  (=:  zellotiu). 

Fab.  VII, 
15  sensum.  Geuuizze. 
18  geris.  tregist. 

Fab.  VIII, 

14  damna.  prestonga. 

Fab.  Villi, 
2  suscipiebat  (ambiebat).    began. 
6  preceps.  draitiu. 

15  ieiuna.  uuchterniu. 

Fab.  X, 
1  caluus  eques.  der  calauuouues- 
kiünare  ^). 

5  spiramiüa.  geblasunga. 

6  ridiculum.  gaman. 

7  galeras^).  huode. 
9  sagax.  listiger. 

Fab.  XI, 

1  Eripiens.  erlosende. 

2  agebat.  (inpellebat).  Nidertreib. 

Fab.  XIII, 

4  ductor  (dux).  boch. 

Fab.  XVI, 

11  stridula  (sonora)  ruzzantiu. 
susurro.  dozze. 

12  debilitate  (fragil itate).  Uueichi. 
18  raotibus.  Uuagadon. 

ludificata  (delusa).  Uuiderbillit. 

Fab.  XVII, 
1  torquens.  sciezzendo. 


2  lustra.  legbr. 
4  verbere  (nervo),  senuun. 
8  prestrinxitque.  Femarta. 
10  retenta  diu.  Getuelitiu. 

14  ira.  zorn. 

15  nulia  q.  m.  convenit  (occurrit) 
in  aggere  (via)  forma  (nullus 
horao).  Nebequam. 

Fab.  XVIII, 

7  temptare  (adgredi).   Understan- 
dan. 

Fab.  XVIIII, 
1  Horrentes.  Uuassen. 
dumos.  dorna. 

Fab.  XX, 
1   seta  (amo  =  hämo).  Uurfangul. 

8  fudit.  Geleicha. 

10  ora  (finis).  ende. 

11  depastum  (depastus  Froehner). 
Gemaster. 

Fab.  XXI, 
1  Parvula  p.  ales.  nahtegala. 
4  vicinam.  Geburtlicho. 
14  petit.  Arnut. 

Fab.  XXII, 

11  spem  (utilitatem).  fruma. 

Fab.  XXni, 
1   referens.  tragente. 

12  atque  eadem  retines  funera  no- 
stra  manu  (tua  potestate).  De- 
fectualiter.  Gegangunnissin  fru- 
ma uuesin. 

14  noeuisse.  scadaveran. 


»)  q,  =  q;  solche  Spielereien    mit  Buchstaben    ünden    sich  oft;  vielfach  dienen 

sie  dazu  die  letzte  Silbe  eines  Wortes    anzuzeigen,    damit    der  Leser  nicht  die  letzte 

Silbe  oder  die  letzten  Silben  eines  Wortes  zu  dem  folgenden  zieht.  '')  ii  =z  strei- 
chen.            ^)  a  in  0  gebessert. 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN. 


143 


Fab.  XXIIII, 

9  graves.  zornege. 

13  sollertia  (ingenium).  cleini. 
16  rabidis    (terribilibus).     Fiantli 
ehem. 

Fab.  XXVI, 
3  preruptis(excelsis).  stechchelen. 

Fab.  XXVII, 

2  fundo.  bodome. 

6  calliditate  dolos.  Uncusti. 
8  potaudi.  drinchines. 

iO  explicuisset  (peregisset).  Gefru- 
mete. 

Fab.  XXVIII, 

3  succidens.  abasegende. 

7  themo.  Grindil. 

10  vacua  (cavo).  holemo. 
15  exemplum.  liornzeichan. 

Fab.  XXVim, 
7  sinrnl  (statim).  sar. 
15  cratera.  scala. 
19  hospes.  de  uuirt. 

Fab.  XXX, 
5  rursus  in    excepti    deprehensus 
crimine  campi.  hiban  gedanes. 

Fab.  XXXII, 
1  Herentem.  haftenden. 

iurgite  (=  gurgite).  lachchun. 


axem.  Uuagane. 
4  rebus  (casibus).  Misseburi. 
resideret    (hesisset).  Gebeidedi. 
Getualti. 

Fab.  XXXIIII, 
1  passus.  Eruuordsenun. 
10  propriis  laribus.  Gesuuasin. 

Fab.  XXXV, 
1  profundens.  Geuuerpende. 

13  mox  quoque  dilecti  succedit 
(natus)in<)SCulafratris.inamoris 
vicem.  liubi. 

16  spes.  (fors  Froehner).  Gedingi. 

Fab.  XXXVII, 

4  toris.  Rinnun. 

5  post  ocia.  ferlazunga. 

6  cibum    Uuintbant. 
9  lustra.  dier  uueida. 

14  agit  (fecit).  Uuorta. 

Fab.  XXXVIII, 
4  nobilitate.  ruomta. 

Fab.  XXXVIIII, 

7  lituus.  trumba. 

Fab.  XXXXI, 

6  coqui.  Geclit  uuart  —  gecochit 
uuai't. 

7  teste,  dan. 

18  fata.  Geburida. 


V.  Glossen  zu  Boethius  de  consolatione  philosophiae. 

Die  Hdschr.  X  Saec.,  welcher  wir  diese,  wie  die  Avianus'schen 
Glossen  entnehmen,  enthält  Boethius  Schrift  auf  fol.  118  rect.  init.  — 
168  rect.  vers.  Graff  hat  Diutiska  Bd.  II.  p.  302  seqq.  Glossen  aus  einer 
St.  Galler  Hdsch.  milgetheilt. 

Lib.  I,  carm.  I,  cap.  II.  in. 

3  tendit  (laborat).  ilid.  robur     evaseras     (ascenderas). 

eruuori. 


144 


NOLTE 


carm.  III, 

7  boreas.  nordostan. 
9  emicat    (apparet    et   splendet). 
Blacckizod. 

carm.  V, 

19  boreae.  nordostan. 

20  zephyrus.  vuestan. 

Lib.  II.  cap.  IV  p.  33  ed.  Peiper. 
abesse,  gibrestan^). 
ibid.  proveniat.  bicumit. 

cap.  V, 
37  computas.  ahtos. 

cap.  VII, 
46  arrogantiae   levitate  (vanitate). 
bacheidi.  Gelpbeidi. 


83 


6 


Lib.  III,  carm.  I, 
nothus.  sundan. 

carm.  Villi, 
facis   zema   ab   inferioribus  da 
pater  das  cuncta  moveri. 

cap.  XII,  p. 
et  hie  est  veluti  quidam  clavus. 
Auf  dem   inneren  Rande   steht 
folgende    Bemerkung:     Clauus 
(ein     oder     zwei     Buchstaben 
scheinen    hier    ausradiert)    tri- 
farium  est:  clauus  i.  (=  id  est) 
stiarruoth    &   clauus    nagal    et 
clauus  (1.   clauis)  sluzzil. 
Lib.  V,  carm.  IUI. 
celei'i  (veloci)  stilo.  graf. 


VI.  Glossen  zu  Prudentius. 
Praefat.  14  pertinax  (durans,  perseverans). 

7  crepautibus    (sonantibus).    bre-  einstridie  ). 

stanten.  42  devoveat.  geheize. 

A    Zu  dem  liber  cathemerinon. 
I.  Hymnus    ad    galli  cantum.        45  lucelli.  vuochris. 


14  culmine.  firste. 

89  Mvolum    (darüber  vel   frivola 

id  est  nihil  valentia.  mendosa). 

gebosia. 
II.  Hymn.  matutin. 
21  callida.  dumiga. 

33  severum  (crudeliter).grimlicho. 

34  ludicrum  (ludum,  voluptuo- 
sum).  gebose. 

35  inepta,  darüber  in  halb  aufge- 
frischter Schrift  incosta  (=  in- 
casta?  oder  incosti  =  unkusti  ?). 

36  colorant.  derkeuent. 


58  despice^).  sih. 
72  terge.  chisubere. 
81  Nutabat.  vuichta. 

III.  Hymnus  ante  cibum. 
12  appetere  (sumere,  sapere).  ge- 

smeckan. 
28  serta  (coronas).  houbitbant. 

42  pedicis.  uuallon. 

—  maculis  (retibus).  stricchin  ^). 

43  glutine  (limo).  chleibe. 

48  calamum  (virgam).  angul. 
63  siliqua    (vagina     leguminum). 
hulis. 


*)  t  am  Ende  ausradiert.  ^)  i  zwischen  d  und  e  nicht  ganz  deutlich. 

')  Das  erste  e   ist  in  i  von  alter  Hand   verändert.         ■*)  Auf  Rasur  von  derselben  Hand. 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN. 


145 


69  coit  (coadunatur).  girinnit. 

70  calatho  (coagulum).  casiuaz. 
74  thymo.  binisuga. 

76  nemoris.  bounagardeu. 

94  caveam(os).  holi. 

95  esto  (sit).  vuese. 
112  ingenium.  sId, 

148  discidium     (discordia).     ske- 
tunga. 

IV.  Hymn.  post  cibum. 
3  rependat  (solvat).  uuergelde. 
12  perdomitor.  doubare. 
22  vapore.  thoume. 
27  recessu    (secreto,  in   occulto). 
cbisuase. 

30  congeriem  (cumulum,  uberas). 
zeli. 

31  expedita  (Hberata  vel  parata), 
irlostiu. 

37  praeclueus  (valde  splendens, 
pi-aepotens).  filo  giiollihhiu. 

41  expolita  (fabricata,  ornata). 
giuilode. 

44  dicaraut  (deputaverant).  be- 
meidon. 

45  haustibus.  (rictibus,  sorbicio- 
nibus).  slimtiu. 

49  iubas.  mana. 

51  rictibus.  bizzin. 
93  metunt.  armmt. 

V.   Hymnus    ad   incensum  lu- 
cer n  a  e. 
14  lichnis  (lucernis).   lihotfazzon. 
17  seu.  unde. 

52  calamis  (sagittis).  cehin. 
64  coustans.  gibaldondi. 


—  tendei'e  fire).    dan    (=  gan?). 
73  concavo  (diviso).  holomo. 

VI.  Hymnus  ante  somnum. 
9  fluxit  (defecit).  hergiene. 

29  feriatum    (quietum,    otiosum). 

fironda. 
38  facies  (imagines),  uuielichi. 
68  acervis     (granariis,     cellulis). 

hufon. 

VII.  Hymnus  ieiunantium. 
10  obstrangulat^,    (suffocate).    er- 

uuredes. 
13  invereeundum.  unscamiliniu. 
~  lepos  (facundia).  gisprachi. 
15  parcam  (sobriam).  ginoida. 
^  23  excitato.  uferhuridero. 
48  retorsit.  girihda. 
53  clivosa  (alta).  uuohaldiu. 

—  confragosa  (aspera).  stecheliu^). 

66  parcus(raodestus).furiburdiger. 

67  industriae  (diligentiae).  gilouui. 

115  hauritur  (sumitur).  uerslundan 
uard  (:=  uuard). 

116  cassos.  unbiderbe. 

118  mordicus  (adverbium,  raorda- 

citer).  bizlicho. 
123  per  latebras  (in  ventre  ferino). 

hulin. 
127   singultibus.  rihuugou. 

133  imputans.  cellenti. 

134  Impendit.  analigit. 
140  Nato,  erunnenero. 
142  palpitat.  zabeloda. 

146  publicis  (manifestis).   luitbari- 

gea. 
150  fluentem.  uueibondas. 
153  lupexa.  ungistraldiu. 


*)  1  ist  ganz  verblichen. 
GEKMANIA.  Neue  Reihe  Vm.  (XI.)  Jahrg. 


10 


146 


NOLTE 


157  Lenam  (palliumimperatorum). 
lachan. 

158  sutiles.  girigene. 

164  cunule.  vuagun. 

165  pupille.  tutten. 

—  parca  (avara).  argiu. 

167  Sollers,  giuuariu. 

168  strepentes.  springendes. 
181  laxo.  lazzenemo. 

—  iugo.  biduinge. 

208  scabra  (aspera).  handigiu. 

VIII.  Hymnus   post  ieiunium. 
3  septos.  bivangane. 
15  imbuatur  (saciatur,  refoveatur), 

gilabot  uuerde. 
20  mulceat.  loeo. 
27  tinguat   (coloret).   giunsubere. 
29  tegiraus.  decchimes. 
33  residem  (pigram  de  culpa Ad§). 
irlegenaz. 

42  vibrat.  vuehsit. 

—  impexis  (spinosis ;  vel  implexis, 
dieses  a  manu  recentiori).  strx- 
bfntfn '). 

—  lappis,  clfttb. 

43  Carduus,  distil. 

51  compensant    (equiperant).   ni- 

vergeldent. 
59  cratem  (corpus terrenum).hurd. 
64  enervans    (infirmans).     giuue- 

hendi. 

IX.  Hymnus  omni  hora. 
15  trin.    rerum  machina    (c^lum, 
terra,  mare).  girusti. 

35  nectare  (sputo).  speichelen. 

36  orbibus  (oculis).  oucstallon. 


40  Extimum  (extremitatem).    uz- 
nechdigi. 

—  furtim.  doueno. 

n3  efferatis.  ergremiden. 
54  ruitque.  ilda. 

56  suilli  (porcino).  suini. 

63  lacunam  (foveam).  huli. 

64  meatus.  hornissida. 

72  (in  über  der  Zeile  der  zweite 
Glossator)  dissolubilis.  ciloslic. 

73  irruentes.  zizuoilenden. 

—  tenax.  argiu. 

81  Fertur.  gisaget  ist. 
98  demum.  dohidemon. 

X.  Hymnus     circa     exequias 

defunctorum. 

26  Luteum  (terrenum).  unsubero. 

—  captat  (elevat,  appetit).  giden- 
kin. 

36  collegia  (compaginem,  consor- 
tia).  ginossceptdi. 

57  provida      (dispensatrix).      gi- 
uuariu. 

70  heros  j  (vir    fortis,    princeps). 

gomo. 
96  fatiscere  (dissolvi  vel  deficere). 

muoden. 
102  carpet    (corrumpet^    auferet). 

zugot. 

106  populatur  ]  (devastatur).    hosit 
(von  osjan). 

107  resudans.  duldendi. 

108  Luet  (persolvet).  vergildit. 
118  suspendite(retinete).enthabent. 
125  fovendum  (inmittendum).  zibi- 

sehenne. 


')  Das  letztere  f  aus  e  verbessert;   der  Abschreiber  vergaß,  daß  er  in  Geheim- 
schrift copierte. 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN. 


147 


133  depositum  (creditum,  commen- 
datum).  bivolehennan. 

141  cariosa  (putrida).  uurmazig. 

164  ademerat.  ginam. 

169  fovebiraus  (ornemus).  bise- 
hemes. 

XI.  Hymnus  VIII  kr.  Januarii. 
8  recisa  (breviata).  gicurder. 
13  Emerge  (ascende,  exi).  uzzin- 

brist. 
16  mediator.  medescafdari. 
26  digesto    (ordinato,    disposito). 

irracdero. 
34  inanes.  ubbige. 
—  nenias  (vanitates).  gibosa. 
39  mancipatam.     bihafdan,     ki- 

scalchten. 
52  glutinans  (ligans,  coniungens). 

giuuogendi. 

54  fastidia  (tedia).  bedunga. 
67  harenas.  sant. 

B.  über  Pe 

I.  Hymnus  sanctorum  marti- 

rum  Hemiterii  et  Cheledonis. 

7  tinctus  (vel  unctus).  giuaruuit. 

47  forum,  marcat. 

55  bipennem.  bardun. 

66  stipendia  (i.  alimonie,    lucra). 

heri  stiura,  spisä. 
69  monstra.  gidrog. 

73  obsoleta    (inveterata,    deleta). 
giuuahsan. 

74  Invidentur.  erbunnun  uuirtun. 
77  tenacibus.  festen. 

80  paverunt  (nutriverunt).   zugin. 

IL  Passio  sancti  Vincentii. 
29  hie.  dar. 


92  lymphatam     (hebriam,     insa- 
niam.     1.    ebriam,     insanam), 
uuotinti. 
103  irritus.  unbiderben. 

XII.    Hymnus    de    epiphania 

domini. 

25  sinu  (recessu,  reeeptaeulo,  re- 

gione).  biegen. 
39  sublime,  stuiraz. 

55  sulcum.  vuruch. 
120  vomit.  indigerit. 
196  coxerat   (fabricaverat ,  forma- 

verat).  soht. 
199  Rasum.  giuilodaz. 

—  dolatum.  gisnidonaz. 

—  sectilem.  gihouuenaz. 
Auf   dem    inneren  Rande    steht 

noch:  Rasum  vel  raso  und  darüber: 
heuiltad  (d  scheint  aus  t  verändert), 
bescuorener;  ferner  dola  und  dar- 
über barda. 

ristephanon. 

41  commotior  (magis  iratus).  er- 
bolginora. 

56  exere  (praepara).  kifrume. 
70  follibus.  balgen. 
79  aucupes.  nemare  und  darüber 

farare. 
96  iactet  (loquatur).  uuituerpfo. 
102  Convitiator.  sceldari. 
105  ergo,  de  (=  do). 
112  crepet,  breste. 
116  palpiter.  zabalo. 
120  ungula.  furca  (=  furka). 
122  Eviscerando     (viscera    extra- 

hendo).  scurfendo. 
124  toros  (rotunditates).   rause. 
131  Gaudet.  smieret. 

10* 


148 


NOLTE 


139  Respiret.  reste. 

174  uncis.  kraphon. 

177   callum  (duricia).  suil. 

199  Bitumen,  harz. 

201  frendeus.  gremizzender. 

205  Decernat.  erdeilda. 

217  regula.  stap. 

218  Dente  (clave  multiplici).  cinde. 
221  rogum.  saccare. 

227  stridulis.  strideden. 

228  sparsim.  vuar  unde  vuar. 

229  Arvina.  feizti. 

230  caiiterem  (lectum  ferreum,  cau- 
terium).  bolzo. 

—  lavit.  nazza. 

232  liquitur.  smalz. 

252  Divaricatis(separati8,extensis). 

zescracten. 
268  Commenta.  urdanka.  - 

271  morsus.  loch. 

—  stipitis.  stocches. 

272  dissilit  (crepat).  zebrast. 
311  über  manserat.  uuas, 

315  instar  (similitudine ;  proprie 
est  in  mente).  pilidlichero. 

318  postibus.  turistuodeliu. 

32^  dedecus.  honitha. 

336  nie  (aliquis).  sumilicher. 

342  tinguunt.  nazdun. 

366  auleis  (palliis).  Seholion :  Aulea 
proprie  est  vmbihanka  ab  aula 
Attali  regis  dicata. 

378  irrita.  unbiderbiu. 

380  efferata.  irgremidiu. 

—  exusserant.  brantun. 
396  carices.  semidacha. 
403  trucis.  gremizes. 

457  sparteus.  suertillin. 

458  culleus.  corhop. 
469  Funale.  seiUih. 


519  auram.  chuoli. 

531  serram.  seguu. 

551  ungulas.  craphen. 

552  stipitom  (cippum).  stoc. 

III.  Hymnus  in  honore  XVIII 
Martyrum      Cesaraugustano- 

rum. 
79  domusinfulata  (ornata).fantilia. 
132  tabidus.  eitarlih. 

IV.  Hymnus    in    honore   bea- 
tissimorum   martyrum   Fruc- 

tuosi  episcopi  etc. 
38  commenti    (adinventionis).  ur- 
dankes. 

VIII.  Ad  Valerianura    episco- 

pum  de  passione  ipoliti. 
167  subterranea.  erdbus. 

IX.  Passio  apostolorum. 
42  lacunar  (domus).  himilicin. 
61  pontis.  brucca. 

X.  Passio    s.  Cypriani    (in    der 
Hdschr.  fehlt  der  Titelj. 
77  calce.  calke. 
107  instruit.  uuarnot. 

XI.  Passio  s.  Laurentii. 
56  Montes  (acervos)  monet^  con- 
ditos,  über  raonet§  id  est  mu- 
nizapraecussorum  denariorum. 
77  predia.  eigan. 
84  Nudare.  gearraen. 
89  publicus.  frono. 
122  minis.  pundun. 
190  rudera.  arizzae. 
231  Claudicat,  hinchot. 

254  prurit.  chicilot. 

255  äcalpit.  scebit. 
258  Strumas.  chelca. 
281  Pannis.  ludron. 


ALTHOCHDEUTSCHE  GLOSSEN. 


149 


282  mulcentis.  rozzegon. 

283  Mentum.  kinne. 

XIII.  Passio    sanete   Agnetis. 
108  fasces.  facul '). 
117  cristas.  camba. 

XIIII.  Incipit  Romanusa  Prü- 
de nti  US  positus. 
78  Ventilator      perturbator       ceu 
(^=  seu).  uuisgelare. 
111  apparitores    ([ab]    apparendo 
dicti).  inknehta. 

—  suggerunt     (indicant).     under 
zalton. 

156  Lapis,  agaht. 

—  esseda   (vehiculum    gallicum).     557  caraxat  (scribiti.  crazzot. 
samboch.  762  testa.     gebel    (von    derselben 

172  supinus.  caffander.  Hand). 


187  Vervece.  uuidere. 
239  Fusos.  spinila. 
264  sarculatas.  gegedenen. 
267  officinis.  hantuuereun. 
280  tyrso  (ramo  vitis).  stauge. 
294  caminis.  smithun. 
299  trulla.  chella. 
303  circulator  (deceptor).    rizzere. 
383  ofellis  (particulis).  bradon. 
485  pleuresis  (passio  lateris).   ste- 
ch etho. 

489  papulas  (vesicas).  blaterun. 

490  cauteribus.  bolzon. 

495  podagra  (passio  pedum).  fuoz- 
suht. 


291  stamine.  uuarfe. 

295  telis.  vuebisan. 

303  fotibus.  vuerminon. 

317  calentis.  setten. 

322  ganeonis  (luxuriosi).  urazes. 


C.  Zur  H  amartigenia. 

329  polimus.  cerden. 
364  perfurit.  uuodit. 
379  suspiria.  suftunga. 
386  commendat.  keliubit. 
601  excruciata.  ero  rosa. 


D.  Zur  Psychomachia. 
a)  praef.  b)  carm. 

31  equarum.  stuote.  131  capulum.  heltes. 

VII.  Die  nachfolgenden  Pflanzen-  und  Thiernamen  sind  einem 
in  meinem  Besitze  befindlichen  Handschriftenfragmente  aus  der  Mitte  des 
Xl.yJahi'huuderts  entnommen.  Mau  kann  zur  Vergleichung  nachsehen 
GraffsDiutiskaBaudll,  p.  188  .273  und  Bd.  HI,  p.  339  seqq.  und  353  seqq. 
Hattemers  St.  Gallens  altteusche  Sprachschätze  Bd.  I  ]>.  289  seqq.  Ger- 
mania XIX,  436. 

Robur  et  quercus,  eich.  Salix,  wida. 

Fraxinus.  asc.  Populus.  belzboum. 

Alnus.  erla.  Platanus.  achorn. 


')  Hinter  1  i.st  jedoch   Rasur   und   da  pass.  s.    Roman,  vs.  67  wie  praef.  apoth. 
TS.  39  fax  durch  facula  erklärt  wird,  so  stand  auch  hier  wohl  facula. 


150 


BARTSCH,  ZU  KONRADS  TROJANERKRIEGE. 


Corilus.  basal. 

Paliurus.  hagan. 

Vepres.  bremin. 

Malus,  afaldra. 

Pirus.  pireboum. 

Abies.  danna. 

Viscus.  raistil. 

Carpcnus.  hagan  (ist  wohl  buocha, 

buoha  am  Ende  abgefallen). 
Tremulus.  haspa. 
Dumus.  ahorn. 
Sentis.  dornna. 
Nux.  nuzboum. 
Picea,  foraha. 
Ulmiis.  raelm  (lies:  elm). 
Cerasus.  kirsboum. 
Tramasca.  mazaldra. 
Sambucus.  holend  (=  holender). 
Fusarius.  spiniliboum. 
Sanguinarius. .  hartrugilin. 
Persicus.  p  ersichboum. 

Lepus.  hazo. 
Castor.  biuor. 


Lustrus.  ottar. 

Capreolus.  rehoc  (—  reboc). 

Verls  (=  verres).  ber. 

Caper.  boc. 

Ibix.  steinboc. 

Onager.  scclo. 

Alx.  heloho. 

Rinocerotos.  unicornis  geschrieben 
als  ob  es  eine  deutsche  Glosse 
wäre. 

Griphes.  griph. 

Linx.  luhs. 

Simia.   aphpho. 

Cenophalus.  hunthobido. 

Iricius.  igil. 

Istris  (hystrix).  ramus. 

Mustela.  wisela. 

Sorix.  müs. 

Grillo.  hseimo  (se  ==  a  in  e  ver- 
bessert 

Scarabeus.  vuibil. 

Talpa.  muluuerp. 


ZU  KONRADS  TROJANERKRIEGE. 


Ein  paar  Bemerkungen  zur  Ausfüllung  der  Seite.  V.  96  daz  er 
bedürfe  rätes  niht\  A  (die  Straßburger  Hs.)  hat  bedarf e,  danach  schreibt 
Wackernagel  (LB  I^,  953,  4)  bedarf  geraetes-^  aber  rätes,  wie  a  (die 
St.  Galler  Hs.)  liest,  während  A  rechtes  hat,  wird  bestätigt  durch  Lieder 
32,  309  (S.  399  meiner  Ausgabe)  ander  fuoge  dürfen  alle  rätes  und 
geziuges  wol.  —  689.  Was  die  Ausgabe  hat,  steht  in  keiner  Hs.  Statt 
vf   der  erde  lesen  afg  üf  erde^    cd  üf  die   erde,  Ab  Hf  dis  erde,  und 

letztere  Lesart  ist  die  richtige. 

K.  B. 


TREUTLER,  ZUR  THIDREKSSAGA.  151 


ZUR  THIDREKSSAGA. 


I. 

Sehr  merkwürdig  ist  das  Vorkommen  von  doppelter  Erzählung 
gleicher  Gegenstände  in  der  ältesten,  von  Ungar*)  durch  Mmb.  (Mem- 
bran) hier  kurz  M  bezeichneten  Handschrift  der  ridrekssaga.  Es  han- 
delt sich  hierbei  um: 

I.  Die  ausgedehnte  Erzählung  von  Vilciuus,  Hertnit,  Osantrix  und 
die  Erwerbung  der  Erka  durch  Attila. 

1.  Cap.  22—56,  S.  28—64  bei  Unger  unter  dem  Text;  in  M  auf 
Lage  II  und  III  von  der  Hand  des  ersten  Schreibers. 

2.  Cap.  21—56,  S.  27—65  bei  Unger  als  Text,  in  M  erst  nach 
Cap.  240  (S  220  ff.  bei  Unger);  Lage  X  und  XI.  Schreiber  III. 
Dann  noch  um  zwei  kürzere  Stücke: 

IL  Die  Erzählung  von  Hagens  Herkunft. 

1.  Cap.  169,  S.  170  bei  Unger,  in  M  von  Hand  III  auf  der 
eingenähten  Lage,  die  Cap.  152 — 188  enthält. 

2.  Cap.  170.  171  in  M  von  Hand  II  auf  Lage  VIII  (bei  Unger 
S.  171  als  Text);  dieselben  wiederholt  in  M  von  Hand  III  auf  der  ein- 
genähten Lage,  bei  Unger  S.  171  ff.  unter  dem  Text. 

III.  Die  Erwerbung  von  ridreks  Hengst  Falka  durch  Heimir,  von 
der  die  Gelehrten  bis  jetzt  annahmen,  daß  sie  in  M 

1.  als  Cap.  2li 

2.  als  Cap.  188  (eingenähte  Lage  Hand  III)  gestanden  habe, 
in  der  ersten  Stelle  freilich  sei  sie  verloren. 

So  auffällig  die  obige  Erscheinung  ist,  so  wenig  liegt  eine  irgend 
befriedigende  Erklärung  vor.  Unger  in  seiner  Vorrede  S.  III^  IV  meint, 
der  Verfasser  der  Saga,  keiner  schriftlichen  Quelle  folgend,  habe 
selbst  ihm  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  mitgetheilte  deutsche  Sagen 
zu  einem  Ganzen  verbunden,  und  da  diese  zahlreich  und  theilweise 
stark  von  einander  abweichend  gewesen  sein  mögen,  so  könne  man 
sich  nicht  wundern,    daß   derselbe  mitunter   seine  Noth  gehabt  haben 


*)  Saga  Didriks  konungs  af  Bern.  ndg.  af  C.  B.  Unger.  Kristiania  1853. 


152  TREUTLER 

möge,  sie  auf  die  beste  Weise  zu  ordnen,  und  daß  es  ihm  passiere 
sich  zu  widersprechen,  ja  bisweilen  auch  dieselbe  Sache  auf  zwei  ver- 
schiedene Weisen  zu  erzählen,  hierzu  könne  ihn  auch  die  Lust  ge- 
führt haben,  zwei  verschiedene  Relationen,  deren  keine  er  vorziehen 
wollte,  zu  bewahren.  Wir  unsererseits  haben  schon  leises  Bedenken, 
ob  der  Verfasser  überhaupt  seinen  Quellen  gegenüber  so  bedenklich 
gewesen,  daß  er  nicht  einfach  das  besser  in  den  Zusammenhang  pas- 
sende aufgenommen  haben  sollte.  Aber  auch  wenn  wir  uns  dieses  Vor- 
urtheils  entschlagen,  erscheint  es  uns  mehr,  als  ob  der  Verfasser  den 
Leser  glauben  machen  wollte,  er  bringe  etwas  neues,  als  daß  er  die 
Absicht  hätte,  zwei  Relationen  zu  bewahren,  wenn  er  zwischen  dieselben 
184  Capitel  setzt,  wie  dieß  bei  den  Sagen  von  Vilcinus  etc.  der  Fall 
ist.  In  Bezug  auf  die  Geschichte  von  Hagens  Herkunft  (Cap.  169.  170) 
möchte  man  solche  Erklärung  eher  gelten  lassen, 

Ungers  Entschuldigung  des  Verfassers  also  ist  nicht  befriedigend. 

Auch  was  Gc.  Storm  in  seinem  jüngst  zu  Kristiania  erschienenen 
Buche:  Sagnkredsene  om  Karl  den  störe  og  Didrik  af  Bern,  S.  99 
bis  104  vorbringt,  entbehrt  erwünschter  Schärfe  und  Deutlichkeit,  ob- 
gleich vieles  darin  gegeben  wird,  was  zu  weiterer  Erkenntniss  förder- 
lich ist. 

Ein  erneuter  Versuch  den  bisher  noch  dunkeln  Thatbestand  auf- 
zuhellen erscheint  somit  gerechtertigt,  ein  solcher  soll  im  Folgenden 
vorgelegt  werden.  Vielleicht  gelingt  es,  gerade  von  dunklem  Punkte 
aus  Licht  über  die  Entstehung  der  ganzen  ridrekssaga  zu  verbreiten. 


Wir  müssen  eine  kurze  Orientierung  vorausschicken  über  die 
handschriftlichen  Verhältnisse,  von  Unger,  der  hier  unsere  Q.uelle  ist, 
in  seiner  Vorrede  sehr  sorgfältig  dargestellt. 

Drei  Handschriften  haben  Avir  von  der  ridrekssaga  und  den  Anfang 
einer  vierten. 

1.  Der  Pergamentcodex  nr.  4  fol.  in  der  königl.  Bibliothek  in 
Stockholm  ist  die  Membran,  von  der  schon  oben  die  Rede  war,  in  Nor- 
wegen, vielleicht  noch  Ende  des  13.  Jahrhunderts  geschrieben,  bei 
weitem  die  wichtigste  der  erhaltenen  Handschriften. 

2.  Befinden  sich  in  der  Arni  Magnussonschen  Handschriftensamm- 
lung zu  Kopenhagen  zwei  Papierhandschriften  der  Saga  aus  dem  17. 
Jahrhundert,  Cod.  178  fol.  aus  der  Mitte  desselben,  und  Cod.  177  fol. 
1691  beendet.  Der  Anfang  einer  dritten  Papierhandschrift  aus  dem  Jahre 
1682  ist  zu  Stockholm. 


ZUR  THIDREKSSAGA.  153 

Endlich  besitzen  wir  eine  in  vieler  Beziehung  wichtige  altschwe- 
dische Bearbeitung  aus  dem  15.  Jahrhundert. 

Der  Pergamentcodex  M  bestand  ursprünglich  aus  19  Lagen, 
zu  je  8  Blättern,  wenn  wir  von  der  achten  absehn^  in  die  früh  schon 
X  Blätter  eingeschoben  wurden.  Jetzt  fehlt  vieles,  vor  allem  beinahe 
die  ganze  erste  Lage,  (oder  die  beiden  ersten?),  nur  Blatt  1,  unbe- 
schrieben, ist  am  Deckel  klebend  erhalten.  Weiter  mangelt  die  ganze 
18.  Lage,  von  der  19.  Blatt  2 — 7;  Blatt  1  und  8,  letzteres  unbeschrieben, 
sind  erhalten.  Je  zwei  correspondierende  Blätter  sind  weiter  verloren 
in  Lage  2,  7,  11,  13  und  17;  im  Ganzen  also  31,  erhalten  sind  131,  das 
erste  und  letzte  unbeschrieben. 

Geschrieben  ward  die  Handschrift  von  fünf  Schreibern. 

Nr.  I  schrieb  Lage  2  und  ein  Stück  von  3,  wohl  auch  den  ver- 
lorenen Anfang. 

Nr.  II  die  Lagen  3,  4,  5,  6,  7  und  8,  abgesehen  von  der  letzten 
Seite  und  alle  Überschriften  bis  dahin. 

Nr.  III  die  letzte  Seite  von  Lage  8,  die  Lagen  9 — 12,  das  von  Lage 
19  erhaltene  erste  Blatt;  alle  Überschriften  von  da,  wo  er  ein- 
setzt, an  bis  zum  Schluß  der  Handschrift  (abgesehn  von  zweien); 
endlich  gehört  ihm  der  Einschub  von  X  Blatt  zwischen  Blatt  5  und  6 
in  Lage  8  an. 

Nr.  IV  schrieb  Lage  13,  14,  fast  7  Blatt  von  15  (die  letzten 
10  Zeilen  vom  siebenten  Blatt  und  das  achte  von  15,  Lage  16  und  3 
Blatt  von  17  schrieb  Nr.  V)  und  Blatt  4 — 7  von  17,  endlich  die  Über- 
schriften von  Cap.  293  und  342,  die  Nr.  HI  nicht  schrieb. 

Ob  Lage  18  und  das  von  19  verlorne  Nr.  III,  IV  oder  V  schrieb, 
ist  zweifelhaft,  sicher  nicht  Nr.  I  oder  IL  Bei  Blatt  8  in  der  achten 
Lage  sehen  wir  eine  Scheidung,  bis  dahin  war  Nr.  U  der  Hauptschreiber, 
von  hier  an  wird  es  Nr.  III. 

Nr.  I,  II  und  III  sind  Norweger  gewesen,  Nr.  IV  und  V  Isländer. 
Die  beste  Orthographie  ist  die  von  Nr.  II,  wunderlich  die  von  IV  und  V, 
norwegische  Laute  sollen  wiedergegeben  werden,  aber  die  isländische 
Sehreibweise  verhindert  es  oft.  so  entsteht  ein  buntes  Gemisch  nor- 
wegischer und  isländischer  Rechtschreibung ,  und  Storm  schloß  wohl 
mit  Recht  daraus,  daß  Nr.  IV  und  V  nach  norwegischem  Diktat 
schrieben  (a.  a.  O.  S.  101). 

Als  Beweis,  daß  im  Anfang  der  Handschrift  nicht  mehr  als  7  Blatt 
fehlen,  führt  Unger  die  unten  auf  den  letzten  Seiten  von  Lage  3  und  4 
erhaltenen  Numerierungen    und  Merkzeichen  für  den  Buchbinder,  von 


154  TRETITLER 

Nr,  II  herrührend,  an  (z.  B.  auf  Lage  3  hinten:  IUI  J)er  brodir, 
welche  Worte  Lage  4  beginnen). 

Berechnet  man  aber,  was  die  einzelnen  Schreiber  auf  ein  Blatt 
brachten,  so  findet  man: 

Nr.  I  etwa  50  der  Ungerschen  Normaldruckzeilen  zu  je  1974 
Silben.  Berechnung  nach  Lage  2,  (der  kleinere  Druck  ist  in  den  großen 
umgerechnet,  41  Druckzeilen  zu  2372  =  963  Silben  =  50  zu  I974). 

Nr.  II  69 Vo  Zeilen,  Berechnung  nach  Lage  7^  5. 

Nr.  in  73  Zeilen,  Berechnung  nach  Lage  19j. 

Nr.  IV  64  Zeilen,  Berechnung  nach  Lage  13,. 

Nr.  V  schreibt  in  ähnlicher  Größe  wie  Nr.  IL 

Capitel  1  —  20,  die  in  M  fehlen,  nach  den  gewöhnlieh  kürzenden 
isländischen  Handschriften  gedruckt,  füllen  etwa  644  Druckzeilen,  gäbe 
auf  7  Blatt  pro  Blatt  92.  So  hätte  nicht  nur  nicht  der  Prolog,  wie 
Ungcr  Seite  XIII  meint,  sondern  nicht  einmal  der  Text  Platz  auf  den 
7  Blättern  gehabt.  Man  wird  daher  noch  eine  ganze  Lage  oder  zu- 
sammen 15  Blatt  als  fehlend  annehmen  müssen.  Das  gäbe  nach  obiger 
Berechnung  43  Druckzeilen  auf  das  Blatt.  Da  das  Original  etwas  ausführ- 
licher gewesen  sein  wird,  gewinnt  mau  eine  noch  größere  Zahl,  die 
der  oben  für  Nr.  I  angeführten  ziemlich  gleich  kommen  wird.  Überdieß 
mag  im  Anfang  Nr.  I  besonders  freigebig  mit  dem  Raum  verfahren 
sein.  —  Die  IUI  lässt  sich  auch  so  wohl  erklären.  Man  wird  den  ersten 
Custoden  (den  zur  2.  Lage)  mit  I  bezeichnet  haben.  Also  der  Custos  IUI 
bezeichnete  den  zur  fünften  Lage. 

Die  ridrekssaga  kam,  wie  Storm  gegen  Hyltdn-Cavallius  (der 
die  Zeit  von  1449 — 76  dafür  annahm)  bewiesen,  in  den  Jahren  1434 
bis  1447  nach  Schweden,  und  es  ward  hier  eine  Bearbeitung  in  schwe- 
discher Sprache  angefertigt  (vgl.  Storra  a.  a.  0.  S.  139  ff.)  und  zwar  war 
es  unser  Codex  der  ridrekssaga,  M,  der  jetzt  in  Stockholm  ist.  Der- 
selbe lag  dem  Verfasser  der  Überarbeitung  vor  (vgl.  Unger  S.  VI).  Die 
bei  Unger  angeführten  Beweise  erscheinen  schlagend. 

Außerdem  erfuhr  diese  schwedische  Überarbeitung  aber  unmittel- 
bare deutsche  Einflüsse;  Namen  erscheinen  in  einer  Form,  mehr  ähnlich 
der  deutschen,  als  der  in  der  ridrekssaga  erscheinenden,  sehr  merk- 
würdig ist  der  Zusatz  in  Cap.  158  (s.  W.  Grimm,  Heldensage  S.  76. 
Unger  S.  XIII,  XIV)  und  der  von  den  4  Ellenbogen  Heimirs,  Cap.  14 
(W.  Grimm,  Heldensage  S.  257. Raßmann,  Heldensage,  Band  II,  S.  XXXIV. 
Storm  S.  149). 

Storm  meint,  im  15.  Jahrhundert  sei  das  Zuströmen  norddeutscher 
Kaufleute   nach  Schweden   so  groß    gewesen,    daß   eine  Umwechslung 


ZUR  THI©REKSSAGA.  155 

der  in  der  ridrekssaga  überlieferten  Namen  in  die  neuern  Formen, 
welche  jene  mitbrachten,  natürlich  erscheine.  Er  sucht  außerdem,  wie 
uns  däucht,  mit  Recht,  zu  erweisen,  daß  größere  deutsche  Gedichte 
dem  schwedischen  Überarbeiter  nicht  bekannt  gewesen  sein  werden 
(vgl.  S.  148  ff.). 

Die  schwedische  Bearbeitung  bietet  nun  noch  vier  Schlußcapitel, 
383 — 386  (in  M  ist  der  Schluß  verloren),  deren  die  isländischen  Papier- 
handschriften ermangeln.  Hylten-Cavallius  hat  diese  Capitel  als  dem 
schwedischen  Bearbeiter  eigenthümlich  in  Anspruch  genommen,  doch 
erscheinen  die  von  Storm  S.  145  ff.  dagegen  vorgebrachten  Gründe 
überwiegend.  (Der  Berechnung  S.  104  vermögen  wir  freilich  keine  Zu- 
verlässigkeit zuzugestehn,  die  Kürzungen  der  isländischen  und  schwe- 
dischen Bearbeitungen  sind  unberechenbar,  und  die  letzte  Lage  kann 
auch  geringer  gewesen  sein,  als  8  Blatt,  während  bei  der  ersten  viel 
mehr  Berechtigung  vorliegt,  sie  so  stark  wie  die  folgenden  anzunehmen. 
Vgl.  auch  Raßmann,  Heldensage,  Band  II,  Vorrede,  S.  XXX.) 

Übrigens  gewährt  die  Bearbeitung  ein  ziemlich  treues  Bild  von 
M,  vieles  freilich  hat  sie  gebessert. 

Der  Doppeldarstellungen   hat  sie   sich  entledigt.    Die  Geschichte 
von  Vilcinus  etc.  gibt  sie    nur  nach  der  ersten  Recension,  Cap.  22  ff. 
ebenso  Hagens  Herkunft  nur  nach  Cap.  169,  und  die  Erwerbung  Falkas 
steht  im  16.  Capitel,    entsprechend  dem,   was  man  in  dem  verlorenen 
Capitel*)  21  der  Membran  vermuthet.  (Vgl.  aber  weiter  unten.) 

Auch  sonst  wird  versucht,  innere  Widersprüche  zu  ebnen;  eine 
ganze  große  Episode,  Cap.  245—268,  274,  Irons  und  Appollonius  Ge- 
schichte, auf  den  Gang  des  Ganzen  ohne  Einfluß,  wird  ausgestossen; 
umgestellt  wird  (wohl  ohne  Noth)  Cap.  174,  das  hinter  184  gesetzt  wird, 
absichtlich  185  nach  189;  ausgeworfen  wird  ferner  186.  187  und  das 
leicht  entbehrliche  Cap.  194.  In  Lücken  der  schwedischen  Handschrift 
fallen:  Cap.  367—72  und  431,  432.  (Cap.  311  —  in.  316,  372,  373  der 
schwedischen  Recension.) 

Die  isländischen  Handschriften. 
Für  uns  kommen  von  den  drei  Papierhandschriften   der  Saga**) 
nur  die   beiden    der  Ami  Magnussonschen  Sammlung   in  Betracht,  da 
die  Stockholmer  von  Unger  nicht  benutzt  ist.  Er  bezeichnete  Cod.  178 
durch  A,  Cod.  177  durch  B. 


*)  Vgl.  oben  S.  153. 
**)  Vgl.  oben  S.  152. 


156  TEEUTLEE 

Arni  Magnusson  selbst  kannte  noch  zwei  isländische  Pergaraent- 
handschriften  der  |)idrekssaga: 

1.  Broedratungubök.  2.  Austfiai'dahok  (Eidagäs).  Beide  scheinen 
verloren. 

Von  1  ist  A  eine  Abschrift,  genommen  von  Jon  Erlendsson,  sie 
kam  durch  Tausch  in  Arnis  Besitz. 

Von  2  besaß  er  eine  Abschrift  von  jjorberg  j^orsteiusson,  die  er 
ab<  r  gegen  A  umtauschte.  Diese  Abschrift  J)orbergs  aber  ward  abge- 
schrieben: theihveis  1682  von  Jon  Eggertson,  und  diese  Copie  kam 
nach  Stockholm,  wo  sie  noch  erhalten  ist.  Ferner  1691  von  einem  Is- 
länder ganz,  letztere  Abschrift  kam  in  Arnis  Besitz  und  ist  unser 
Codex  B.  (vgl.  Storm  S.  99.  Unger  XVIII-XXI.) 
Broedratungubok.  Austfiardabok. 

I  .    I 

A.  Abschrift  jjorberga. 

Abschrift  (theilweise)  von  1682    vollständige  von  1691. 
zu  Stockholm  B. 

Verhältniss  von  AB  zu  M. 

Nach  allgemeiner  Annahme  hat  M,  wie  sie  die  älteste  Handschrift 
ist,  auch  die  älteste  Gestalt  der  |)idrekssaga  treuer  bewahrt,  als  AB, 
die  eine  Bearbeitung  derselben  enthalten. 

Charakteristisch  für  beide,  M  gegenüber,  ist  folgendes : 

a)  Der  Stoff  erscheint  anders  geordnet  (vgl.  Storm  S.  100,  101). 
Sie  beginnen  zwar,  wie  es  bei  M  unzweifelhaft  auch  der  Fall  gewesen, 
mit  der  Erzählung  von  Samson  Cap.  1  — 13  und  jaidreks  Jugend  14  bis 
20,  von  der  Ironssaga  Cap.  245  bis  zum  Schluß  Cap.  438  gehen  sie 
ebenfalls  mit  M  zusammen;  das  dazwischen  liegende  ist  sehr  ver- 
schieden geordnet. 

In  M  folgen  auf  die  Erzählung  von  Jjidreks  Jugend : 

1.  Kriege  des  Osantrix  gegen  Melias,  des  Attila  gegen  Osantrix 
und  Melias.  (Cap.  22—56,  S.  28-64  bei  Unger  unter  dem  Text.) 

2.  Die  Saga  von  Velent  Cap.  57  79,  Vidga,  jiidreks  Zweikampf 
mit  letzterem  80  —  95,  daran  sich  schließend  jiidreks  Zug  gegen  Ecca 
und  Fasold  96—107. 

3.  jjettleifs  Abenteuer  108—131,  jiidrekr  hilft  Attila  und  Erminrek 
132 — 151,  Sigurds  Jugend  152  168,  jsidrekr  und  seine  Kämpen  169 
bis  188,  Zug  nach  Bertangaland  189 — 224,  Sigurds  und  Gunnars  Hei- 
rat 225-230,  Herburt  und  Hilde  231—240. 


ZUR  THIBREKSSAGA. 


157 


4.  Kriege  des  Osantrix  gegen  Melias  und  Attilas  gegen  Melias 
imd  Osantrix,  zweite  Redaction  Cap.  21 — 56,8.27 — 65  bei  Uuger 
als  Text,  endlich  Valtari  und  Hildigunnr  241 — 244. 

In  AB  aber  folgt  auf  die  Erzählung  von  jaldreks  ersten  Thaten 
gleich : 

1.  Die  Velent-Vidgasage  und  Jjidreks  Kampf  mit  Ecca  und  Fasold, 
um  aber  Velent  einzuführen,  musste  das  Capitel  von  Vilcinus  und  der 
Meerfrau  voran  gestellt  werden.  Vgl.  Unger  S.  XX.  Dasselbe  wird 
nach  all  diesem  wiederholt,  wo  es 

2.  die  Geschichte  von  den  Kriegen  des  Osantrix,  Melias  und 
Attila  einleitet.  Hierauf  folgt  Valtari  und  Hildigunnr.  Dieser  Theil  also 
erscheint  in  derselben  Verbindung,  wie  in  M,  zweite  Redaction,  der 
sich  die  Darstellung  in  A3  auch  im  einzelnen  in  dieser  Partie  am  besten 
vergleicht. 

3.  Das  übrige  folgt  in  derselben  Reihenfolge  wie  in  M,  von  jjett- 
leifs  Abenteuern  bis  Herburt  und  Hilde. 

Vergleiche  folgende  Übersicht: 
Vorbemerkung.  Im  Ganzen  citieren  wir  nach  den  Abschnitten, 
wie  sie  bei  Unger  in  der  Inhaltsliste  Seite  XXV — XL  sich  angegeben 
finden.  Nur  den  dritten,  Osautrix's  Kriege  gegen  Melias,  haben  wir  aus 
nahe  liegenden  Gründen  weiter  zerlegt.  Was  in  M  von  Schreiber  I  und 
II  herrührt,  oder  wahrscheinlich  herrührte,  ist  vor  dem  von  Nr.  HI 
aufgezeichneten  durch  den  gesperrten  Druck  hervorgehoben.  (Die  Arbeit 
von  Nr.  IV  und  V  beginnt  erst  in  dem  in  M  und  AB  gleich  geordneten 
Theil  hinter  der  Ironssaga.) 


M. 


*)  Vilcinus  und 
Hertnit.  (22—26.) 
Osantrix  gegenMe- 
lias.  (27—37.) 
AttilagegenMelias 
u.Osantrix.(38— 56.) 
(Cap.  '22—56,  S.  28  bis 
64  unter  dem  Text.) 


Ge  m  ein  saraes. 

Samson.  (1 — 13.) 
J)idreks  Jugend. (14 
bis  20.) 


Velentssaga,  (57 
bis  79.) 

Vidgas  erste 
Schicksale.  (80-95) 


AB. 


ein  Capitel  von  Viltinus 
und  der  Meerfrau  ein- 
geschaltet, =  Cap.  23. 


*)  Hier  wohl  ursprünglich. 


158 


TREUTLER 


M. 


(Schreiber  III,  Lage  8^  \ 
Einschub  von  X  Blatt./ 


Vilcinus  und  Hertnit. 

(21-26.) 

Osantrix  gegen  Melias. 

(27-38.) 

Attila  gegen  Mel.  und 

Osantrix.  (39 — 56.) 

Valtari  u.  Hildigunnr. 

(241-244.) 

(Cap.  21—56.  S.  27  bis 

65  Text.) 


Gemeinsames, 
jiidreks  Zug  gegen 
Ecca  u.  Fasold.  (96 
bis  107.) 


jjettleifs  Abenteu- 
er. (108—131.) 
})idrekr hilft  Attila 
u.  Erminr  ek.  (132 
bis  151.) 

Sigurds  Jugend.  (152 

bis  168.) 

])idrek  und  seine 
"Kämpen.  169—188.) 
Zugnach(189— 196.) 
Bertangaland.  (196  bis 
224.) 

Sigurds  und  Gunnars 
Heirat.  (225—230.) 
Herburt     und     Hilde. 
(231-240.) 


Irons    Saga , 
(245— ..438.) 


AB. 


Villtinus  und  Hert- 
nit =  Cap.  21  fr. 
Osantr.  gegen  Mel. 
Attila  gegen  Mel. 
u.  Osantrix. 
Valtari  und  Hildi 
gunnr. 


o 


Verbindung     herge- 
stellt, Cap.  189. 


*)  Hier    offenbar  nicht   richtig  gestellt,  weil    das  Capitel    von  Villtinus  und  der 
Meerfrau  (23)  wiederholt  werden  muß. 


I 


ZUE  THTDREKSSAGA.  159 

b)  In  AB  erscheinen  beinah  alle  Capitel  in  kürzerer  P'urm  als 
in  M,  oft  ist  die  Kürzung  eine  bedeutende,  vgl.  Cap.  113,  (p.  I285), 
dem  entsprechend  Cap.  115  (ISOj).  Cap.  123  ist  ganz  zusammen  ge- 
zogen, ebenso  134,  vgl.  schon  Unger  S.  IV. 

c)  Aus  dem  unter  a)  Gesagten  folgt,  daß  AB  keine  Doppeler- 
zählung von  den  Kriegen  Osantrix-Melias-Attila  enthalten,  nur  das 
Capitel  von  Villtinus  ist  aus  besondern  Gründen  wiederholt.  Hagens 
Herkunft  wird  nur  Cap.  169,  die  Erwerbung  Falkas  Cap.  188  in  M 
entsprechend  erzählt. 

d)  Innere  Widersprüche,  die  in  M  sich  finden,  sind  zum  Theil 
in  AB  beseitigt.  In  M  wird  Osantrix  zweimal  getödtet,  einmal  durch 
Villdifer  Cap.  144,  dann  durch  Ulfradr  Cap.  292.  In  AB  entkommt 
er  das  erste  Mal  (ähnlich  wie  Cap.  37  Melias).  Demgemäß  erscheinen 
Cap.  145,  146,  besonders  auch  193,  wo  sein  Tod  besprochen  wird, 
umgestaltet. 

e)  Im  Einzelnen  ist  besonders  der  letzte  Theil  der  Velentssaga 
anders  erzählt,  während  nach  M  Velent  erst  die  Söhne  des  Königs 
tödtet  (Cap.  73),  dann  die  Tochter  entehrt  (74),  worauf  Egill  am  Hofe 
ankommt  und  von  dessen  Bogenschuß  erzählt  wird  (75),  dann  die 
letzte  Unterredung  zwischen  Velent  und  der  Königstochter  (76),  das 
Anfertigen  des  Flügels,  dessen  Probe  durch  Egill  (77),  endlich  die  Flucht 
berichtet  wird  (78),  ist  die  Ordnung  in  AB  folgende:  Egill  kommt  an 
den  Hof.  Sein  Bogenschuß.  Velent  entehrt  die  Königstochter.  Velent 
tödtet  die  Königssöhne.  Hierauf  folgt  ein  kurzes  summierendes  Capitel. 
Dann  wird  erzählt:  die  Anfertigung  des  Flügels,  Probe  durch  Egill. 
Letzte  Unterredung  mit  der  Königstochter.  Velents  Flucht. 

/)  Erweitert  erscheint  der  Text  von  M  selten  in  AB ;  besonders 
zu  erwähnen  sind  Zusätze,  die  ein  Vorbild  in  isländischen  Litteratur- 
erzeugnissen  finden,  ferner  solche,  die  das  Wunderbare  in  einem  Vor- 
gang mindern  sollen,  in  gleichem  Sinn  auch  Weglassungen,  endlich 
finden  sich  in  AB  auch  emige  Namen  mehr. 

S.  181,  g  zu  Sifkas  Beschreibung  wird  in  AB  zugefügt:  hann  kalla 
Voeringiar  Bruna  (BikkaB).  S.  II64  Kampf  zwischen  Ecca  und  J^idrek, 
haben  AB  linditre,  M  olivetre.  1176  lassen  AB  die  Kämpfer  zu  })idreks 
Hengst  kommen,  so  daß  dieser  sich  nicht  loszureissen  braucht,  wie  in 
M  121,,  wo  gleiches  in  M  nochmals  erzählt  wird,  ist  Falka  in  AB  gar 
nicht  angebunden.  143,  lassen  AB  weg,  daß  Attila  bei  Erminreks  Gast- 
mahl ist,  ebenso  239, ,  die  wunderbare  Bemerkung,  Antiocus  konungr 
fadir  Salomon  konungs  sei  Attilas  Pflegvater*). 

*)  Das  oben  erwähnte  Streben  zeigt  sich  ausgebreiteter  noch  in  A:  lö9jj  Sig- 
munds Schwester.  Signy  fügt  A  zu.  167,g  Siguid  schlug  den  Drachen:  sua  at  sa  ormr 


160  TREUTLER 

S.  1343  nennen  AB  die  Tochter  Sigurcis  des  Griechen  Gunnhildr, 
137,  den  Manu,  den  jaettleitr  trifft,  Godzvin  oder  Gaistsun,  die  in  M 
unbenannt  sind;  so  führen  sie  S.  339, ^  Ingram  aus  dem  folgenden  ein. 
(89,   nennt  A  Vidgas  Mutter  Heren.) 

g)  Eine  Spur  irgend  welches  deutschen  Einflusses  könnte  man 
vielleicht  S.  330,8  i^  ^B  sehen^  wo  in  dem  Satze:  Haf  mikla  guds 
})auk  firir  huersu  jju  lezt  syngia  jsitt  suerd  i  hialmum  Huna,  den 
Högni  an  Folkher  richtet,  für  die  gesperrt  gedruckten  Worte:  ,]3inn 
horpustreng  steht,  eine  offenbare  Anspielung  auf  die  sonst  überall  ver- 
gessene Spielmannseigenschaft  des  Helden,  und  ähnlichen  Wortspielen 
im  Nibelungenliede  zu  vergleichen. 

Aus  dem  Obigen  geht  hervor,  daß  AB,  da  sie  so  vieles  gemein 
haben,  und  also  auch  ihre  Vorlagen,  Broedratungubök  und  Austfiarda- 
bok  auf  eine  ältere,  gemeinsame  zurückgehen,  die  schon  wesentlich 
dieselben  charakteristischen  Züge  gehabt  hat,  M  gegenüber,  wie  sie 
AB  zeigten.  Diese  Züge  aber  erscheinen  zum  Theil  als  durchaus  jüngere. 
Beachtenswerth  ist  dabei,  wie  die  Bearbeitung,  welche  in  der  Vorgängerin 
von  AB  somit  erschiene,  oft  bis  auf  die  feinsten  Kleinigkeiten  sich  er- 
streckt, weßhalb  wir  unter/)  einzelne  geringere  Abweichungen  zu- 
sammenstellten: für  beides  bieten  die  noch  spätem  Vorgänge  in  A  er- 
wünschte Analogie. 

Auf  welche  Quelle  geht  nun  diese  ältere,  wohl  isländische 

Bearbeitung,  aus  der  Broedratungubök  und  Austf iardab6k 

entstammen,  zurück? 

Raßmann  ist  der  Ansicht,  —  die  auch  P.  E.  Müller  und  W.  Grimm 

vertraten,  denen  allein  die  altern  unkritischen  Ausgaben  der  Saga  vor- 


getr  nu  eigi  eitri  blasit  ok  lytr  hofctinu  at  iordunui,  A;  wo  in  MB  uur  erzählt  ist, 
Sigurd  habe  den  Wurm  niedergeschlagen.  I682  nimmt  nur  nach  A  Sigurd  das  Herz 
des  Wurmes  besonders  heraus.  209,  3  ..  ,  spricht  nur  nach  A  Brynilld  sehr  deutlich 
ihre  Rachegedanken  aus  und  spielt  auf  Sigurds  Verzauberung  durch  Gudrun  (dieser 
Name  auch  in  A  nur  fast  immer  für  Grimmilld)  an,  dieselbe  wirft  sie  dieser  auch 
298j  vor.  297g  in  A  zu  Brynilldi:  Budla  dottur  gefügt.  302, j  in  A  gesagt,  Brynilld 
sei  nach  Sigurds  Tod  bald  gestorben.  Danach  Cap.  427  geändert. 

165.J  wo  von  Sigurd  gesagt  ist,  er  sei  mit  einem  Jahr  so  stark  gewesen,  als 
andere  vierjährige  Kinder,  ist  dieß  in  A  weggelassen.  200„,  wo  zu  Amlungs  Sieg  es 
heißt,  Sigurd  habe  denselben  vorhergesehen,  fügt  A  erklärend  hinzu:  var  sia  konungs 
son  usterkastr.  2929  heißt  es,  der  Spieß,  den  Jjidrek  dem  Vidga  nachgeschleudert,  stehe 
noch  jetzt  sichtbar  in  der  See,  in  A  aber:  er  habe  dort  lange  gestanden.  323j,,  wo 
Aldrian  (Attilason)  Högni  schlägt,  und  es  war  ein  kräftiger  Hieb,  fügt  A  zu:  ok  blöd 
stokk  or  nosum  Hogna  a  bordit,  offenbar  um  seinen  Zorn  noch   besser  zu  motivieren. 


ZUK  THIDEEKSSAGA.  161 

lagen,  —  die  ridrekssaga  sei  auf  Island  verfasst;  er  meint  nach  zwei  ver- 
schiedenen isländischen  Handschriften  sei  M  auf  Island  abgesehrieben, 
nach  der  einen  von  diesen,  derselben,  der  die  zweite  Redaction  der 
Kriege  Osantrix-Melias-Attila  in  M  folge,  sei  die  spätere  isländische 
Bearbeitung  gemacht.  Er  schließt  auf  eine  ältere  isländische  Quelle, 
weil  AB  manche,  im  Text  von  M  allerdings  verdorbene  Stelle  klar 
und  richtig  geben. 

Unger  in  seiner  Ausgabe  betont  entschieden,  daß  die  ridrekssaga 
ursprünglich  norwegisch,  nicht  isländisch  sei,  nach  einer  norwegischen 
Handschrift  sei  M  abgeschrieben.  Storm  hat  dieß  weiter  zu  stützen 
gesucht,  und  neue  Gründe  gegen  Raßmann  vorgebracht,  die  für  uns 
aber,  so  sehr  uns  von  vornherein  die  Unger'sche  Aufstellung  wahr- 
scheinlich erscheint,  nicht  zwingend  sind,  da  wir  eine  andere  Stellung 
zu  dem  ^prologus'  einnehmen,  als  Storm,  wie  sich  unten  zeigen  wird. 
Storra  übrigens  glaubt,  und  wohl  so  auch  Unger,  daß  die  isländische 
Bearbeitung  (AB)  nach  einer  Vorlage,  älter  als  M,  gemacht  ist,  solches 
lässt  sich  wenigstens  aus   seinen  Worten  S.  104  oben  schließen. 

Im  Folgenden  soll  versucht  werden,  zu  erweisen,  daß  für  die  is- 
ländische Bearbeitung  eine  ältere  Quelle  nicht  anzunehmen  sei,  sondern 
daß  sie  nach  M,  beziehungsweise  einem  Abkömmling  davon,  gefertigt  ist. 

Dem  entgegen  steht  die  nicht  imbeträchtliche  Zahl  von  Stellen, 
wo  AB  besseres  bieten,  als  M,  an  denen  Unger  in  seiner  Ausgabe  die 
Lesart  jener  Handschriften  vorgezogen. 

Diese  Stellen  aber  sind  folgendermaßen  einzutheilen: 

a)  solche,  wo  Unger  ohne  Noth  von  M  abgewichen  und  etwas  aus 
AB  aufgenommen: 

1.  Eine  Menge  kleinerer  Zusätze,  zum  Theil  einzelne  Worte,  die 
nicht  erforderlich  sind,  z.  B.  wenn  bei  einer  Aufzählung  von  Waffen 
AB:  oc  fagran  hialm  noch  zufügen  (S.  318j),  ähnliches  S.  Slg,  97j3, 
98,s,  128,,  169^,  183,,  193,,  2884.,,,  319,. 

2.  Einen  ganzen  Satz  von  untergeordneter  Bedeutung,  z.  B.  oc 
toc  upp  yuir  hofut  ser  [badum  hondum  oc  helldr  upp  (AB  zuge- 
fügt) ollum  fingrunum  (S.  227g);  ähnliches  llOg,  160^  (zweimal),  244,9, 
251, j,  252g,  317,2,  welche  Zusätze  im  allgemeinen  gut,  und  die  Er- 
zählung glättend,  aber  entbehrlich  sind.  Daran  schließen  sich  Stellen, 
wie  S.  158,2:  Nidungr  konungr  oc  haus  son  taka  uel  vid  sendimonuum 

En  örendi  |)eirra    Sigmundar   konungs    [tekr   hann  (AB  zuge- 
fügt) a  J)essa  lund;  und  S.  286,,. 

3.  Mitunter  aber  haben  AB  die  Erzählung  weiter  ausgeschmückt. 
Einmal  nach  dem  vorhergehenden  z.  B.  S.  99,6  (Vidga  sagt):  ec  mvnda 

GERMANIA.  Neue  Reihe.  VIII.  (XX.  Jahrg.)  H 


]62  TRKUTr.ER 

sino  namni  iiemna  hvcrn  ydarn  ef  ec  kynna  heiti  yc1or.  [Nv  mogo  |)er 
vel  spyria  hvat  ydr  likar  af  mer  eda  minom  ferctom.  jsvi  at 
ec  skal  yttr  satt  segia  jiat  sein  })er  spyrit.  (zugefügt  AB)  Nv 
mselir  Hildibrandr.  Unger,  Vorrede  S.  VIII  meint,  der  Satz  Nv  mego 
etc.  sei  ausgefallen,  weil  das  Auge  des  Schreibers  auf  das  folgende 
Nv  mselir  abgeirrt  sei;  wir  möchten  das  ganze  hingegen  für  einen  nach 
den  vorhergehenden  Worten:  hvi  spyrr  J)v  mec  slics  noBCtan  mann,  lat 
mec  fara  oc  taka  vapn  min.  oc  sidan  spyr  mic  slics  sem  Jdv  villt 
spvrt  hafa,  nicht  so  schwer  zu  machenden,  übrigens  ganz  passenden 
Zusatz  halten. 

Dann  auch  finden  sich  Zusätze,  dem  folgenden  entsprechend,  so 
Seite  224^7  (vgl.  S.  225,  Zeile  1),  auch  ISTg,  wo  es  im  Kampf  zwischen 
Etgeirr  und  Vidge  heißt:  Isetr  hann  (E.)  nv  fallaz  til  iardar.  J)vi  at 
hann  hygr  at  Vidga  man  verda  vndir  hanom  oc  drepa  hann  sva.  [En 
Vidga  leypr  aptr  i  milli  fota  hanom.  ])&  er  hann  reidir  sie 
til  fallz.  oc  sva  helt  Vidga  sinv  lifi  fügen  AB  zu,  fast  genau 
so,  wie  es  Cap.  433  von  Heimir  und  Aspilian  erzählt  wird.  (Vgl.  S.  367 
oben.) 

Auch  der  Zusatz  226„6.  q?  braucht  nicht  original  zu  sein,  denn: 
Drottning  minniz  a.  at  hon  hsevir  nefnda  faranda  vif  gibt  einen  ganz 
guten  Sinn.  Auch  119^.  4,  wo  in  M  steht :  Herbrandr  hsevir  skiolld  oc  alla 
herneskiu.  at  raudr  er  allr  skioldrinn  oc  lagdr  a  skottseldr  er  a  hans 
vapnum.  er  hardara  flygr  oc  sidr  firirfaersk  en  u.  s.  f.  erscheint  leichter 
zu  bessern,  wenn  man  das  a  zwischen  lagdr  und  skottseldr  streicht, 
als  wenn  man  die  nicht  einmal  einstimmige  und  das  Ganze  verbreiternde 
Lesart  von  AB  aufnimmt. 

Auch  475,  221j5,  225i,.  war  die  Lesart  von  M  vielleicht  bei- 
zubehalten und  264jg  ist  entbehrlich,  wie  auch  314^  nur  weitere  Aus- 
schmückung des  in  M  gegebenen  enthält.  Und  so  noch  an  andern 
Stellen. 

Auch  der  295j8  eingeschobenen  Worte  könnten  wir  entrathen; 
ef  j^essi  sott  faer  ]ier  firirkomit.  ma  mikit  spillaz  Hunaland.  ef  sua  dyrlig 
kona  faer  bana,  ist  mit  doppelter  Beziehung  des  ma  mikit  spillaz  Huna- 
land zu  übersetzen. 

b)  Es  gibt  in  M  eine  Menge  von  Schreibfehlern  und  leicht  zu 
ersetzenden  Auslassungen,  so  fehlt  mitunter  das  Pronomen  J)eir,  ]3U, 
vid  etc.;  bisweilen  auch  das  Verbum,  wo  es  richtig  errathen  werden 
musste.  Z.  B.  oc  sendir  menn  um  allt  sitt  riki  oc  samnar  (fehlt  in  Mj 
saman  her  etc.  (S.  GSj),  so  auch  189,6,  lOQc,  2689,  wo  verit  durchaus 
zu  ergänzen  war,  3O89  (er  ])o  kann  vera)  3328« 


ZUR  THIDREKSSAGA.  163 

Andere  Besserungen  finden  sich  47^0,484  (nur  in  A),  166^,  190,,, 
203„,.  2068,  211,3,  2103,  229,,,  230,«,  249,e,  274,«,  282,,,  297,«,  325,3. 

Vielleicht  war  auch  die  Stelle  96?,  von  der  Unger  Vorrede  S.  VII 
spricht,  in  AB  gebessert,  einen  andern  Versuch  hierzu  machte  der 
schwedische  Bearbeiter.  Vgl.  weiter: 

296,5  oc  af  eugum  lut  man  iamnmikit  uhap  standa  [um  ]3ina 
daga  (AB)  oc  jjinna  barna  sem  af  J)esso;  auch  das  Schwedische  bessert: 
(thust  du  das)  tha  komber  ther  mykith  onth  afi"  bodhe  tik  ok  tin  baru. 

3099.  En  med  ]:)vi  at  ]3U  farer  i  Hiinaland  JDa  mantu  eigi  [aptr 
koma  (AB)  oc  engi  sa  er  \)ev  fylgir.  (Auch  das  Schwedische  ergänzt 
richtig  Cap.  290.) 

Sehr  geboten  war  der  Zusatz  3285,  aus  dem  vorangehenden 
leicht  zu  ergänzen  war  die  Stelle  3318,  auch  nicht  schwer  338,^*): 
(Hilldibrandr)  msellti  sidan:  Herra  menn  tvair  hins  fiorda  tigar  [rida 
])ar  (AB)  stigum  ofan  u.  s.  f. 

An  einer  ganzen  Reihe  von  Stellen  fehlt  in  M:  nu  suarar  N.  N. 
in  Unterredungen,  fast  scheint  es  absichtlich;  so  192,g,  2038,  230,,, 
193o,  196, (,,  321,9  (fehlt  wenigstens  der  Name),  339,,  360,,  an  allen 
diesen  Stellen  von  AB,  an  den  fünf  letzten  auch  schwedisch  richtig 
eingefügt. 

J)a  msellte  Hogne  318,6  (auch  schwed.);  sagdi  konungr,  sagdi 
jDidrekr  konungr  336»,  276,o  (hier  auch  schwed.)  ])a  kallar  hon  163? , 
eingeschoben. 

Auch  war  S.  173,,  oc  a  markat  med  gulli  leon.  oc  hans  hofud 
horfir  upp  septir  skilldinimi  oc  foetr  taka  spordenn,  hofud  nicht  schwer 
zu  finden,  ebenso  die  Ergänzung  Cap.  113,  S.  128,,  die  übrigens  in 
A  und  B  verschieden  ausfiel. 

Das  Seite  302  (Cap.  29)  und  663  (Cap.  49)  zugefügte,  obschon 
nicht  erforderlich^  doch  immerhin  wünschenswerth,  konnte  der  islän- 
dische Bearbeiter,  falls  M  ihm  vorlag,  aus  der  Darstellung  der  ersten 
Redaction  Osautrix-Melias-Attila  entnehmen. 

Einige  Kritik  war  erforderlich  Cap.  200,  S.  190^,  das  eigi  einzu- 
schalten, das  freilich  Cap.  184  verlangt. 

Cap.  200,  S.  190,  ist  in  der  Aufrechnung  der  Kämpfer  und  ihrer 
Schildzeichen  Aumlungs  Schild,  welcher  der  dritte  ist,  inM  übersprungen, 
nach  dem  zweiten  wird  gleich  der  vierte  genannt.  Der  schwedische 
Bearbeiter  machte  aus  dem  vierten  den  dritten  u.  s.  f.;  am  Schluß  aber 
fehlte  ihm  einer  an  der  Zahl  und  er  machte  den  nicht  gerade  glück- 


*)  Letzte  Zeile. 

11* 


1  CA  TREUTLER 

liehen  Besserunp;sversucb  cals  13.  Gernholt,  Hagens  Bruder,  zuzufügen, 
der  freilich  im  Folgenden  gar  nicht  vorkommt.  Daß  etwas  fehle,  empfand 
er  also  auch;  nur  war  der  isländische  Bearbeiter  glücklicher,  der  Aum- 
lung  einfügte,  was  bei  genauer  Beachtung  der  folgenden  Zweikämpfe 
bald  sich  darbieten  musste. 

Aufmerksamkeit  bewies  er  ebenfalls  Cap.  263,  Seite  235j6  ^^  ^^*^^^ 
sidarr  Iren  jarll  oc  hann  hsevir  i  taumi  [Paron  oc  Bonikt.  J)a  ridr 
drottseti  jarls  oc  hsevir  i  taumi  Bracca  oc  Porsa.  Die  hervor- 
gehobenen Worte  sind  eine  nothwendige  Ergänzung  zu  M,  die  aber 
nach  den  Worten  im  folgenden:  j^a  msellti  Iron  jarll  vid  drottsaetann, 
Sla  nu  lausum  ]Dinum  hundum  Bracka  oc  Porsa  (S.  235)  und:  jsa  slser 
Iron  jarl  lausum  sinum  hundum  Paron  ok  Bonikt  (S.  236)  einem  auf- 
merksamen Bearbeiter  wohl  zugetraut  werden  dürfen.  Die  Variante  236, 
ist  nur  eine  Umstellung  des  in  M  gegebenen. 

Cap.  325,  S.  284,2  steht  für  die  Worte:  Nu  msellti  Hilldibrandr. 
Hverr  ertu  riddari  er  sua  usidlega  Isetr  oc  sua  akaflega  ridr.  Ipa.  suarar 
Reinalld  in  M :  Nu  suarar  Hilldibrandr,  welche  Worte  zur  Einleitung 
einer  Unterredung  und  ferner  deßhalb  ungeeignet  sind,  weil  gerade 
aus  der  ihnen  folgenden.  Rede  hervorgeht,  daß  der  Sprecher  nicht 
Hilldibrandr  sein  kann.  Die  Besserung  in  Reinalldr  also  war  geboten. 
Wollte  man  suarar  stehn  lassen,  musste  man  vorher  Hilldibrandr 
sprechen  lassen;  daß  dieser  die  Unterhaltung  eröffnet,  ist  auch  deßhalb 
passend,  weil  er  allein  vorher  mit  Namen  eingeführt  ist.  Das  Schwed. 
bessert  einigermaßen,  die  Sache  klappt  doch  nicht  vollkommen.  Hier 
fängt  das  Gespräch  auch  an  Cap.  275:  Hyllebrand  swarade  ok  sagdhe 
til  honom,  die  Reden  aber  sind  ihrem  Sprecher  angemessen.  Ziehen 
wir  hier  die  Stelle  S.  338,4:  Oc  nu  litr  Hilldibrandr  aptr.  hann  ser 
ioreyk  mikinn  oc  J)ar  undir  blickia  fagrir  skilldir.  [Nu  keyrir  hann 
hestinn  00  ridr  eptir})idrekikonungiocs8egir  honom.  Herra 
ec  se  ioreyk  mikinn.  oc  Jjar  undir  blikia  fagrir  skilldir  (AB) 
oc  huitar  brynior.  oc  rida  huast  eptir  oss.  Nu  suarar  Herad  u.  s.  f. 
noch  her  und  vergleichen,  wie  auch  das  Schwedische  ganz  richtig  ge- 
bessert hat,  Cap.  343:  Hser  Hillebrandh  saa  til  baka  ok  sagde  til 
Didrik  konung.  jach  ser  mongen  man  med  hwita  brynia  ok  fagra  skiölla 
ok  rida  fasth  epther  os.  Tha  grseth  drotninghen,  —  so  wird  man 
wenigstens  die  Möglichkeit  der  Besserung  durch  AB  zugestehen  müssen, 
wie  sehr  auch  gerade  diese  Stelle  hier  nach  älterem  Original  gegeben 
erscheint,  in  welchem  der  Schreiber  von  M  von  skilldir  zu  skilldir 
abirrte. 

Eine  ganz  geschickte  Ergänzung  ist  auch  die  S.  109,^:  Nv  vill 
hann  [geraz  jainn  madr.  tak  nv  vid  hanom  vel  u.  s.  f. 


ZUR  THIDREKSSAGA.  165 

Wenn  auch  die  Möglichkeit,  daß  AB  in  allen  obigen  Fällen  sollten 
gebessert  haben,  bei  der  schon  erprobten,  auch  bis  ins  Einzelne  gehenden 
Aufmerksamkeit  des  Bearbeiters  eingeräumt  werden  könnte  —  zumal 
in  vielen  Fällen  auch  das  Schwedische  ganz  in  gleicher  Weise  das 
richtige  trifft^  fast  immer  aber  bei  seiner  kürzenden  Darstellung  den 
Fehler  in  M  vermeidet*),  so  muß  doch  zugegeben  werden,  daß  ge- 
wichtigere Gründe  vorgebracht  werden  müssen,  die  dieser  Möglichkeit 
das  Wahrscheinliche  verleihen,  dessen  sie  ermangelt.  Solche  aber  sind 
noch  anzuführen. 

Betrachten  wir  die  achte  Lage  in  M.  Dieselbe  bestand  ursprüng- 
lich aus  8  Blättern.  Beschrieben  wurden  sie  von  Hand  II.  Im  Anschluß 
an  Lage  7  enthielten  die  ersten  5  Züge  j^idreks,  die  er,  Attila  und 
Erminrek  zu  helfen,  unternahm  ( —  Cap.  151),  Blatt  5  unten,  oder  6 
oben,  vielleicht  auf  beiden,  folgten  Cap.  170,  171;  worin  von  ])idrek, 
daß  er  ein  Gastmahl  rüstet  und  dazu  König  Gunnarr  einladen  will, 
erzählt  wird,  sowie  in  Kürze  des  letztern  Familienverhältnisse.  Sein 
Vater  sei  Irungr  gewesen,  u.  s.  f.  —  In  171  wird  recapituliert,  wer 
alles  bei  |)idrek  gewesen,  daran  schloß  sich  189,  wo  er  seine  und  seiner 
Gesellen  Kraft  und  Macht  rühmt,  was  Herbrand  zum  Widerspruch 
bewegt,  der  wieder  den  Anstoß  zu  dem  Zug  nach  Bertangaland  gibt. 
Dessen  Beschreibung  ist  von  der  Hand  Nr.  II  noch  bis  dahin  geführt, 
wo  Vidga  zu  Etgeirs  Erdhaus  kommt,  in  Cap.  196;  von  da,  auf  der 
letzten  Seite  des  achten  Blattes,   beginnt  Hand  III. 

Cap.  200  wird  Sigurd  sveinn  zuerst  erwähnt,  der  dann  weiter 
eine  Rolle  zu  spielen  hat.  Von  seiner  Vorgeschichte  ist  nicht  das  min- 
deste bekannt.    Diesen  Mangel  fühlte  Nr.  III  und  beschloß  ihm  abzu- 


*)  Döring  in  Zachers  Zeitschrift  II,  S.  70  §.  6  hat  darauf  hingewiesen,  daß  die 
schwed.  Bearbeitung  mitunter  mit  B  besser  stimmt  als  mit  M.  Wäre  eine  Einwirkung 
von  B  anzunehmen,  so  würde  unser  obiges  Argument  entkräftet,  ja  gegen  uns  gekehrt. 
Die  Einstimmung  ist  jedoch  nur  zufällig.  Döring  führt  an  Cap.  373,  S.  318^^  B  und 
schwed.:  lass  dir  ihn  (Attila)  so  lieb  sein,  wie  Sigurd.  M:  lassen  wir  uns  (Attila) 
u.  s.  f.  und  Cap.  375,  S.  320,  j  (Hagen  hat  ^in  Auge)  allsnart  M,  allsvart  B  und  schwed. 
nach  Cap.  184:  oc  allr  er  hann  dceklitadr  keine  große  Entdeckung.  Von  andern  der- 
artigen Stellen  fand  sich  noch:  S.  275^,  wo  M  40000  liest  B  60000,  so  auch  schwed. 
Cap.  265.  Wie  zufällig  solche  Übereinstimmungen  sein  können,  kann  man  beobachten 
Cap.  415,  S.  352g,  Hilldibrandr  stirbt  150  (oder  nach  deutschen  Liedern  200)  Winter 
alt  in  M,  B  steigert  die  erste  Zahl  auf  einen  Durchschnitt:  170,  das  Schwed,  auch, 
aber:  180  (hier  in  Cap.  357).  Sollte  der  schwed.  Bearbeiter,  falls  er  B  kannte,  nicht 
lieber  in  Cap.  185  Amlung  für  seinen  verfehlten  Gernholt  eingeführt  haben,  als  solche 
Kleinigkeiten?  Stellen,  wo  das  Schwed.  ebenso  bessert,  wie  AB,  sind  noch:  97, g, 
174,.  ,0,  175,.,,,  189,. 


166  TREUTLER 

helfen.  (Vgl.  Unger  S.  XV)  Er  schob  also  die  Geschichte  von  Sigurds 
Geburt  und  Jugend  (Cap.  152 — 168)  zwischen  das  5.  und  6.  Blatt  der 
8.  Lage,  und  fügte  außerdem  noch  eine  Beschreibung  aller  der  Kämpfer, 
die  auf  J)idreks  Seite  standen,  bei,  Cap,  172 — 184.  Da  unter  diesen 
auch  Gunnarr  und  Hagen  vorkamen,  musste  das  Capitel,  wo  von  der 
Einladung  derselben  die  Rede  war,  170,  und  das  sich  dem  anschließende 
171  vorgestellt,  also  deren  frühere  Niederschrift  durch  Nr.  II  (auf  Blatt 
5,  6)  gestrichen  werden.  Vor  beide  aber  stellte  Nr.  III  die  Erzählung 
von  Gunnarr  und  seinem  Geschlecht,  wie  er  sie  kannte,  nämlich,  daß 
Aldrian  sein  Vater  gewesen.  Cap.  169. 

Eingeschoben  also  ist:  Sigurds  Jugendgeschichte  (Cap.  152  bis 
168),  das  Capitel  von  Aldrian  169,  —  es  folgt  eine  Abschrift  der  schon 
von  Nr.  IT  geschriebenen  Capitel  170,  171.  —  Wieder  neu  eingeschoben: 
Beschreibung  der  Helden  Jiidreks  und  ihrer  Rüstungen  und  Schildzeichen 
Cap.  172 — 184.  Dann  stehen  aber  noch  4  weitere  Capitel  auf  den  ein- 
geschobenen X  Blättern,  an  die  sich  erst  dann  der  Zug  nach  Bertanga- 
Innd,  Cap.  189,  anschließt.  In  Cap.  185  wird  Sigurds  Aussehen  und 
Rüstung,  in  186  Sitkas  Aussehen  beschrieben,  in  187  wird  von  Hilldi- 
brands  Schlagfertigkeit,  in  188  berichtet,  wie  jaidrekr  zu  seinem  Hengst 
Falka  gekommen.  Daß  keines  von  diesen  4  Capiteln  zu  den  vorher- 
gehenden passt,  liegt  zuerst  auf  der  Hand,  Sigurd  ist  nicht  bei  ]3idreks 
Gesellen,  Sifka  tritt  im  folgenden  gar  nicht  auf,  und  auch  die  4  Capitel 
unter  einander  erscheinen  nur  als  bunter  Mischmasch. 

Storm  S.  128  sucht  den  Verfasser  zu  vertheidigen,  er  habe  eine 
Beschreibung  der  Hauptpersonen  aus  den  folgenden  Sagenmassen  ge- 
zogen und  vor  den  Zug  nach  Bertangaland  gestellt.  Diese  Erkläning 
ist  nicht  zutreffend.  Die  einfachste,  die  sich  geben  lässt,  ist  die,  der 
Schreiber  des  Einschubes  bekam  seine  X  Blätter  nicht  voll  und  suchte 
nun  nach  beliebiger  Füllung.  Das  sieht  man  auch  aus  der  Folge  der 
4  Capitel.  Das  erste  ist  noch  zur  Noth  erträglich,  das  zweite  viel  un- 
passender, das  dritte  ist  entsetzlich  gehaltlos,  Hilldibrand  ist  vorher 
schon  ausführlich  beschrieben;  endlich  gelingt  dem  Schreiber  in  seiner 
Noth  ein  glücklicher  Wurf,  er  findet  in  Cap.  188  einen  ergiebigeren 
Stoff.  Ganz  vergisst  er  über  der  Sorge,  nur  sein  Pergament  voll  zu 
bringen,  daß  er  den  Anschluß  von  Cap.  189  an  die  vorhergehenden 
durch  diese  4  verdirbt,  erst  AB  stellen  denselben  durch  eine  Wieder- 
holung, Cap.  171  entsprechend,  her,  die  sich  als  erstes  Punktum  in  189 
findet. 

Der  schwed.  Bearbeiter  flihlte  das  Unpassende  der  4  Capitel; 
186,  187  warf  er  einfach  aus,   185  verflocht  er  ganz  geschickt  in  sein 


ZUR  THIDREKSSAGA.  167 

Cap.  178,  worin  Herbrandr  von  Isuug  erzählt.  StattMaß  man  nun  nach 
dieser  Analogie  hätte  sehließen  sollen,  er  habe  Cap.  188  an  die  Stelle 
Cap.  16  seiner  Bearbeitung  =  Schluß  von  20  der  I'ictrekssaga  versetzt, 
nahm  man  ;viel  unwahrscheinlicher  an,  idas  entsprechende  Cap.  *21 
sei  verloren,  und  der  schwed.  Bearbeiter  habe  später  188  ausgelassen, 
weil  er  schon  *21  als  16  aufgenommen!  (Die  Erzählung  schwed.  Cap. 
16  und  Cap.  188  in  M  ist  allerdings  verschieden,  aber  die  Erweiterungen, 
die  in  Cap.  16  etwa  sich  finden,  sind  ganz  nahe  liegende.) 

In  AB  finden  wir  nun  Cap.  152 — 189  (abgesehen  von  170,  171, 
die  sehr  verkürzt  werden)  ganz  in  derselben  Ordnung  wie  in  M.  Wir 
können  nicht  annehmen,  daß  eine  ältere  Handschrift  sie  ebenso,  ein- 
schließlich der  vier  besprochenen  Schlußcapitel,  enthalten  hätte,  wo 
die  Sachlage,  gerade  in  M^,  die  Entstehung  der  letzteren  aufs  Beste 
erklärt.  Daraus  ergibt  sich  mit  Sicherheit,  daßAB,  beziehungs- 
weise die  ältere  isländische  Bearbeitung  auf  M,  nicht  auf 
ein  älteres  Original  zurückgeht. 

Es  bleibt  uns  noch  übrig,  eine  Erklärung  für  die  Umordnung  des 
Stoffes  in  AB  zu  versuchen.  Storm  S.  103  meint,  AB  sowohl  wie 
Schreiber  Nr.  III  hätten  es  für  unpassend  gefunden,  die  Viltinen  und 
Hunnenkönige  so  zeitig  zu  besprechen.  Für  Nr.  III  ist  diese  Erklärung 
wohl  nicht  ganz  befriedigend,  er  würde  dann  vielleicht  die  Arbeit  seines 
Vorgängers  als  ungültig  bezeichnet  haben;  vgl.  übrigens  noch  unten. 
In  AB  aber  gieng  die  Änderung  wohl  hauptsächlich  von  dem  Grunde 
aus,  daß  es  schlecht  schien,  mit  })idreks  Thaten  so  bald  abzubrechen 
(was  auch  Raßmann  an  der  Composition  der  Saga  tadelt,  a.  a.  O. 
S.  XXV),  man  wollte  erst  seine  Begegnung  mit  Vidga  noch  erzählen 
und  mit  Ecca.  Daß  hierauf  nun  die  Vilcinenkönige  kommen,  ist  viel- 
leicht eine  Einwirkung  der  ursprünglichen  Ordnung  (bei  Nr.  II),  die 
nicht  ganz  verlassen  werden  sollte;  ihre  Geschichte  wird  aber  nach 
der  Recension  von  Nr.  III  gegeben,  weil  die  Valtarisaga,  die  bei  diesem 
darauf  folgt,  besser  sich  anschließt,  als  jsettleifs  Abenteuer  es  gethan 
hätten  (die  Velent-Vidgasaga  fiel  ja  aus).  Vgl.  oben  die  Tabelle  auf 
S.  158.  Die  Mängel  der  Ordnung  in  AB  hat  Storm  schon  (S.  102)  ins 
Licht  gestellt. 

Da  die  einstige  Existenz  einer  altern  Vorlage  von  M  zurückge- 
wiesen ist,  soweit  wir  aus  dem  Dasein  von  AB  darauf  schließen  könnten, 
gewinnen  wir  folgendes: 

1.  Der  norwegische  Ursprung  der  Saga  wird  nach  den  sonst 
dafür  sprechenden  Gründen  kaum  mehr  zu  bezweifeln  sein. 

2.  Die  Echtheit  des  Prologs  wird  mindestens  zweifelhaft.  In  M 
kann  er  gestanden  haben,  da  Avir  15  Blatt  im  Anfang  fehlend  annehmen, 


168  TREUTLER 

vielleicht  auch  Hand  II  dort  schon  thätig  war.  Für  das  einstige  Vor- 
handensein desselben  in  M  spricht  ebenso  stark  sein  Dasein  in  AB, 
wie  dagegen  das  Fehlen  im  Schwedischen.  Der  isLändische  Bearbeiter 
hatte  dieselben  Gründe  eine  Anpreisung  seinem  Werke  voranzuschicken, 
wie  der  norwegische  Verfasser.  Die  Sache  ist  ganz  unsicher;  jedes 
Falls  wird  man  gut  thun,  weitgehende  Schlüsse  auf  Stellen  aus  dem 
Prolog  nicht  zu  begründen. 

3.  Das  Capitel  188  hat  kaum  bereits  als  Capitel  *2l  in  M  ge- 
standen, denn  es  hätte  wirklich  viel  Geschmacklosigkeit  dazu  gehört, 
es  an  dieser  passenden  Stelle  zu  streichen  und  an  der  unpassenden 
(188)  beizubehalten. 

Wie  ist  aber  M  entstanden? 

Als  erste  Niederschrift  ist  M  der  Auslassungen  wegen,  die  darauf 
hinweisen,  daß  es  abgeschrieben  ist,  nicht  zu  betrachten.  Andererseits 
kann  man  nicht  annehmen,  daß  das  Original  ebenso  ausgesehen  habe, 
wie  M.  Erstens  wird  es  die  4  Capitel  185 — 188  kaum  enthalten  haben, 
dann  zeigt  sich  in  M  ganz  deutlich  eine  Zweiheit  des  Stoffes,  die  merk- 
würdig auch  in  zwei  Personen  ihre  Vertretung  findet,  in  den  Schreibern 
II  und  III.  Von  letzterem  ist  die  Wiederholung  der  Geschichte  von 
den  Vilcinenkönigen  geschrieben,  seit  seinem  Eintreten  ist  Nr.  II  nicht 
mehr  thätig,  äußere  Gründe  genug  um  anzunehmen,  daß  die  ver- 
schiedenen Darstellungen  sich  erst  in  M  nebeneinander,  nicht  in  einer 
Vorlage  zusammen  fanden. 

Raßmann  (a.  a.  0.  S.  XXIV)  nahm ,  wie  es  scheint;,  als  etwas 
selbstverständliches  an,  M  sei  aus  zwei  Handschriften  abgeschrieben; 
derselben,  der  Nr.  III  gefolgt  sei,  seien  auch  AB  entsprungen.  Die  An- 
nahme verschiedener  Herkunft  der  Theile  in  M  ist  durchaus  ansprechend, 
leider  aber  hat  Raßmann  nicht  die  mindeste  Andeutung  gegeben,  wie 
man  sich  die  beiden  Vorlagen  und  ihr  genaueres  Verhältniss  zu  denken 
habe.  Es  bietet  das  noch  Schwierigkeiten.  Suchen  wir  uns  den  Vorgang 
bei  der  Entstehung  von  M  auf  rein  äußerlichem  Wege  zu  erklären, 
so  bleiben,  abgesehen  von  dem  complicierten  und  wenig  glaublichen 
Fall,  dalj  die  Vorlagen  verschieden  geordnet  gewesen  seien  und  der 
eine  oder  beide  Abschreiber  noch  Umstellungen  gemacht  hätten,  — 
wären  die  Erzählungen  dann  je  wieder  zusammen  gekommen?  —  drei 
Möglichkeiten  übrig: 

1.  Die  zwei  Vorlagen  waren  verschieden  geordnet. 

2.  Sie  waren  gleich  geordnet,  aber  der  Schreiber  Nr.  II  ordnete  um. 

3.  Sie  waren  gleich  geordnet,  aber  der  Schreiber  Nr.  III  ordnete  um. 


ZUK  THIDREKSSAGA.  169 

In  den  beiden  ersten  Fällen  würde  für  die  Vorlage  von  Nr.  III 
sich  ergeben,  daß  in  ihr  auf  Sigurds  Jugend  die  Kämpenaufzählung, 
der  Zug  nach  Bertangaland,  Herburt  und  Hilde,  Osantrix  gegen  Melias, 
Attila  gegen  Osantrix  und  Melias,  Valtari  und  Hildigunnr  gefolgt 
wären,  daß  sie  aber  alles  das,  was  Nr.  III  von  dem,  vom  Schreiber  II 
(und  I)  geschriebenen,  nicht  wiederholte,  auch  vorausschickte.  Diese 
Ordnung  möchte  eher  den  Namen  einer  gründlichen  Unordnung  ver- 
dienen. 

Hat  aber  endlich  Nr.  III  Umstellungen  gemacht ,  so  lässt  sich 
nicht  annehmen,  daß  er  wegen  bloßer  verschiedener  Lesarten,  die  seine 
Vorlage  gegenüber  der  von  Nr.  II  enthielt,  36  volle  Capitel,  die  dieser 
(resp.  Nr.  I)  erzählt,  an  einer  Stelle  sollte  wiederholt  haben  ,  wo  sie 
sein  Original  nicht  bot.  Er  muß  dazu  andere  Gründe  gehabt  haben; 
dieß  müsste  man  mehr  oder  weniger  selbst  dann  noch  annehmen,  wenn 
einer  der  ersten  beiden  Fälle    statt   gehabt  hätte. 

Mit  einer  Erklärung  der  Entstehung  von  M  und  zumal  der  Doppel- 
partien darin ,  auf  rein  mechanischem  Wege  dürften  wir  also  kaum 
zum  Ziele  gelangen;  es  bleibt  dann  nur  die  Möglichkeit  einer  Über- 
arbeitung und  absichtlicher  Wiederholung  zu  bestimmtem  Zweck. 

Das,  was  Nr.  II  (und  I)  schrieb,  trägt  einen  sehr  verschiedenen 
Charakter  von  dem,  was  uns  Nr.  III  bewahrte  (und  seine  Helfer  IV 
und  V).  Ist  auch  weder  das  Eine  noch  das  Andere  eine  irgendwie 
künstlerische  Composition,  so  geht  doch  die  Erzählung  bei  Nr.  II  ruhig 
und  sicher  vorwärts,  neu  auftretende  Personen  werden  sachg«^mäß  ein- 
geführt, und  wenn  auch  die  geographischen  Verhältnisse  im  Ganzen 
schwankend  sein  mögen,  so  ist  doch  immer  noch  eine  Spur  von  Be- 
stimmtheit da,  und  jeder  Person  wird,  wie  ein  Geschlecht,  so  auch  ein 
Vaterland  und  eine  bestimmte  Heimstätte  beiojelegt.  Dabei  gehört  alles 
Vorgetragene  in  den  engern  Kreis  der  Dietrichssage,  mit  der  Wittich 
und  Heime  auch  im  deutschen  Epos  eng  verwachsen  erscheinen,  während 
ihr  auch  Dietleib  hier  gewiß  näher  steht  als  Siegfried.  Episoden,  die 
durchaus  nichts  mit  jsidrekr  zu  thun  haben,  finden  sich  kaum;  die  Ver- 
wicklungen zwischen  Osantrix  und  Melias  spielen  durch  die  ganze 
Sage  und  die  Nachkommen  des  Vilcinns,  Vidga  und  die  vier  riesischen 
Söhne  Nordians  treten  aller  Augenblicke  auf.  Hervorzuheben  aber  ist, 
daß  die  chronologische  Folge  durchgehends  gewahrt  und  der  Gang 
der  Ereignisse   ein   natürlicher  ist. 

Ganz  das  Gegentheil  ist  der  Fall  im  zweiten  Theile  der  Saga. 
Während  sich  im  ersten  allein  genommen  fast  gar  keine  Widersprüche 
linden    (nur    daß    von  Aspilian  Cap.  27  gesagt  wird,    er  sei  ein  Riese 


170  TREUTLER 

gewesen,  Cap.  197  er  sei  geartet  wie  andere  Menschen,  Raßmaun 
S.  XIV;  einen  Widerspruch  wird  man  es  nicht  nennen  dürfen,  wenn 
bidrekr  Cap.  97  sich  für  Heimir  ausgibt  und  behauptet ,  zu  seinem 
Vater  nach  Bertangaland  zu  ziehen  ,  während  Studas  nach  Cap.  18 
doch  in  Svava  wohnt)  erscheinen  hier  sowohl  im  Innern,  als  im  Ver- 
gleich zum  ersten  Theil  ziemlich  bedeutende.  (S.  Grimm,  Heldensage, 
S.  179,  Raßmann,  S.  XIV  ff.)  Es  drängen  sich  förmlich  Episoden,  die 
den  Blick  in  weite  Fernen  der  Sagenwelt  eröffnen  ,  die  aber  auf  die 
Geschichte  von  Dietrich  nicht  den  geringsten  Einfluß  haben  und  nur 
ganz  lose  und  oberflächlich  an  sie  angeknüpft  sind.  Aber  diese  fremden 
Elemente  waren  nicht  einzuordnen,  und  überall  zerbrechen  und  zer- 
stören sie  die  einfachen  Verhältnisse  der  Saga,  wie  sie  im  ersten  Theil 
erscheint.  Da  ist  zuerst  die  Geschichte  von  Herburt  und  Hilde.  Hier 
wird  Artus  mit  hereingebracht.  Für  ihn  ist  absolut  kein  Land  mehr 
da;  so  wird  ihm  denn  Bertangaland  zugetheilt ,  wo  wir  Cap.  189  ff. 
schon  Isung  als  König  gefunden  hatten  *).  Cap.  245  wird  dafür 
die  Erklärung  gegeben,  dieser  habe  den  Artus  vertrieben.  Dann  ge- 
hörte die  Episode  zeitlich  allerdings  an  eine  frühere  Stelle,  wo  wäre 
da  aber  Raum  für  sie  gewesen?  Schon  W.  Grimm  Heldensage  (s.  179  h.) 
macht  auf  den  groben  Widerspruch  aufmerksam,  der  so  in  die  örtlichen 
und  chronologischen  Verhältnisse  der  Saga  kommt ,  die  von  nun  an 
nicht  mehr  wieder  herzustellen  waren.  Ahnliches  gilt  von  der  Historie 
von  Iron  und  Apollonius. 

Es  zeigt  sich  also,  daß  die  Quelle  von  Nr.  II  rein,  einfach  und 
einheitlich  war ,  von  dem ,  was  Nr.  III  schrieb ,  gilt  das  nicht.  Hier 
finden  sich  Erweiterungen.  Dieselben  kann  schon  seine  Vorlage  gehabt 
haben.  Nach  der  Lage  der  Dinge  erscheint  es  aber  nicht  unwahr- 
scheinlich, daß  Nr.  III  selbst  die  Erweiterungen  vorgenommen.  Da  AB 
nach  unserm  Dafürhalten  aus  M  hervorgiengen,  so  kann  die  Behaup- 
tung vorerst  nicht  entgegengehalten  werden ,  es  müsse  ein  älteres 
Original  dagewesen  sein,  das  den  vollen  Stoff,  den  M  enthält,  geboten 
hätte.    Für  die  Ablehnung  eines   solchen   aber  spricht  Verschiedenes. 


*)  Artus  hrit  freilich  der  übrigen  Litteratur  des  Mittelalters  zufolge  ein  mehr 
begründetes  Anrecht  auf  Bertangaland  als  Isungr.  Doch  ist  dieser  für  die  päs.  ohne 
Zweifel  der  ursprünglichere.  Es  soll  damit  nicht  behauptet  werden,  daß  alte  Sage  ihn 
als  König  von  Bertangaland  gekannt  habe,  vielmehr  ist  er,  anfänglich  wohl  eine  mythi- 
sche Figur,  in  der  |)ds.  oder  ihren  Quellen  aus  Mangel  an  einem  andern  Lande  da- 
selbst localisiert.  Bei  der  Trennung  der  Sagenkreise  war  ein  Zusammenstoß  mit  A.  gar 
nicht  uöthig,  erst  dem  kritiklosen  Verfahren  von  111  war  es  vorbehalten,  einen  solchen 
hervorzurufen. 


ZUR  TIIIDREKSSAGA.  171 

Nr.  III  werden  wir  als  den  Urheber  der  Erweiterungen  ansehen 
dürfen,  wenn  sich  ihm  ein  besonders  ausgesprochener  Geschmack  und 
überhaupt  eine  in  den  Gang  des  Ganzen  eingreifende  Thätigkeit  nach- 
weisen läßt. 

Beides  ist  möglich. 

Ein  ganz  auffälliger  Hauptzug  tritt  an  dem  hervor  was  Nr.  III 
selbst  schrieb.  Bei  weitem  der  größte  Theil  davon  sind  Liebesgeschichten; 
er  gibt  eine  wahre  Mustersammlung  von  Entführungen  aller  Art  Her- 
burt  entführt  Hilde,  Osantrix  Oda,  Rodolfr  Erka  und  Berta,  Valtari 
Hildigunnr,  ApoUonius  die  Tochter  Salomons.  Beinahe  alle  derartigen 
Geschichten  in  der  Pidrekssaga  finden  sich  von  Nr.  III  aufgezeichnet. 
Gerade  dieß  sind  aber  vielfach  Episoden,  die  sich  mit  |)idreks  Schick- 
salen gar  nicht  berühren.  Sobald  wir  aber  wieder  etwas  weiter  in  dessen 
eigentliche  Geschichte  hinein  kommen,  überträgt  Nr.  III  die  Arbeit 
seinen  Gehilfen.  Es  wird  nicht  zu  kühn  sein  ,  wenn  wir  den  eigen- 
thnmlichen  Zug,  den  seine  Arbeit  trägt;,  nicht  für  zufällig  halten.  Die 
Neigung  des  Schreibers  Nr.  III  zog  ihn  vorzüglich  zu  solchen  roman- 
tischen Abenteuern ,  in  denen  auch  hie  und  da  das  höfische  Element 
mehr  hervortritt.  Nr.  III^  ofi'enbar  der  Leiter  der  Schreibarbeit  im 
zweiten  Theil  der  Saga,  konnte  sich  recht  wohl  das  zur  eigenhändigen 
Arbeit  auswählen,  was  ihm  besonders  anstand.  Dort  aber,  wo  er  in 
die  Arbeit  von  Nr.  H  eingriff,  wo  er  den  Einschub  machte,  bewies  er, 
wie  gering  man  es  auch  anschlagen  mag,  doch  eine  selbständige  Auf- 
fassung der  Saga.  Der  Charakter  dieses  Einschubes  aber  ist  dem  der 
spätereren  Episoden  im  Wesentlichen  ähnlich.  Auch  die  Geschichte 
Sigurds,  besonders  die  seiner  Jugend,  bleibt  für  die  J)idrekssaga  ohne 
Folgen;  auch  hier  zeigt  sich  das  Nebelhafte  und  Verschwommene  in 
den  geographischen  Verhältnissen.  Sigmund  hat  ein  Königreich  in  Tar- 
lungeland, sein  Schwager  Drasolf  ist  König,  wovon?  Beide  unternehmen 
einen  Kriegszug  austr  i  Pulinaland,  nichts  wird  davon  erzählt,  der 
Name  ist  Lückenbüsser.  Sigurd  treibt  in  dem  Glasgefäß  einen  Fluß  hinab, 
treibt  an  einer  Insel  an  —  weder  jener,  noch  diese  trägt  einen  Namen. 
Man  wird  sonach  den  Schreiber  Nr.  II  nicht  mit  Raßmann  beschul- 
digen dürfen,  er  habe  diese  Partie  ausgelassen,  vielmehr  hat  sie  Nr.  III 
eingefügt;  und  wohl  selbständig,  wie  auch  die  anderen  Episoden,  denn, 
lassen  sich  auch  nur  äußerliehe  und  zufällig  scheinende  Dinge  dafür 
anführen ,  derselbe  gewinnt  für  uns  eine  ausgeprägte  Individualität. 
Daß  diese  Erweiterungen  hier  in  M  zuerst  erscheinen ,  ist  auch  der 
vielen  Widersprüche  wegen  nicht  unwahrscheinlich;  der  erste  Hinein- 
arbeiter,   der    mehr  unter  der  Herrschaft  seines  Stoßes   stand,   konnte 


172  TREUTLER 

sich   ihnen    schwerer  entziehen,    die   spätem  Überarbeiter  sehen  wir 
sogleich  ebnen   und  glätten. 

Als  wir  oben  erwogen,  ob  M  auf  rein  mechanischem  Wege  aus 
zwei  Vorlagen  abfließen  konnte,  blieb  uns  die  entgegengesetzte  Mög- 
lichkeit  oflfen,  eine  Überarbeitung  und  für  die  Doppelpartien  absicht- 
liche Wiederholung  anzunehmen.  Diese  Annahme  passt  sich  dem  eben 
gewonnenen  Resultate  vortrefflich  an.  Wenn  Nr.  III  den  abenteuer- 
lichen Zug  hatte,  den  wir  ihm  oben  zuschrieben,  konnte  er  wohl,  als 
er  empfand,  wie  er  mit  seinen  Episoden  doch  das  Ganze  zerrüttete, 
—  und  diese  Erkenntniß  musste  er  bald  gewinnen,  —  um  seiner  Lust 
an  Entführungsgeschichten  volle  Befriedigung  und  seiner  Sammlung 
die  möglichste  Vollständigkeit  zu  verschaffen ,  darauf  verfallen ,  die 
Geschichte  von  Gsantrix-Melias-Attila  zu  wiederholen,  die  ihm  zwei 
der  herrlichsten  Vorwürfe  gab,  und  an  der  er,  indem  er  die  Valtari- 
saga  sich  anschließen  heß ,  dieselbe  Begebenheit  durch  drei  Gene- 
rationen, von  Melias  bis  Valtari  vorführen  konnte.  Vielleicht  beruhigte 
ihn  auch,  daß  er  die  Geschichte  in  seiner  Vorlage  etwas  anders  erzählt 
fand,  —  eben  wegen  gewisser  Abweichungen  hier  werden  wir  für  Nr.  III 
eine  etwas  andere  Quelle  wie  für  Nr.  II  annehmen  müssen.  (Freilich 
schrieb  er  nicht  überaus  sorgfältig,  wie  man  an  einigen  Veränderungen 
in  Cap.  170,  171,  die  er  nach  den  von  ihm  durchstrichenen  in  der 
Arbeit  von  Nr.  II  abschrieb,  sehen  kann.)  Möglicherweise  änderte  er 
auch  hier,  den  Rodingeirr,  Cap.  43,  44,  z.  B.  als  Werber  der  Erka 
für  Attila  dürfte  er  wohl  erst  eingeschwärzt  haben. 

Woher  entnahm  nun  Nr.  III  seine  Zusätze?  (Dieselbe  Frage  würden 
wir  eventuell  für  seine  Vorlage  zu  stellen  haben.)  Auch  hier  —  wie 
z.  B.  in  der  Ironssaga  —  finden  sich  Stellen ,  die  darauf  hindeuten, 
daß  diese  Episoden  abgeschrieben  wurden.  Sie  brauchen  deßhalb  wohl 
kaum  in  einem  Werke  gestanden  zu  haben,  sondern  man  dürfte  viel- 
leicht kleinere  nordische  Prosaerzählungen  annehmen,  wie  Storm  z.  B. 
für  die  Carlamagnussaga  (a.  a.  o.  S.  53)  ein  bücherweises  Entstehen 
zu  vermuthen  scheint.  Anderes  könnte  man  vielleicht  sogar  als  in  M 
zuerst  in  nordischer  Sprache  niedergeschrieben,  als  Original  ansprechen, 
eine  derartige  Vermuthung  möchten  wir  am  ehesten  für  die  schon  be- 
sprochene Episode  von  Herburt  und  Hilde  wagen,  wo  das  Schwanken 
im  Namen  des  jüngsten  Königssohnes  von  Sintram  (so  die  ersten  drei- 
mal) zu  Tintram,  Tistram,  Tristram  mühsames  Zurückerinnern  zu  ver- 
rathen  scheint;  auch  der  allerdings  gedankenlose  Schreibfehler,  S.  214,0 
möchte  nicht  dagegen  sprechen.  Sonst  aber  zeigt  gerade  diese  Geschichte 
alle   die  Kriterien,    die  wir  für   eigene  Zufügung   des  Schreibers   auf- 


ZUR  THIDREKSSAGA.  173 

stellten,  in  hohem  Grade,  und  vielleicht  verleitete  ihn  gerade  hier  die 
Lust,  selbst  schriftstellerisch  thätig  zu  sein,  zu  dem  ersten  gänzlichen 
aus  den  Augen  lassen  des   großen  Ganzen. 

Als  erst  von  Nr.  III  hineingetragen  wäre  selbst  die  Niflungasaga, 
"wenigstens  so  ausgedehnt  sie  jetzt  erscheint,  zu  bezeichnen;  dafür 
spricht,  daß  hier  Gunnars  Vater  Aldrian  hieß,  wie  in  dem  Cap.  169, 
das  Nr.  III  vor  das  geschoben,  in  welchem  Nr.  II  erzählt,  es  sei  Irungr 
gewesen.  (170.)  Ahnlich  hätte  mit  Rücksicht  auf  die  Niflungasaga  Nr.  III 
auch  den  Rodingeirr  in  die  Geschichte  der  Werbung,  Cap.  43,  44,  ein- 
geflochten. (Zu  einer  ähnlichen  Ansicht  über  die  Sigurds-  und  Niflunga- 
saga und  deren  Vorhandensein  im  Norden  in  prosaischer  Bearbeitung 
vor  der  ridrtkssaga  gelangte  auch  Raßmann,  aber  aus  anderen  Gründen; 
vgl.  a.  a.  0.,  S.  XX,  Anm.  1.) 

Unsere  Ansicht  über  M  und  seine  Entstehung  also  ist  folgende: 
M  ist  kein  einheitliches  Ganze  und  nicht  nach  dem  Werke  eines  Ver- 
fassers abgeschrieben.  Dem  Anfang  liegt  vermuthlich  eine  ältere,  ein- 
fachere |)idrekssaga  zu  Grunde,  die  zwei  Norweger  abzuschreiben  be- 
gannen. Dieselbe  enthielt  außer  dem ,  was  Nr.  I  und  II  wirklich 
schrieben,  etwa  noch  den  Zug  nach  Bertangaland,  Schluß,  Sifka's 
Rache,  Attila's  Kriege  gegen  Valderaar,  ])idreks  Zug  gegen  Erminrek; 
und  das  Stück  von  jDidreks  Heimkehr  bis  zum  Schluß.  Die  Arbeit 
jener  beiden,  unterbrochen,  ward  fortgesetzt  von  einem  dritten  Mann, 
der  andern  Gesichtspunkten  folgte.  Ihm  lag  eine  etwas  andere  Hand- 
schrift vor ,  die  wir  aber  der  ersten  au  Einfachheit  ähnlich  halten 
können.  Dieser  Abschreiber  jedoch  hatte  einen  abenteuerlichen  Hang 
zu  romantischen  Geschichten,  deren  er  eine  Menge  einwob;  er  hatte 
sie  aus  schriftlichen  Quellen ,  zum  Theil  zeichnete  er  sie  vielleicht 
selbst  nach  Erzählungen  zuerst  auf.  Das  Ganze  zerstörte  er  damit  von 
Grund  aus.  Zwei  Schreiber  giengen  ihm  zur  Hand,  die  wohl  nach  Dictat 
schrieben. 

Schon  Storm  in  seinem  öfters  citierten  Buche,  dem  wir  große 
Anregung  verdanken,  stellt  eine,  wie  es  scheint,  ähnliche  Ansicht  auf, 
wenn  er  sagt ,  M  zerfalle  in  zwei  Redactionen ,  und  wenn  er  ferner 
Nr.  HI  als  den  Hauptredacteur  bezeichnet.  Er  spricht  sich  jedoch  nicht 
schärfer  aus  und  zieht,  wie  uns  däucht,  nicht  die  genügenden  Fol- 
gerungen. 

Von  einem  Verfasser  der  Saga  in  der  vorliegenden  Gestalt  dürfte 
schwerlich  weiter  die  Rede  sein  können;  der  der  eigentlichen  (ein- 
facheren) I'idrekssaga  tritt  hinter  dem  Überarbeiter  in  M  zurück,  und 
dieser  verdient  jenen  Namen  nicht. 


174  TREUTLER 

Der  Prolog,  selbst  wenn  er  wirklich  in  M  gestanden  hätte,  wäre 
dann  doch  nur  zu  dem  einen  Theile  der  Saga  zugehörig  und  entbehrte 
für  den  andern  jeder  Beweiskraft.  Überhaupt  erscheint  es  grundfalsch, 
von  einem  Theile  in  M  auf  den  andern  irgend  welche  Schlüsse  zu 
ziehen;  die  Schreiber  Nr.  II  (und  I)  und  Nr.  III  (IV,  V)  sind  streng 
von  einander  zu  trennen. 

Wie  man  sich  das  Verhältniss  von  M  bei  der  gefundenen  Sach- 
lage zu  seinen  deutschen  Quellen  zu  denken  hat,  ist  im  zweiten  Theil 
noch  besonders  erörtert. 

Kommen  wir  mit  wenigen  Worten  auf  unsern  Ausgangspunkt 
zurück.  Für  die  Erzählung  von  J)idreks  Hengst  Falka  glauben  wir 
wahrscheinlich  gemacht  zu  haben ,  daß  dieselbe  in  M  nur  einmal,  als 
Cap.  188,  nicht  zweimal   vorkam. 

Die  anderen  beiden  Doppelerzählungen  verdanken  ihre  Entstehung 
dem  Gegensatze  zwischen  Schreiber  Nr.  II  und  III;  die  erste  ^■on 
Hagen's  Herkunft,  Cap.  169,  fügte  Nr.  III  wahrscheinlich  der  Niflunga- 
saga,  der  die  Darstellung  von  Nr.  II,  Cap.  170,  nicht  entsprach,  über- 
einstimmend zu;  für  die  Wiederholung  der  Geschichte  von  den  Vil- 
cinenkönigen  wird  sich,  schwer  ein  Grund  angeben  lassen,  falls  man 
sich  nicht  zu  unserer  oben  aufgestellten  Hypothese,  der  die  allgemeinen 
Verhältnisse  kaum  widersprechen,  bekennen  mag. 

IL 

Unter  allen  die  fidrekssaga  betreffenden  Fragen  eine  der  wich- 
tigsten und  vielleicht  am  meisten  behandelt,  ist  die^  wie  sich  dieselbe 
zu  ihren  deutschen  Quellen  verhält.  Daß  ihr  überhaupt  solche  zu 
Grunde  liegen,  steht  außer  Zweifel;  ebenso,  daß  es  mehrere  sind, 
nicht  blos  eine  ist,  wie  P.  E.  Müller  im  Anschluß  an  die  Worte  des 
Prologes:  ]iessi  saga  er  ein  af  J)eim  stoerstum  sogum  er  gorvar  hafa 
verit  i  ]5yderskri  tungu,  glauben  wollte;  endlich  wird  von  Niemand 
bestritten,  daß  der  Stoff  dieser  Quellen  dem  Norden  durch  Nieder- 
deutsche vermittelt  ward. 

Über  alles  andere  gehen  die  Ansichten  auseinander. 

W.  Grimm,  Heldensage,  S.  175  ff.  glaubt,  der  Sagaschreiber  habe 
geschöpft  theils  aus  schriftlicher,  theils  aus  mündlicher  Überlieferung 
(alten  Geschichten  und  Erzählungen  deutscher  Männer)  ,  die  er  auf 
deutschen  Burgen  empfangen. 

A.  Raßmann,  Heldensage,  Band  II,  S.  XXI,  glaubte  dieß  näher 
dahin  ausführen  zu  können,  daß  unter  der  mündlichen  Überlieferung 
niederdeutsche,   kürzere  Lieder,   nach   Art   der  Kja^mpeviser  zu  ver- 


ZUR  THTCREKSSAGA.  175 

stehen   seien,    scliriftlicli   aber   dem  Verfasser   der   Saga   hochdeutsclie, 
längere  Heldengedichte    vorgelegen  hätten. 

Alledem  entgegen  erklärte  sich  Döring  in  seiner  Abhandlung:  Die 
Quellen  der  Niflungasaga  in  der  Darstellung  der  ridrekssaga  und 
den  von  dieser  abhängigen  Fassungen.  (Zeitschrift  für  deutsche 
Philologie,  Band  II,  S.  1—79,  265-292.)  Er  betoute,  daß  der  Verfasser : 

1.  nicht  in  Deutschland  seinen  Stoff  erhielt;  —  dieß  im  Anschluß 
an  P.  E.  Müller,  der  das  Gleiche  annahm,  und  als  den  Ort,  wo  der 
nordische  Verfasser  seinen  deutschen  Gewährsmännern  begegnet,  glaubte 
Bergen  bezeichnen   zu  können; 

2.  daß  er  keine  schriftlichen  deutschen  Vorlagen  hatte  und  nur 
mündlichen  Berichten  folgte ; 

3.  daß  diese  hauptsächlich  oder  nur  aus  hochdeutschen,  umfang- 
reichern Epen  geschöpft; 

4.  daß  er  ein  ünterhaltungsbuch  liefern  wollte,  deßhalb  sich  nicht 
so  getreu  an  seine  Quellen  gebunden  glaubte  ,  deren  Darstellung  er 
denn  auch,  theils  um  zu  besserer  Einheit  in  seiner  Geschichte  zu  ge- 
langen, theils  um  sie  nordischem  Geschmack  angemessen  zu  machen 
und  mit  nordischen  Sagengebilden  mehr  in  Einklang  zu  setzen ,  ver- 
änderte, was  ihm  aber  zeitweise  auch  unabsichtlich  begegnen  konnte, 
da  er  aus  dem  Gedächtnisse  schrieb. 

Diese  vier  Sätze  liegen  der  Ausführung,  daß  die  Niflungasaga 
auf  unser  erhaltenes,  hochdeutsches  Nibelungenlied  zurückgehe,  nicht 
auf  irgend  eine  unbekannte  Vorlage,  zu  Grunde,  wie  umgekehrt  diese 
Untersuchung  im  Einzelnen   wiederum  sie  zu  stützen  dient. 

Zuletzt  handelte  über  die  beregte  Frage  G.  Storm.  Dieser  nahm 
die  beiden  ersten  Sätze  Döring's  unbedingt  an^  indem  er  Müller's  An- 
sicht über  den  Übermittlungsort  Bergen  noch  näher  ausführt;  weiter 
neigt  auch  er  sich  zu  der  Ansicht,  daß  nur  größere  epische  Gedichte 
den  Stoff  geliefert  hätten,  doch  sei  nicht  mehr  zu  entscheiden,  ob  die- 
selben hoch-  oder  niederdeutsch  (dann  wohl  Übersetzungen  hoch- 
deutscher Epen?)  gewesen  seien.  Vgl.  S.  107,  108.  Bestimmt  spricht 
er  sich  aber  gegen  die  vierte  Döring'sche  Behauptung  aus,  die  Heran- 
ziehung des  erhaltenen  Nibelungenliedes  verwirft  er  ganz :  der  Ver- 
fasser der  Saga  folgte  seinen  Quellen  treu ,  weicht  er  von  uns  Be- 
kanntem ab,  so  gab  es  in  alter  Zeit  Epen,  die  eine  andere  Fassung 
hatten,  als  die  uns  bewahrten,  oder  die  Verschiedenheit  fällt  den  nieder- 
deutschen Gewährsmännern  zu  Last ;  es  ist  falsch ,  einen  Einfluß  nor- 
discher Sage  und  Sitte  nachweisen  zu  wollen. 


176  TKF.UTI.KIt 

Ähnliches  Vertrauen  setzte  Raßinann  (wohl  auch  W.  Grimm)  in 
die  Zuverlässigkeit  des  Verfassers. 

Nach  der  oben  geführten  Untersuchung  stellt  sich  für  uns  einiges 
anders,  als  bisher  ausgesprochen  ward.  Nach  unserer  Ansicht  kam  die 
I^idrekssaga,  wie  sie  in  M  vorliegt,  so  zu  Stande,  daß  die  unvollendete 
Abschrift  einer  altern,  einfacheren  ridrekssaga  bei  ihrer  Fortführung 
durch  einen  andern  Schreiber  aus  mehreren  nordischen  Prosasagas  er- 
weitert wurde.  Ist  diese  Annahme  richtig,  so  wird  man  kaum  bestreiten 
können,  daß  der  Verfasser  einer  von  diesen  ganz  wohl  seinen  Stoff 
selbst  in  Deutschland  erhalten  oder  eine  schriftliche  Vorlage  gehabt 
haben  könne,  ohne  daß  sich  eine  Andeutung  hierüber  in  M  erhalten 
hat;  ohne  eine  solche  können  wir  jedoch  bei  den  Döring' sehen  Sätzen 
stehen  bleiben. 

Wichtiger  ist  zu  entscheiden ,  ob  die  Darstellung  in  M  den 
deutschen  Quellen  treu  folgte?  Diese  Frage  müssen  wir  verneinen. 
Wenn  schon  für  die  ursprüngliche  ridrekssaga  schwer  ganz  getreues 
Festhalten  an  den  deutscheu  Quellen  anzunehmen  ist^  —  diese  waren 
zahlreich  und  wichen  vielfach  von  einander  ab*);  um  sie  zu  einem 
Ganzen  zu  verbinden,  musste  der  Ordner  dem  Einzelnen  bisweilen 
Gewalt  anthun ,  —  so  lässt  sich  solches  noch  weniger  für  den  Er- 
weiterer in  M,  unsern  Schreiber  Nr.  III,  annehmen,  der  durch  rohes 
Einschieben  fremder  Episoden  sein  eigentliches  Original  durchaus  zer- 
störte und  auch  gegen  jene  gewiß  nicht  mehr  Rücksicht  nahm,  wenn 
es  galt,  eine  auch  noch  so  oberflächliche  Einheit  herzustellen.  Dabei  muß 
man  bedenken,  daß  gerade  diese  Erweiterungen  von  ihrer  deutschen 
Heimat  bis  zu  der  Aufzeichnung  durch  Nr.  III  noch  eine  Stufe  mehr 
durchzumachen  hatten,  als  die  eigentliche  ridrekssaga.  Wie  die  Um- 
änderung des  Einzelnen  dem  Ganzen  zu  gefallen  fortschreitet,  lehrt 
uns  deutlich  die  Bearbeitung  AB;  hierin  wird  gleichwohl,  ebenso  wie 
in  M,  getreuer  Anschluß  behauptet  und  auf  erhaltene  Denkmale  sich 
berufen. 

Nach  diesen  Erwägungen  können  wir  der  letzten  der  oben  ange- 
führten Döring'schen  Thesen  nur  vollkommen  zustimmen ,  trotzdem 
wir  die  Begründung  aus  dem  Prolog  für  keineswegs  sicher  halten. 
(S.  Döring  a.  a.  O.  S.  5.)  Döring's  entsprechendes  Verfahren  im  be- 
sondern bei  Vergleichung  der  Niflungasaga  mit  dem  Nibelungenliede 
könnte   nur   dann   unerlaubt   erscheinen ,    falls    besondere  Gründe  sich 


*)  Wie  sehr  streiten  nicht  unsere  erhaltenen  Heldenlieder  untereinander,  sowohl 
in  chronologischen  als  auch  in  andern  Dingen! 


ZUR  THIDREKSSAGA.  177 

noch  dagegen  vorbringen  ließen.  Sowohl  das,  was  Raßmann,  wie  das, 
was  Storm  für  die  Zuverlässigkeit  des  Verfassers  sagen,  steht  aber 
auf  schwachen  Füßen. 

Raßmann  meint,  S.  XXVIII,  die  einzige  Partie,  in  der  man  den 
Sagaschreiber  controlieren  könne,  sei  die  Erzählung  von  j^idreks'  Kämpen, 
das  dänische  Volkslied,  Kong  Didrik  og  Hans  Kjgemper,  das  sich  aus 
dem  sächsischen  entwickelt  habe ,  beweise  den  nahen  Anschluß  der 
ridrekssaga  an  das  letztere.  Storm  hat  nachgewiesen,  daß  das  dänische 
Lied  auf  die  schwedische  Didrikschrouik  zurückgeht ,  die ,  wie  wir 
oben  sahen,  eine  Bearbeitung  der  ridrekssaga  ist. 

Weiter  gibt  Raßmann  S,  XV  unten,  die  Widersprüche  der  Saga 
für  einen  Beweis  großer  Gewissenhaftigkeit  den  Quellen  gegenüber 
aus,  wir  können  darin  nur  den  Widerstreit  zweier  verschiedener  nor- 
discher Bearbeiter  finden. 

Was  Raßmann  weiter  für  den  Sagaschreiber  anführt,  zieht  aucli 
Storm  zum  großen  Theil  wieder  herbei.  Beide  berufen  sich  auf  die 
Stelle  im  Prolog:  ok  ])o  at  ]3U  takir  einn  mann  or  hverri  borg  um 
allt  Saxland*).  j^a  munu  Jsessa  sogu  allir  a  eina  leitt  segia.  Storni 
S.  119  meint,  fingierte  Quellen  seien  in  der  classischen  Periode  nor 
wegischer  Litteratur  etwas  unerhörtes. 

Wir  könnten  zuerst  entgegenhalten,  daß  die  Zugehörigkeit  des 
Prologs  für  M  nicht  zu  erweisen  ist;  aber  auch  diese  vorausgesetzt, 
—  was  in  der  angezogenen  Stelle  gesagt  ist,  ist  ja  gar  nicht  richtig. 
Uns  scheint  der  Unterschied  zwischen  Jemand,  der  für  etwas  eine 
Quelle  angibt,  wofür  er  keine  hat,  und  dem,  welcher  zwar  mehrere 
Quellen  hat,  aber  gegen  besseres  Wissen  deren  Einstimmigkeit  ver- 
sichert, ein  höchst  feiner.  Daß  aber  die  Quellen  nicht  einstimmten 
gibt  Storm  zu,  der  sogar  selbst  sich  bemüht,  eine  Reihe  eigenartiger 
Sagengebilde  herauszuschälen.  Kehren  wir  unsere  eigenen  Waffen  gegen 
uns !  Gesetzt ,  der  Prolog  sei  unecht ,  so  bleibt  die  Stelle  Cap.  394, 
welche  Einstimmigkeit  der  Quellen  nur  für  einen  kleinen  Theil  der 
Sage  behauptet;  es  wäre  ja  möglich,  daß  zwar  die  einzelnen  Episoden 
untereinander  nicht  übereinkämen,  daß  aber  gleichwohl  jede  überall 
mit  denselben  Abweichungen  erzählt  worden  wäre.  Wahrscheinlich  ist 
das  freihch  nicht;  kleinere  Sagengebilde  über  verwandten  Stoff  werden 
sich  immer  anziehen  und  beeinflussen.  Döring  S.  267  erklärt  den  Haupt- 
theil   dieses  Capitels   geradezu  für  Erfindung.    Die  vielen  Berufungen 


*)  Storm  nimmt  Saxland  wieder,  wie  früher  Raßmann  für  Sachsen,  was  Döring 
S.  78  für  unzulässig  erklärte. 

GERMANIA.  Neue  Eeilie.  VIU.    (XX.)  Julirg.  12 


J7S  TKEUTLEK 

cauf  <  h-tlichkeiten,  die  sich  in  demselben  befinden,  erwecken  kein 
Vei  trauen,  schon  Raßmann  kamen  solche  Hinweisungen  auf  noch  vor- 
handene Denkmäler  verdächtig  vor,  vgl.  S.  XXVII,  und  Döring  wies 
treffend  hin  auf  die  Aussage  über  ]:)idreks  Spieß  (Cap.  836)  und  die 
wunderliche  Localisicrung  des  Irungs  vegr  in  Susa.  (Cap.  387.) 

Raßmann  fand  in  der  I'idrekssaga  einen  Widerstreit  hoch-  und 
niederdeutscher  Quellen, 

Storm,  der  an  die  niederdeutschen  kürzern  Lieder  nicht  glaubt, 
scheint  es  sich  so  vorzustellen,  daß  die  hochdeutschen  Epen  auf  ihrer 
Wanderung  nach  dem  Norden  über  Niederdeutschland  durch  nieder- 
deutsche alte  Sagen  stark  beeinflußt  worden.  —  So  wird  man  das  von 
ihm  S.  110  ff.  gesagte  wohl  erklären  dürfen;  eine  Localisicrung  des 
süddeutschen  Stoffes  in  Norddeutschland  ohne  einen  solchen  äußern 
Grund  erscheint  doch  nicht  denkbar.  — 

Döring  endlich  behauptet,  der  oberdeutsche  Stoff  erscheine  in  M, 
seinem  eigentlichen  Wesen  nach,  unverändert;  im  Einzelnen  freilich 
vielfach  verdorben,  und  mit  nordischen  (auch  niederdeutschen?)  An- 
sätzen. 

Alle  drei  ziehen  die  geographischen  Verhältnisse  in  der  ridreks- 
saga  herbei.  Der  Kern  der  Frage  ist:  liegt  Hunaland  im  Osten,  in 
Ungarn,  oder  liegt  es  in  Norddeutschland?  (Zweitens,  ist  Bern  Verona 
oder  Bonn?) 

Döring,  nachdem  er  glaubte,  hinlänglich  erwiesen  zu  haben,  daß 
der  Niflungasaga  das  Nibelungenlied  zur  Grundlage  diene,  schloß  ein- 
fach, liegt  in  diesem  das  Hunenreich  in  Ungarn,  muß  es  in  jener 
ebenso   sein. 

Raßmann ,  für  den  der  Schauplatz  der  alten  Heldensage  über- 
haupt am  Rheine  liegt,  setzte  deshalb  auch  das  Hunaland  der  ridreks- 
saga  hieher.  —  Storm  schloß  sich  ihm  darin  an. 

Die  Annahmen  Döring' s  und  Raßmann's  sind  also  im  Grunde 
willkürlich,  jener  brauchte  Hunaland  im  Osten,  dieser  im  Norden,  beide 
brachten  dann  eine  Anzahl  Gründe  für  ihre  Meinung  vor. 

Wo  kann  Hunaland  liegen?  Raßmann  gesteht  zu,  daß  Bern  in 
den  meisten  Fällen  Verona  sei,  nur  an  einer  Stelle  will  er  es  für  Bonn 
nehmen,  weiter  muß  er  für  einzelne  Stellen  zugeben,  daß  Hunaland 
das  Hunnenreich  an  der  Donau  ist.  Zwischen  den  einzelnen  Schreibern 
in  M  ist  zu   unterscheiden. 

Eine  einzige  Stelle  nur  zwingt  uns,  Hunaland  da  zu  suchen,  wo 
Raßmann  es   finden  will. 


ZUH  THIDREKSSAGA.  179 

Cap,  45  heißt  es:  Attila  will  gegen  Villcinaland  ziehen^  er  sammelt 
ein  Heer  und  rückt  von  Susa  aus  und  reitet  mit  diesem  Heer  nord- 
wärts nach  Villcinaland.  Ihm  entgegen  zieht  Aspilian,  der  aber  ge- 
schlagen wird.  Attila  verfolgt  die  Flüchtigen  weiter  ins  Land  hinein. 
Nun  sammelt  Osangtrix  ein  Heer  und  zieht  ihm  entgegen.  Ok  er 
hann  kemr  sudr  i  Jotland.  J^a  hefir  hann.  X.  Jjusundir  rid- 
dara*)  u.  s.  f.  Attila  entweicht  sudr  i  Hunaland.  Als  er  in  den  Wald 
kommt,  der  zwischen  Hunaland  und  Dänemark  liegt,  schlägt  er  seine 
Zelte   auf. 

In  dieser  Stelle  ist  schwer  an  das  östliche  Hunaland  zu  denken. 
Sie  findet  sich  aber  nur  in  AB,  die  Redaction  von  Nr.  III  für  diesen 
Theil  ist  verloren,  die  von  Nr.  II  weicht  ab. 

Aber  ganz  deutlich  ist  das  Hunaland  an  der  Donau  gemeinte 
Cap.  293.  Valldemarr  von  Holmgard  zieht  gegen  Hunaland.  Attila 
rüstet  und  Valldemarr  zieht  sich  zurück.  294.  Attila  folgt  ihm  und  zieht 
nach  Rußland.  Als  er  in  das  Reich  von  Vilcinaland  und  Rußland 
kommt,  beert  er.  Valldemarr  kommt  ihm  nun  entgegen,  sie  treffen  sich 
in  Vilcinaland  (Pulinaland  AB).  295  kommt  es  zur  Schlacht.  296 
flieht  })idrekr  nach  derselben  in  ein  Castell.  298  rückt  ein  Heer  Attila's 
zum  Entsatz  heran  und  es  heißt:  als  die  Wächter  Valdemar's  gewahr 
werden^  daß  ein  unermessliches  Heer  nach  Rußland  gekommen  war 
u.  s.  f.  Diese  Stelle  ist  von  Hand  IV  geschrieben,  also  unter  der  Re- 
daction von  Nr.  III.  Hier  grenzen  deutlich  Vilcinaland,  Rußland  und 
Hunaland  zusammen,  dann  kann  Hunaland  bei  der  Ausdehnung,  die 
den  andern  Ländern  durchweg  gegeben  wird,  nur  Ungarn  sein**). 

Bei  Nr.  II  geht  es  von  Hunaland  nördlich  nach  Vilcinaland,  auch 
andere  Bestimmungen  finden  sich,  die  aber  keine  Gewissheit  geben. 
Cap.  35  (Unger  S.  42  unter  dem  Strich)  sagt  Fritlrik,  er  sei  langen 
Weg  vsestan  af  Spania  nach  Hunaland  gezogen,  was  auf  das  östliche 
Hunaland  besser  passt,  als  auf  das  nördliche. 

Nach  dem  Osten  weist  Hunaland  eine  zwingende  Stelle  bei  Nr.  IV, 
nach  dem  Norden  nur  eine  in  AB;  im  Übrigen  haben  wir  zwischen 
beiden    die  Auswahl ,    wir    werden    uns  in  Hinblick  auf  das  sehr  un- 


*)  Das  gesperrt  Gedruckte  sogar  nur  in  A. 
**)  Man  könnte  einwenden,  daß  in  diesem  Theil  der  Saga,  den  Kämpfen  Attilas 
mit  Valldemarr,  Vilcinaland  und  Rußland  eigentlich  stets  zusammengerechnet  werden, 
und  behaupten,  Vilcinaland  sei  hier  mehr  eine  Provinz  von  Rußland,  so  daß  dessen 
Name  dafür  stehe.  Dann  würde  doch  das  viele  Wechseln  mit  beiden  Namen  wunderbar 
sein;  auch  wird  PuHnaland  Cap.  304  selbständig  erwähnt,  das  dann  auch  russische 
Provinz  hätte  sein  müssen. 

12* 


180  TREUTLER 

gleiche  Gewicht  der  beiden  erwähnten  Stellen  und  da  die  Analogie 
der  Nibelungen  immerhin  schwer  in  die  Wagschale  fällt,  für  den  Osten 
entscheiden. 

Schwierig  ist  im  besondern  die  Stelle  Cap.  363,  wo  es  heißt,  die 
Niflunge  kommen  an  den  Rhein ,  wo  Donau  und  Rhein  zusammen 
kommen.  Döring  meint,  der  Rhein  stehe  für  den  Inn,  die  Stelle  be- 
weise, daß  die  Niflunge  von  Worms  nach  Osten  gezogen  seien.  Raß- 
mann  vermuthet,  der  Verfasser  der  Saga  habe  zwischen  norddeutschen 
Quellen,  von  denen  die  einen  Huualand  an  den  Rhein,  die  andern  an 
die  Donau  verlegten,  vermitteln  wollen,  und  so  beide  Ströme  zusammen- 
fließen lassen.  Storm  verwirft  beide  Erklärungen:  die  Donau  vertrete 
den  Main.  (S.  113.)  Ohne  die  Annahme  einer  Vertauschung  kommen 
wir  also  doch  nicht  vorwärts,  am  einfachsten  ist  es  dann,  wenn  wir 
geradezu  dem  Verfasser  der  Saga  eine  Vertauschuug  zwischen  Rhein 
und  Donau  zuschreiben ,  ersterer  war  im  Norden  offenbar  viel  mehr 
als  ein  Hauptfluß  Deutschlands  bekannt,  ausserdem  spielt  er  gewiss  in 
den  altnordischen  Liedern,  die  dem  Sagaschreiber  bekannt  waren,  eine 
Rolle ,  wie  in  deren  uns  in  der  Edda  erhaltenen  Verwandten ,  es  lag 
deßhalb  nahe,  ihn  hier  weiter  einzuführen.  Dann  kann  sich  der  Schreiber 
der  Saga  dunkel  einer  Stelle,  wo  von  dem  Zusammenfluß  zweier  Ströme 
die  Rede  ist ,  erinnert  (s.  Döring,  S.  22)  und  nun  die  mehrfach  er- 
wähnte Donau  noch  haben  zu  ihrem  Rechte  kommen  lassen  wollen. 
DerRin  wird  erwähnt  noch:  Cap.  245  (Hand  III)  Tira,  des  Apollonius 
Residenz^  liegt  nahe  am  Rhein.  282  (Hand  HI)  Trelinnborg,  die  Burg 
der  Harluugeu,  steht  am  Rhein.  289  (Hand  IH)  ])idrek  flieht  nach 
Bakalar  am  Rhein.  363,  364  (Hand  V),  die  Stellen  der  Niflungasaga. 
399  und  402  (Hand  IV,  die  zweite  Stelle  nur  in  AB  erhalten),  Jsidrek 
auf  seiner  Rückreise  wird  durch  Eisung  jarl  den  Jungen  angegriffen, 
der  über  den  Rhein  gesetzt  ist.  Die  Diind  erscheint  nur  Cap.  363. 
Alle   Erwähnungen    des  Rheins    finden    sich    nur   bei   Nr.   IH,  IV,  V. 

Für  die  erste  Charakteristik  eines  Menschen  genügt  es  zu  wissen, 
welcher  Nationalität  er  angehört  oder  etwa  welcher  größeren  Stadt, 
da  die  Vorstellungen,  die  wir  uns  von  einer  Nationalität  machen, 
wesentlich  an  die  von  ihren  großem  Orten  gebunden  sind.  Wir  werden 
einen  sehr  verschiedenen  Begriff  haben  von  Jemand,  der  aus  Paris, 
Wien  oder  Petersburg  ist,  auf  die  genauere  geographische  Lage  dieser 
Orte  unter  einander  kommt   es  dabei  gar  nicht  an. 

Bestimmte  geographische  Kenntniss  eines  Landes  wird  man  erst 
gewinnen,  wenn  mau  sich  die  Wasserläufe  und  Stromgebiete  desselben 
einprägt.  Diese  Art  der  Aneignung    geographischer  Verhältnisse   war 


ZUR  THroREKÖSAGA.  181 

für  den  Menschen  des  Mittelalters,  der  der  Karten  entbehrte,  wohl  die 
einzige.    Sie  kostete  viel  Mühe. 

Nun  kam  es  dem  Schreiber  oder  den  Schreibern  unserer  Saga 
aber  hauptsächlich  auf  die  Schilderung  des  persönlichen  und  nationalen 
Charakters  ihrer  Helden  an,  dafür  waren  nicht  große  geographische 
Studien  nöthig ,  ganz  rohe  und  einfache  Angaben  genügten,  ob  der 
Held  ein  Vilcine,  ein  Russe  oder  ein  Hunne  war,  Vilcinaland  lag  dann 
im  Norden,  Hunaland  im  Süden,  Rußland  im  Osten;  und  ob  sich  der 
Schreiber  Holmgard  am  Meere  gedacht  hätte,  oder  20  Meilen  davon, 
das  änderte  an  Hertnids  Schicksalen  nicht  das  mindeste.  In  den  grobem 
Umrissen  werden  auch  die  beiden  Recensionen  in  M  ziemlich  über- 
einstimmen. —  Die  feinere  Ausführung  konnte  nach  Gutdünken  am 
passenden  Orte  zugefügt  werden.  Hier  finden  sich  denn  auch  Ab- 
weichungen zwischen  Schreiber  II  und  III,  nach  Cap.  55  (IH)  liegt 
das  Castell  Marcsteinn  im  Falstrskogr,  nach  117  (II)  Marsteinn  im 
Borgarskogr,  AB  haben  beidemal  Marsteinn^  doch  waren  am  Ende  beide 
nicht  zu  identificieren.  Ja  selbst  in  derselben  Episode  ist  nicht  immer 
Klarheit  über  das  Detail  vorhanden,  vgl.  was  vom  Ungara-Valslöngu- 
skogr  in  der  Ironssaga  gesagt  ist.  Bisweilen  verstanden  die  nordischen 
Schreiber  wohl  auch  die  deutschen  Namen  nicht  als  Bezeichnung  für 
einen  Ort,  den  ihre  Sprache  anders  nannte,  und  so  konnte  das  Bild, 
was  sie  sich  machten,  kein  vollkommen  klares  sein.  (Ein  Beispiel 
bietet  die  Umdeutung  von  der  Harlungenburg  Fritila  in  Fridssela^  Ver- 
celli  in  AB,  Cap.  13,  die  kaum  am  Platze  ist.)  —  Für  die  sorglose 
Art,  mit  der  die  einzelnen  Länder  gruppiert  werden,  bietet  ein  gutes 
Beispiel  Cap.  233  (und  237),  wo  Herburt  von  Bern  nach  Bertangaland 
(doch  wohl  England)  zieht,  erst  A  (Seite  214^  und  217«)  führt  die 
Schiffe  ein.  Ferner  Cap.  279| ,  wo  Erminrek  zwar  seinen  Sohn  zu  Schiff 
nach  England  sendet,  aber  auch  die  Fahrt  zu  Lande  nicht  unmöglich 
gedacht  wird. 

Zumal  nach  diesen  Beispielen  werden  wir  ruhig  glauben  können, 
daß  der  Sagaschreiber,  der  wusste,  daß  das  meiste  im  deutschen  Reiche 
spiele,  dann  für  vergessene  Namen  einfach  die  deutschen  Flüsse  und 
Städte,  die  er  besser  kannte,  einsetzte.  (So  auch  Döring.  S.  4,  Anm.  10.) 
Was  wusste  er  z.  B.  wie  der  Oberrhein  lief,  ob  der  nicht  von  Osten 
herumschwenkt,  so  daß  Bakalar  ganz  wohl  im  östlichen  Hunnenlande 
und  doch  am  Rhein  liegen  konnte;  nach  nordischer  Tradition  spielt 
nun  das  ganze  Drama  an  diesem,  —  also  setzte  ihn  der  Schreiber 
frisch  in  seinen  Text.  Solche  Annahme  scheint  immer  noch  wahrschein- 
licher, als  das  sonst  angenommene  Umspringen  von  Süd-  nach  Nord- 


182  TREUTLER 

deutBchland ,  oder  von  Italien  nach  der  Rheinprovinz.  Wenn  jiidrek 
gegen  das  Heer  des  Königs  von  Romaborg  zieht,  und  sie  treffen  sich 
in  dem  durch  diesen  dem  Vertriebenen  abgenommenen  Reiche,  so  kann 
das  nicht  an  der  Mosel  sein;  —  im  letzten  Theil  ist  ])idrek  offenbar 
in  Italien  König,  gleicher  Redaction  gehört  die  oben  erwähnte  Erzählung 
an,  —  sondern  die  Mosel  ersetzt  hier  einen  andern  Fluß.  Hatte  der 
Verfasser  der  Saga  nur  irgend  eine  Spur  von  geographischer  Kennt- 
niss,  so  roh  wie  immer,  so  konnte  er  doch  ein  solches  Herumspringen 
der  Ortlichkeiten  weder  selbst  beabsichtigen,  noch  absichtlich  —  ver- 
schiedenen Quellen  gemäß  —  behalten.  Nach  der  Andeutung  Raßmanns 
S.  XI  über  Brictan  scheint  dieser  es  so  zu  denken,  daß  der  Verfasser 
die  in  Norddeutschland  heimische  Sage  allerdings  habe  im  Süden  locali- 
sieren  wollen,  und  so  aus  Wrexen  Brictan  machte,  um  den  Namen 
mehr  an  Brixen  anzugleichen.  Damit  gäbe  aber  Raßmann  zu,  daß 
wenigstens  der  Sagaschreiber  sich  jiidreks  Reich  nur  in  Italien  denkt 
(und  so  auch  Hunaland  dann  nur  an  ^iner  Stelle),  dann  hätte  derselbe 
aber  gewiß  versucht,  diese  Ausgleichung  weiter  durchzuführen.  Oder 
ist  Brictan  für  Raßmann  Vermittlung  zwischen  Wrexen  der  nieder- 
deutschen und  Brixen  dei-  hochdeutschen  Quelle?  Und  wollte  der  Ver- 
fasser seinem  Leser  offen  halten,  sich  je  nach  Belieben  nach  Nord- 
deutschland oder  Italien  zu  denken?!  Wollte  man  endlich  den  Ver- 
fasser als  ganz  unwissend  und  nur  seinen  Quellen,  bald  der,  bald  jener, 
nachbetend  ansehen,  so  daß  er  bald  etwas  Niederdeutsches,  bald  etwas 
Hochdeutsches,  beide  gedankenlos  vermischend,  aufnahm,  und  so  die 
niederdeutsche  Mosel  nach  Italien  gekommen  glauben,  so  hat  unsere 
Behauptung,  er  habe  einen  bekannten  Fluß  für  einen  vergessenen  ge- 
setzt, dieselbe  Berechtigung. 

Eine  solche  Vertauschung  von  Namen  findet  sich  auch  in  der 
Geschichte  von  Ecca,  wo  die  tirolische  durch  westfälische  gleichlautende 
ersetzt,  letztere  noch  vermehrt  wurden. 

Ferner  gibt  Grund  zu  Erörterungen  gewöhnlich  Vidgas  Ausfahrt. 
Vidga  trifft  an  der  Eidisa  jiidreks  Gesellen,  sie  ziehen  durch  den  Luru- 
vald  zum  Castell  Brictan  und  über  die  Visarä  nach  Bern.  Man  wird 
hier  die  Eidisd  weder  für  Eider  noch  Eder,  sondern  die  Etsch,  und 
die  Visarä  mit  Döring  für  den  Miucio  zu  nehmen  haben*).  Der  Luru- 
vald  aber  liegt  zwischen  J)idreks  und  Attilas  Reich,  also  etwa  in  Tirol, 
wo  letzterer,  bei   der  gänzlichen  Unbestimmtheit,   in   der  gerade  die 


*)  Entschieden  unstatthaft  ist  es,  wenn  Stonn  S.  111  die  Lippa  aus  AB  in  seine 
Beweisführung  mit  hereinzieht 


ZUR  THIDEEKSSAGA.  183 

Österreichischen,  wie  überhaupt  die  deutschen  Gebiete  gelassen  werden, 
gar  wohl  noch  sein  Jagdgebiet  haben  konnte.  Vgl.  Cap.  139. 

Es  ist  auch  mit  Storm  kein  innerer  Widerspruch  zu  finden  in  der 
Reiseroute  J)idreks,  wie  sie  Döring  aufstellte,  S.  265,  266.  Er  reitet  von 
Susa  hina  vestri  leid  til  Mundiu  und  kommt  über  Bakalar  zum  Luru- 
vald,  in  die  Nähe  des  Rheins  (nach  uns  =  Donau)  und  von  hier  über 
die  Alpen.  Freilich  dürfen  wir  dann  den  Luruvald  nicht  in  Westfalen 
suchen.  (Wenn  hina  vestri  leid  für  den  Norweger  und  Isländer  von 
seinem  Standpunkte  aus  auch  den  Weg  durch  Westdeutschland  be- 
zeichnete (Storm  S.  112),  so  kann  es  von  einem  andern  Ausgangspunkt 
gewiß  auch  ganz  einfach  den  westlichen  Weg  =  den  Weg  nach  Westen 
bedeuten.)  Übrigens  kann  der  hier  erwähnte  Luruvald  immer  noch 
ein  anderer  sein,  als  der  Cap.  139  und  101  bei  Nr.  II  erwähnte. 

Wir  können  also  auch  in  den  geographischen  Verhältnissen  und 
der  Verschiedenheit  der  Angaben  nicht  treuen  Anschluß  des  Saga- 
schreibers an  seine  Quellen  entdecken,  wohl  aber  Willkürlichkeiten  und 
Ungenauigkeiten  genug.  So  werden  wir  auch  auf  die  Erwähnung  von 
Soest,  Cap.  394,  nichts  geben  können.  Döring  erklärt  das  Capitel,  wie 
erwähnt,  für  Erfindung.  Die  Stellung  desselben  in  der  Handschrift  ist 
vielleicht  auch  nicht  ganz  unverdächtig. 

Zwischen  Schreiber  I,  II  und  III  bestand  eine  Vertheilung  des 
Stoffes  weder  nach  dem  Raum>  noch  dem  Inhalt^  jeder  nahm  die  Arbeit 
des  Vorgängers  da  auf,  wo  sie  gerade  abgebrochen  war:  sie  schrieben 
nach  einander. 

Ein  Abkommen  über  das  zu  schreibende  ist  aber  bei  Nr.  HI,  IV 
und  V  nachzuweisen:  sie  schrieben  miteinander. 

Nr.  IV  beginnt  seine  Arbeit  auf  einer  frischen  Lage  Pergament 
(Lage  XIII)  mit  einer  neuen  Geschichte,  den  Kriegen  Valdemars  gegen 
Attila  (Cap.  293).  Zu  diesen  rechnet  man  freilich  noch  Cap.  291.  292. 
Wir  halten  dieselben  für  schlecht  beglaubigt.  Sie  sind  im  wesenthchen 
inhaltslos,  ihr  Hauptinhalt  aber  ist  unsinnig.  Osangtrix  wird  hier  zum 
zweiten  Mal  erschlagen,  Hertnid,  sein  Sohn,  wird  König,  im  folgenden 
wird  er  nie  erwähnt,  Valdemar  erscheint  vielmehr  zugleich  über  Vil- 
cinaland  gebietend.  Cap.  293  schließt  sich  außerdem  ganz  gut  an  290; 
Schluß :  J)idrekr  (entschließt  sich  da  zu  bleiben  und)  verweilt  nun  bei 
König  Attila  lange  Zeit.  293  aber,  als  Attila  nicht  lange  zu  Hause  ge- 
wesen, erfährt  er  u.  s.  f.  Nr.  III,  der  Nr.  IV  unterdeß  auf  der  frischen 
Lage  den  Russenkrieg  hatte  anfangen  lassen,  bekam  seine  Lage  nicht 
ganz  voll.  Was  ließ  sich  zwischen  |)idreks  Ankunft  bei  Attila  und  den 
Russenkrieg  noch   einflicken?    Der  Vilcinenkrieg  hatte    den    letzteren 


184  TREUTLER 

veranlasst,  also  war  das  einfachste,  ihn  nochmals  vorzuführen  —  ob  Nr.  III 
für  seine  Art,  ihn  zu  erzählen,  eine  Quelle  hatte,  oder  nicht,  das  bleibe 
daliingestellt.  Müllcnhoffs  Vermuthung,  Haupts  Ztschr.  XII,  S.  350,  ist 
hiermit  durchaus  bestätigt^  daß  Hertnid  fälschlich  ein  Sohn  des  Osang- 
trix  genannt  werde,  aber  nicht  nur  das  ist  falsch,  sondern  daß  er  hier 
überhaupt  vorkommt,  wo  das  zunächst  folgende  von  ihm  nichts  weiß. 
Außer  diesem  Krieg  gegen  Valdemar  schrieb  Nr.  IV  noch  JDidreks 
Zug  gegen  Erminrek,  Sigurds  Ende  und  Fasolds  und  ]3etleifs  Unter- 
gang, und  füllte  damit  Lage  XIII,  XIV  und  7  Blatt  von  XV.  Die  letzten 
10  Zeilen  des  siebenten  Blattes  sind  von  Hand  V.  Es  ist  kaum  zu  be- 
zweifeln^ daß  sie  genau  Ungers  Cap.  355,  das  den  Schluß  zu  der  Ge- 
schichte von  Fasold  und  j^etleif  bildet,  enthalten.  Dasselbe  füllt  13 
knappe  Druckzeilen,  aus  der  Vergleichung  des  Facsimile  mit  dem 
Druck  ergiebt  sich  ein  kleiner  Überschuß  der  geschriebenen  Zeile  bei 
Nr.  V  über  die  Druckzeile.  Eine  Überschrift  hat  das  Capitel  niclit, 
folglich  kommen  die  13  in  den  10  Zeilen  genau  unter.  Es  mag  das 
Capitel  ein  späterer  Nachtrag  durch  Nr.  V  sein. 

Die  eigentliche  Arbeit  von  Nr.  V  war  die  Abschxüft  der  Niflunga- 
saga,  die  auch  von  Nr.  V  zu  Ende  geführt  wird;  dieselbe  füllt  Lage 
XV  Blatt  8,  Lage  XVI,  Lage  XVII,  Blatt  1,  2,  3.  Daran  schließen  sich 
die  Worte:  i  Niflungaland,  bei  Unger  Schluß  des  Capitel  393,  und  Cap. 
394,  von  Hand  IV  geschrieben,  noch  denselben  Stoff  behandelnd,  oben 
auf  dem  vierten  Blatt.  Dann  beginnt  eine  neue  Erzählung,  die  von 
jDidreks  Heimkehr. 

Es  ist  höchst  eigen,  daß  das  Eintreten  anderer  Schreiber  stets 
an  so  merkwürdiger  Stelle  statt  hat,  wo  neue  Pergamentblätter  anfangen, 
und  wo  die  Geschichte  —  fast  —  aus  ist*).  Man  wird  das  nicht  für 
einen  Zufall  halten,  derselbe  wirkt  allerdings  mit,  aber  in  beschränkterem 
Maße. 

Als  Nr.  III  merkte,  daß  er  allein  nicht  fertig  werde,  theilte  er 
Nr.  IV  einen  Theil  des  Abzuschreibenden  zu;  als  dieser  schon  eine 
Zeit  lang  arbeitete,  sahen  beide  ein,  daß  das  Werk  immer  noch  nicht 
genug  gefördert  wurde,  und  noch  ein  dritter  wurde  angestellt.  (Zu  diesem 
Bilde  größter  Hast  passt  die  Bemerkung  sehr  gut,  daß  Nr.  IV  und 
V  auch  noch  nach  Diktat  schrieben;  vgl.  oben  S.  153.)  Nr.  IV  berechnete 
nun,  wie  viel  er  noch  Pergament  brauche  bis  zur  Beendigung  der  rett- 
leifepisode,   und   es  fand  sich,    daß   er   dazu  7  Blatt  über  eine  Lage 


*)  Wo  die  Arbeit  von  Nr,  III  wieder   begann,   ist,   da  die  betreiYenden  Blätter 
fehlen,  leider  nicht  festzustellen. 


ZUR  THIDREKSSAGA.  185 

brauchen  werde.  Auf  dem  achten  ließ  er  mittlerweile  Nr.  V  anfangen, 
dem  die  Niflungasaga  und  das  Pergament  dazu  gegeben  wurde,  er 
schrieb  sie  fertig  ab  bis  Cap.  393,  Variante  22, 

Cap.  394  kam  erst  dazu,  als  393,  d.  h.  die  Arbeit  von  Nr.  V  be- 
endigt war,  das  beweisen  die  Worte:  i  Niflungaland,  die  ebenfalls  von 
Hand  IV  zugefügt  wurden. 

Nun  wird  kein  Mensch,  der  eine  größere  Arbeit  nach  Abschnitten 
au  verschiedene  Schreiber  zum  copieren  vertheilt,  darauf  verfallen,  von 
einem  solchen  Abschnitt  den  Schluß  von  geringer  Ausdehnung  (14  Druck- 
zeilen) wegzuschneiden  und  dem  nächsten  Schreiber  zu  übergeben. 

Der  Zufall  aber  müsste  ein  recht  närrisches  Spiel  getrieben  haben, 
wenn  er  in  ganz  ähnlicher  Weise  zwei  Schreiber,  jeden  an  der  Voll- 
endung seiner  Arbeit  verhindert  hätte.  Der  Fall  war  das  allerdings  bei 
Cap.  355.  Dasselbe  ist  kaum  zu  entbehren.  Es  fehlte  an  der  Arbeit 
von  Nr.  IV,  Nr.  V  setzte  es  zu.  Es  steht  am  Ende  der  letzten  Nr.  IV 
zugetheilten  Seite.  Hier  wird  sich  aber  annähernd  erklären  lassen,  wie 
der  Zufall  eintreten  konnte.  Nr.  IV  hatte  von  der  Lage  XV  das 
achte  Blatt  schon  durch  V  voll  schreiben  lassen.  Es  trat  jetzt  das  um- 
gekehrte ein,  von  dem,  was  wir  schon  zweimal  begegnen  sahen.  Während 
Nr.  III  immer  zu  reichlich  rechnete,  hatte  Nr.  IV  seinen  Raum  zu  eng 
bemessen*).  Er  sah,  daß  er  den  Schluß  seiner  Vorlage  nicht  mehr 
hin  bekäme  und  ließ  eine  Lücke.  Die  Arbeit  kam  nun  an  den  Redacteur. 
Dieser  zog  die  Geschichte  eng  zusammen.  In  der  That  bildet  Cap.  355 
einen  sehr  summarischen  Schluß  zu  der  ganzen  J)etleif-Fasoldepisode. 
Endlich  bricht  es  ab  mit  den  wehmüthigen  Worten :  oc  af  hanvm  er 
allmikil  saga.  })o  at  Jsess  uerde  nu  eigi  her  getet  i  J)essare  frasogn**). 
Wenn  nun  diese  10  Zeilen  nicht  gegen  das  vorhergehende  und  folgende 
äußerlich  abstechen  sollten,  musste  entweder  der  vorhergehende  oder 
folgende  Schreiber  (Nr.  IV  oder  V)  sie  schreiben,  der  erstere  war  im 
Augenblick  vielleicht  nicht  zur  Hand,  so  ward  der  folgende  herbei- 
gezogen. 

Viel  roher  hätte  der  Zufall  noch  im  anderen  Falle  gewaltet.  Nicht 
am  Ende  oder  mitten  in  der  Thätigkeit  seiner  Schreibarbeit,  wie  Nr.  V 


*)  Bei  einer  Vorherberechnung  des  Raumes,  besonders  nach  Großquartseiten, 
ist  ja  das  Fehlgehen  nach  der  einen  oder  andern  Seite  stets  das  Wahrscheinliche,  fast 
unglaublich  wäre  einmal  sicheres  Zutreifen. 

**)  Bisher  fand  man  in  denselben  ein  Zeugniss  dafür,  daß  der  Schreiber  noch 
über  einen  bedeutenden  Stofi"  verfügte,  aber  in  weiser  Beschränkung  ferner  abliegendes 
wegließ.  Wir  sehen,  daß  ihn  nur  die  Noth  dazu  veranlasste. 


186  TREUTLER 

Cap.  355  schrieb,  sondern  am  Anfang  derselben  hat  Nr.  IV  das  Capitel 
394  aufgezeichnet,  wo  dann  seine  eigentliche  Arbeit  mit  l^idreks  Rück- 
kehr (Cap.  395  ff.)  beginnt.  Da  das  Capitel  erst  geschrieben  Bein  kann^ 
als  393  schon  vorlag,  dem  vorhergehenden  Schreiber  es  also  nicht  an 
Pergament  gefehlt  haben  kann,  so  hätte  diesen  hier  eben  der  roheste 
und  unwahrscheinlichste  Zufall  von  seiner  Arbeit  fortgerissen.  (Zu  er- 
innern ist  nochmals,  daß  ja  eine  Vertheilung  des  Stoffes  vorlag!)  Von 
einem  solchen  ist  aber  keine  Spur  nachzuweisen,  denn  Nr.  V  bricht 
nicht  etwa  im  Satze  ab,  sondern  Cap.  393  hat  einen  grammatisch  ge- 
nügenden Ausgang.  Die  Worte  i  Niflungaland,  die  Nr.  IV  an  den 
Schlußsatz  anfügte,  sind  entbehrlich.  Aber  nicht  nur  grammatisch  ist 
der  Schlußsatz  in  393  befi'iedigend,  auch  der  Inhalt  des  Schlußes  ist 
ausreichend.  Ganz  behaglich  und  breit  werden  Reflexionen  angestellt 
über  das  gi'oße  Drama,  das  sich  eben  abgespielt,  auf  die  Berühmtheit 
des  Stoffes  in  Deutschland  wird  hingewiesen,  und  daß  nun  die  Pro- 
phezeiung der  Erka  sich  erfüllt  habe.  Cap.  394  war  danach  ziemlich 
überflüssig.  Wir  möchten  glauben,  daß  es  nicht  zu  der  Vorlage  gehörte, 
die  Nr.  V  vollständig  abschrieb,  und  daß  der  Redacteur  es  zusetzen 
ließ  als  weitere  Ausführung  der  Hinweisung  auf  deutsche  Quellen  im 
Schluß  von  393  und  zur  besseren  Beglaubigung  der  ganzen  Geschichte, 
die  zwar  aus  einer  nordischen  Quelle  abgeschrieben  sein  mag,  aber 
doch  mit  Veränderungen.  Beispielsweise  konnte  eine  selbständige 
nordische  Niflungasaga,  die  nach  den  Nibelungen  gearbeitet  war,  sehr 
wohl  den  Wolf  hart  haben;  da  die  rictrekssaga  ihn  aber  bei  Groensport 
fallen  lässt,  so  musste  er  hier  entfernt  werden.  Der  Redacteur  hat 
übrigens  sonst  schon  genügende  Beweise  eines  nicht  gerade  verständigen 
und  gewissenhaften  Verfahrens  gegeben,  daß  man  ihm  diese  Einführung 
von  Soest  auch  zuschreiben  darf,  dieselbe  ist  allerdings  geradezu 
litterarischer  Betrug,  da  er  sich  sonst  Hunaland  nicht  in  Westfalen 
dachte. 

Wir  wollen  noch  auf  einzelne  Einwürfe  eingehen,  die  Storm  gegen 
Dörings  Meinung,  und,  da  wir  dieselbe  im  Grunde  annahmen,  gegen 
die  unserige  erhoben. 

Storm  gesteht  ein  Zusetzen  einzelner  Sätze  durch  den  ^Verfasser 
der  Saga  in  redactionellem  Interesse  zu,  dieselben  sind  doch  aber  nicht 
so  gar  unbedeutend,  gerade  durch  die  versuchte  Ausgleichung  zwischen 
Isung  und  Artus,  die  Storm  S.  127  als  solchen  Zusatz  bezeichnet,  ent- 
steht die  heilloseste  Verwirrung,  Seite  116  gibt  er  ebenso  das  Aufnehmen 
einzelner  nordischer  Namen  (Gram,  Grane)  zu,  verwahrt  sich  aber  gegen 
die  Annahme  eines  Einflusses  von  den  eddischeu  Gedichten,  beziehungs- 


ZUR  THIDREKSSAGA.  187 

weise  deren  nordischer  Verwandten,  welchen  doch  offenbar  jene  Namen 
entstammen.  Bei  diesen  wird  man  aber  nicht  stehen  geblieben  sein; 
die  Einführung  einer  ganz  fremden  Geschichte  unter  bekannten  Namen 
bei  einem  sagenliebenden  Volke  musste  auf  Widerstand  stossen  und 
eine  Angleichung  an  die  vertrauten  Gebilde  war  durchaus  geboten. 

Ebenso  müssen  wir  die  Ansicht  Storms  bestreiten,  daß  nordische 
Sitte  keinen  Einfluß  geübt  habe ;  der  beste  Beweisgrund  Dörings  blieb 
unwiderlegt.  Aber  selbst  nordischer  Patriotismus  wirkte  bei  der  Com- 
position  der  Saga  mit.  Wir  behaupten  nicht,  daß  Vidga  ursprünglich,, 
und  der  Volksüberlieferung  gemäß  im  Norden  localisiert  war;  der  Saga- 
schreiber jedoch  konnte  sehr  leicht  darauf  verfallen,  es  zu  thun.  Irgend 
wohin  musste  er  Vidga  setzen ;  als  Sohn  Velents  aber,  der  dem  Norden 
im  Gegensatz  zu  vielen  andern  Gestalten  der  Sage  altbekannt  war, 
lag  es  nahe  ihn  mit  seinem  Vater  auch  dort  anzusiedeln.  Eine  gewisse 
Vorliebe  zeigt  der  Verfasser  für  diesen  Helden  durchweg.  Er  tiberstrahlt 
an  Kraft,  an  muthiger  und  edler  Gesinnung  für  den  Leser  gar  oft  seinen 
König,  dessen  Größe  der  Schreiber  mehr  durch  Worte  bezeugt,  bei 
jenem  lässt  er  die  Thaten  sprechen.  Wenn  Storm  S.  114  über  Müllers 
Worte:  der  nordische  ^Übersetzer  habe  Vidgas  Kühnheit  in  besseres 
Licht  setzen  wollen,  um  des  Nordens  Ehre  aufrecht  zu  erhalten ,  spottet, 
dann  sei  es  ja  dumm  gewesen,  ihn  vor  J)idrek  fliehen  und  durch  den- 
selben tödten  zu  lassen,  so  verkennt  er  im  Grunde  damit  ganz  den 
ethischen  Gehalt  der  Sage;  Vidga  flieht  mehr  den  inneren  Widerstreit, 
als  den  Kampf  mit  })idrek,  auf  ihm  lastet  die  schwere  Schuld  des  ehe- 
maligen Herrn  Bruder  gefällt  zu  haben,  die  ihm  das  Vertrauen  raubt 
in  seine  Kraft,  welche  er  sonst  mit  der  ]3idreks  zu  messen  nicht  ge- 
fürchtet. Die  Art,  wie  ]iidrek  ihn  später  tödtet,  nach  Entwendung 
seines  Schwertes,,  gereicht  ihm  gewiß  nicht  zur  Schande;  endlich  konnte 
doch  ein  Bearbeiter  der  Sage  Dietrichs  seine  Sympathie  für  einen 
andern  Helden  nicht  so  weit  treiben,  daß  das  Ganze  sich  verkehrte, 
daß  jaidrekr  etwa  durch  Vidga  besiegt  ward,  ihn  floh  oder  durch  ihn 
fiel!  Die  Vorliebe  des  Verfassers  für  diesen  Helden  zeigt  sich  aber 
bei  jeder  Gelegenheit,  man  vergleiche  nur  den  ,Zug  nach  Bertangaland'. 
Storm  S.  116  wirft  ein,  ein  Norweger  habe  sich  mit  den  Dänen  im 
13.  Jh.  den  Deutschen  gegenüber  nicht  solidarisch  gefühlt.  Ob  die  Leute 
der  alten  dänischen  Zunge'  nicht  doch  ihre  größere  Verwandtschaft 
achteten?  Für  unsere  Saga  scheint  wenigstens  Storms  Einwurf  die 
Stelle  zu  widersprechen,  wo  Cap.  215  der  Isungssohn  zu  Jjettleifr  sagt: 
nicht  gebe  ich  so  meine  Waff"en  auf,  jiottu  ser  danskr  oc  enn  mresti 
ofmgetnadarraadr ;  in  diesen  AVortcn  bricht  der  ganze  Stolz  des  Schreibers 


138  TREUTLER 

auf  seinen  nordischen  Landsmann  durch;  man  wird  sie  kaum  ironisch 
fassen  dürfen,  etwa  =  wenn  du  auch  ein  dänisches  Großmaul  bist', 
doch  selbst  dann  spiegeln  sie  nicht  weniger  das  Hochgefühl  des  Ver- 
fassers über  den  stammverwandten  Helden,  wenn  man  sie  mit  der 
weiteren  Erzählung  zusammen  hält,  wo  dieser  Spott  von  Grund  aus 
widerlegt  wird.  Bei  den  Kämpfen  in  Bertangaland  siegen  von  ]iidreks 
Genossen  —  er  selbst  als  Hauptperson  der  Saga  durfte  ja  nicht  unter- 
liegen —  nur  die  beiden  Dänen,  J^ettleifr  und  Vidga,  und  noch  Aum- 
lungr,  dem  man  eine  Genugthuung  für  das  Vorhergehende  schuldig 
war;  in  A  wird  später  sein  Ruhm  auch  noch  geschmälert. 

Endlich  erfährt  Döring  scharfen  Tadel  von  Storra,  S.  118,  daß  er 
die  Tödtung  der  Kiüemhild  durch  Dietrich  für  zufällige  Übereinstimmung 
zwischen  der  jjidrekssaga  und  dem  Anhang  zum  Heldenbuch  erklärt. 
Welcher  Zufall  ist  wahrscheinlicher,  den  Döring  hier,  oder  den  Storm 
S.  196  annimmt?  Wenn  ein  Mann  in  schwerem  Kampf  zwei  Gegner 
gefangen,  und  es  vergreift  sich  jemand  an  ihnen,  wer  wird  da  nicht 
auf  den  Gedanken  kommen,  jenem  selbst  die  Rache  zuzuschreiben,, 
obschon  in  der  ursprünglichen  Geschichte  dieselbe  auf  einen  andern 
zurückgeführt  sein  mag?  Aber  werden  zwei  verschiedene  Verfasser, 
unabhängig,  ebenso  leicht  auf  die  Idee  verfallen,  ihren  verschmachtenden 
Helden  im  Kampfgetümmel  Blut  für  Wein  trinken  zu  lassen? 

Die  Ansichten  Storms  und  Raßmanns  über  das  Verhältniss  der 
I^idrekssaga  zu  ihren  deutschen  Quellen,  vermöge  der  verschiedenen 
Einschränkungen,  die  nöthig  wurden,  ziemlich  verwickelt,  hoffen  wir^ 
so  weit  sie  dennoch  den  gewissenhaften  Anschluß  des  Verfassers  an 
seine  Originale  verfechten  wollen,  im  einzelnen  zurückgewiesen  zuhaben. 

Die  I^idrekssaga  ist  leider  nicht  als  die  reine  und  deßhalb  un- 
schätzbare Quelle  unserer  Heldensage  anzusehen,  wie  es  der  Brauch 
war.  Wohl  bietet  sie  manches  sonst  verlorene,  und  deßhalb  hat  sie 
immer  noch  eine  ziemliche  Bedeutung;  aber  Treue  im  Einzelnen  kann 
man  ihren  Berichten  nicht  zuschreiben.  Sie  ist  von  einer  überaus  ge- 
mischten Herkunft.  Der  Inhalt  der  hochdeutschen  Epen  ward  durch 
Niederdeutsche  dem  Norden  vermittelt,  diese  Erzählungen  wurden  zu- 
erst wohl  einzeln  in  nordischer  Sprache  aufgezeichnet  und  zu  kleineren 
Gruppen  zusammen  gefasst;  hierbei  mag  schon  vieles  sich  verändert 
haben,  manches  verblasste,  manches  gewann  durch  nordische  Anschauung 
andere  Farbe,  die  Motive  wurden  umgewandelt  und  die  Handlung  zu 
andern  Zielen  gewendet;  die  Hauptverderbuiss  aber  brach  erst  herein, 
als  diese  kleineren  Gruppen  in  die  größere,  die  sich  unterdessen  als 
f  idrekssaga  herangebildet  hatte,  von  einem  Überarbeiter  dieser  herein- 
gezogen und  trotz  allem  Widerstreben  in  dieselbe  verschlungen  wurden. 


ZUR  THIDBEKSSAGA.  189 

Hier  trat  eine  starke  Umbildung  einzelner  Sagenelemente  ein,  zu  litte- 
rarischem Zweck  eines  Einzelnen,  also  durchaus  unorganisch,  nicht  in 
der  lebensvollen  Wandlung,  wie  sie  das  fortschreitende  Bewusstsein 
der  Menge,  des  Volkes  veranlasst.  Hylt^n-Cavallius  in  der  Vorrede  zu 
seiner  Ausgabe  der  Saga  om  Didrik  af  Bern ,  Stockholm  1850 — 54, 
Seite  X  stellt  den  Sagaschreiber,  der  die  einzelnen  Theile  zum  Ganzen 
einigte,  mit  dem  Volksleben,  das  poetische  und  märchenhafte  Züge 
trägt,  sie  trennt  und  verbindet,  geradezu  zusammen.  Gewiß  mit  Unrecht. 
Denn  hätten  wir  in  der  ridrekssaga  eine  genaue  Aufzeichnung  dessen, 
was  das  nordische  Volk  sich  erzählte  —  und  hätte  es  immer  seinen 
Stoff  ursprünglich  aus  deutschen  Liedern  erhalten  und  ihn  umgestaltet 
—  so  hätten  wir  in  ihr  immer  eine  Quelle  lebendiger,  wirklicher  Helden- 
sage, auch  unserer  deutschen^  freilich  in  einem  späteren  Entwickelungs- 
stande ;  so  aber  geht  vieles  auf  die  Erfindung  eines  Einzelnen  zurück, 
der,  wie  Döring  richtig  sagt,  einen  Roman  schrieb,  und  das  eigentliche 
Leben  dieser  Gebilde  beginnt  erst  nach  der  ridrekssaga,  in  den  Volks- 
liedern des  Nordens.  Das  aber^  was  sie  selbst  bietet,  hat  so  nie^  oder 
nur  im  Kopfe  eines  oder  weniger  gelebt. 

Die  Hauptschuld  der  Entstellung,  im  Großen  und  Ganzen,  trifft 
den  Zusammenarbeiter,  —  wenn  man  bei  dessen  Zwecken  von  einer 
Schuld  reden  dürfte  —  wer  im  Einzelnen  sie  veranlasste,  das  wird 
sich  nicht  ausmachen  lassen,  es  mögen  dabei  die  deutschen  Kaufleute 
auch  nicht  ganz  unbetheiligt  sein.  Aber  zu  bedauern  ist,  wenn  Storm 
diese  Frage  gleichsam  zu  einem  Streitpunkt  nationalen  Stolzes  machen, 
seinen  Landsmann,  den  Verfasser  ganz  rein  waschen  und  den  ehrbaren* 
(hsederlige)  Handelsleuten  aus  Deutschland  alles  verdrehte  und  alle 
spießbüi'gerliche  Nüchternheit  in  die  Schuhe  schieben  will.  (S.  130,  131.) 
Wenn  sich  Züge  von  solcher  häufig  finden,  könnte  man  sie  wohl  eher 
dem  einen  Verfasser  als  allen  Gewährsmännern  beimessen;  und  wenn 
dieselbe  seiner  Natur  ganz  zuwider  war,  konnte  er  ja  z.  B.  in  der  An- 
gabe über  Hildebrands  Alter  bloß  den  Liedern  folgen.  Aber  das  ist 
die  geringere  Frage.  Wenn  wir  unsere  Saga,  die  lange  für  den  theuer- 
sten  Ersatz  vieler  verlorener  Lieder  gehalten  wurde,  in  kritischen 
Zweifeln  zu  der  wenig  genußreichen  Hülle,  der  der  beste  Kern  fehlt, 
zusammenschrumpfen  sehen,  so  werden  wir  diesen  Verlust  beklagen, 
aber  es  ist  besser  ihn  nicht  zu  beschönigen,  denn  nur  wenn  wir  das 
Falsche  und  Unechte  durchschauen,  'werden  wir  zur  Erkenntniss  des 
Reinen  und  Echten  in  unserer  gewaltigen  Heldensage,  die  auch  zum 
großen  Theil  gemeinsames  Erbgut  unserer  nordischen  Brüder  ist,  ge- 
langen. HUGO  TßEUTLER. 


190  A.  EDZARDI 


DIE  STUTTGARTER  OSWALTPROSA. 


I. 

Am  Schluße  seines  Buches  „Die  Oswaldlegende  etc.  1856"  machte 

Zingerle  in  Folge   einer  Notiz   Franz   Pfeiffers   auf  eine  in   Stuttgart 

befindliche  Prosaauflösung  des  Gedichtes  von  St.   Oswalt  aufmerksam 

und   ließ  im  Anzeiger  1857  p.  38  ff.    zwei   kurze   Stücke   daraus   nach 

Pfeiffers  Mittheilung  abdrucken.  Das  eine  Stück  steht  Bl.  258'  bis  259" 

und  entspricht   den  Versen  632  ff.  Ettm. ;    das   andere  ist   der  Schluß 

Bl.   280^  =  Ettm.  3385  ff.    Die  wenigen  einleitenden  Worte  bringen 

kaum  etwas  neues.  Es  wird  daher  eine  ausführliche  Beschreibung  der 

Hs. ,   zumal    soweit   sie    unsere   Oswaltprosa    enthält,    wohl    noch    am 

Platze  sein. 

Im  October  vorigen  Jahres  war  es  mir  durch  die  Güte  des  Herrn 

Oberstudienrathes  Prof.  Heyd  in  Stuttgart,  der  mir  die  Benutzung  auch 

außer  den  gewöhnlichen, Bibliothekstunden  gestattete,  möglich,  auf  der 

dortigen  kgl.    öffentlichen  Bibliothek   in    den  wenigen  Tagen    meines 

Aufenthaltes  eine  sorgfältige  Abschrift  der  Prosa  zu  nehmen,  von  der 

ich  den  größesten  Theil^   darunter  die  hier   gedruckten  Partien,    einer 

nochmaligen  sorgsamen  Vergleichung  unterzogen  habe*). 

Die  Hs.  (cod.  theol.  et  phil.  81.  Papier  4")  zählt  294  Blätter,  blatt- 
weise paginiert,  von  denen  inmitten  und  am  Schluße  mehrere  leer  ge- 
lassen sind.  Die  Lagen  haben  verschiedenen  Umfang.  —  Sie  enthält 
eine  ganze  Reihe  von  (legendarischen)  Prosastückeu ,  die  im  Register 
{Die  tauel  diß  huchs,  steht  voran,  nicht  mit  paginiert)  aufgezählt  sind. 
Darunter  ist  eine  Barlaam-  und  Josaphatprosa,  Bl.  135  ff.,  die,  soweit 
mir  bekannt,  noch  nicht  benutzt  ist.  Auf  der  Rückseite  dieses  nicht 
paginierten  Blattes  steht  :  Diß  buch  gehört  in  daz  closter  Buthe  pdiger 
wdens^*). 

Auf  Bl.  253"  (unten)  bis  281'  steht  die  Oswaltprosa  (im  Register 
f,von  sant  Oswalt^).    Sie  bricht  etwas  vor  dem  Schluße  des  Gedichtes 


*)  Die  übrigens  nur  Berichtigungen  in  unwesentlichen  Punkten  ergab. 
**)  Mein  Freund  Dr.  N.  Keeck  macht  mich  darauf  aufmerksam,  daß  Reute 
5  Kilom.  W-S-W  von  Waldsee  im  würtembergischen  Donaukreise  nach  Neumann,  Das 
deutsche  Reich  u.  s.  f.  1872  ff.  ein  Franziskanerkloster  und  eine  Wallfahrtskirche 
gehabt  hat.  Dieß  scheint,  soweit  ich  zur  Stunde  anzugeben  vermag,  der  einzige  Ort 
dieses  Namens  zu  sein,  in  dem  sich  ein  Kloster  nachweisen  lässt,  und  da  die  Hs.  in 


DIE  STUTTGARTER  OSWALTPROSA.  191 

ab  mit  Darnach  loeret  ir  leben  nit  lang  (vgl.  Ettm.  3444),  obgleich 
noch  6  Zeilen  Raum  auf  der  Seite  ist.  Die  folgende  Seite  281''  ist  leer. 
Dann  folgt,  enger  und  zierlicher  geschrieben,  von  einer  ähnlichen  Hand 
(wohl  nicht  derselben)  ein  anderes  Stück,  im  Register  benannt  y,Aher 
ein  hübsch  exempel  von  de  grauen  Guido  ..."  Die  einzelnen  Stücke 
sind  von  verschiedenen  Händen  geschrieben,  doch  immer  mehrere  von 
derselben  Hand.  So  hat  auch  der  Schreiber  der  Oswaltprosa  noch 
andere  Stücke  geschrieben. 

Der  Einband  scheint  alt  zu  sein:  auf  der  einen  Seite  vorn  ist  ein 
Pergamentblatt  eingeklebt,  auf  dem  sehr  sauber  lateinische  Worte  mit 
Noten  geschrieben  stehn.  Die  Innenseite  des  Rückdeckels  trägt  gleich- 
falls auf  einem  eingeklebten  Pergamentblatte  eine  lateinische  Notiz 
mit  der  Jahreszahl  (in  Worten)  1481.  Diese  Notiz  ist  offenbar  von 
jüngerer  Hand  als  die  Hs.  selbst,  so  daß  diese  in  den  Anfang  des 
XV.  Jhs.  zu  setzen  sein  möchte*).  Zwischen  Bl.  278  und  279  kommt 
ein  Pergamentstreifen  zum  Vorschein,  das  Ende  dieses  Pergamentblattes. 

Ich  lasse  hier  den  Anfang  folgen,  indem  ich  die  entsprechenden 
Verszahlen  des  Gedichtes  nach  Ettm.  zur  Vergleichung  von  je  10  zu 
10  Versen,  soweit  thunlich,  an  den  Rand  setze.  Die  Orthographie  der 
Hs.  ist  genau  beibehalten  mit  folgenden  Ausnahmen:  1.  5  ist  durch  2 
wiedergegeben,  das  Zeichen  ß  aber  beibehalten.  2.  s  und  f  gebe  ich 
gleichmäßig  durch  s.  3.  u  und  v  habe  ich  nicht  streng  geschieden. 
4.  Den  Strich  über  einem  Vocal  am  Ende,  wo  er  unzweifelhaft  als  n 
zu  lesen  ist,  habe  ich  mit  n  wiedergegeben;  wo  aber  ein  Zweifel  mög- 
lich oder  sicher  m  zu  lesen  ist,  lasse  ich  den  Strich.  5.  y  mit  Punkt 
darüber  gebe  ich  durch  einfaches  y  wieder.  6.  m  und  n  (außer  vn) 
habe  ich  stets  in  mm  und  nn  aufgelöst. 


Stuttgart  sich  befindet,  ist  es  auch  deßhalb  schon  wahrscheinlich,  daß  die  Hs.  diesem 
nahegelegenen  würtembergischen  Kloster  angehörte.  Es  müsste  dann  Predigerordens 
hier  ausnahmsweise  die  Minoriten  (sonst  immer  Dominikaner)  meinen  oder  bei  Neu- 
mann ein  Versehen  vorliegen.  Der  Dialekt  der  Oswaltprosa  würde  in  sofern  dazu 
stimmen,  als  die  2.  pl.  (ind.  u.)  imp.  auf  -ent  ausgeht  und  t  und  ü  nicht  in  ei  und  eu 
übergegangen  sind.  Auch  die  Anfügung  des  e,  namentlich  in  der  (1.  und)  3.  sing,  praet. 
(z.  B,  starbe,  Tcame,  schiede,  spräche  u.  s.  f.)  und  in  andern  Fällen  (z.  B,  dienste,  sale(^?) 
u.  s.  f.)  würde  dem  wohl  nicht  widersprechen.  Dagegen  stimmt  durchaus  nicht  dazu 
das  anlautende  d,  entsprechend  hochdeutschem  t,  welches  (z.  B.  in  daff,  dochter,  d°<, 
u.  s.  f.)  nicht  selten  auftritt.  Es  müsste  sich  denn  dieß  aus  dem  Dialecte  der  Vor- 
lage erklären  (?).  Anlautend  steht  fast  durchweg  b,  doch  auchp:  pilgerin  neben  bilgerin. 
*)  Pfeiffer  gibt  nur  an  „XV.  Jh."  Das  für  das  Alter  der  Schrift  in  Betracht 
kommende  ß  findet  sich  schon  Ende  des  XIV.  Jhs.  Wattenbach,  Lat.  Palaeogr.  im 
Anhang  p.   15  führt  an:  wafier  (1387). 


192  A.   EDZARDI 

Auch  die  Interpunktion  der  Hs.,  die  z.  Th.  vom  Rubrikator  her- 
rührt, habe  ich  genau  wiedergegeben.  Es  ist  zu  beachten,  daß  dieselbe 
nicht  selten  mit  der  Verstheilung  zusammenfällt. 

Roth  unterstrichene  Worte  gebe  ich  durch  cursiven  Druck,  die 
in  der  Hs.  roth  durchstri ebenen  Majuskeln  (und  Minuskeln)  durch 
fetten  Druck  wieder.  Wo  mir  die  Lesung  eines  Wortes  zweifelhaft 
war,  habe  ich  eine  zweite  mögliche  Lesart  in  Klammern  mit  Frage- 
zeichen dahinter  gesetzt.  Die  Überschrift  ist  mit  rother  Tinte  geschrieben, 
desgleichen  das  erste  D  des  Textes,  welches  ^ich  über  zwei  Zeilen 
erstreckt. 

Von  de  hochgelopten   milten   uil  edeln  köiiig  saiit  Oswalt  \on 

eiigellant. 

Der  liebe  milte  h^re  Sant  Osivalt  was  ein  könig  zu  engellant 
^^  Uli  was  so  gcAvaltig  dz  er  zwelff  könig  un  königrych  under 

""  im  het  Vnd    XXIIir  hertzogen  un  •  XXXVI  •   Grafen  vn  IX  bi- 

20  schoffe,  IVu  sterbe  sin  vatt'  un  muott^  do  er  nümen  (sie)  XXIIII 
jar  alt  was  Do  was  er  in  grossen  sorgen,  wan  er  noch  so  jung  was 
dz  er  sich  nit  v^synnen  künt  als  jm  wol  not  were   Doch  wie  jung 

30  er  was  so  v^gaß  er  gottes  nit,  er  trachtet  alleziit  wie  er  got  wol 

43  gedienen  möchte,  Eines  nachtes  lag  er  un  gedacht  sin.  Dz  es 
nit  gut  were  dz  er  on  ein  frauwe  were,  Wan  stürbestu  so  würde 

52  dz  ryche  erblose  Also  gedacht  er  hyn  vii  here  wo  er  ein  junc- 
frauwe  möcht  finden  jn  allen  sinen  königrychen  di  im  gemesse 
were,   Un  do  er  entslieffe   do   kam  ein  engel  zu  jm  der  spräche 

60  Ich  wil  dir  raten  edeler  fürste  Nym  dir  kein  frauwe  jn  dine  lande, 
Wann  du  must  über  mere  faren  mit  eine  großen  here  nach  einer 
heidischen  königin  die  wirdestu  here  bringen,    t'n   müst  nach  ir 

70  in  die  heidenschafft  faren  vn  da  cristlichen  glauben  meren  Dz  ist 
gottes  wille  uü  einer  lieben  mütt*,  Do  sant  Oswalt  die  rede  v^nam 
Do  freuwet  er  sich  und  sprach  O  hoher  himmelfürste  so  hilfF  mir 
über  dz  wilde  mere,  Dar  nach  lag  er  in  sorgen  die  lange  nacht 
biß    an   den    dag     Wie   er  im   einen   synne   erdechte   dz    er   die 

80  sinen  zu  samen  brechte,  Uii  hieß  jm  do  brieff  schryben  vn  sant 
botten  jn  alle  sin  lande  vn  enbote  allen  sinen  landes  h''ren ,  dz 
sie  balde  geyn  hoffe  kemen,  Wan  er  wolt  rat  von  jn  nemem  (sie), 
Do  kamen  •  XII  •  könig  (254'')  iglicher  gekrönet  mit  einer  gülden 
cronen,  Vier  undzwentzig  hertzogen  vn  sehs  un  dryssige  graffen 

90  kamen  auch  mit  rittern  un  knechten  un  mange  werde  man.  Es 
101  kamen  auch  zu  hofe  nunc  bischoffe  mit  grossen  eren,  Do  sie  nuo 


DIE  STUTTGARTER  OSWALTPROSA.  193 

alle   geyn   hofe   waren   kommen  vil   dz    saut    OsivaÜ  v^nam,    Do 

llOgienge  [er?]  under  jn  ürab  vil  enpfing  sie  gar  wirdiglich,  Fryen 
Uli  grauen,  Ritt^  un  knechte,  Vn  sin  landes  herren  jederman 
enpfing  er  nach  sine   gesiechte.    Darnach   lüde   er  sie   zu  dische 

122  Vn  do  man  den  h^ren  wasser  über  die  hende  gegabe,  Do  satzt 
man  sie  zu  disch  jglichen  nach  siner  wirdikeit,  Vn  böte  es  im 
wol  als  es  dann  wol  zame  königlicher  rycheit,  Also  hatt  der  Edel 

135  könig  wirttschafft  mit  den  h^ren  vn  weret  der  hofe  wol  "XII'  dag. 
Do  nu  die  wirtschafft  ein  ende  hatt,  Do  ging  sant   Osicalt  für  den 

140  dische  vii  sprach  nu  merchet  mich  alle  min  landes  h^ren  was  ich  uch 
habe  zu  sagen.  Wan  ich  üch  nit  umb  süst  han  zu  samen  bracht 

145  Einen  rat  wil  ich  von  üch  nemen ,    Do   ratent  mir  das  beste  als 

155  ich  üch  dann  getriiwe  Künuet  ir  mir  jrget  vnder  cristen  oder 
beiden  gezeigen  ein  köningin  edel  ryche,  schöne  vn  jung'  die  mir 

165  gemesse  sy.  Die  h'ren   sahen  ein  ander   an  vnd   gingen    dry  dag 

171  mit  einander  zu  rat  vn  kunten  kein  finden,  Vn  also  sprachen  sie 
zu  de  h^ren  dem  könig'  (255")  H're  nü  rieten  wir  üch  gern  das  beste, 
so  künnen  wir  üch  nit  geraten  was  uns  joch  darümb  geschieht 
Wir  finden  nyerget  üwern  genossen  jn  zwölff  königrychen  weder 
under  üwern  fründen   noch    eigen  lüten  deß  glaubent  uns  edeler 

182  könig'  Wir  wissen  niergen  kein  königin  die  üch  möge  gezymen 
zu  einer  frauwen,  Do  sp*ch  könig  Oswalt  Künnet  ir  mir  dann 
nit  geraten,  so  farent  wider  hey  zu  lande  Got  muß  üch  alle  be- 

190  waren,  Vn  also  gab  er  den  h'ren  vrlaub.  Vn  sie  füren  wider 
hey'  Do  was  könig    Osioalt  trürig'  dz  jm  die  h''ren  keyn  königin 

195  mochten  gezeigen  die  für  in  were.  l\a  kam  uff"  sinen  hoffe  ge- 
gangen ein  edeler  pilgerin  wol  getane  [der  hieß    Warmünt]'*)  der 

203  trüge  einen  palmen  jn  siner  hant  Vn  grüst  (grust?)  sant  Oswalt' 
Do  in  der  könig  an  sach  Do  enpfing  er  jn  früntlich,  wann  er 
hatt  vil  v^niunen  von  siner  kunste  Vn  sp^ch  biß  mir  wilkumen 
If^armunnieber  bilgerin  Aber  etliche  buch  er  sagen  Ks  were 

211  ein  engel,  Do  uam  saut  Osicalt  den  bilgeriu  jn  sine  arme  vn  fürt 
jn  mit  jm  allein  ju  sin  beste  keminat'  Vn  sprach  zu  jm  Edeler 
pilgerin  sag  mir  kaustu  mir  jrget  vnder  cristen  oder  beiden  ge- 

221  zeigen  ein  königin  schöne  vnd  wol  gestalt  vn  darzu  jung  (jung?)' 
die  mir  gezeme  zu  einer  königin  über  min  Ryche,  Do  sprach  der 
pilgerin'  Mir  sint  -LXXII.  laut  behaut'  vn  ich  wil  dir  sagen 
edeler  fürste  Einhalbe  des  meres  do  weyß  ich  ei  königin  die  ist 


*)  Die  eingeklammerten   Worte  stehn  am  Rande. 
GERMANIA.  Neue  Eeilie  VUI.  (XX.J  Jahrg.  13 


194  A.  EDZARDI 

230  so  schone  dz  ich  iiye  [kel]*)  schöner  gesach,  Sie  (255*')  ist  darzu 
jung'    frum  vli    tügentlich  vn    zimmet    dir  wol   zu   einer   königin 

240  Vnd  heisset  die  schöne  Frawe  JPauge**).  Ir  vatt^  sitzet  jn  de 
lande  JLraon  (sie)  vö  ist  ein  heyden  vii  sie  ein  heidische  königin 
vn  sie  vn   ir  juncfrauwen   glaubet   an   got  vn   an    sin   mutter  vn 

248  habet  cristen  glauben  heylich  vor  de  heidische  könig'  west  er  es 
aber  Er  neme  jn  ir  leben  .  vn  sie  wolten  gern  gedaufft  w^den, 
so  habet  sie  nieman  der  in  darzu  helfFe,  Do  sp*ch  der  edel  könig 

254  sant  Osioalt'  Nu  muß  ich  über  dz  [wilde]  ***)  mere,  jch  wil  jn  zu 
der  dauffe  helfFen  vn  solt  es  mir  an  min  leben  gene'  Darnach 
sprach  er  IVu  solt  ich  einen  botten  haben  über  dz  wilde  mere  zu 

260  der  werden  königin 'der  mir  erfüre  weß  ir  zu  mute  were,  wolt 
sie  cristen  glauben  han  dz  sie  mich  daß  ließ  wissen,    so    brecht 

265  ich   zu   samen  ein  michel  here  vn  füre   über  mere   nach  ir '  Do 

268  sp'ch  der  bilgerin  h're  ich  sag  üch  das  für  war  dz  ir  sie  mit 
allen  üwern  synnen  nymmerme  gewinnen  möget  Es  tue  dann  got 

281  selber  sin  stüre  darzu'  Sant  Oswalt  sp*ch  jch  tue  es  jn  sine  name 
vii  getrüwe  jm  er  helffe  mir  zu  der  edeln  königin '  Darnach  fraget 
er  den  bilgerin  vii  sp"ch  Sag  mir  Warmunt  '  sinen  rechten  namen 

290  wann  er  dir  doch  wol  ist  bekant  Der  bilgerin  sp'ch  Dz  wil  ich 
gern  dune  Er  heisset  der  Ryche  könig  von  Appion  (sie) '  Do 
sprach  sant    Oswalt  IVu  soltu  min  bot  dar  sin  Dz  er  mir  die  junc- 

299  frawe  (256")  gebe,  Der  ümb  gib  ich  dir  Rychen  solt  Ein  herzog- 
tume  wil  ich  dir  geben,  Wann  du  magst  mir  die  botschafft  mit 
eren    wol    tüne,    Do   sprach   der   pilgerin     Deß    überhebe    mich 

309  lieber  h're,  Deß  beiden  gewalt  ist  so  groß  es  kam  nye  kein  botte 
dar,  er  habe  jm  dz  leben  genümen  Vnd  wer  in  bete  ümb  die 
künigin  (sie)  dem  slüge  er  das  haubt  abe '  Er  hat  auch  gesworn 
er  wolle  die  docht^  nieman  geben  alle  die  wyle  er  dz  leben  hat, 
wann  er  hat  dz  jn  sine  mute  dz  sin  got  wolle  vnderstene,  sterbe 

320  jm  die  alte  königin  so  wolle  er  sin  docht^  nemmen,  Do  sp*ch  sant 
Oswalt,  Dz  sol  got  got  selber  understonef)  dz  der  beide  sin  docht* 
nit  selber  neme '  sie  sol  werden  zu  einer  cristenin,  IVu  habe  ich 
mangen  stoltzenff)  dienstman  die  für  ich  über  mere  vS  für  sie  mit 

331  gewalt  danne,  Do  sprach  der  bilgerin  Er  hat  feste  uö  gute  bürge,  die 


*)  kel  übergeschrieben. 
**)  Nicht  ganz  deutlich,  aber  schwerlich  Pia,  wie  im  Anzeiger  a.  a.  O.  angegeben 
wird,  wohl  Fange  =  panng  (oder  paing)  S;  vgl.  Oerm.   V,  165  Anm. 
***)  wilde  übergeschrieben. 

f )  Sic,  tvohl  nur  verschrieben  ßir  understene. 
ff)  Hinter  stoltzen  ist  man  durchstrichen. 


DIE  STUTTGARTER  OSWALTPROSÄ.  195 

vor  schaden  wol  behut  sin  '  dz  cristen  vn  beiden  •  vö  alle  die  weit 
din  eigen  were  vli  bettest  dich  für  sin  bürge  gelegit  du  möcbtest 
ir  doch   nit    geschaden,    du   müstest   dar   vor   ligen  •  XXX  "  jar 

340  dannocb  würdestu  nit  balde  jnnen  wie  die  juncfrauwe  ist  gestalt ' 
Darnach  sprach  der  bilgerin  Il're  nun  folget  miner  lere  jch  wil 
ücb  raten   als   ein   getrüwer   man,    Du   hast   uff  dine  hoffe  einen 

350  edeln  raben  erzogen.  Den  soltu  zu  eine  hotten  haben  der  Rabe 
sol  dir  es  baß  werben  dann  kein  wyser  man,  Er  ist  dir  nützer 
dann  santestu  ein  gantz  here  über  mere  Wann  got  hat  es  jm  ge- 
botten  vn  er  ist  redende  worden,    Do   sprach   sant  Oswalt:   Ich 

360  han  jn  erzogen  wol  zwelff  jar  dz  ich  keinerleye  stimme  oder  wort 
nie  von  jm  v^nara '  Do  sprach  der  bilgerin,  könig  (256'')  Osioalt 
dir  wirf  noch  wol  kunt,  schick  balde  nach  dem  Raben '  sy  er  nit 

370  redende  worden  so  slag  mir  min  haubt  abe '  Sant  Ostcalt  hieß 
jm  balde  den  raben  bringen  Nu  was  der  Rabe  uß  geflogen  vn 
uff  einen  hohen  bau  gesessen.  Deß  truret  der  könig  gar  fast  Dz 
er  den  raben  nit  mocht   gehaben,    Vn  sprach  zu  de  bilgerin  ]\u 

380  rat  wie  wir  den  raben  von  dem  bau  bringen,  Do  sprach  der  pil- 
gerin irre  jr  sollent  iuch  wol  gehaben  wann  got  sendet  uch  üwern 
lieben  raben  schier  here  zu  hant  schicket  es  got,  dz  der  Rabe 
käme  her  abe  geflogen  für  den  milten  könig  sant  Oswalt '  vü  gab 

390  im  [got]*)  die  gnade  das  er   alle   sprachen  reden  kunt,    Do   der 

401  Rabe  nu  uff  den  disch  was  kumraen,  Dz  erst  wort  das  er  je  ge- 

400  sprach  do  enpfiug**)  er  den  bilgerin  vn  sp^ch  Bis  mir  got  wil- 
küme  {sie)  warmünt  edeler  bilgerin^  Do  das  der  Edel  könig  sant 
Oswalt  hört,  wart  er  über  die  masse  erfreüwet  vn   sprach  zu  de 

410  pilgerin  Warmünt  du  solt  mir  v^geben  dz  ich  dinen  werten  nit 
glauben  wolt'  Du  solt  fürwar  wissen  dz  ich  jn  zwelff  jar  erzogen 
han  vn  ist  das  dz  erst  wort  dz  ich  je  von  jm  gebort.  Darnach 
sprach  der  Rabe  [zu  sant  Osiöolt]  ***)  H're  merke  was  ich  dir  sage, 

420  Du  bettest  kein  meschlich  stymme  von  mir  nymmerme  v*nomen 
Dann  dz  dir  die  gnade  von  got  ist  v*lichen.  Du  wirbest  vmb  ein 
edel  königin  zu  der  wil  ich  din  bot  sin  vn  wil  dir  die  botschafft 
werben,  solt  es  mir  joch  dz  leben  kosten.  Ich  er-(257*)wirbe  dir 
die  königin,  oder  du  gesihest  mich  nymmermer  jn  engellant,  Sant 

429  Oswalt  kust  den  raben  vn  sprach  jch  wil  got  im  er  dancken  dz 


*)  got  übergeschrieben. 
**)    Wörtlich  so ;  es  scheint  etwas  zu  fehlen.  Auch  in  M  und  S  (I  kommt  an  dieser 
Stelle  nicht  in  Betracht)  scheint  der  Text  verderbt. 
***)    Ubergeschrieheii. 

13* 


]90  A.  EDZARDI 

ich  dich  han  erzogen,  Do  sprach  der  Rabe,  h^-e  folge  rnine  rat 
vn  heiß  dir  bahle  einen  goltsmitt  bringen  vn  heiß  mir  alles  min 

437  gefider  mit  rote  golde  beslagen  vn  ei  gülden  crone  uff  min  haubt 
wircken  wenn  ich  dann  kumme  under  die  heidenschaffte '  so  mag 

451  ich  deste  baß  fride  han  für  fahen  un  schiessen  vn  werde  schöne 
enpfangcn  von  frauwen  Rittern  un  knechten,  Vn  mag  deste  baß 
gereden  wann  ich  also  mit  eren  kumme  gefaren,  vnd  mich  jeder- 
man  gern  sieht '  Man  hat  den  man  als  man  jn  sieht  vn  achtet 
nit  guter  witze,  So  ich  dann  komme  zu  de  Rychen  könig  Araon 

460  vn  zu  siner  lieben  docht\  so  sag  ich  in  die  botschaifte  vn  der 
jungen  (jungen?)  königin  dinen  dienste,    Sant   Osioalt  folget  des 

4G4  raben  lere  vn  sant  balde  sinen  kemmerer  nach  eine  goltsmit,  *) 
Do  der  goltsmitt  kam   {Eitm.  481 — 507)**)  vn  jn    der  könig  an 

509  sach  Do  grust  er  jn  vn  sprach  zu  jm,  Meister  ich  han  nit  umb 
süst  nach  üch  gesant  Ir  sollet  mir  mine  rabe  schöne  beslagen  mit 

520  golde  sin  gefider  vn  jm  ein  gülden  crone   uff  sin   haubt  wircken 

518  Wann  ich  wil  jn  zu  botten  senden.  Dz  so  er  kumme  under  die 
beiden  dz  man  sehe  dz  er  eines  rychen  hVen  botte  sy,  Der  meist* 
sp'ch  h^re  was  ir  wollet  vn  gebietent  dz  dune  (257")  ich  gerne 
]\u  was  der  meister  ein  künsterycher  man  vii  nam  den  Raben  zu 

529  jm  vn  trug  jn  jn  sin    smitte  vn   hatt  jn  bi  im   dry   dag   vii  dry 

nacht  vn  wircket  an  jm***)  nacht  vii  dag,  An  de  vierden  morgen 

541.  549  do   het  er   den   raben   schöne   bereit  Vii   nam  ]n  uff  sin  haut  vii 

550  ging  do  mit  zu  hoffe,  Do  er  den  konig  fant  vii  sprach  Edeler 
fürste  ich  han  getan  nach  üwerm  willen  vn  han  zwelff  marck 
goldes  wol  v^dienet  Der  hochgelopt  könig  sprach  Meister  die  wil 

560  ich  üch  gerne  geben  vnd  hieß  do  den  kemerer  balde  bringen  zwelff 
marck  rotes  goldes  f)  die  gab  er  de  meist*  vn  er  schiede  frölich 
von  dannen,  Darnach  sprach  der  Rabe  H're  nu  folget  rainer  lere 

570  vn  heißet   [uch]ff)  brieffe   schryben   zu  der  werden  königin    vü 


*)  Hier  scJieint  die  Hs.  *M,   Vorlage  von  Ml  und  s,  eine  Reihe  von  Versen  un- 
ahsichtlich  übersprungen  zu  haben,  da  die  entsprechende  Stelle  in  M  vollständig  fehlt. 

**)  Die  Verse  483 — 506  fehlen  in  M  dtirch  Abirren  des  Schreibers  vmi  Ettm.  482 
%ii  dem  gleichen  Verse  506  (I  weicht  bedeutend  ab  und  kommt  daher  nicht  in  Betracht). 
***)  Nach  jm  ist  dag  ausgestrichen. 

f)  In  M  lauten  die   Verse  561 — 564:  Zwelf  mark  von  golt  rot 

De  maist'   er  do  gepot 
Der  kungk  den  maist'  schon  beriet 
Frolich  er  von  dannen  schied. 
ff)  uch  am  Rande. 


])IE  STUTTGARTER  OSWALTPROSA.  197 

sümet   mich    (sie)    nit   lenger,    Ir  fertiget    mich    hin*)    Der    milt 

584  könig  sant  Osicalt  ließ  zu  hant  brieff  schryben  vii  v^sigelt  die  mit 
sine  jngesigel  vil  stricket  dz  de  raben  vnder  sin  gefider,  vn  darzu 
ein  gülden  fing^lin  mit  einer  syden   snure  Vn  sprach  do  Nu  wol 

591  hin  min  lieber  rabe,  Der  hiramel  fürste  got,  geleit  dich  über  dz 
wilde  mere  zu  der  edeln  königin,  Der  sage  minen  getrüwen  dienste 
vn  dz  mir  on  got  nit  liebers  sy  dann  sie  mir  ist '  sie  sol  ob  got 
wil  min  frauwe  werden,  Wolle  sie  (258")  cristen  glauben  an  sich 

600  nemmen,  so  sol  sie  mich  es  lassen  wissen,  so  wil  ich  ein  michel 
here  zu  samen  bringen  vn  über  mere  faren,  Der  Eabe  sprach 
Was  ir  jr  eubietent,  dz  wil  ich  ir  gern  sagen  vii  ir  nichtes  v^swygen, 
Bittent  die  himmelsche  königin  dz  sie  mir  von  hynnen  helffe  vil 

610  auch  herwider  von  de  heidischen  könig  dz  er  mir  nit  min  leben 
nemme,  Sant  Oswalt  gab  jm  sant  Johannes  mynne  vn  enpfalch 
jn  der  hiraelschen  königin,  Der  Rabe  sprach  Win  lieber  h're  Ich 
enpfilhe  dich  auch  vn  alle  din  dienstman  got  vil  siner  lieben  mutt* 
vn  do  mit  schiede  der  rabe  von  dannen  von  der  bürge  Der  liebe 
sant  Oswalt   sach   im   fast  nach  vn   sprach  Himmelsche    königin 

620  jch  enpfilhe  dir  den  hotten. 

Hieran  schließt  sich  das  /m  Anzeiger  1857  mitgetheilte  Stück,  be- 
ginnend mit  Do  floch  der  rabe  biß  an  den  zeheuden  dag  etc.,  wo  übrigens 
l).  259'  der  Hs.  Liebe  frawe  min  (nicht  nun)  zu  lesen  ist,  wie  auch  das 
Gedicht  an  der  entsprechenden  Stelle  (Ettm.  711)  liebe  vrouwe  min  (:  din) 
liest.  Ferner  ist  am  Ende  zu  lesen  das  jn  der  Rabe  (nicht  vogel)  eut- 
runnen  was,  wie  auch  im  Gedichte  (Ettm.  741  =  MI)  steht. 

Für  die  Beurtheilung  des  Werthes  der  Hs.,  ihres  Dialectes**),  der 
ungefähren  Zeit  ihrer  Niederschrift  mag  das  bisher  mitgetheilte  ge- 
nügen. Ich  wende  mich  nun  zu  der  Untersuchung,  welche  Stellung 
dieser  Oswaltprosa  zu  den  andern  Prosabearbeitungen,  besonders  aber 
zu  den  Hss.  des  Gredichtes  zuzuweisen  ist.  Die  erstere  Frage  ist  leicht 
beantwortet:  sie  steht  keiner  andern  Prosa  nahe,  weder  der  Berliner 
(H.  Z.  XIII,  466 — 491),  die  im  Anfange  und  am  Schluße  mehr  hat  und 
auch  sonst  abweicht***),  noch  der  Prosa  im  Leben  der  Heiligen,  deren 


*)  Entspriclit  einem  Verspaar  in  M,  welches  in  S  fehlt  nach  576 : 
Fertig  mich  vou  hinn 
Zu  d'  edel  kungin. 
**)  nit  stellt  sich  mehr  zu  dem  anlautenden  d  in  dag  u.  s.  w. 
***)  Sie  geht   auf  eine  Gedichths.    zurück,    welche    mit    der   Quelle  von  S  und 
IMs  wieder  auf  ein  gemeinsames  Original  zurückgeht. 


198  A.  EDZAKDI 

Innsbrucker  Fassung  Zingerle  in  seinem  angeführten  Buche  veröflent- 
licht  hat,  eben  so  wenig  der  altnordischen  Osvaldssaga  (Anualer  1854)*). 
Vielmehr  schließt  sie  sich  eng  an  die  Hss.  des  Gedichtes  an,  hier 
wieder  am  engsten  an  die  Münchener  (M)  und  die  Innsbrucker  (I)**)- 
Unsere  Prosa  entspricht  dem  Gedichte  viele  Verse  lang  wörtlich  genau, 
nur  daß  die  prosaische  Wortfolge  hergestellt  ist.  Ja,  es  ist  sogar  wahr- 
scheinlich, daß  sie  direct  aus  einer  Hs.  des  Gedichtes  als  Prosa 
abgeschrieben  ist.  Dieß  scheint  mir  nämlich  aus  mehreren  Stellen 
hervorzugehen,  wo  der  Schreiber  zuerst  die  Wortfolge  des  Gedichtes 
geschrieben  hatte,  dann  aber  in  die  prosaische  umänderte.  So  steht  an 
der  Stelle,  die  Ettm.  1547  entspricht :  Nu  het  sant  Oswalt  einen  schonen 
hirtze  uff  sine  hoffe  erzogen.  Dieß  erzogen  ist  aber  durchstrichen,  und 
es  folgt  lool  achtzehen  jar  erzogen.  Im  Gedichte  aber  lautet  die  Stelle  ***). : 
1547  ff.  Nu  het  er  auf  seine  hof  erczogen, 
Des  begund  er  got  vast  loben, 
Ainen  hirsch  [wol  S]   achzehen  jar. 

Im  Gedichte  steht  1984:  Hat  er  pracht  über  des  wildes  meres 
fluot;  in  der  Prosa  steht:  die  er  hat  herbvacht.  Dieses  herhracht  ist 
durchstrichen,  und  es  folgt  ilher  mere  herhracht. 

Im  Gedichte  steht  2180  ff. :  Die  seinen  zogten  im  wirdichleich  nach, 

Ir  fünfhundert  zogten  schon 
Mit  dem  reichen  kunig  aron; 
in  der  Prosa  steht:  vn  zugen  jrem  li'ren  nach.  Dieses  nach  ist  durch- 
strichen, und  es  folgt  de  BycJien  könig  Aron  nach. 

Im  Gedichte  steht:  2422.  [nu  IS]  duo  es  durch  die  trew  dein; 
in  der  Prosa  aber  steht :  tue  es  durch  miner  trüwe  willen,  und  vor  tue 
sind  zwei  Buchstaben  roth  durchstrichen,  doch  wohl  nu,  welches  in  die 
prosaische  Wortfügung  wohl  nicht  gut  passte. 

Im  Gedichte  steht:  3383.  den  stolczen  fursfen  her:,  in  der  Prosa 
aber:   den  edeln  fürsten.   Dieß  fürsten  ist   durchstrichen,    und   es   folgt 


*)  Über  das  Verhältniss  aller  Überlieferangen  des  Oswalt,  prosaischer  wie 
poetischer,  zu  einander  bin  ich  zur  Zeit  mit  umfassenden  Untersuchungen  beschäftigt, 
die  zugleich  als  Vorarbeiten  für  eine  Ausgabe  des  Gedichtes  dienen  sollen. 

**)  Ich  besitze  von  M  eine  sorgfältige,  noch  einmal  genau  revidierte  CoUation, 
die  ich  im  October  1874  auf  der  Leipziger  Universitätsbibliothek  durch  gütige  Ver- 
mittelung  des  Herrn  Oberbibliothekar  Prof  Krehl  nehmen  konnte.  Von  I  hat  mir  Herr 
Zingerle  mit  dankenswerthester  Zuvorkommenheit  seine  eigene  Abschrift  zur  Verfügung 
gestellt.  Von  S  besitze  ich  vorläufig  noch  keine  Collation,  bin  also  auf  Ettmüllers  Aus- 
gabe und  die  wenigen  von  ihm  angegebenen  Lesarten  der  Hs.  angewiesen. 

***)  Ich  citiere  überall  nach  M,  die  sich  als  die  relativ  beste  Hs.  ausweist, 
soweit  sich  darüber  ohne  Einsicht  in  die  Hs.  S  urtheilen  lässt. 


DIE  STUTTGARTER  OSWALTPROSA.  ]99 

vn  m Uten  für sten  (Avobei  das  eingeschobene  wH,  muten  wohl  durch  das 
nachfolgende  her  des  Gedichtes  veranlasst  ward). 

Im  Gedichte  steht:  1013  f.  die  kungin  mit  ir  selb*  hant 

erloste  dem  Raben  alle  seine  pant; 
in  der  Prosa  ist  D  durchstrichen,  dann  folgt:  Vn  sie  erlost  den  fogel 
selber  mit  irer  hant. 

Im  Gedichte  steht:  417.  Da  sprach  der  edel  Rab: 

Herr  merk  waz  ich  dir  sag; 
in  der  Prosa  aber  heißt  es :  Darnach  sprach  der  Rabe  [zu  sant   Osivalt] 
H're  mercke  was  ich  dir  sage,  wo   die   eingeklammerten  Worte  über- 
geschrieben, also  nachträglich  eingeschoben  sind. 

806  im  Gedichte  steht  lehen  benomen,  in  der  Prosa  leben  genumenj 
vor  genumen  ist  aber  ein  Buchstabe  ausgestrichen:  es  war  zum  h  an- 
gesetzt. 

538  im  Gedichte  steht:  tag  und  auch  die  nacht,  in  der  Prosa  nacht 
vn  dag;  vor  nacht  ist  aber  dag  durchstrichen. 

Auch  die  beiden  folgenden  Stellen  mögen  hierher  zu  ziehen  sein. 
An  der  Stelle  die  1609  Ettm.  entspricht  hat  die  Prosa  zwen  berge  {berge 
durchstrichen)  gar  hoch  berge.  Stand  hier  in  der  Vorlage  berge  [gar] 
hoch?  Die  Gruppen  *M  und  *S  weichen  hier  bedeutend  ab.  —  3121 
steht  im  Gedichte  .  .  .  auf  den  subentag  (sunnentag  S,  VII  tag  I),  daz 
ieder  .  .  .  S  (wo  M  und  I  auch  unter  einander)  abweichen;  Prosa: 
.  .  .  an  den  sibenden  dag,  Und  er  gab  .  .  -,  vor  Und  ist  D  durch- 
strichen (von  Daz?). 

Es  fragt  sich  nun,  aus  welcher  Hs.  des  Gedichtes  die  Stutt- 
garter Prosa  abgeschrieben  ward.  Da  sie  häufig  noch  die  Reime 
unseres  Gedichtes  deutlich  erkennen  lässt,  so  ist  die  Vermuthung  sehr 
verlockend,  daß  sie  auch  da,  wo  sie  vom  Gedichte  (d.  h.  von  allen 
drei  Hss.)  abweicht,  noch  alte  Reimwörter  erhalte,  mit  andern  Worten, 
daß  sie  auf  die  gemeinsame  Quelle  von  S  und  MI  zurückgehe  und 
die  Reime  dieser  verlorenen  Hs.  noch  erkennen  lasse.  Diese  Vermuthung 
ist  aber  abzuweisen.  Vielmehr  ergiebt  sich,  daß  die  benutzte  Hs. 
der  Gruppe  *M  angehörte.  Die  Prosa  hat  nämlich  einerseits  die 
in  S  nach  Ettm.  840  fehlende,  in  MI  erhaltene  längere  Stelle  gleichfalls 
erhalten,  ebenso  stimmt  sie  mit  den  nach  720  erhaltenen  sechs  und  den 
nach  .576  erhaltenen  zwei  Plusversen  und  noch  in  manchem  andern 
überein;  andererseits  fehlen  ihr  die  in  S  erhaltenen,  in  M  und  I  fehlenden 
Partien  Ettm.  483—506  (durch  Abirren  des  Schreibers  ausgefallen)  und 
745 — 798.  Außerdem  stimmt  die  Prosa  in  größeren  Abweichunge^i  und 


,200 


A.  EDZARDl 


in  einzelnen  Lesarten  in  der  Regel  genauer  zu  MI  als  zu  S,   was  nach- 
her an  einem  Stücke  beispielsweise  gezeigt  werden  soll. 

Es  bleibt  also  nur  noch  die  Frage  übrig,  ob  unsere  Prosa  — 
ich  nenne  sie  von  jetzt  ab  s  —  auf  M  oder  I  direct  oder  auf  deren 
gemeinsame  Quelle  zurückgeht.  Aus  I  kann  sie  schon  wegen  des  ganz 
abweichenden  Anfangs  dieser  Hs.  nicht  abgeschrieben  sein;  und  auch 
für  M  ist  dieß  an  sich  nicht  wahrscheinlich,  da  die  Hs.  M  mit  der 
Stuttgarter  etwa  gleichzeitig,  und,  wenn  ich  richtig  urtheile,  die  Stutt- 
garter eher  älter  als  jünger  ist.  Wie  dem  aber  auch  sei,  so  folgt  aus 
der  Übereinstimmung  in  einzelnen  Lesarten  mit  S  gegen  M  oder  I, 
beziehungsweise  beide,  daß  s  auf  die  gemeinsame  Quelle  beider 
zurückgeht,  aber  nicht  direct,  denn  gemeinsame  Lesarten  von  M  und  I, 
denen  gegenüber  die  Prosa  zu  s  stimmt,  müssen  auf  eine  Abschrift 
jenes  Originals  der  Gruppe  *M  zurückgehn.  Derartige  Übereinstim- 
mungen sind  beispielsweise  804  pringen  inne  MI  gegen  S  und  s,  in 
denen  inne  fehlt,  womit  auch  803  der  S  {ir  s)  gegen  die  MI  zusammen- 
hängt, ferner  820  eben  Ss  gegen  guot  MI  und  849  eine  stimme  MI 
gegen  miY  einer  stimme  Ss.  Übrigens  zeigt  das  folgende  Probestück, 
daß  s,  wo  es  von  S  abweicht,  bald  mit  M,  bald  mit  I  übereinstimmt*). 
Es  wird  in  diesen  Fällen  immer  der  Hs.  zu  folgen  sein,  welche  zu  s 
stimmt,  sofern  diese  Übereinstimmung  nicht  eine  zufällige  sein  kann. 
Das  Verhältniss  der  hier  in  Betracht  kommenden  Überlieferungen ,  wie 
es  nach  obigen  Erörterungen  sich  gestaltet,  wird  also  schematisch  so 
darzustellen  sein: 


M 


*)  Zahlreiche  Belege  bringen  meine  „Untersuchungen". 


DIE  STUTTGARTER  OSWALTPROSA.    ^  201 

b  gebt  auf  eine  vollständigere,  von  X*  unabhängige  Hs.  zurück, 
und  bat  mebrmals  gegen  alle  andern  Überlieferungen  das  echte  be- 
Avahrt  (vgl.  meine  „Untersuchungen").  —  Aus  dem  dargelegten  Ver- 
hältnisse der  Hss.  folgt,  daß  da,  wo  MI  und  S  wörtlich  überein- 
stimmen und  diese  Übereinstimmung  nicht  wohl  eine  zufällige  sein 
kann,  s  nicht  in  Betracht  kommt.  Wo  aber  beide  von  ein- 
ander abweichen,  hat  s  fast  den  Werth  einer  Hs.  Wo  S  fehlt, 
muß  das  sonst  im  Gedichte  zu  beachtende  Verhältniss  der  Prosa  zu 
den  Gedichthss.  den  Maßstab  für  den  Werth  der  Lesarten  von  s  an 
die  Hand  geben. 

Um  nun  sowohl  von  der  Übereinstimmung  der  Prosa  mit  dem 
Gedichte  eine  Probe  zu  geben  als  auch  anzudeuten,  in  wiefern  dieselbe 
für  die  Herstellung  des  Textes  zu  verwerthen  ist,  stelle  ich  hier  ein 
Stück  der  Prosa  dem  (zuweilen  nach  IS  berichtigten)  Texte  von  M 
gegenüber,  indem  ich  die  in  Betracht  kommenden  Varianten  von  I  und 
S  unter  dem  Texte  gebe,  die  daran  zu  knüpfenden  Bemerkungen  aber 
erst  dem  ganzen  Stücke  folgen  lasse.  Ich  wähle  hierzu  die  an  das  im 
Anzeiger  gedruckte  Stück  sich  anschließende  Partie,  so  daß  nun- 
mehr der  ganze  Anfang  der  Prosa  bis  zu  Vers  870  Ettm,  gedruckt 
vorliegt.  Die  großen  Buchstaben,  die  M  fast  durchgehends  am  Anfange 
der  Verse  bietet,  habe  ich  nur  im  Anfange  der  von  mir  angenommenen 
ursprünglichen  Strophen  gesetzt.  In  Betreff  der  Schreibung  gilt  das 
oben  von  s  Gesagte  auch  für  M,  außerdem  gebe  ich  ü  der  Hs.  durch 
uo  und  ein  w-ähnliches  b,  welches  sich  anlautend  häufig  findet,  durch 
b  wieder.  Fetter  Druck  hebt  die  für  die  Textkritik  wichtigen  Lesarten 
hervor;  gesperrter  Druck  in  den  Varianten  bezeichnet  die  Worte, 
welche  in  einer  Hs.  mehr  stehn,  also  keinem  Worte  des  Textes  ent- 
sprechen; ein  Wort  in  eckigen  Klammern  fehlt  in  der  betrefienden  Hs. 
—  Nach  der  Ettm.  745—798  entsprechenden  Lücke  setzen  M  und  s 
folgendermaßen  wieder  ein: 

M  s 

Der  edel  Rab  das  d'sach:  Darnach  gedacht  sin  der  Rabe  jn 

hört,  wie  er  wid'  sich  selb'       800  sich  selber, 

sprach : 

Werleich,  dew  kungin  guot  Werlich  die  königin  zu   der  ich 

gesant  bin 
ist  vor  mir  recht  wol  behuot;  die  ist  vor  mir  so  wol  behüte 

die  stolczen  kungin 


803  die  MI]  der  S. 


202  A.  EDZARDI 

mag    ich    d'    potschaft    nimm'  das  ich  ir  die  botscliafft  nit  mag- 
pringen  inn.  bringen 
Wolt  ich  inderächtzueir  chomen,  805  kume  ich  in  der  nacht  zu  ir 
so    wurd    mich    lewcht    mein  villycht  wirt  mir  min  leben  ge- 
leben benomen.  numen, 
ich  muos  es  clagen  ymm'  mer, 
daz  ich  ye  pin  chomen  her: 

ez  sei  meine  herrenlaid  od' zorn,  ^s  due  mine   h'ren  wol   oder  we 

so  han  ich  all  mein  arbeit  vMorn.  ^'^  so  han  ich  min  arbeit  vUorn 

Also  redt  wid'  sich  selben  d'  rab 

ff  lüg  ich  nu  für  den  kunigk  in  Flüge  ich  für  den  könig  in  den 

den  sali,  sale, 

so  fast  er  noch  vn  ist  ein  grim-  so  er  noch  fastet,    so  ist  er  ein 

mig'  man;  grimmiger  man, 

er    gebun    mir    lewcht    mein  vnnymmetmir  villycht  min  leben, 

leben  an. 

Ich  wil  paiten,  pis  [daz]  er  gess  >ch  wil  beiten  biß  er  hat  gessen 

vn  getrinck  vn  getruncken, 

so  muos  im   ungemüt  sincken  so  v^sincket  jm  lycht  der  unmute, 
ez  ward  chain  Cristen  nie  so  guot, 
wen  in  hungert,  erseiungemuot. 

Daz    essen    truog   man  auf  den  Do  man  nu  den  könig  das  essen 

tisch  dar;  uff  den  disch  (259'')  trüge 

dez  nam  d   rab  vil  guot  war.  ggo  dz  nam  der  rabe  eben  war 

do  man  die  lest  rieht  dar  truog,  Un  do  man  die  leste  richte  uf  den 

der  Rab  sich  auf  den  tisch  huob.  disch  trüge,  Do  flog  er  auch  uff  den 

disch 


804  inne  auch  I,  fehlt  S.  802  acht  M,  acht  I,  nahe  S.  806  lewcht  M, 
fehlt  IS.  genumens,  davor  ist  ein  b  durchstrichen,  vgl.  S.  199.  809  laid  MI,  liep  S, 
Der  Vers  ist  wahrscheinlich  aus  den  drei  ersten  Versen  einer  Strophe  ziisammengezogeji. 
811  Der  ganze  Vers  fehlt  I.  812  vlüege  S,  mug  I.  in  den  sal  S]  ich  verzaget  i; 
dahinter  noch  her  abe  S.  813  vast  er  [noch  M]  MI]  vahet  er  mich  S.  [vn]  7. 
grimmer  S,  zornig  I.  814  gewinn  7,  gewinnet  5'.     leicht  7,  fehlt  S.  815  piß 

daz   (daz  über  geschrieben)  M]  hintz  7.      unz  sie  gezzent  unde  trinkent  S.      ezze   und 
trinche  7.  816  im]  der  S.     unmut  7.  von  in  S.     versinchken  7.  817  zwar  ez 

wart  nie  .   .  .  [nie]  S.         818  er  sey  MI]  erst  vil  S.     ungemuot  7^  zornigs  muot  M 
819  dar]  gar  S.         820  gut  7]  eben  S.        821  auf  den  tisch    die  leste  richte  7. 
die  lesten  rieht  S  (Hs.).  822  auf  den  tisch]  dar  I. 


DIE  STUTTGARTER  OSWALTPROSA. 


203 


Do  erauf  den  tisch  wazbechomen,  vn  do  er  ufF  den  disch  kam 

alz  wir  es  seid'  haben  v  nomen, 
do     sprach  d'  Rab :    ^der    den  825  do  sprach  er  Der  den  himmel  hat 


himel  hat  besessen  (13*), 
der  gesegen  euch  haiden  ewr 

essen. 


besessen 
der  gesegen  uch  dz  trincken  un 

dz  essen 


Da  mit  begund  er  naigen  schon 
dem  reichen  kunigk  aron  etc. 


Hier   irrte    der  Schreiher  zu    den 
gleichen   Worten  essen  vn  zu  trin- 
ken [M  35]  ah. 
Die  zwischenhegenden  Verse  bis  840  enthalten  alle  drei  Hss.  des 
Gedichtes,  von  da  ab  nur  MI.  Diese  Verse  zähle  ich  als  [Ml]  u.  s.  f. 
d'  kamr  säumet  sich  nicht  mer  [M  33] 
vn  begund  czuo  essen  vn  czu 
trinken  tragen  her. 

Do  man  czuo  essen  vn  zu  trinken  [m  35] 

pracht, 
der  Rab  sich  ain'  frag  bedacht; 
an  der  selben  stund, 
er  den  kung  fragen  begund. 

Er  fragt  in  also  schon:  vn  fraget  do  den  könig 

^sag  mir,  reicher  kung  aron,    [m  40]  Sag  mir  rycher  könig  von  Araon 
wer  isset  dein  prot  uii  drinket  wer  din  brot  isset  vn  dinen  wyne 

drincket 
de  dustu  nit  an  sine  leben, 


dein  wein, 

dem  tustu    doch    nicht  an   de 

leben  sein?' 

Der  kung  sprach  unu^porgen: 
^Rab,  leb  mir  an  sorgen: 


Der  könig  spräche 
Rabe  lebe  on  sorge 


wer    trinkt  mein  wein  vn    ist  [M  45]  Wer  min  brot  isset  unminen  wyne 


mein  prot, 
der  chumpt  in   chain    schlacht 

not. 
Hie  an  dem  hof  mein 

soltu  an  alle  sorgen  sein: 


trincket 
der  kümt  von  mir  in  kein  not, 


824  Do  sprach   der  Rab  MI]  er  sprach  S.  826  ewr  MS]  daz  /.     trinken 

nnde  ezzen  S.         827  sich  naigen  S. 

[35]  czuo  fehlt  I.         [38]  er  M,  der  rab  I.  [41]  praten  I.  [42]  sein  M, 

dein  7.  [43]  chunig  I.  [44]  crabe   Mf?  (so  Bartsch),     mir]  Bartsch  liest  in  M 

nur,  in  I  lautet  der  ganze   Vers  rab  du  tarst  nicht  sorgen.         [45]   izzct  /.     prat  1. 
[47]  hoffe  1. 


204 


A.  EDZAEDI 


dein  leib  un  dein  guot 
ist]  pei    mir    Recht    wol    be-[M  50] 
huot'  (14') 

Do  der  Rab  die  red  v^rnam, 

wie  hart  er  sich  frawen  began 

aller  not  begund  er  vergessen 

und   begund    frolich    trincken 

vn  essen. 

Als  d'  rab  gas  vii  getrank,  [IH551 

erst  gwan  er  raangen  gedank, 
wie  er  mit  seine  getracht 
den  haiden  der  potschaft  innen 
pringen  mächt. 

Er  sprach  also  schon:  «41 

„0  Edler  kungk  aron, 
du  dunkest  mich  ain  vesf  man, 
daz    ich    dir    mein    potzschaft 
nicht  gesagen  chan. 

Du  wellest  mir   dan  deinen  frid  845 

geben, 
Paidew  meine  leib   un  meine 

leben, 
80  wolt  ich  dir  sagen  drat, 
was  man  dir  enpoten  hat.' 

Der  heidem  sprach  ein  stimm  groß, 
daz  ez  in  dem  haws  er  doß;  850 


din  lybe  vn  din  gut 

sol  by  mir  wol  behüte  sin, 

Do  der  Rabe  die  rede  v^nam. 
do  begunde  er  sich  ser  freüwen 
vn  vergaß  aller  not 
vn     begunde     frölich    essen    vn 
drinckeu, 

Do  der  Rabe  nu  gaß  vn  getranck, 
Do  trachtet  er 
wie  er 

de  beiden  sin  botschaffte  für  ge- 
leget 

Vn  sprach 
O  ßycher  könig, 
du  dünkest  mich  so  herlich 
dz  ich  dir  min  botschafft  nit  ge- 
sagen kan, 

Du  wollest  mir  dann  einen  fride 

geben, 
beide  mine  lybe  vn  mine  leben. 

so  wolt  ich  dir  sagen 
was  man  dir  enbotten  hat, 

Derheide  sprach  mit  einer  grossen 
stymmen 
dz  es  jn  de  sale  erhalle. 


[49]  dein  laib  7,  den  leib  M.  [50]  pey  1,  pein  M.  [Recht]  I.  [51]  d'  Kab  M] 
er  I.  wol  vernam  7.  [52]  Wie  hart  M]  zehant  7.  pegan  7,  do  begund  M.  [55] 
tranch  und  gas  7.  [56]  Der  ganze  Vers:  alles  laides  er  gar  vergas  7.  [57]  Der 
ganze  Vers:  er  gedacht  in  seinem    gedecht  7.  [58]  Der  ganze  Vers:  wie   er  dem 

chunige    die    potschaft    in    precht  7.  842  O  M]  o  du  S,  fehlt  I.     Aaron  IS. 

843  Der   Vers  fehlt  in  S.  844  nit  7.     mine  botschaft  an  nu  niht  lenger  verdagen 

kan  S.  845    du   weitest  7]    und    ir    wellet  S.     danne    dein  7]    den  S  (Hs.)     frid 

alle.  846  peyde  7,  fehlt  S.     mein  —  mein  7.     und    ouch  S.  847  wil   icli 

iu  S.  848  dir  man  7,  man  iu  S.     gepoten  7.  849  ein  stimme  7]  mit  einer 

stimme  S.  850  daz]  so  7. 


DIE  STUTTGARTER  OSWALTPROSA.  205 

du  pist  gar  ein  Iistig[er]  vogel  Du  bist  ein  listiger  fogel 

ich  furcht,  ich  werd  mit  dir  be-  ich  vörcht  ich  werde  mit  dir  be- 

trogen, trogen 

Dannoeh  kan  ich  dir  sein  nicht  vn  kan  dir  sin  dennoch  nit  ver- 

versagen, sagen, 

du  must  mein  staten  frid  haben  Habe  minen  steten  fride, 

dein  leib  und  auch  das  leben  dein  855 
sol  haben  den  staten  frid  mein . 

D'  haiden  sprach  unv'pargen:  Die    Verse   857 — 864    übersprang 

„rab  leb  mir  an  sargen;  roohl  der  Schreiher,  indem  er  von 

da  mit  wil  ich  ern  857  zu  dem  ähnlichen  Verse  867 

Machmeten,      meinen      lieben  860   abirrte. 

herren : 

user  got  ist  Machmet   genant; 

durch  dez  willen   hab  ein  frid 

auz  disem  land." 

Do  sprach  d    listig  vogel: 

„mit  Machmeten  wurd  ich  hart 

betrogen ; 
der    chund  mir    nicht    pei  ge-  865 

stan  (14") 
ich  muoss  ain  pessern  frid  han. 

[Er  sprach]  „Edler  furste  her,  Der  Rabe  sprach  Edeler  filrste 

duo  es  durch  deines  landes  er  tue  es  durch  dines  landes  ere 

vngib  mir  aiueu  frid  von  hinnen  vn  gib  mir  einen  (260*)  friden  von 

hynnen 
als  lieb  dir  sei  die  alt  küugin".  870   als  liep  dir  die  alt  künigin  sy. 

Ich  muß  hier  kurz  erwcähnen,  daß  ich  die  Moroltstrophe  für  die 
ursprüngliche  Form  des  Gedichtes*)  halte,  die,  vielfach  verkannt  und 
verwischt,  dennoch  sehr  deutlich  erkennbar  ist.  Ich  gedenke  diese  An- 
sicht sowie  meine  Meinung  über  den  diese  Strophe  schließenden  Lang- 
vers  in   oben    erwähnter  Abhandlung    ausführlich    darzulegen   und    zu 

851  listig  nur  M.  853  dennoch  /,    dennocbt  S  {Es.).       sein  M,  fehlt  IS. 

gesagen  M.  867  er  sprach  IS  fehlt  M.  here  IS.  868  taoz  S,  tu  I.  869  ein 
(einen  S)  fride  IS.     binn«  M,  hinne  I.  870  alte  kuniginne  IS. 

*)  Sowohl  in  der  unsern  Überlieferungen  (vielleicht  außer  der  bei  Zingerle  ge- 
druckten Prosa)  zu  Grunde  liegenden  Gestalt,  die  ich  X  nenne,  als  auch  in  dem  X  zu 
Grunde  liegenden  älteren  Gedichte,  über  dessen  Alter  ich  mich  noch  jeder  Vermuthung 
enthalte.  Ich  stimme  hierbei  in  den  wesentlichsten  Punkten  mit  den  von  Strobl  (Über 
das  Spielmannsgedicht   von  St.  Oswald,    Wien    1870)  entwickelten  Ansichten    überein. 


206  A.  FDZARDI,  DIE    STTTTTOARTER  OSWALTPKOSA. 

begründen.  Die  unter  den  vierzeiligen  Strophen  in  unseren  Überliefe- 
rungen offenbar  sich  findenden  seehszeiligen  halte  ich  für  verderbt  aus 
einer  oder  zwei  vierzeiligen  (denn  als  solche  betrachte  ich  die  Morolt- 
strophe),  was  auch  dadurch  bestätigt  wird,  daß  mehrfach  statt  der 
seehszeiligen  in  S  vierzeilige  Strophen  in  M  stehen. 

803  zeigt  die  Übereinstimmung  von  s  mit  S,  daß  die  Assonanz 
tnne  :  bringen  echt  und  von  MI  beseitigt  ist.  Die  Strophe  wird  gelautet 
haben: 

Wserlich  diu  künigin  guot 

ist  vor  mir  rehte  wol  behuot: 

der  stolzen  küniginne 

mag  ich  die  botschaft       nimmer  [gejbringen. 

Vielleicht  ist  aber  802  und  806  Strophenschluß  anzunehmen. 

805  scheint  s  mit  in  der  nacht  die  richtige  Lesart  zu  haben,  der 
S  mit  inder  nahe  noch  am  nächsten  steht,  während  daraus  in  I  acht 
und  in  M  acht  geworden  ist. 

809  spricht  wol  oder  we  in  s  für  die  an  sich  schon  wahrschein- 
lichere Lesart  von  S  Uep  oder  zorn. 

812  zeigt  s,  daß  S  her  abe  der  Reimcorrectur  halber   einschob. 

826.  s  bestätigt  den  schließenden  Langvers,  den  S  bewahrt,  MI 
beseitigt  hat.  Er  lautete  wohl: 

d^r  gesegen  iu  beiden     daz  trinken  unt  daz  ezzen. 

[M  41]  von  Araonfe  :  schone]  in  s  ist  wenigstens  zu  beachten. 

[M  46]  von  mir  (s)  hat  wohl  ursprünglich  mit  in  dem  schließenden 
Langverse  gestanden. 

[M  55 — 58],  wo  M  und  I  bedeutend  abweichen,  spricht  s  für  M. 

843  f.  Hier,  wo  MI  und  S  (letzteres  offenbar  verderbt)  bedeutend 
von  einander  abweichen ,  ist  die  Lesart  von  s  in  Betracht  zu  ziehen ; 
ich  möchte  darnach  herstellen: 

du  dunkest  mich  so  lussam^ 
daz  ich  dir  min  botschaft     nicht  gesagen  kan, 
wobei  8  lussam  durch  herlich  wiedergegeben  hätte. 

Für  die  Beurtheilung  des  Wesens  und  der  Bedeutung  dieser 
Prosa  wird  die  hier  gegebene  kurze  Probe  genügen,  und  ich  darf  mich 
in  meinen  „Untersuchungen  über  das  Gedicht  von  St.  Oswalt"  auf 
diesen  kleinen  voraufgeschickten  Aufsatz  beziehen.  Bei  ihrer  Wichtig- 
keit verdient  aber  die  Prosa  s  wohl  noch  eine  weitere  Veröffentlichung, 
und  es  liegt  daher  in  meinem  Plane,  in  kurzem  wiederum  ein  großes 
Stück,  vielleicht  alles  noch  fehlende,  drucken  zu  lassen. 

ANKLAM  im  Febr.  1875.  A.  EDZARDI. 


MAURER,  ÜBER  ISLÄNDISCHE  APOKRYPHA.  207 


ÜBER  ISLÄNDISCHE  APOKRYPHA. 


n. 

Meine  vor  mehreren  Jahren  begonnene  Berichterstattung  über 
isländische  Apokrypha  wieder  aufzunehmen  ^),  veranlasst  mich  eine  neuere 
Veröffentlichung,  nämlich  ])orleif  Jonsso n's  Ausgabe  der  Hrana 
hrings  saga  und  des  Jjättr  af  jjöri  hast  ok  Bardi  birtu 
(Kopenhagen,  Druck  von  S.  L.  Möller,  1874;  34  und  19  S.  12").  Doch 
will  ich  für  dießmal  nur  die  erstere  Saga  besprechen,  um  welche  ich 
mich  seinerzeit  selbst  schon,  und  nicht  ohne  Erfolg,  mehrfach  be- 
müht hatte. 

Im  Herbste  1857  war  ich  während  eines  längeren  Aufenthaltes 
in  Kopenhagen  von  isländischen  Freunden  auf  die  Existenz  einer  Hrana 
hiings  saga  aufmerksam  gemacht  worden,  welche  sich  auf  die  Ge- 
schichte des  Bärdardals  beziehen,  jedoch  nur  in  sehr  wenigen  Hand- 
schriften erhalten  sein  sollte.  Freilich  musste  von  Vornherein  ver- 
dächtig erscheinen,  daß  weder  die  arnaraagnaeanische  noch  die  große 
königliche  Bibliothek  in  Kopenhagen,  noch  auch  die  königliche  Bib- 
liothek in  Stockholm  eine  ältere  Hs.  der  Saga  enthält^)  und  daß  diese 
auch  in  keinem  der  älteren  Sagenverzeichnisse  genannt  wird;  bei 
Torfseus  in  seiner  Series  Dynastarum  et  Regum  Daniae  (1702),  in  Jon 
Eiriksson's  einschlägigem  Briefe  an  Lüxdorph  (1760),  in  Hälfdan 
Einarsson's  Sciagraphia  (1777)  und  Uno  von  Troil's  Bref  rörande  en 
resa  til  Island  (1777),  bei  Bischof  Finn  Jöusson  (1778),  Suhm  (1781) 
und  P.  E.  Müller  (1817 — 20)  ist  ganz  gleichmäßig  keine  Spur  von 
derselben  zu  finden.  Indessen  bestand  doch  immerhin  die  Möglichkeit 
eines  höheren  Alters  der  Saga,  und  da  wenigstens  einzelne  unter  meinen 
isländischen  Gewährsmännern  geneigt  waren  ihr  solches  zuzugestehen, 
schien  es  sich  allerdings  der  Mühe  zu  verlohnen,  ihr  auf  Island  selbst 
nachzuspüren.  Als  ich  nun  im  Frühjahr  1858  nach  Island  hinübergieng, 


')  Vgl.  Bd.  XIII  der  Germania  S.  59—76. 

*)  In  der  ArnamagnJEana  soll  sich  nach  einer  Mittheilung,  die  ich  meinem 
Freunde  Gudbrandr  Vigfüsson  verdanke,  allerdings  eine  Hs.  der  Saga  befinden,  welche 
mit  Additam.  59,  6  in  4"  bezeichnet  sei ;  allein  sie  soll  die  Copie  einer  Abschrift  sein, 
welche  Gisli  Brynjülfsson  im  Jahre  1821  genommen  habe.  Da  ich  Weiteres  von  dieser 
Ha.  nicht  weiß,  muß  ich  im  Folgenden  von  ihr  absehen. 


208  MAURER 

blieben  zwar  in  Reykjavik  eingezogene  Erkundigungen  ohne  Erfolg; 
im  Nordlande  aber  gelang  es  mir,  der  Saga  auf  die  Spur  zu  kommen. 
Als  ich  nach  einem  beschwerlichen  Ritt  über  den  Sprengisand  zu  dem 
trefflichen  Pfarrherm,  sera  Jon  Austmann,  nach  Haldörstadir  im  Bdr- 
dardale  kam,  wusste  dieser  guten  Bescheid  über  die  Sage;  er  hatte 
selber  eine  Hs.  derselben  in  Händen  gehabt,  welche  dem  ])orsteinu 
hreppstjori  Gislason  von  Stokkahladir  im  Eyjafjörde  gehört  hatte, 
einem  eifrigen  Sammler  isländischer  Handschriften.  Nun  war  freilich 
Jiorsteinn  bereits  im  Jahre  1839  gestorben^);  aber  sein  Schwiegersohn, 
der  als  Dichter  weit  herum  bekannte  Zimmermeister  Olafr  Briem, 
wohnte  noch  zu  Grund  im  Eyjafjörde,  und  bei  ihm  war  somit  Auskunft 
über  den  Verbleib  der  Handschriften  seines  Schwiegervaters  zu  erhoffen. 
Die  Hoffnung  betrog  mich  nicht;  aber  der  Bescheid  gieng  dahin^  daß 
J)orsteins  sämmtliche  Handschriften  an  den  bekannten  JDorgeir  Gud- 
mundsson  gelangt  seien,  einen  geborenen  Isländer,  welcher  damals  als 
Pfarrer  in  Nysted  auf  Laaland  lebte.  Inzwischen  ist  ])orgeirr  vor 
wenigen  Jahren  auf  dieser  seiner  Pfarrei  verstorben,  und  da  er  seine 
Bücher  der  Stiftsbibliothek  in  Reykjavik  ^)  vermachte,  so  mag  es  sein, 
daß  die  beiden  Hss.  unserer  Saga,  welche  deren  neuester  Katalog  auf- 
weist^), aus  seinem  Nachlasse  stammen;  für  mich  aber  waren  diese 
Hss.  durch  die  Überführung  nach  Dänemark  unzugänglich  geworden, 
und  da  der  hochbegabte  Olaf  Briem  nur  wenige  Monate,  nachdem  ich 
ihn  gesprochen  hatte,  starb ^),  blieb  auch  sein  Versprechen,  mir  eine 
Abschrift  der  Saga  zu  verschaffen,  unerfüllt.  Bald  that  sich  inzwischen 
eine  neue  Spur  auf  In  Akureyri  erfuhr  ich  von  Sveinn  Skülason,  dem 
jetzigen  Pfarrherrn  zu  Stadarbakki,  welcher  damals  die  Redaction  der 
Zeitschrift  Nordri  führte,  daß  der  Buchbinder  Jon  Borgfirdingr  eino 
Abschritt  der  Saga  besitze.  Freilich  war  der  in  der  Geschichte  und 
Litteratur  seiner  Heimat  sehr  bewanderte  Mann,  welcher  zur  Zeit  den 
Posten  eines  Polizeidieners  in  Reykjavik  bekleidet,  damals  verreist 
und  seine  Hs.  somit  für  mich  ebenfalls  nicht  erreichbar;  indessen  hatte 
derselbe  die  Güte,  unmittelbar  nach  seiner  Heimkunft  mir  eine  eigen- 
händige Abschrift  derselben  anzufertigen,  welche  ich  noch  vor  meiner 
Abfahrt  von  Island  erhielt,  so  daß  der  Entgang  für  mich  wenigstens 
kein  bleibender  war.  —  Noch  ehe  ich  in  den  Besitz  der  eben  bespro- 


')  Vgl.  Skirnir,  1839,  S.   101. 

*)  Skyrslur  og  reikningar  hins  Islenzka  Bökmentafölags,  1870,  71,  S.  XIII. 
")  Skrd  yfir  prentadar  Islenzkar  baekur  og  handrit  i  Stiptis  b6ka- 
safninu  i  Reykjavik  (Reykjavik,  1874J,  S.  140,  Nr.  137,  und  S.  177,  Nr.  87,   c. 
*)  Vergl.  Nor.tri,  VII,   S.    15. 


ÜBER  ISLÄNDISCHE  APOKRYPH A.  209 

ebenen  Abschrift  gelangte,  hatte  ich  inzwischen  einen  zweiten  Text  der 
Saga  aufgespürt,  und  zwar  zu  Ytri-ey  auf  den  Skagaströnd.  Hier  saß  da- 
zumal der  im  Sommer  1859  verstorbene  Kammerrath  und  Sysselmann 
Arn6rr  Arnason  ^),  und  als  Amtsschi-eiber  diente  ihm  der  inzwischen 
gleichfalls  verstorbene  Gudmundr  Einarsson '^).  Ein  Sohn  des  sagen- 
kundigen Eiuarr  Bj arnason,  besaß  dieser  aus  dem  Nachlasse  dieses 
seines  Vaters  eine  reiche  Sammlung  von  Sagenhandschriften,  und  unter 
diesen  insbesondere  auch  ein  von  der  Hand  dieses  letzteren  ge- 
schriebenes Exemplar  der  Hrana  hrings  saga;  da  der  Mann  sich 
schlechterdings  nicht  entschließen  konnte,  von  seinen Hss.  sich  zu  trennen, 
kam  ich  mit  ihm  dahin  übereiu,  daß  er  mir  im  Laufe  des  nächsten 
Winters  die  genannte  und  eine  Reihe  anderer  Sagen  abschreiben  sollte. 
Die  Zusage  wurde  getreulich  gehalten,  und  durch  des  Hrn.  Kammer- 
rathes  freundliche  Vermittlung  gelangten  die  bestellten  Abschriften 
wirklich  in  meine  Hand;  Gudmundr  aber  vermachte  seine  Hss.  an  die 
isländische  gelehrte  Gesellschaft,  deren  gedruckter  Handschriftencatalog 
denn  auch  richtig  unter  den  von  ihm  hinterlassenen  Hss.  eine  Hrana 
hrings  saga  aufführt^).  —  Im  weiteren  Verlaufe  meiner  Reise  glückte 
mir  endlich  noch  die  Auffindung  einer  weiteren  Hs.  der  Saga.  Auf  der 
Insel  Flatey  im  Breidifjördr  fand  ich  nämlich  den  alten  Gisli  Kon- 
rädsson  vor,  den  Vater  des  Kopenhagener  Professors  Konrad  Gislason. 
Von  Haus  aus  ein  schlichter  Bauer,  hatte  derselbe  doch  durch  fleissige 
Arbeit  ein  ungewöhnliches  Maß  von  Kenntnissen  sich  erworben,  zufolge 
deren  er  sich  bei  seinen  Landsleuten  eines  hohen  Ansehens  erfreute. 
Eine  Reihe  von  Werken  hatte  er  verfasst,  oder  doch  aus  dem  Dänischen 
übersetzt  oder  nach  dänischen  Vorlagen  bearbeitet;  er  hatte  aber  auch 
über  isländische  Geschichte,  Stammtafeln,  Volkssagen  u.  dgl.  Vieles 
gesammelt,  und  zumal  eine  große  Zahl  von  Sagen  und  anderen  Quellen- 
schriften eigenhändig  abgeschrieben.  Seine  häusliche  Wirthschaft  war 
darüber  allerdings  bedenklich  zurückgegangen;  aber  dafür  hatten  im 
Herbste  1851  zehn  angesehene  Männer  aus  Flatey  und  der  Umgegend 
ihm  für  sich,  seine  Frau  und  seine  Kinder  lebenslänglichen  Unterhalt 
zugesichert,  gegen  die  Verpflichtung,  bei  seinem  Tode  der  Flatey  er 
Fortschrittsgesellschaft    alle    seine    Handschriften    und    Bücher   zuzu- 


')  Vgl.  Nordii,  VII,  S.  63. 

')  Vgl.  Islendingur,  IV,  S.  64;  dann  Skyrslur  og  reikningar,  1864 — 65, 
S.  IX,  und  1865-66,  S.  IX. 

*)  Sigurdr  Jonasson,  Skyrsla  um  handritasafn  hins  Islenzka  bokmentafelags, 
(Kopenh.  1869),  S.  226,  Nr.  8. 

GERMANIA.  Neue  Reihe.  VIII.  (XX.  Jahrg.)  14 


210  MAURER 

wenden').  Gisli  nun  besaß  auch  eiu  Exemplar  der  Hiana  hrings  saga, 
welches  er  selbst  um  40  Jahre  früher,  also  in  den  Jahren  1818  —  19. 
von  einem  Originale  abgeschrieben  hatte,  welches  dem  gelehrten  Probst 
sfera  Jon  Konn'ulsson  zu  Mselifell  (geb.  1770,  f  1850)  aus  dem  Bardar- 
dale zugekommen  war;  im  Auftrage  des  inzwischen  verstorbenen  Kauf- 
mannes Brynjölfr  Benediktsen  von  Flatey  fertigte  er  für  mich  eine 
Abschrift  der  Saga  an,  welche  mir  kurz  nach  meiner  Rückkehr  in  die 
Heimat  nachgeschickt  wurde. 

So  bin  ich  demnach  im  Besitze  von  drei  verschiedenen  Abschriften 
der  Saga,  welche  mir  von  drei  verschiedenen  Seiten  zugiengen.  Als  I. 
bezeichne  ich  unter  ihnen  das  von  Gudmund  Einarsson  geschriebene 
Exemplar,  bezüglich  dessen  dieser  mich  versicherte,  nur  in  Bezug  auf 
die  Orthographie  und  die  Flexionsfonnen  sich  Abweichungen  von 
seiner  Vorlage  erlaubt  zu  haben,  weil  diese  selbst  in  beiden  Beziehungen 
keine  Gleichmäßigkeit  gezeigt  habe,  wogegen  er  die  Worte  selbst  und 
deren  Eeihenfolge  niemals  verändert,  sondern  höchstens  in  unter  dem 
Texte  beigesetzten  Anmerkungen  das  ihm  Auffällige  bemerkt  habe. 
Als  n.  führe  ich  die  Abschrift  an,  welche  Jon  Borgfirdingr  mir 
schenkte;  er  erklärte  mir  übrigens  brieflich,  daß  die  Orthographie  dieser 
Abschrift  theilweise  ihm  zur  Last  falle,  und  daß  er  auch  wohl  einzelne 
Worte  in  derselben  „berichtigt"  habe.  Als  III.  endlich  bezeichne  ich 
die  Abschrift  Gisli  Konrädsson's;  über  sein  Verfahren  bei  deren 
Anfertigung  hat  dieser  keinen  Aufschluß  gegeben,  ich  kann  indessen 
nach  der  ganzen  Art  des  Mannes  nicht  bezweifeln,  daß  auch  er  sich 
mit  seinem  Texte  manche  Freiheiten  genommen  haben  werde.  Berück- 
sichtige ich,  daß  Gudmunds  Vater,  von  dessen  Hand  das  Original  von  I 
geschrieben  war,  längere  Zeit  eben  jenem  sera  Jon  Konrädsson  zu 
Mselifell  als  Verwalter  gedient  hatte,  in  dessen  Besitz  die  für  HI  be- 
nützte Vorlage  sich  befunden  hatte,  so  liegt  von  Vornherein  die  Ver- 
muthung  nahe,  daß  I  und  HI  aus  derselben  Quelle  geflossen  sein 
möchten;  für  H  dagegen  fehlt  mir  jeder  Anhaltspunkt  zu  einer  ähn- 
lichen Annahme,  und  da  Gudmundr  mich  bestimmt  versicherte,  die 
Saga  sei  so  selten,  daß  er  von  Niemanden  außer  dem  bereits  genannten 
J*orsteinn  ä  Stockkahlödum  wisse,  der  sie  besitze,  wäre  zunächst  auch 
die  Möglichkeit  im  Auge  zu  behalten,  daß  in  H  eine  Copie  dieses 
weiteren  Originales  vorliegen  könnte.  Der  Herausgeber  der  Saga  be- 
schränkt sich  dem  gegenüber  darauf,   in  einem  kurzen  Nachworte  zu 


')  Skyrsla  um  6.  S.  og  I.  F.  Flateyjar  Framfara-Sto  fnun,  III  (Reykjavik 
1868),  S.  3—4;  J)jö.!ölfr  XII,  S.  41. 


ÜRKK  ISLÄNDISCHE  APOKRYPHA.  211 

erklären,  daß  er  seinen  Text  (hier  als  Ed.  bezeichnet)  einer  jungen 
Papierhs.  entnommen  habe,  ohne  daß  er  weitere  Hss.  zur  Vergleichung 
hätte  benützen  können,  und  es  wird  sich  demnach  vor  Allem  darum 
handeln,  durch  Vergleichung  das  Verhältniss  festzustellen,  in  welchem 
diese  verschiedenen  Texte  zu  einander  stehen.  Die  große  Willktirlich- 
keit,  mit  welcher  die  isländischen  Abschreiber  bekanntlich  ihre  Vor- 
lagen zu  behandeln  pflegen,  und  von  welchen  nach  dem  soeben  Be- 
merkten auch  meine  Gewährsmänner  sich  keineswegs  frei  hielten,  be- 
reitet einer  solchen  Vergleichung  allerdings  nicht  geringe  Schwierig- 
keiten. 

Von  Vornherein  scheide  ich  eine  Reihe  von  Fällen  aus,  in  welchen, 
sei  es  nun  der  Herausgeber  der  Saga  oder  der  Schreiber  der  von  ihm 
benützten  Hss.  oder  aber  umgekehrt  der  eine  oder  andere  von  meinen 
Gewährsmännern  sich  eine  willkürliche  Änderung  oder  auch  ein  bloßes 
Versehen  zu  Schulden  kommen  ließ.  Wenn  z.  B.  Ed.  2/4  steht:  „hann 
var  skyldr  Agli  ä  Lundarbrekku.  |5eir  fedgar  toku  vel  vid  honum", 
wogegen  I,  II  und  III  lesen:  „hann  var  skyldr  Egli  d  Lundarbrekku 
ok  J)orsteim  i  Reykjahlid.  Helgi  reid  frd  skipi  sinu  at  Lundarbrekku ; 
jieir  fedgar  töku  vel  vid  honum",  so  ist  klar,  daß  der  Herausgeber 
oder  seine  Vorlage  sich  durch  die  Wiederkehr  des  Namens  Lundar- 
brekka  zu  einer  Auslassung  haben  verleiten  lassen,  und  wenn  Ed.  6/15: 
„gengr  hann  pä,  heim  i  setit"  steht,  statt  wie  in  I,  II  und  III  „i  selit", 
so  mag  dabei  vielleicht  sogar  nur  ein  Druckfehler  zu  Grunde  liegen. 
Wenn  ferner  Ed.  9/21  „framvegis"  steht  anstatt  des  sehr  modernen 
„i  eptirtid,  welches  I,  II  und  III  übereinstimmend  geben,  oder  Ed.  11/23 
„i  kaupferdum  jafnan"  statt  „gjarnan",  dann  Ed.  12/24:  „i  mot  ydr" 
statt  „til  mötparta",  so  ist  hierin  wohl  nur  eine,  an  sich  gar  nicht  üble, 
Correctur  eines  anstößigen  Ausdruckes  zu  finden,  und  auch  darin 
wird  man  kaum  ähnliche  Conjecturen  verkennen  können,  wenn  man 
in  Ed.  6/14  ,,um  hana  midja"  statt  „um  hana  undir  höndum"'  liest, 
wie  I,  II  und  III  übereinstimmend  lesen,  oder  in  Ed.  9/19  „fyrir  uppi- 
stödutima",  wo  I  „fyrir  uppistödur",  dagegen  II  und  III  „fyrir  uppi- 
Btödu"  bieten,  oder  wenn  in  Ed.  10/22  steht  ,,födurarf  ]5inn  edr  arf  eftir 
okkr  modur  Jjina",  während  l,  II  und  III  lesen:  „arfhlut  eptir  okkr 
mödur  ]:)ina".  Wenn  ferner  umgekehrt  III  „heimamadr"  liest,  wo  Ed. 
3/4,  dann  I  und  II  „saudamadr''  lesen,  oder  wenn  in  III  die  Worte: 
„Jjrsellinn  för  ok  vard  var  um,  at  Hrani  vseri  eigi  heima",  fehlen, 
während  sie  in  Ed.  5/9,  dann  I  und  II  stehen,  —  wenn  sodann  in  III 
„fyrir  austan  Lagarfljöt"  steht,  wo  Ed.  6/12,  dann  I  und  II,  „fyrir  austan 
Skjälfandaflj6t"  lesen,  oder  „Dysjamyrar(Skessumyrar)"  genannt  werden, 

14* 


212  MAURER 

WO  Ed.  8/18,  dann  I  und  TI,  übereinstimmend  „Skessudysjar"  nennen, 

wenn  endlich  in  III    „skdldmseli"  steht,  wo  Ed.  9/20,  dann  I  und  II 

das  unpassende  „Ijod"  haben,    so  ist  auch  hierin  eine  Unachtsamkeit, 
oder  wieder   eine  willkürliche  Verbesserung   durch    den  Schreiber  der 
ersteren  Hs.  nicht  zu  verkennen.  Sieht  man  nun  von  derartigen,  völh'g 
werthlosen   Abweichungen   ab,    so    stellt    sich   zweifellos  heraus,    daß 
einerseits  zwischen  meinen  Texten  I  und  III,  andererseits  aber  zwischen 
meinem  Texte  II  und  der  Ausgabe  ein  engerer  Zusammenhang  besteht. 
So  lesen  z.  B.  Ed.  5/8  und  II:  „sem  Jjat  vseri   einkis  vert",  dagegen  I 
und  II:  „])vi  er  ei  neins  se  vert",  „]3vi  er  neins   sje  vert".    Während 
Ed.  5/9  liest:   „muntu  nü  fara  sömu  för  sem  hann",  und  gleich  darauf 
eftir  attu  at  leida  mik  j^ann  veg",  II  aber  dieser  Lesart  mit  der  Maß- 
gabe folgt,  daß  ursprünglich  „leid"  geschrieben  stand,  und  dafür  „för" 
eincorrigiert  wurde,  lauten  beide  Sätze  in  I  und  III:   „muntü  nü  fä  sömu 
laun  sem  hann",  und:  „eptir  ättü  at  afgreida  mer  J)au"   („slikt  ad  af- 
greida").   In  Ed.  7/16,   dann  II,  steht:  „i  Kroksdal",  wofür  I  und  III 
besser  lesen  „i  Kroksseli";  in  Ed.  8/17  und  II:  „nü  beljadi  blödit  upp 
um  hann",    dagegen  in  I  und  III  richtiger:  „nü  belgdi  blodit  upp  um 
hann";   in  Ed.  8/18  und. II:   „hversu   gekk  ykkr  ferdin",  dagegen  in  I 
und  III:    „hversu  gekk  ykkr  reisan",  wobei    also  ein   dem  Deutschen 
entlehntes  Wort,   welches  nach  Gudbrand  Vigfussön's  Zeugniss   zwar 
vor    dem    Ende    des  15.  Jhdts.    auf  Island    nicht    auftritt,    aber    auch 
im    modernen    Sprachgebrauche    daselbst    nur    wenig    üblich    ist,    in 
den  beiden   ersteren  Texten    durch    ein  nationaleres   ersetzt   erscheint. 
So   steht  ferner   in   Ed.   14/28   und  II:    „höfdu  jieir   ok   ordit  varir", 
während  I  und  III  lesen:    „höfdu  ]3eir  ei   ordit  varir";   in  Ed.  14/30 
und  II:    „laut   eftir   högginu",   während  I   und  III   geben:    „laut    eptir 
J)essu  jötunliga  höggi",  u.  dgl.  m.  —  Vielleicht  lässt  sich  aber  noch 
näher  an  die  Sache  herankommen.  Der  Hof,  auf  welchem  Gauti  saß, 
wird  in  Ed.  3/5,  4/6,  5/7   und  5/9  ganz  consequent  Gautlönd  genannt, 
wogegen  I,  II  und  III   ebenso    consequent   die  Singularform  Gautland 
für  ihn  brauchen.  Die  Pluralform  des  Namens   scheint   heutzutage  die 
allein  übliche  zu   sein,    und    daß  sie   dieß    auch   schon  in   der  Vorzeit 
war,    lässt  sich  aus  der  Vigaskütu  saga,  24/302  ersehen;  dagegen  ist 
die  Singularform,  weil  für  die  oftgenannte  schwedische  Landschaft  ge- 
bräuchlicher, die  viel  bekanntere,  und  mochte  sie  darum  in  unsere  Texte 
eingedrungen  sein.  Nun  enthält  II  an  der  Stelle,  an  welcher  der  Name 
„a  Gautlandi"  zuerst  vorkommt,  die  Einschaltung  („Gautlöndum")   und 
möchte  man  annehmen,  daß  die  Ausgabe  aus  dieser  Einschaltung  ge- 
schöpft habe,  möge  sie   nun   auf  der  Variante  einer  anderen  Hs.  oder 
auf  einer  bloßen  Conjectur  beruhen.  Ebenso  liest  Ed.  14/28:  „var  hann 


ÜBER  ISLÄNDISCHE  APOKRYPIIA.  213 

Dal-JDordr  kalladr",  während  I  und  III  geben:  „var  hann  Jdvi  Daljjordr 
kalladr."  Die  letztere  Lesart  ist  die  richtige,  soferne  der  Zusammen- 
hang zeigt,  daß  der  in  Frage  stehende  Mann  seinen  Beinamen  wegen 
seines  Geschickes  im  Bogenschießen  erhalten  hatte;  aber  dalr  als  Be- 
zeichnung des  Bogens  ist  ein  veraltetes  Wort,  und  mochte  wohl  dem 
Abschreiber  nicht  mehr  verständlich  sein,  —  in  II  steht  hiernach  ge- 
schrieben: „var  hann  (J)vi)  Daljjördr  kalladr",  und  gerade  diese  Ein- 
klammerung dürfte  das  Streichen  des» Wortes  „j^vi"  in  dem  gedruckten 
Texte  veranlasst  haben,  Keinenfalls  kann  indessen  II  die  unmittelbare 
Vorlage  dieser  Ausgabe  gebildet  haben;  denn  jener  erstere  Text  zeigt 
mehrfach  falsche  Lesarten,  von  welchen  diese  letztere  nichts  weiß,  und 
die  sich  sämmtlich  auf  das  irrige  Lesen  eines  undeutlich  geschriebenen 
Originales  zurückführen  lassen.  So  steht  z.  B.  in  Ed.  2/4;,  dann  in  I 
und  III  richtig  „Godlaugs",  wo  II  „Modlaugs"  liest;  femer  in  Ed.  4/7, 
dann  I  und  III  „Audur"^  wofür  II,  und  zwar  zweimal,  „Heidur"  gicbt. 
Es  liest  ferner  Ed.  14/29  mit  I  und  III  übereinstimmend:  „Jjeir  Hrani 
og  Einar  gengu  jsä  fyrir  gardsendann,  alla  götu  at  JDeim  brsedrura. 
Vid  mega  menn  skiftaz,  Jjot  Isegra  (in  Ed.  hsegra)  lati,  segir  Hrani", 
dagegen  II:  „Jseir  Hrani  og  Einar  gengu  Jsar  fyrir  gardsendan  alla 
götu  at  J)eim  brjedrum  med  marga  menn.  Skipast  ])6  Isegra  lati,  segir 
Hrani",  was  völlig  sinnlos  ist.  Wiederum  liest  Ed.  14/29  mit  I  und  III: 
„vid  gestum",  wo  II:  „vid  (gossum)"  hat,  also  einen  Ausdruck  zweifelnd 
setzt,  welcher  zweifellos  aus  dem  Schwedischen  dem  moderneren  Is- 
ländischen zugekommen  ist;  wenn  aber  Ed.  5/7  mit  I  „hrodamadr" 
liest,  wofür  III  „iijafnadarmadr"  und  II  „hävadamadr"  giebt,  so  mag 
dabei  in  II  doch  wohl  auch  eine  falsche  Lesung,  und  nicht  wie  in  III, 
eine  willkürliche  Vertauschung  eines  ungewöhnlicheren  Ausdruckes 
mit  einem  gewöhnlicheren  vorliegen.  Sogar  die  Lesart  „med  mörgum 
ok  gödum  heillaöskum"  in  II  gegenüber  den  Worten  „med  mörgum 
godum  hjartansöskum"  in  Ed.  11/24  sowie  I  und  III,  lässt  sich  ebenso 
erklären,  obwohl  hier  allerdings  die  Annahme  einer  bewussten  Correctur 
des  allzu  modern  scheinenden  Ausdruckes  vielleicht  näher  liegen  düi'fte. 
Ist  hiernach  der  engere,  zwischen  Ed.  und  II  bestehende  Zusammenhang 
aus  der  Benützung  eines  gemeinsamen  Originales  zu  erklären,  so  dürften 
andererseits  auch  I  und  III  einer  gemeinsamen  Vorlage  entsprossen 
sein.  Bedeutsam  möchte  bereits  sein,  daß  I  mit  Ed.  6/13,  dann  II  über- 
einstimmend liest:  „tröllkona  ferleg;  stigr  hün  a  i  fyrir,  enn  Jjjöhnapp- 
arnir  berir",  wogegen  III  giebt:  „tröllskjessa  ferleg  i  skinnstakki^  ok 
stigr  hün  ä  i  fyrir"  u.  s.  w. ;  indessen  ist  doch  die  Stelle  nicht  entschei- 
dend, denn,  wenn  zwar  die  letztere  Lesart  den  Vorzug  zu  verdienen 


214  MAURER 

scheint,  liegt  sie  doch  nahe  genug,  um  allenfalls  auch  auf  einer  bloßen 
Conjectur  beruhen  zu  können.  Wenn  ferner  Ed.   10/31,  dann  I  und  II 
haben:  „sem  hugr  Karls  s^  vel  til  J^in",   dagegen  III:   „sem  hugarkast 
s^  vel  til  ])m",   so  mag  auch   hierin   sei  es   nun   eine   falsche  Lesung 
oder  eine  schlechte  Conjectur  zu   erkennen    sein.    Aber  wenn  zwar  in 
Ed.  13/26   und  II  Grimr   den  Beinamen  jarnkarl   führt,   und    dieselbe 
Form  des  Beinamens  zunächst  auch  in  I  wiederkehrt,  dagegen  III  con- 
sequent   jarnskalli   liest,    und   auch  I  bei    einer   zweiten  Nennung   des 
Namens  diese  letztere  Namensform  bietet,  so  dürfte  doch  kein  Zweifel 
sein,  daß  in  diesem  Falle  III  die  Lesart  der  gemeinsamen  Vorlage  besser 
bewahrt  hat  als  I.    Wir  werden   übrigens   kaum   fehlgehen,  wenn  wir 
die  für  I  und  III  vorauszusetzende  gemeinsame  Vorlage  gerade  in  jenem 
Exemplare  der  Saga  suchen,  welches  wie  oben  bemerkt  sdra  Jon  Kon- 
radsson  bereits  im  zweiten  Jahrzehnte    dieses  Jahrhunderts   in    seinem 
Besitze  gehabt  hatte.  Mit  minderer  Bestimmtheit  lässt  sich  dagegen  die 
gemeinsame  Quelle  ermitteln,  aus  welcher  Ed.  und  II  geschöpft  haben, 
und  dürfte  dieserhalb  eine    zweifache  Möglichkeit   ins  Auge  zu  fassen' 
sein.  Einerseits  nämlich  hat  Jon  Borgfirdingr  nicht  wenige  isländische 
Hss.  an    das  Bökmentafelag   geschickt,   und  wenn   zwar   in  dem  oben 
angeführten    gedruckten   Verzeichnisse    der    Hss.    dieser    Gesellschaft 
unter  den  von  ihm  gelieferten  noch  keine  Hrana  hrings  saga  genannt 
wird,    so   hat   derselbe   doch   nach    dem  Zeugnisse   der  Skyrslur  seine 
Einsendungen   auch   später  noch   fortgesetzt;    es  wäre    demnach   recht 
Avohl  möglich,    daß   unter    diesen   nachträglich    von    ihm    geschenkten 
Hss.    auch  jenes  Exemplar   der   Hrana  hrings  s.  sich   befunden  hätte, 
nach  welchem   meine  Copie    genommen  ist.    Andererseits   konnte  aber 
auch  während  der  Zeit,  da  der  handschriftliche  Nachlass  des  j^orsteinn 
Gislason  sich  im  Besitze  des  Pfarrers  JDorgeirr  zu  Nysted  befand,  recht 
wohl  von  irgend  einem  der  in  Kopenhagen  studierenden  Isländer  eine 
Abschrift  der  Saga  genommen  worden  sein,  und  im  einen  Avie  im  an- 
deren Falle    konnte    diese   dem  in  Kopenhagen   studierenden  Heraus- 
geber leicht  zugänglich  werden.    Immerhin  erweist  sich  das  Ergebniss 
der  Textvergleichung    der  Vermuthung   günstig,    daß  Ed.   und  II   auf 
die  seinerzeit  dem  ])orsteinn  gehörige  Hs.  zurückgehen  möchten. 

Das  Bisherige  habe  ich  nicht  etwa  zu  dem  Zwecke  ausgeführt, 
darzuthun,  daß  die  Ausgabe  der  Saga  auf  ungenügendes  handschrift- 
liches Material  gebaut  sei.  Wenn  nämlich  zwar  die  eine,  durch  I  und 
III  vertretene,  Recension  derselben  von  dem  Herausgeber  unbenutzt 
gelassen  wurde,  so  sind  doch  deren  Abweichungen  von  der  von  ihm 
veröfteutlichten  Recension  von   sehr   geringer  Bedeutung;  der  Heraus- 


ÜBER  ISLÄNDISCHE  APOKRYPHA.  215 

geber  will  überdieß  offenbar  nicht  eine  kritische  Ausgabe,  sondern  nur 
einen  Beitrag  zur  Unterhaltungslectttre  seiner  Landsleute  liefern,  welchem 
bescheidenen  Zwecke  seine  Arbeit  auch  vollständig  genügt;  endlich 
lässt  sich  auch  mit  gutem  Grunde  behaupten,  daß  die  Saga  eine  sorg- 
samere Behandlung,  als  die,  welche  ihr  zu  Theil  geworden,  überhaupt 
nicht  verdiene.  Lediglich  um  diesen  letzteren  Punkt  feststellen,  und 
damit  über  Alter  und  Werth  der  Saga  zu  einem  bestimmten  Schluße 
gelangen  zu  können,  wurde  auf  den  handschriftlichen  Befund  bezüglich 
derselben  des  Näheren  eingetreten. 

Es  ist  oben  bereits  bemerkt  worden,  daß  die  Hrana  hrings  s.  in 
keinem  der  bekannten  älteren  Sagenverzeichnisse  aufgeführt 
wird;  überdieß  wurde  soeben  dargethan,  daß  die  handschriftliche 
Gewähr  für  dieselbe,  soviel  bekannt,  nicht  über  das  laufende  Jahr- 
hundert hinaufreicht,  und  wenn  zwar  zwei  Hauptrecensionen  ihres  Textes 
unterschieden  werden  konnten,  so  sind  doch  deren  Abweichungen  von 
einander  allzu  unbedeutende,  als  daß  sie  auf  ein  längeres  Umlaufen 
derselben  zu  schließen  erlauben  würden.  Auf  innere  Merkmale  sind 
Avir  demnach  angewiesen,  wenn  wir  dem  gegenüber  für  die  Saga  ein 
höheres  Alter  beanspruchen  wollen;  auch  diese  erweisen  sich  aber 
einem  solchen  Ansprüche  keineswegs  günstig.  Die  Darstellungs- 
weise der  Saga  zunächst  will  zwar  augenscheinlich  den  Charakter 
der  älteren  Saga  tragen;  es  fehlt  in  ihr  nicht  an  alterthümlichen  Worten 
und  zumal  die  in  Cap.  9  eingeflochtenen  Verse  zeigen  manche  seltene 
und  dunkle  Wendungen.  Aber  der  Vortrag  ist  sichtlich  ein  erkünstelter 
und  eine  Menge  von  ziemlich  modernen  Ausdrücken  lässt  sich  in  dem- 
selben nachweisen,  die  in  einer  alten  und  echten  Quelle  vergeblich 
gesucht  werden  würden.  Einer  Reihe  derai'tiger  Vorkommnisse  wurde 
bereits  oben  gelegentlich  der  Erörterung  der  Classification  der  Hss. 
erwähnt,  wie  z.  B.  der  Ausdrücke:  i  eptirtid,  gjarnan,  med  mörgum 
gödum  hjartans  öskum,  jötunligr,  Ijöd  für  eine  einzelne  visa,  til  mot- 
parta  u.  dgl.  ra.;  einige  weitere  mögen  hier  noch  zusammengestellt 
werden.  Der  Beiname  Krüna,  welchen  Gestr  Höskuldarson  führt  (8/16), 
ist  aus  dem  lateinischen  corona  abgeleitet,  in  keiner  älteren  Quelle 
als  solcher  nachweisbar,  und  überdieß  ganz  im  Widerspruche  mit  dem 
Sagenstile  nicht  motiviert.  Worte  wie  bogskytta  (14/28),  vel  lystugt 
(14/31),  uppä  vist  (15/32)  sind  entschieden  modern,  und  wenn  zwar 
Ausdrücke  wie  skelmir  (14/30),  pläss  (10/22),  u.  dgl.  hin  und  wieder 
schon  in  Quellen  des  14.  Jhdts,  vorkommen,  so  werden  sie  doch  erst 
in  weit  späterer  Zeit  einigermaßen  häufiger  gebraucht.  Ebenso  ist  die 
Bezeichnung   eines  Schwertes   als  hid  bezta  })ing  (2/4),    der  Ausdruck 


21G  MAURER 

kiytr   (3/6),  das    widersinnig   zusammengesetzte   Scheltwort  merbikkja 
(5/9 — 10),    der    Ausdruck  i   samstsedum    (13/25)  u.  dgl.  m.    der    alten 
Sagenspraclie    durchaus    fremd.    Im   Einzelnen    mag  gegen   diese  Be- 
merkungen Manches  sich    einwenden  lassen,    da  weder  die  Geschichte 
der   einzelnen  Worte   und   Redewendungen   zur   Zeit    mit   vollster  Ge- 
nauigkeit festgestellt,  noch  auch  die  Möglichkeit  zu  bestreiten  ist,  daß 
durch  spätere  Abschreiber  in  einen   älteren  Text  hin  und  wieder  mo- 
derne Ausdrücke   hineingebracht  werden  konnten;  die  vergleichsweise 
große  Zahl   aber  solcher  neuerer  Vorkommnisse  in  unserer  Sage  muß 
im  Großen  und  Ganzen  den  Schluß  auf  deren  späte  Entstehung  immer- 
hin gesichert   erscheinen  lassen.  —  Auch    der  Inhalt  der  Saga  führt 
zu    keinem    anderen  Ergebnisse.    Dieselbe   berichtet,    wie  Bärdr,    des 
Hersen  Heyjängrs-ßjörn  von  Sogn  Sohn,  nach  Island  auswandert,  den 
nach  ihm  benannten  Bärdardal  in  Besitz    nimmt,    dann  aber  südwärts 
wandert  und  sich  zu  Gniipar  niederlässt;  wie  ferner  dessen  Sohn  Egill 
zu  Lundarbrekka  im  Bärdardale  zurückbleibt,  und  hier  mit  seiner  Frau 
Salgerdr,  des  ])6rir  snepill  Tochter,  einen  Sohn  Namens   Hräni  hrino-r 
gewinnt.  Weiterhin  erfahren  wir,  wie  ein  Verwandter  Egils,  Helgi  krökr, 
nach  Island    kommt,    und  hier  von   diesem   Land  angewiesen    erhält, 
dann  dem  Kroksdale  sowohl  als  dem  von    ihm   erbauten  Hofe  Helga- 
stadir  seinen  Namen  vez'leiht,  endlich  mit  Hrani  hriag  sich  befreundet 
und  diesem  ein  gutes  Schwert  schenkt.    Eines  Herbstes,    als  man  das 
Galtvieh  von    den  Hochweiden  herabtreibt,    kommt  Vakr,    ein  Schaf- 
knecht   Helgi's,    mit    einem    Dienstknechte    des    Gauti  a   Gautlöndum 
Namens  Sigfüs  in  Streit,  und  wird  von  diesem  ohne  alle  eigene  Schuld 
erschlagen;  Hrani  aber  erschlägt    dafür   sofort   den  Sigfüs,  nicht  ohne 
selbst  eine  schwere  Wunde  davonzutragen.    Er  wendet   sich  sofort  an 
seinen  Verwandten,  Jjorsteinn  zu  Reykjahlid,   damit  er   ihn   mit  Gauti 
aussöhne;  dieß  gelingt,  und  Hrani  wird   sogar  von  Gauti's  arzneikun- 
diger Frau  geheilt.  Nun  erfährt  aber  ein  Bruder  des  Sigfüs,  Hroaldr  galti 
von  Torfastadiri  Vopnafirdi,  von  dem  Todschlage;  er  stellt  zunächst  den 
Gauti  zur  Rede,  und  da  dieser  ihm  nicht  zur  Blutrache  verhelfen  will, 
greift  er  ihn  an,  erschlägt  ihn  und  einen  seiner  Dienstleute,  und  zwingt 
zwei  andere,  ihm  den  Weg  nach  Lundarbrekka  zu  weisen.  Da  sie  hier 
den  Hrani  nicht  zu  Hause  finden,  beschließen  sie  ihn  sofort  bei  Helgi 
aufzusuchen,  treffen  ihn  aber,  nachdem  sie  a  Hrafnabjörgum  das  Skäl- 
fundafljot  überschritten  haben,  weiter  oben  im  Kroksdale  mit  zwei  Be- 
gleitern. Hroaldr  greift   ihn  selbneunt  an,  und  Hrani's  beide  Begleiter 
fallen;  aber  auch  Hroaldr  wird  mit  allen  seinen  Genossen  erschlagen, 
bis  auf  einen,  dem  Ilrani  das  Leben  schenkt,  und  im  GaltahoH  liegen 


ÜBER  ISLÄNDISCHE  APOKRYPHA.  217 

die  Gefallenen  verscharrt.  Nun  bleibt  Hrani  eine  Weile  bei  Helgi.  Da 
geschieht  es,  daß  ein  Schafknecht  des  letzteren  auf  dessen  Sennhütte 
spurlos  verschwindet,  und  ebenso  ein  zweiter,  der  an  dessen  Stelle 
getreten  ist;  da  bezieht  Hrani  seinerseits  die  Alpe.  Er  wird  von  einer 
Unholdin  Namens  Nypa  angegriffen,  die  im  Fljotsdale  wohnt,  und  ihm 
erzählt,  daß  sie  die  beiden  Knechte  sich  und  ihren  Angehörigen  zur 
Nahrung  geholt  habe ;  nach  hartem  Kampfe  gelingt  es  ihm,  sie  zu  über- 
wältigen und  zu  tödten,  aber  jetzt  wagt  vollends  niemand  mehr  den 
Dienst  zu  übernehmen,  so  daß  das  Vieh  heruntergetrieben  und  die 
Sennhütte  leer  gelassen  werden  muß.  Im  nächsten  Herbste  leisten  Einarr, 
des  Sölvi  zu  Storuvellir  Sohn^  und  Gestr  Krüna,  der  Sohn  des  Hös- 
kuldr  halti  zu  Hofgardar  im  Rängärdale,  zwei  sehr  streitbare  junge 
Männer,  dem  Hrani  bei  der  Bergbegehung  Gesellschaft.  Sie  gehen  mit 
einander  dem  Fljotsdale  zu,  werden  aber  von  einem  schweren  Schnee- 
sturme heimgesucht,  und  sowie  dieser  etwas  nachgelassen  hat,  von 
zwei  Eiesinnen  überfallen.  Nach  hartem  Kampfe  erlegt  Hrani  die  eine, 
dann  Einarr  die  zweite,  doch  nicht  ehe  sie  dem  Gest  die  Kehle  durch- 
gebissen hat;  die  Unholdinnen  wurden  in  den  Skessudysjar  verscharrt, 
worauf  Hrani  und  Einarr  deren  Höhle  aufsuchen,  auch  noch  den  alten 
Riesen  glücklich  tödten  und  dessen  reiche  Schätze  sich  aneignen.  Im 
folgenden  Frühjahre  trägt  sich  Hrani  viel  mit  Reiseplänen,  und  ward 
in  diesen  durch  seinen  mütterlichen  Großvater  ]>6rir  bestäi'kt,  der  ihm 
im  Traume  erscheint  und  ein  paar  Strophen  an  ihn  richtet.  Er  bespricht 
sofort  das  Project  mit  seinem  Vater  sowohl  als  mit  Helgi,  welche  dem- 
selben Beide  zustimmen,  obwohl  sie  voraussehen,  daß  er  in  die  Heimat 
nicht  mehr  zurückkehren  werde,  und  er  bewegt  den  oben  genannten 
Einar  zum  Mitreisen.  Zufällig  lagen  damals  gerade  mehrere  Kaufschiffe 
in  der  Nähe,  nämlich  zwei  im  Eyjafjördr  und  eines  im  Skjalfanda^'ördr; 
das  letztere  war  von  einem  hebridischen  Manne  Namens  Kaupa-Raudr 
geführt,  und  wurde  von  den  Leuten  aus  der  Umgegend  ganz  besonders 
gerne  besucht.  Mit  diesem  letzteren  Schiffe  verlassen  Hrani  und  Einarr 
Island;  obwohl  sie  von  dem  Neide  und  der  Bosheit  des  übrigen  Schiffs- 
volkes viel  zu  leiden  haben^  werden  sie  doch  von  Raud  selbst  erfolg- 
reich in  Schutz  genommen  und  erreichen  glücklich  die  Sudreyjar.  Bei 
einem  Manne  Namens  Högni  hänefr  und  dessen  Frau  Geirjjrüdr  nehmen 
die  Bundbrüder  sofort  Wohnung  und  Hrani  macht  bald  Bekanntschaft 
mit  dessen  schöner  Tochter,  Signy;  sie  finden  hier  aber  auch  zwei 
Engländerinnen  vor,  die  Olrün  nämlich  und  deren  Mutter  Sunnefa, 
welche  während  der  Abwesenheit  des  Gautr  storheuti,  des  Mannes  der 
letzteren,    von  dem  Vikingr  Grimr  jarnkarl    geraubt,    dann   aber   von 


218  MAURER 

anrlern  Seeräubern  ihm  abgejagt,  und  aus  Mitleid  auf  den  Hebriden 
ans  Land  gesetzt  worden  waren,  und  Einarr  verliebt  sieh  sofort  in  die 
Olrün.  Während  nun  einmal  Kaupa-Raudr,  im  Begriffe  eine  neue 
Keise  anzutreten,  ein  feierliches  Absehiedsmahl  hält,  zu  welchem  auch 
Hrani  und  Einarr  geladen  sind,  wird  die  ganze  Gesellschaft  von  zwei 
Vikingern  und  Berserkern,  Hildir  und  Arnhöfdi,  überfallen.  Von  den 
beiden  Isländern  angefeuert,  entschließt  man  sich  zu  energischer  Gegen- 
wehr, und  da  deren  Tapferkeit  durch  die  Geschicklichkeit  einiger 
gewandter  Bogenschützen  kräftig  unterstützt  wird,  gelingt  es  die  beiden 
Vikinger  zu  erlegen  und  auch  über  deren  Schiffsvolk  den  Sieg  zu  er- 
ringen. An  der  gemachten  Beute  erhalten  die  beiden  Bundbrüder,  wie 
billig,  ihren  reichlichen  Antheil;  da  aber  nach  kurzer  Frist  Gautr  er- 
fährt, wohin  seine  Frau  und  Tochter  gekommen  waren,  und  sich  auf- 
macht um  Beide  heim  zu  holen,  fährt  Einarr  mit  ihm  nach  England 
hinüber,  und  weiß  die  Saga  von  ihm  weiter  Nichts  mehr  zu  berichten. 
Hrani  dagegen  bleibt  auf  den  Hebriden  und  heirathet  seine  Signy. 
Durch  die  Vertheidigung  der  Inseln  gegen  fremde  Vikinger  verschafft 
er  sich  hier  reichliche  Ehre  und  Vermögen,  wobei  er  von  Björn  breid- 
skeggr  und  j^orirfimr  kräftig  unterstüzt  wird,  zwei  schiffbrüchigen  Is- 
ländern, deren  er  sich  hülfreich  angenommen  hatte.  Mit  der  Signy  ge- 
wann er  eine  Tochter  Namens  Hallveig,  und  starb  in  hohem  Alter  eines 
friedlichen  Todes,  ohne  jemals  wieder  nach  Island  heim  gekommen  zu 
sein.  Damit  endigt  die  Saga.  Überblicken  wir  aber  diese  ganze  Er- 
zählung, so  wird  uns  auch  sofort  klar  werden,  daß  dieselbe  in  keiner 
Beziehung  einen  alterthümlichen  Charakter  an  sich  trägt.  Die  That- 
sachen,  von  welchen  sie  berichtet,  die  erste  Niederlassung  also  im 
Lande,  der  Streit  der  Knechte  bei  der  Bergbegehung  und  die  an  ihn 
sich  knüpfende  Rache,  Versöhnung  und  nochmalige  kämpfliche  Be- 
gegnung, die  Conflicte  mit  der  Riesenfamilie  und  deren  Ausgang,  die 
Ausfahrt  aus  der  Heimath  endlich  sammt  den  mehrfachen  Kämpfen 
mit  Vikingern  im  Auslande  sind  ganz  gewöhnliche  Vorkommnisse  in 
den  älteren  Sagen,  entbehren  aller  jener  individuellen  Züge,  durch 
welche  die  älteren  Quellen  die  reichste  Abwechslung  in  jene  so  ein- 
förmigen Vorwürfe  zu  bringen  verstehen,  und  die  Art,  in  welcher  jene 
Geschichten  vorgetragen  werden,  ist  überdieß  ganz  diejenige,  welche 
wir  von  einem  Verfasser  zu  erwarten  haben,  der  mit  einiger  Belesen- 
lieit  in  den  alten  Sagen  einen  durch  und  durch  modernen  Geschmack 
oder  Ungeschmack  verbindet.  Augenscheinlich  hat  derselbe  den  Inhalt 
seiner  Erzählung  theils  aus  älteren  Quellen,  zumal  der  Landnäraa,  ge- 
schöpft,  theilweisc  aber   frei  componicrt,    wobei   mündlich  umlaufende 


ÜBER  ISLÄNDISCHE  APOKRYPHA.  219 

Volkssagen  benutzt  zu  sein  scheinen,  welche  an  bestimmte  Ortsnamen 
sich  anknüpfend,  diese  auf  geschichtlichem  Wege  zu  erklären  suchen. 
Was  über  die  Einwanderung  des  Bärdr,  dessen  Niederlassungen  im 
Bärdardale  und  dessen  späteren  Umzug  nach  dem  Südlande  erzählt 
wird,  ist  aus  der  Landn.  III,  18/225 — 6  genommen;  die  Bezeichnung 
seines  Vaters  als  eines  hersir  or  Sogni  stammt  ebendaher,  IV,  10/264; 
die  Namen  seiner  Söhne  aber  sind  aus  IV,  10/265  ergänzt.  Allerdings 
kehrt  der  Bericht  über  Bärds  doppelte  Niederlassung  auch  in  der 
Bärdar  s.  Sngefellsäss.  3/4 — 7  ziemlich  gleichlautend  wieder;  daß  ihn 
aber  unsere  Saga  nicht  aus  dieser  entlehnt  hat,  ergiebt  sich  mit  Be- 
stimmtheit daraus,  daß  in  der  Bärdar  s.  der  Vater  Bärd's  „häleyskr 
at  sett"  heißt,  und  daß  in  ihr  ein  paar  seiner  Söhne  unerwähnt  bleiben, 
deren  Namen  doch  unsere  Saga  nennt.  Ein  paar  der  in  der  Landndma 
genannten  Söhne  hat  freilich  unser  Verfasser  weggelassen,  weil  er  ihrer 
für  den  weiteren  Verlauf  seiner  Erzählung  nicht  bedurfte:  ein  rein 
willkürliches  Verfahren,  da  er  doch  anderer  gedenkt,  welche  hinterher 
in  dieser  ebensowenig  eine  Rolle  zu  spielen  haben.  Schlimmer  noch 
ist,  daß  er  den  jiorsteinn  Bardarsou  zwar  nennt,  aber  ohne  seinen,  in 
der  Landnäma  ebenfalls  nicht  genannten,  Wohnort  anzugeben,  so  daß 
man  nur  errathen  kann,  daß  der  hinterher  als  ein  Verwandter  Hrani's 
genannte  ])orsteinn  i  Keykjahlid  etwa  mit  ihm  dieselbe  Person  sein 
dürfte;  ja  man  könnte  sogar  statt  seiner  an  jenen  Jiorsteinn  Sigmund- 
arson^  einen  Enkel  Bards,  denken,  welcher  nach  Landn.  III,  20/232 
„zuerst"  zu  Myvatn  wohnte,  dessen  Enkel  aber  Arnorr  zu  Reykjahlid 
war,  und  welcher  somit  recht  wohl  selber  schon  dahin  gezogen  sein 
könnte,  —  indessen  würde  auch  bei  solcher  Annahme,  die  mit  der 
Chronologie  ganz  wohl  verträglich  wäre,  derselbe  Übelstand  obwalten,  daß 
nämlich  des  Mannes  selber  und  seiner  Niederlassung  zuvor  nicht  ge- 
dacht worden  wäre.  Auch  J)örir  snepill  at  Lundi,  der  mütterliche  Groß- 
vater Hrani's,  wird  in  der  Landn.  III,  17/223 — 4  genannt;  dagegen 
wird  aber  weder  seiner  Tochter  Salgerdr  noch  ihres  Sohnes  Hrani  Er- 
wähnung gethan.  Zweifelhaft  mag  erscheinen,  woher  unsere  Saga  ihren 
Gauti  ä  Gautlöndum  hat.  Mag  sein,  daß  er  aus  der  Vigaskütu  s., 
24/302  entlehnt  ist,  welche,  wie  oben  bereits  angedeutet  wurde,  einen 
Gautr  i  Gautlöndum  kennt;  mag  aber  auch  sein,  daß  dabei  an  jenen 
Hjälmun-Gaut  gedacht  wurde,  welchen  die  Landn.  III,  17/223  als  einen 
Schiffsgenossen  des  Jaorir  snepill  nennt,  oder  daß  der  Name  gar  nur 
aus  dem  Hofnamen  Gautlönd  construiert  ist.  Ahnlich  steht  es  auch 
mit  dem  Hroaldr  galti  at  Torfastödum  i  Vopnafirdi;  derselbe  scheint 
aus  jenem  Hroaldr  bjola  hervorgegangen  zu  sein,  welchen  die  Landn. 


220  MAURER 

IV,  1/239  zu  Torfastadir  im  Vopnafjördr  wohnen  lässt,  obwohl  aller- 
dings der  dem  jManne  gegebene  Beiname  nicht  stimmt.  Endlich  lässt 
sich  auch  noch  Helgi  krokr,  der  Verwandte  Egils,  insoweit  heranziehen, 
als  ihm  Godlaugr  Asbjarnarson  or  Sogni  als  Vater  zugewiesen  wird, 
den  die  Landn.  IV,  10/264  als  einen  Enkel  des  Heyangrsbjörn  be- 
zeichnet. Helgi  selbst  wird  allerdings  in  der  Landnäma  nicht  genannt^ 
und  scheint  sein  Name  und  Beiname,  wie  sich  gleich  zeigen  wird, 
lediglich  aus  Ortsnamen  heraus  construiert  worden  zu  sein,  analog 
jenem,  übrigens  hieher  nicht  gehörigen,  Helgi  ä  Helgastödum,  welchen 
die  Vigaskütu  s.  1/232  nennt;  indessen  ist  die  Benützung  der  alten 
Quelle  insofern  immerhin  eine  ganz  geschickte,  als  sie  den  Helgi  in 
verwandtschaftliche  Beziehungen  zu  Hrani  bringt,  und  als  überdieß 
der  Name  Helgi  im  Hause  Asbjörn's  heimisch  war,  wogegen  freilich 
die  Angaben  der  Landuama  über  Gudlaugs  Wohnort  im  Südlande  zu 
denen  unserer  Saga  nicht  stimmen.  Zeigt  sieh  nun  in  den  bisher  be- 
sprochenen Angaben  unserer  Saga  sehr  deutlich  deren  Bestreben,  ihre 
Erzählung  soweit  möglich  in  den  Rahmen  der  alten  Überlieferungen 
zu  bringen,  und  zumal  eine  sehr  ausgiebige  Ausnützung  der  Landnäma 
zu  solchem  Ende,  welche  freilich  zu  einem  derartigen  Gebrauche  unter 
allen  Quellen  die  bequemste  war,  so  spricht  sich  anderwärts  nicht 
minder  entschieden  die  Neigung  des  Verfassers,  in  bestimmten  Orts- 
namen (örnefni)  eine  Stütze  für  dieselbe  zu  finden,  wobei  er  aber  frei- 
lich nicht,  wie  dieß  in  den  alten  Sagen  zu  geschehen  pflegt,  den  Orts- 
namen nur  gelegentlich  bei  Besprechung  der  Person  oder  des  Vorganges 
erwähnt,  denen  er  seine  Entstehung  verdankt  haben  soll,  sondern  um- 
gekehrt sichtlich  erst  aus  dem  Namen  der  Örtlichkeit  die  Person  oder 
den  Vorgang  sich  abstrahiert  hat,  welcher  zu  der  Erklärung  jenes 
Namens  von  ihm  verwerthet  werden  will.  Einen  schlagenden  Beleg 
für  dieses  Verfahren  bietet  der  soeben  besprochene  Helgi  krökr.  Eine 
Strecke  des  Thaies,  welches  das  Skjälfandafljot  in  seinem  oberen  Laufe 
durchströmt,  heißt  der  Krokdalr  oder  Kroksdalr.  Die  erstere  Form  des 
Namens,  welche  auch  die  Karte  Björn  Gunnlaugsson's  festhält,  ist  wohl 
die  richtigere,  und  die  Bezeichnung  dürfte  wohl  von  der  scharfen 
Krümmung  hergenommen  sein,  welche  der  Fluß  gerade  auf  dieser 
Strecke  in  seinem  Laufe  macht.  Da  aber  krokr,  d.  h.  Krummnase,  oft 
genug  auch  als  Beiname  von  Personen  vorkommt,  wie  denn  z.  B.  nach 
Landn.  II,  22/128  ein  Jjörarinn  krokr  dem  KröksQördr  im  Westlande 
seinen  Namen  gab,  und  ein  Ketill  krökr  in  der  Haralds  s.  hardräda, 
123/428  (FMS.,  VI),  ein  Jon  prestr  kr6kr  in  der  Sturlüuga  V,  9/120, 
dann  ein  Hr.  Ivarr  krökr  in  den  isländischen  Annalcn  a   1385  genannt 


ÜBER  ISLÄNDISCHE  APOKRYPH A.  221 

wird,  lag  es  immerbin  nahe,  von  einem  derartigen  Beinamen  den  Orts- 
namen abzuleiten,  wogegen  den  Hauptnamen  der  betreffenden  Person, 
Helgi,  der  nunmehr  längst  verödete  Hof  zu  Helgastadir  lieferte,  welchen 
Arni  Magnüsson  in  seinem  Grundbuche  noch  aufzuführen  gewusst 
hatte  ^),  und  dessen  Stelle  sicherlich  auch  jetzt  noch  in  der  Gegend 
bekannt  genug  sein  wird.  So  wird  ferner  der  Beiname  galti,  welcher 
dem  aus  der  Landnäma  entlehnten  Hroald  anstatt  des  ihm  in  dies^er 
beigelegten  gegeben  wird,  wohl  nur  aus  dem  Ortsnamen  Galtaholl  ge- 
flossen sein,  während  doch  dieser  Oi'tsname  in  Wahrheit  von  göltr 
abzuleiten  und  als  Schweinehügel  zu  deuten  sein  dürfte,  so  daß  er 
sich  der  langen  Reihe  derjenigen  Benennungen  anzuschließen  hätte, 
welche  von  der  vordem  so  schwunghaft  betriebenen,  nunmehr  aber 
schon  längst  völlig  abgekommenen  Schweinezucht  auf  Island  Zeugniss 
geben.  So  mag  ferner  die  Begegnung  mit  den  Riesinnen  aus  dem  Namen 
Skessudysjar  erwachsen  sein,  obwohl  allerdings  in  diesem  Falle  der 
Verf.  recht  wohl  auch  aus  dem  Volksmunde  geschöpft  haben  konnte, 
in  welchem  gerade  in  der  hier  fraglichen  Gegend,  dem  Bärdardale 
sowohl  als  der  Myvatnssveit ,  Riesensagen  noch  gegenwärtig  in  Hülle 
und  Fülle  umlaufen*^).  Genaue  Kenntniss  der  Umgegend  scheint  dem 
Verfasser  der  Saga  überhaupt  eigen  gewesen  zu  sein.  Er  kennt  das 
Land  zwischen  dem  Skjdlfandafljot  und  der  Mjoadalsa  bis  zu  den 
Sandar,  d.  h.  dem  Sprengisande  hinauf;  er  weiß  ferner  von  den  fjall- 
göngur,  welche  die  Barddselingar  mit  den  Myvetningar  gemeinsam  ab- 
zumachen haben,  und  er  kennt  auch  jene  Fürth,  welche  „a  Hrafna- 
björgum"  über  das  Skjälfandafljot  führt.  Unklar  bleibt  mir  freilich  die 
Erwähnung  des  Hofes  at  Hofgördum  i  Rängardali,  sowie  des  Fljotsdales, 
in  welchem  die  Riesenfamilie  wohnt.  Dem  Zusammenhange  nach,  in 
welchem  beide  Namen  erwähnt  werden,  sollte  man  vermutheu,  daß 
der  Rängärdalr  entweder  im  Bardardale  oder  in  der  Myvatnssveit,  und 
daß  der  Fljötsdalr  in  irgend  einem  Seitenthale  am  Oberlaufe  des  Skjalf- 
andafljöts  zu  suchen  sei,  da  der  Fljötsdalr,  welcher  von  dem  Lagar- 
fljot  im  Ostlande  seinen  Namen  hat,  und  die  in  dieses  letztere  mün- 
dende Ränga  doch  viel  zu  weit  abliegen;  indessen  weiß  ich  mit  den 
mir  zugänglichen  Hülfsmitteln  diese  Localnamen  nicht  aufzuklären, 
und  muß  somit  deren  Feststellung  landeskundigeren  Männern  anheim 
geben.  Zum  Schluße  muß  ich  aber  noch  darauf  aufmerksam  machen, 


*)  Vgl.  J6n  Johnson,  Jar^atal  a  Islandi,  S.  322,  Not.  14. 
*)  Vgl.  z.  B.  meine   Isländischen  Volkssagen,   S.  47,51;  Jon  Arnason,    Is- 
lenzkar  Jjjödsögur,  I,  S.  186  und  öfter. 


222  MAURER,  ÜBER  ISLÄNDISCHE  APOKRYPnA. 

wie  wenig  die  Ökonomie  der  Erzählung  den  Regeln  entspricht 
Avelche  die  alten  Sagen  in  dieser  Beziehung  zu  befolgen  pflegen.  Nicht 
leicht  pflegt  in  diesen  eine  Person  oder  Sache  eingeführt  zu  werden, 
welche  nicht  im  Verlaufe  der  Erzählung  irgend  welche  Rolle  zu  spielen 
berufen  ist;  unser  Verfasser  aber  verstösst  gegen  diesen  Grundsatz 
wiederholt  und  in  der  aufl'älligsten  Weise.  Das  vortreffliche  Schwert, 
welches  Helgi  krökr  dem  Hrani  schenkt,  wird  zwar  später  bei  den 
Kämpfen  mit  Sigfüs  und  Hröald  erwähnt,  aber  in  ganz  gleichgültiger 
Weise,  ohne  daß  dasselbe  irgend  etwas  zu  leisten  hätte,  was  nicht 
jedes  andere  Schwert  auch  zu  leisten  vermocht  hätte;  bei  den  späteren 
Kämpfen  aber  wird  desselben  gar  nicht  einmal  mehr  gedacht,  obwohl 
gerade  die  Bekämpfung  der  Riesenfamilie  und  wieder  der  Berserker 
den  günstigsten  Anlaß  geboten  hätte,  dasselbe  übernatürliche  Eigen- 
schaften zeigen  zu  lassen.  Wozu  ferner  der  beiden  in  den  Eyjafjörd 
eingelaufenen  Schiffe  gedacht  wird^  nachdem  doch  selbst  das  dritte, 
von  Kaupa-Raud  geführte  nur  dem  Zwecke  dient,  den  Hrani  und  Einarr 
aus  dem  Lande  zu  bringen,  ist  ebensowenig  ersichtlich  lals  der  Grund, 
um  dessentwillen  die  Streitigkeiten  der  beiden  Bundbrüder  mit  Rauds 
Schiffsleuten  erwähnt  werden,  an  die  sich  doch  ebensowenig  irgend 
welche  weitere  Folgen  knüpfen,  als  sie  dazu  dienen,  den  Charakter 
der  Hauptpersonen  der  Saga  in  ein  helleres  Licht  zu  stellen.  Wiederum 
werden  zwar  Hildir  und  Arnhöfdi  als  berserkir  bezeichnet;  aber  bei 
dem  Kampfe  mit  ihnen  tritt  diese  ihre  Eigenschaft  in  keiner  Weise 
hervor,  und  zumal  zeigen  sie  keine  Spur  von  jener  Unverwundbarkeit, 
welche  sonst  für  solche  Leute  bezeichnend  zu  sein  scheint.  Endlich 
die  beiden  schißl)rüchigen  Isländer,  welche  am  Ende  der  Saga  erwähnt 
werden,  erscheinen  vollkommen  unmotiviert,  da  weder  ihre  Herkunft 
noch  ihr  Schiffbruch,  noch  ihre  späteren  kriegerischen  Leistungen  des 
Näheren  besprochen  werden  wollen,  und  dieselben  ganz  im  Wider- 
spruche mit  dem  sonstigen  Sagenstile  nur  erscheinen,  um  sofort  wieder 
spui'los  zu  verschwinden.  Auch  das  ist  ganz  und  gar  nicht  im  Stile 
der  echten  Sagen,  daß  einerseits  auf  die  Nachkommenschaft  des  Helden 
eingegangen,  und  andererseits  von  ihr  doch  nichts  weiter  als  der  Name 
einer  einzigen  Tochter  berichtet  wird.  Die  gegenseitigen  Schimpfereien, 
mit  welchen  Hrani  und  Hröaldr,  dann  wieder  Hrani  und  Arnhöfdi 
einander  begrüßen,  ehe  sie  mit  den  Waffen  einander  angreifen,  sind 
ganz  und  gar  nicht  im  Geschmacke  der  alten  Sagen,  und  niemals  hätte 
eine  solche  die  Riesin  Nypa  einen  Gegner,  den  sie  zu  fressen  gedachte, 
mit  den  Worten  anreden  lassen:  „heill  J>ü,   Hrani  hringr",   u.  dgl.  m. 


BECH,  BPvUCHSTÜCKE  VON  MEISTER  ECKHART.  223 

Nach  allem  Bisherigen  wird  keinem  Zweifel  unterliegen  können, 
daß  unsere  Saga  ein  durchaus  neues  Erzeugniss  ist.  Von  wem  dieselbe 
verfasst  sein  möge,  überlasse  ich  Anderen  zu  bestimmen;  man  möchte 
an  Jon  Espölin  denken,  welcher  im  Jahre  1769  als  Sohn  des  Syssel- 
manns  J6u  Jakobsson  zu  Espihöll  im  Eyjcafjördr  geboren  wurde,  im 
Jahre  1836  starb,  eine  Menge  gedruckter  und  ungedruckter  Schriften, 
und  auch  jene  früher  besprochene  Hälfdanar  saga  gamla  verfasste  ^) 
und  durch  seinen  Geburtsort  dem  Bärdardale  sowohl  als  dem  Hofe 
zu  Stokkahladir,  durch  sein  Amt  als  Sjsselmann  im  Skagafjördr  (1802 
bis  1825)  dem  Propste  desselben  Bezirkes,  endlich  als  Halbbruder  des 
Amtmannes  Stefan  ]36rarinsson  dem  Gisli  Brynjolfsson  nahe  gerückt 
war,  der  in  den  Jahren  1812 — 15  bei  eben  diesem  Amtmanne  Schreiber- 
dienste that  ^).  —  Vielleicht  wird  manchem  Leser  die  Weitläufigkeit 
übertrieben  scheinen,  mit  welcher  ich  die  so  wenig  bedeutende  Saga 
behandelt  habe;  mir  will  indessen  vorkommen,  als  ob  gei*ade  das  ge- 
nauere Eingehen  in  das  Einzelne  der  hier  einschlägigen  Fragen  ge- 
eignet sei,  ein  lebendiges  Bild  von  den  Schwierigkeiten  zu  geben,  mit 
welchen  eine  kritische  Behandlung  der  isländischen  Litteraturgeschichte 
zu  kämpfen  hat. 

MÜNCHEN,  den  18.  M.ärz  1875.  KONEAD  MAURER. 


BRÜCHSTÜCKE  AUS  MEISTER  ECKHART. 


(Fol.  1°)    man  me  muge  pruue.  ab  mä  ganze  mine 

habe,  dau  an  getruvnge.  wan  wer  den  andern 

sere  vii  genczlich  minet.  daz  sachit 

Allis  des  man  gote  tar  getruwe.  da 

5   i  d*  warheit  I  ome.  vn  tvsint  me.  Also  alse  got 
nie  M.  zu  vil  mochte  gemine.  also  mocht[e  om] 
nie  M.  zu  vel  getruwe.  Alle  dink  di  mä  ge   .    . 
mak.  di  sint  nicht  also  zemelich.  also  groz  tru 
we  zu  gote.  wä  alle  die  i  groze  zuvirsicht 
10   zu  ome  gewüne  die  geliz  he  nie.  h''  worchte 
groze  dink  m  ome.  daz  hat  h'  wol  bewist  am 


')  Vgl.  Germania,  XHI,  S.  75—76. 

')  vgl.  Petr  Petrsson,  Hist.  cecles.  Island.  S.  426— 27 ;  Erslew,  Fortatter- 
Lexicon  I,  S.  239  und  .388. 


224  BECH 

manige  M.  Dise  getruvnge  komt  vö  nilne 
wä  mlüe  hat  nicht  alleine  getruwe  ra^  sie 
hat  ein  war  wizzen.  vu  eine  vnzwiueliche 

15   V  zu  virsicht.  vn  sichirkeit. 

Iz  ist  zweirleye  wizzen  i  diseme  lebene.  des 
ewigen  lebens.  vn  d^  vrütschaft  gotis.  daz 
eine  daz  iz  got  eime  meschi  sage  edir  enpite. 
bi  eime  engele.  ed^  em  sundirlieh  liecht  gibit. 

20   vn  daz  geschet  seiden  vn  wenik  lut  .  .    .    .  iz  ist 
and*  wizze.  daz  vil  vn  vnglich  bezz[irl  .    .   vn  nu[z] 
zer.  Daz  geschet  dicke  allen  gu[ten]  vn  .    .    .    . 
komene  lute.  daz  ist  daz  d*  M.  vö  mine  vn  vö 
(Fol.  P)     .eimlikeit.  die  h*  hat  zu  sime  gote  daz  h*  ome  so 
.  .   .  getruwe.  vn  so  sicher  an  cm  sie.  daz  h'  nicht 
iwiuele  möge  vii  wrH.  da  von.  daz  h*  en  rai 
.     .     .     .  sich*  selb*,  vor  s . .  ten  om  alle  c^ature.  vii 

5 vorseite  om  got  selb*  h*  mochte 

.     .     .     .  misse  truwe  wä  mlne  kan  nicht 

,  sie  getruwet  allis  gutis  vn  ist 

mä  den  mineden  vn  gemine 

sagen  wä  m  deme  daz  h*  gevulet 

10    ...     .  vrüt  ist  da  mite  weiz  h*  gnuk 

ist  vn  sin*  (?)  selikeit  ge 

ome.  des  bis  du 

dir  vn  lib* 

vngelich  me  getruwe.  wan 

15.     .     .     .  getruwe  vn   •  .  .  ge  truwe .  dar 

ge   .     .     .     .    sichir  sin 

.     .     .     .  alle . .   mine.  Dise  sichirkeit  ist 

.     .  re  g.zir  vn  warir  d.  .   die  erste  vn  mak 

lichte  ein  vnrecht 

20    .     .    .     .  ge  .   .   .  mä  i  alle  den  crefte 

nicht  getrige  .  .  i  den  di  da  w* 

zwivelt  iz  alse  wenik  alse  d* 

.     .  gote  zwivelt.  Wan  mine  virtriet 
(Fol.  II*)  vindi  den  grüt.  daz  din  gemute  sal  v*re  dar  vb* 
irhabin  sie.  vn  iz  sal  din  gemute  nicht  ruren 
zu  mugene.  noch  zu  minene.  v^re  sal  din  ge 
mute  dar  vb*  irhabin  sie.  wan  daz  w*e  ein  kräc 
5   i  uewendikeit  di  daz  vzz*e  cleit  sal  berichten 
Daz  i  nere  sal  daz  vzzere  berichten,  alse  iz  .    . 


BRUCHSTÜCKE  AUS  MEISTER  ECKART. 


22§ 


ne  an  dir  stat.  Mer  alse  iz  dir  alsus  zu  vellit.  So 

mach  tu  iz  vz  dime  grüde  gut  neme.  daz  du  d. 

da  ine  vindest.  Gevile  iz  andirs.  daz  du  iz  ouch 
10   g^ne  vn  willichlichen  wold.  .   nie.  vn  also  ouch 

mit  d^  spise  vn  m  den  vrund   .  .mage  vn  m. 

alle  deme  daz  dir  got  gebe  .     .     .  me  vn  al. . 

ich  iz  bezz^  allin  dinge  iz  si  smaheit  iz  si  er.  . 

iz  si  waz  lidens  iz  si 

15 zu  gote 

h^ 


dan  daz  sich  d*  M.  selbir  drin 


20   v  recht,  vn  i  deme  so  mak  mä  wol  ere  neme 
ab  smaheit  geuile.  vn  vngemach.  vii  vnere. 
vf  den  M.  daz  mä  die  ouch  tragin  mochte  vnde 
(Fol.  TP)    g^ne  wolde  tragen,  vn  m  alleme  rechte,  vü  vrtei 
le.  mak  di  wol  ezzen  di  also  gerech  gereite  w*e 
zu  d^  vaste.  alse  zu  dem  ezzene.  vn  daz  ist  wol 
di  Sache  daz  got  vb*  sine  vrüt  grozes  vü  vil 
5   lidens  virhengit.  daz  sin  vmezige  truwe  andirs 
nicht  v^mochte  wan  daz  so  vil  vn  so  groz  vrome 
an  deme  lidene  lit.  vfl  her  di   sine   nicht  wil  noch 
enzemt.  virsumen  i  icheine  gute,  dan  daz  h^ 
si  quit  list  m  deme  grozen  gereiten  wille.  vn 
10   daz  ome  da  mite  wol  gnvge.  andirs  om  en  dike 
in  leit  laze  virgan.  vme  de  Vmezlichin  vrom 

eme  lidene  lit.  Die  wile  also  gote  gnvgit 
.  zu  vride.  wan  om  ein  andir  behagit.  so 
.  ch  zu  ganzen  vride.  Wan  d*  M.  sal  i  newe 
15    ...     .  anz  gote  gelazen  si  i  alle  sime  willen. 
.  nicht  vel   bew*re  wed^  m  d^  noch  m  d^ 
.  ir  werkin  vn  svndUichin  saltu  vlien 
.     .  ndirlikeit.  iz  si  an  cleidern.  an  spise.  vn 
orte,  alse  hoer  wort  vil  zu  redene  od*  sun 
20    dirliche  stete  zu  wisene.  da  i  kein  nutz  an  lit. 
Doch  Salt  du  wizen.  daz  dir  nicht  virboten  ist 
alle  sundirlikeit.  Iz  ist  vil  sundirlikeit.  di  mä 
Die    vorstehenden    Zeilen    bilden    den    Inhalt    eines 
Doppelblattes   in  Duodezformat,    das    auf  der  Stiftsbibliothek  in  Zeitz 

UERMANIA.  Neue  Reihe.   VIII.    (XX.)  Jahrg.  15 


Pergament- 


226     LITTERATUR:  ZUR  ÄLTKRKN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN. 

aufbewahrt  wird.  Da  das  Blatt  früher  als  Einband  diente,  so  hat  die 
Schrift  durch  Abreiben  stark  gelitten  und  ist  trotz  der  angewandten 
Reagentien  an  manchen  Stellen  unleserlich  geblieben.  Auf  jeder  Seite 
sind  mit  Tinte  23  Linien  gezogen;  die  letzte  Linie  auf  Bl.  IP  wie  auf 
IP  ist  unbeschrieben  geblieben ;  die  großen  Anfangsbuchstaben  sind 
durch  rothe  Nebenstriche  gekennzeichnet;  Z.  16  auf  Bl.  I"  deutet  ein 
rother  Buchstabe  zu  Anfang  auf  den  Beginn  eines  neuen  Abschnittes. 
Den  Schriftzügen  nach  gehört  das  Bruchstück  in  das  14.  Jahrhundert, 
und  zwar  wahrscheinlich  noch  in  die  erste  Hälfte  desselben.  Es  ent- 
hält ein  Stück  aus  dem  XVII  Tractat  Meister  Eckharts,  der  in  der 
Ausgabe  Pfeiffers  S.  543  folgenden  Titel  führt:  Daz  sint  die  rede  der 
underscheidunge ,  die  der  vicarius  von  Düringen,  der  prior  von  Ei'fort, 
hruoder  Eckehart  predier  ordens  mit  solichen  kinden  hete,  diu  in  dirre 
rede  frageten  vil  dinges,  do  sie  sdzen  in  collationihus  mit  einander.  Es 
decken  sich  Bl.  P  und  P  unseres  Fragmentes  mit  Pfeiffers  Ausgabe 
558,  31  bis  559,  27;  Bl.  W  und  IP  mit  563,  13  bis  564,  9.  Aus  den 
Sprachformen  geht  deutlich  hervor,  daß  die  verlorne  Handschrift  in 
Düringen,  vielleicht  in  Erfurt  selbst  entstanden,  und  daß  sie  mithin 
nahe  verwandt  war  mit  jenen  mitteldeutschen  Handschriften  Eckharts, 
aus  denen  E.  Sievers  im  15.  Bande  der  Zeitschx'ift  für  deutsches 
Alterthum  S.  373  folg.  mehrere  Predigten  veröffentlicht  hat. 

ZEITZ,  April  1875.  F.  BECH. 


LITTERATUß. 


Zur  älteren  romantischen  Litteratur  im  Norden.  I. 

Gustav  Storm.   Ora   Eufemia  viserne.    (in:  Nord.  Tidskr.  for  Fil.   og  Pasd. 

N.  R.  I  S.  23  —  43.) 
Derselbe.   Sagnkredsene  om  Karl    den  Store  og  Didrik  af  Bern  hos 

de  n 0 r d i s k e  F o  1  k.  Et  Bidrag  til  Middelalderens  littersere  Historie.  Ud- 

givet  af  den  norske  historiske  Forening.   Kristiania.   Mallings  Bogtrykkeri. 

1874.   8». 

Der  durch  seine  Studien  über  norwegische  Geschichtsschreibung  bereits 
rühmlich  bekannte  junge  Gelehrte  liefert  in  diesen  Arbeiten  schätzbare  Beiträge 
zur  Geschichte  der  romantischen  Poesie  und  Prosa  im   Norden. 

In  der  ersten  dieser  Abhandlungen  wird,  gestützt  auf  das  für  diese  Unter- 
suchung nöthige,  endlich  vollständig  vorliegende  Material,  die  Frage  nach  den 
Quellen   der    sogenannten    Eufemiaviser    in    übersichtlicher  Darstellung    erörtert. 


LITTEEATUR:   ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.     227 

Es  darf  jetzt  als  feststehend  gelten,  daß  Heira  Iwan  und  Flores  och  Blanzeflor 
zu  betrachten  sind  als  Übertragungen  aus  den  entsprechenden  altnorwegischen, 
noch  jetzt  vorhandenen  Prosasagas  in  altnorwegische  Verse,  während  Hertug 
Fredrik  mit  seinen  unverkennbaren  deutschen  Eigenthümlichkeiten  direet  auf 
eine  deutsche  Vorlage  sehließen  lässt.  Alle  drei  Umdichtungen  wurden  unter- 
nommen auf  Anregung  der  Königin  Eufemia,  der  deutschen  Gemahlin  des  Hakon 
Magnusson  von  Norwegen.  Ihre  Umsetzung  ins  Schwedische  fällt  erst  einer  be- 
deutend  späteren  Zeit  zu,  vgl.  u. 

Dagegen  wird  sich  schwerlich  definitiv  abmachen  lassen,  ob  der  von  der 
frz.  uns  erhaltenen  Fassung  ganz  abweichende  Schluß  der  Floressaga  ok  Blan- 
kifliir,  den  das  schwedische  Gedicht  natürlich  theilt,  dem  norwegischen  Über- 
setzer zuzuschreiben  ist,  wie  Storm  will  (S.  35j,  oder  seiner  Vorlage  schon  an- 
gehört hat.  Wenn  man  erwägt,  wie  wenig  selbständig  die  Gelehrten  am  Hofe 
Hakons  zu  arbeiten  pflegten  —  der  selbständige  Schluß  der  Parcevalssaga,  auf 
den  St.  verweist,  war  durch  das  unvollständige  Original  bedingt  und  ebenso 
wenig  können  die  etwaigen  Änderungen  in  der  Thidrekssaga,  vorgenommen 
zu  Gunsten  des  Zusammenhanges,  beweisen  —  und  zugleich  bedenkt,  wie  oft 
in  der  altfrz.  Litteratur  der  Fall  eintritt,  daß,  um  einer  verballhornisierenden 
Fortsetzung  Raum  zu  schaflPen ,  der  echte  Schluß  eines  Epos  gestrichen  wurde 
(vgl.  Fierabras,  Perceval  le  vieil,  Partonopeus  de  Blois  u.a.),  so  wird  die 
Originalität  dieses   Stückes  der  Saga  mindestens  unwahrscheinlich. 

Eine  sehr  willkommene  Zugabe  ist  der  Abdruck  eines  im  norwegischen 
Reichsarchiv  bewahrten,  leider  etwas  defecten  Pergamentblattes  aus  der  Flores- 
saga, seiner  Schreibweise  nach  wohl  in  den  Anfang  des  14.  Jahrhs.  gehörig, 
und  wichtig,  weil  sein  Text  fast  durchgängig  vollständiger  ist,  als  die  ent- 
sprechende Stelle  der  Handschrift  M  (gedr.  in  Annaler  f.  n.  0.  1850).  Die  bessere 
Hdschr.  N  reicht  nicht  so  weit.  Die  defecten  Stellen  sind  durch  Prof.  Unger 
ergänzt.  Eine  eingehende  Vergleichung  dieses  Fragmentes  [A]  mit  M  und  dem 
schwed.  Gedichte  [S],  sowie  den  anderen  Versionen,  bestätigt  wieder  den  Satz, 
daß  diese  Sagas  fortlaufenden  Kürzungen  durch  die  Hand  der  Abschreiber  unter- 
worfen waren,  indem  selbst  in  dieser  rel.  alten  Hdschr.  Spuren  von  Kürzungen, 
aufweisbar  sind ,  wo  z.  Th.  M  sogar  noch  die  vollständigere  Lesart  bietet 
woraus  zugleich  erhellt,  daß  M  nicht  aus  A  geflossen  sein  kann;  z.  B.  A  S.  25®  f. 
munn  kann  pa  taka  at  pakka  per  ok  bidia  [pik  koma  aptr  etc.  vgl.  M  S.  44 ^'^i 
mun  kann  pd  taka  at  elska  pik  ok  mun  bidja  pik  etc.  Dag.  S  v.  1194  f. :  han 
thakkar  tkik  ok  hafuer  kcer ,  bidher  thik  ater  koma  ther.  In  A  ist  elska,  in  M 
pakka  ausgefallen.  Ferner  AS.  27^  f.,  wo  es  sich  um  das  Schachspiel  handelt: 
En  pcet  var  floires  er  uann  [era  jamskiott  gaf  kann  duruerdenom  fet  alt  etc. 
M  S.  46^  :  ...  ok  I4t  dyravörär  ok  var  pd  mjök  reidr.  En  Flores  gerdi  sem 
hiisböndi  baud,  gaf  honum  aptr  etc.  Vom  Zorn  des  Wächters  ist  in  A  nicht 
die  Rede,  freilich  ebenso  wenig  in  S  v.  1252  ff.,  wo  diese  ganze  Erzählung  in 
wenige  Verse  zusaaimengefasst  ist  und  im  frz.  Texte  v.  1952  ff.,  wo  ohne 
Zweifel  mehrere  Verse  ausgefallen  sind.  Dag.  heißt  es  mhd.  v.  5104  f.:  do  ge- 
stilte  er  einen  zorn,  also  man  mit  gäbe  tuot.  Die  Beziehung  auf  die  Weisung 
des  Daries  aber  haben  alle  übrigen  Texte;  vgl.  frz.  v.  1954:  comme  ses  ostes 
li  loa.  =  mhd.  v.  5107  =  ndl.  v.  2706  =  engl.  (edd.  Lumby.  Lond.  1866) 
V.  404.    Beides  wird  also  in   A   ausgefallen  sein. 

15* 


228  LITTER ATUR:  Zl^R  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN. 

Ungers  Ergänzungen  sind  sorgfältig  mit  Herbeiziehung  des  frz.  u,  schwed. 
ausgeführt.  An  einigen  Stellen  kann  man  Zweifel  hegen.  .S.  24^  heißt  es:  En 
pu  haf  med  [per  i  piis  pinum  c.  aura  gidlz  a;]  firir  uttann  fe  Iceik  pu  cei. 
War  der  Raum  für  die  Ergänzung  nicht  peinlich  genau  berechnet,  was  der  Ab- 
kürzungen wegen  kaum  thunlich  ist,  so  möchte  ich  nach  gullz  einschieben :  olc 
legg  vid,  vgl.  M  S.  44'^  =  frz.  v.  1876:  qua  li  meirez  =  mhd.  v.  4666  =  ndl. 
V.  2614.  S.  27^  scheint  es  mir  richtiger,  anstatt:  (/erdist  hdrdla  gladr  uid  oJc  etc. 
zu  ergänzen :  undraäist  hardla  petta  ok  etc.  In  M  und  S  ist  etwas  ausgefallen, 
dag.  vgl.  frz.  v.  1955  f.:  moult  sen  mei'veilla,  et  por  le  don  Ven  mercia  =  ndl. 
Vi.  2709  f.:  den  portwerder  loonderde  harde  daer  ave,  ende  dancte  hem  van  der 
g  roter  have.  Endlich  S.  27^  heißt  es:  En  hin  uard  [enn  gosysi  gladr  .  .  .  .]  indem 
das  letzte  Stückchen  der  Zeile  uncrgänzt  bleibt.  Ich  möchte:  olc  ordlauss  sup- 
pi  eren.  Darauf  deutet  nämlich  das  folgende:  ok  aidfremi*)  ftk  han  pakkat  honum-^ 
und  es  wird  bestätigt  durch  ndl.  v.  ?720  ff.:  doe  was -die  man  so  blide,  dat  hi 
in  diere  stonde  een  woort  ghespreken  niet  en  conde,  daer  na  sprac  hi  over  lanc 
ende  seide  hem  der  ghichten  danc  etc. 

So  sind  jetzt  die  Bearbeitungen  und  Übersetzungen  des  frz.  Epos  Floire 
et  Blanceflor  sämmtlich  gedruckt,  mit  Ausnahme  einer  englischen  Redaction,  die 
sich  in  der  Bibliothek  von  Bridgewater  House  befindet  und  nach  Lumby's  An- 
gabe vorerst  unzugänglich  zu  sein  scheint,  und  der  sog.  Eschenburg'schen  Hdschr. 
der  niederdeutschen  Fassung  (vgl.  Hoffm.  Horae  Belg.  III  S.  XII),  mir  nur  zu- 
gänglich geworden  in  Büschings,  wie  mir  scheint,  nicht  allzu  sorgsamer  Abschrift 
(Mscr.  Germ.  786.  4  der  Berl.  Kgl.  Bibl.),  welche  von  der  von  Bruns  edierten 
(Berl.  und  Stettin  1798j  bedeutend  abweicht.  Nur  mit  Hülfe  dieser  sämmtlichen 
Bearbeitungen  dürfte  es  möglich  sein,  die  ursprüngliche  Gestalt  des  frz.  Ge- 
dichtes einigermaßen  genau  festzustellen,  was  namentlich  auch  für  die  ästhetische 
Würdigung  desselben  von  Bedeutung  wäre.  Durch  sorgfältige  Berücksichtigung 
derselben  erst  würde  ein  Urtheil  gewonnen  werden  über  das  Verhältniss  der 
beiden  frz.  Redactionen  zu  einander,  es  würde  sich  vor  allem  herausstellen, 
daß  die  kürzere,  welche  den  ursprünglicheren  Text  enthält,  dem  Original  gegen- 
über eine  Menge  von  Kürzungen  erfahren  hat,  wo  die  Vorlagen  der  verschie- 
denen Übertragungen  —  die,  wie  sich  leicht  zeigen  lässt,  von  einander  unab- 
hängig, alle  auf  das  frz.  zurückweisen  —  noch  das  Vollständigere  boten**).  Zu 
einer  solchen  detaillierten  Vergleichung  habe  ich  selbst  schon  das  Material 
ziemlich  vollständig  gesammelt  und  hoffe  seiner  Zeit  genaueres  darüber  veröffent- 
lichen zu  können. 


*)  Das  Wort  s'ixlfremi  „spät  erst"  ist  seiner  Seltenheit  wegen  bemerkenswerth.  Ich 
finde  es  in  keinem  Wörterbuch.  G.  Vigf.  bemerkt  s.  \.  fremi  nur:  Only  in  the  phrase: 
3vd  fremi :  onli/  so  Jar. 

**)  Wie  wichtig  für  das  Verständniss  eines  Textes  die  Vergleichung  aller  Bear- 
beitungen dieses  Epos  ist,  lehrt  u.  a.  eine  Stelle  des  mhd.  Geiiclites,  an  der  zwar 
wohl  noch  niemand  An-stoß  genominen  hat.  Flore  ist  an  das  Grabmal  geführt  worden. 
Da  heißt  es  v.  2207  fF.:  vil  wunders  groz  an  im  geschach:    wan  als  er  diu  bilde  gesach 

s&  ze  stunt  hekander  daz  sie  nach  in  gemachet  wären  etc.  In  diesem  und  dem 

Folgenden  liegt  aber,  wie  mir  scheint,  absolut  nichts  von  einem  Wunder,  das  an  Flore 
geschehen  wäre.  Der  erste  Vers  ist  also  unverständlich.  Dagegen  steht  im  niederdeut- 
schen Gedichte  v.  462  ff.:  Do  Flos  den  stein  anghesach,  grot  icunde)-  dar  ghescach;  Flos 


LITTERATUK:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  LM  NORDEN.      229 

Das  oben  an  zweiter  Stelle  aufgeführte  Buch  bietet  eine  lichtvolle  Über- 
sicht über  die  Vei-breitung  der  Sagenkreise  von  Karl  dem  Großen  und  Dietrich 
von  Bern  im  skandinavischen  Norden.  Je  mehr  dieser  Theil  der  altnord.  Litte- 
ratur  von  Interesse  ist  für  eine  künftig  abzufassende  Geschichte  der  „großen 
Sagenkreise  des  Mittelalters",  um  so  nützlicher  erschien  mir  eine  etwas  aus- 
führlichere Besprechung  der  fleißigen  Arbeit  in  dieser  Zeitschrift. 

Das  Buch  behandelt  zuerst  Inhalt,  Überlieferung  und  Quellen  der  Karla- 
magnus Saga  sowie  ihre  spätere  Umarbeitung  (bis  S.  69),  wendet  sich  dann 
zur  Entstehung  und  Wanderung  der  deutschen  Heldensage  nach  dem  Norden 
(bis  S.  83),  knüpft  daran  die  Besprechung  der  Hdschr.  und  Quellen  der  Thidreks- 
saga  (bis  S.  131);  dann  folgt  eine  Erörterung  über  Alter  und  Quellen  der 
schwed.  und  dän.  Chroniken,  die  dieselben  Stoffe  behandeln  (bis  S.  168);  weiter 
werden  die  hiehergehörigen  dänischen  Folkeviser  untersucht  (bis  S.  211)  und 
endlich  die  an  diese  Sagenkreise  sich  anschließenden  norweg.,  isländ.  und  fagröi- 
schen  Dichtungen  (bis  S.  225).  Eine  dankenswerthe  Zugabe  ist  der  Abdruck 
des  Bruchstückes  „om  Jorsalaferden"  nach  der  schwed.  und  dän.  Karlamagnus- 
chronik  und  einiger  Verse  aus  den  von  Thord.  Magnussen  c.  1570  verfassten 
RoUantsrfmur. 

Über  einzelne,  etwas  breite  Ausführungen  und  Inhaltsangaben,  wo  viel- 
leicht ein  Hinweis  auf  Ungers  Vorreden  genügt  hätte,  will  ich  mit  dem  Verf. 
nicht  rechten.  Es  lag  das  vielleicht  in  der  Fassung  der  ihm  gestellten  Auf- 
gabe. Ich  werde  mich  im  Folgenden  darauf  beschränken ,  die  wichtigsten  von 
Storms  neuen  Resultaten  zu  besprechen,  nach  einigen  Seiten  auch  Ergänzung 
zu  versuchen. 

Bei  der  Besprechung  der  Quelle  des  Sagaschreibers  für  die  dem  Rolands- 
liede  entsprechende  Partie  der  Karlam.  Saga  weist  Storm  sehr  hübsch  nach, 
daß  die  Hdschr.,  die  ihm  vom  frz.  Liede  vorlag,  zwar  nicht  so  alt  und  rein  ist 
wie  das  Oxforder  Mscr.,  aber  auch  nicht  so  entstellt  wie  die  späte  Versailler 
Hdschr.,  insofern  in  ihr  oft  schon  die  Assonanz  in  Reim  verwandelt  war  (S.  26  f.), 
ferner  daß  die  Saga  auf  diese  Weise  manche  Züge  erhalten  hat,  die  wir  in 
frz.  Texten  nicht  mehr  nachweisen  können,  die  sie  aber  einmal  enthalten  haben 
müssen  (S.  30).  Es  ergibt  sich  aus  allem,  daß  dieser  Abschnitt  der  Saga  und 
—  um  das  gleich  vorauf  zu  nehmen  —  der  entsprechende  Theil  der  schwed. 
Karlaraagnus-Chronik,  die  auf  älteren  nord.  Hschr.  ruht,  leider  aber  sehr  un- 
genügend gedruckt  ist  —  für  die  kritische  Behandlung  des  Rolandsliedes  nicht 
ohne  Werth  ist. 

Mit  Recht  scheint  mir  Storm  ferner  (S.38  ff.)  gegen  Unger  und  G.  Paris 
zu  behaupten,  daß  der  Sagaschreiber  für  das  erste  Buch  nicht  mehrere  Quellen 
ausgezogen  hat,  sondern  treu  seiner  einen  Vorlage,  einer  cyclischeu  Darstellung, 
gefolgt  ist,  die  freilich  verloren  scheint. 

lep  dovendich  wyse  von  dan,  dar  he  wüste  lauwen  stdn.  Er  springt  dann  zu  den 
Löwen  hinein,  diese  verletzen  ihn  aber  nicht.  Darin  liegt  wirklich  ein  Wunder.  Da 
nun  sogar  die  Reimworte  in  beiden  Texten  stimmen,  so  werden  wir  billig  annehmen 
dürfen,  daß  in  beiden  dasselbe  Wunder  gemeint  ist.  Dafür  spricht  nun  auch  die  zweite 
frz.  Fassung  bei  du  Meril,  wo  es  bei  derselben  Scenc  heißt  v.  1599:  La  puet  l'en 
miracles  veoir.  Flecks  Vorlage  scheint  also  die  Episode  mit  den  Löwen  noch  vorge- 
funden, sie  aber  gestrichen  zu  haben,  so  daß  nur  etwas  von  der  Einleitung  derselben 
stehen  geblieben  ist,  das  nun  auch  Fleck  herüber  genommen  hat. 


230     LITTEKATUR:  ZUK  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN 

BetreflPs  des  Abschnittes  über  Oddgeir  danski  (das  zweite  Buch  der  Saga, 
ergänzt  durch  ein  späteres  Stück  der  dänischen  Keyser  Karils  Krönike  (Chr. 
Pedersens  Danske  Skrifter.  V  Bind  udg.  af  C.  J.  Brandt.  Kjöb.  1856  S.  120  flF.)] 
möchte  ich  hinweisen  auf  eine  treffliche  Abhandlung  von  Pio  Rajna,  die  Storm 
noch  nicht  kennen  konnte:  Uggeri  il  Danese  nella  letteratura  romanzesca  degl' 
Ttaliani,  in:  Romania  1874  S.  31  —  77.  Hierher  speciell  gehört  folgendes  aus 
derselben.  In  dem  frz.-ital.  Gedichte  über  Ogier  sowohl  wie  in  der  dänischen 
Fassung  (vgl.  Ped.  S.  121)  wird  als  Grund  für  Cai-lotto's  Haß  gegen  Ogier 
angegeben,  dieser  habe  ihm  den  Ruhm  weggenommen,  zwei  bedeutende  Feinde 
zu  tödten,  obwohl  jener  nur  beabsichtigt  hatte,  Carlotto  zu  Hülfe  zu  kommen. 
Dieses  Zusammentreffen  hielt  G.  Paris  (Hist.  pofet.  de  Charl.  S.  311)  für  zu- 
fällig: Rajna  will  es  (S.  61)  —  wie  mir  scheint,  mit  mehr  Recht  —  auf  eine 
gemeinsame  Quelle  zurückführen,  um  so  mehr,  als  sich  auch  sonst  noch  ver- 
wandte Züge  finden  dürften.  Im  dän.  Texte  durchbricht  Ogier  mit  Gewalt  die 
Kerkermauem,  um  zu  zeigen ,  daß  er  sich  auch  selbst  habe  befreien  können ; 
ähnliches  wird  in  einer  der  ital.  Fassungen  berichtet. 

Über  das  Verhältniss  der  „Jorsalaferd"  zu  ihrem  Original:  Charle- 
magne  (ed.  Fr.  Michel.  Lond.  1836)  macht  St.  S.  60  ff.  einige  treffende  Be- 
merkungen. Fälschlich  aber  wird  dem  nordischen  Bearbeiter  die  Vertauschung 
der  ipröttir  des  Turpin  und  Bernard  zur  Last  gelegt  (S.  62);  denn  auch  in 
dem  frz.  Volksbuche:  Galien  Rhetore,  dessen  erste  Capitel  direct  auf  den  Charle- 
magne  zurückgehen,  mit  der  nordischen  Prosa  aber  nichts  gemein  haben,  wird 
Turpin  das  Überschwemmungswunder  zugewiesen.  Welche  Anordnung  die  ur- 
sprüngliche ist,  wage  ich  hier  nicht  zu  entscheiden.  Dagegen  übergeht  St.  ein 
paar  andere  Eigenthümlichkeiten  des  nord.  Textes,  die  der  Beachtung  werth 
erscheinen. 

Die  Tochter  des  Königs  Hugo  sagt  zu  Olivier,  als  er,  um  sein  Wort  zu 
lösen,  mit  ihr  allein  gelassen  ist,  frz.  v.  712: 

Sire,   eissistis  de  France,  pur  nus  fernes  ocire? 
Die  Saga  bietet  S.  479^^  f.: 

Herra,  segir  hon,  komtu  til  Jjess  af  Frakklandi,  at  skemnia  konur  i  Mik- 
lagardi? 

Der  Ausdruck  „tödten"  passt  gar  nicht  in  den  Zusammenhang,  «Ä;em»na 
vertrefflich.  Die  Quelle  muß  also  ein  ähnliches  Wort  gehabt  haben,  wenn  auch 
nicht  hunire,  das  schon  v.  721  wiederkehrt,  und  auch  aus  metrischen  Gründen 
unmöglich   ist. 

Interessanter  ist  folgende  Abweichung.  Im  Charl.  v.  488  hat  Oliver  ge- 
lobt, der  Königstochter  hundertmal  in  einer  Nacht  zu  Willen  zu  sein.  Als  es 
zur  Sache  kommt,  küsst  er  sie  dreimal  (v.  715);  verspricht,  sie  zu  seiner  Ge- 
mahlin zu  machen,  wenn  sie  ihn  nicht  verrathe,  und  der  Dichter  fügt  hinzu 
V.   726: 

Li  quens  ne  li  fist  la  nuit  mos  que  XXX  feiz. 
Am  nächsten  Morgen  fragt  der  König  v.  729  f.  : 

„Dites-mei,    bcle  fille,  ad  le  vus  fait  c  feiz? 
Cele  li  respunt:   Oil,  sire  reis." 
So  läge    eine   directe  Lüge    und    ein  sehr    mittelmäßiger    Scherz  vor.     Das  hat 
Keller  bei  seiner  Inhaltsangabe  des  frz.  Gedichtes:  Altfranz.   Sagen  Bd.  I  S.  53 
sehr  wohl  gefühlt  und   die  Stelle   dcßhalb  so  wiedergegeben:    „Aber  er  beruhigte 


LITTERATUR  :  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.     231 

das  Mägdelein  und  küsste  und  heizte  sie  vielfach  bis  an  den  Morgen.  Davon 
war  sie  so  erfreut,  daß  sie  seine  Küsse  zu  zählen  vergaß  und  als  des  andern 
Tages  ihr  Vater  sie  zu  sich  rief  und  nach  der  Zahl  derselben  fragte,  antwor- 
tete, daß  er  ihr  deren  wohl  hundert  gegeben."  Das  ist  aber  Keller'sche  Dichtung. 
In  der  Saga  heißt  es  dag.  S.  479^'*:  Oliver  Id  i  hvilu  hjd  keisaradöttur  ok 
snerist  til  Jiennar  ok  kysti  hana  100  sinnum.  Auf  die  Frage  des  Königs:  ef 
Oliver  hefdi  drygt  pat  er  kann  ^agdi,  heißt  es :  En  hon  svaradi  ok  kvad  hann 
drygt  hafa.  Das  dreimalige  Küssen  fehlt  hier  ebenso  wie  eine  Parallele  zu  v.  726. 
Dag.  haben  wir  hier  ein  reizendes  Wortspiel,  besonders  wenn  wir  annehmen 
dürften,  daß  heiser  hier  schon  in  dem  bekannten  Doppelsinne  aufzufassen  sei. 
Die  bessere  Lesart  ist  das  also  ohne  Zweifel.  Ob  das  Original,  lasse  ich  hier 
un  erörtert. 

Die  Zeit  der  Einwanderung  deutscher  Sage  im  Norden  verlegt  St.  frühe- 
stens in  das  6.,  wahrscheinlich  in  das  7.  oder  8.  Jahrb.  (S.  76  flF.).  Die  Gründe 
sind   einleuchtend. 

Die  Quelle  der  Thidrekssaga  angehend,  so  weicht  Storm  namentlich  darin 
von  Döring  (Die  Quellen  der  Niflunga-saga  in  der  Darstellung  der  Thidreks- 
saga etc.  in:  Ztschr.  für  d.  Phil.  II  S.  1  ff.)  ab,  daß  während  nach  diesem  dem 
Sagaschreiber  nur  Berichte  nach  dem  Nibelungenliede,  Eckenliede,  Hildebrands- 
liede  vorlagen,  und  etwaige  Abweichungen  ihm  zur  Last  zu  legen  sind,  Storm 
für  letztere  eine  andere  Quelle  vermuthet.  Die  Sache  ist  schwierig  zu  entscheiden. 
Indessen  muß  ich  betreffs  der  von  St.  S.  118  besprochenen  Stelle  über  Krim- 
hilts  Tod  Storm  gegen  Döring  darin  unbedingt  Eecht  geben,  daß  es  sich  nicht 
um  eine  zufällige  Übereinstimmung  zwischen  der  Saga  und  dem  prosaischen 
Anhange  des  Heldenbuches  handeln  kann,  um  so  mehr,  als  auch  in  der  Partie 
von  Ecke  manche  Züge  genauer  zu  letzterem  stimmen,  als  zu  den  Eckeliedern. 
Auch  darin  will  ich  Storm  nicht  widersprechen,  daß  das  Anzünden  von  Feuern 
im  Garten  *)  durchaus  kein  nordischer  Brauch  sei,  als  welchen  Döring  (a.  a.  0. 
S.  33)  ihn  vom  Sagaverfasaer  eingeführt  wissen  wollte.  Aber  wie  steht  es  mit 
der  wichtigen  Stelle  vom  Überwältigen  der  Feinde  mit  Hülfe  der  ausge- 
breiteten, glatten  Rinderhäute  (Döring  a.  a.  0.  S.  55  und  74),  die  Storm  todt- 
schweigt?  Die  Parallele  aus  der  Eyrbyggja  ist  doch  sehr  treffend.  Zu  der  Un- 
selbständigkeit, die  Storm  sonst  —  meist  wohl  mit  Recht  —  dem  Sagaschreiber 
vindiciert,  stimmt  auch  nicht  so  ganz,  daß  er  denselben  in  dem  Abschnitt  von 
Isung  und  den  Söhnen  des  König  Artus  von  Bertangaland  (S.  127)  ziemlich 
eigenmächtig  schalten  lässt.  Über  den  Abschnitt  von  Hildebrand  und  Alebrand, 
den  St.  S.  128  kurz  bespricht,  vergleiche  man  jetzt  auch  die  Abhandlung  Ed- 
zardi's:   Zum  jüngeren  Hildebrandsliede  (Germ.  XIX  S.  315—326)**). 


*)  Unrichtig  ist  es ,  wenn  Zameke,  Nibelungenl.  4.  Aufl.  S.  LXXXIII  sagt,  der 
Norweger  lasse  seine  Helden  in  der  Halle  ein  Feuer  anzünden.  Damit  wäre  die 
Schwierigkeit  freilich  gehoben.  Aber  abgesehen  davon,  daß  auch  sonst  gardr  unserm 
Garten  entspricht,  vgl.  Vigf.  s.  v.,  so  heißt  es  gleich  darauf:  En  peir  er  firir  voru  fylgia 
viargreifa  inn  i  hollina,  ok  skipar  hann  peim  ä  palla. 

**)  Das.  S.  316  heißt  es:  Auch  bleibt  es  doch  wohl  zweifelhaft,  ob  er  [Hildebrand] 
seinen  Sohn  in  dem  Gegner  erkennt;  nach  der  genaiien  Beschreibung,  die  ihm  von 
Alebrand  cap.  406  gegeben  ist,  müsste  er  es  wohl;  aber  cap.  408  heißt  es:  ok  kennast 
nu  vid,  wo  freilich  B  kämmst  hat  „sich  mustern".  Aber  kannast  heißt  ebenso  oft: 
sich  erkennen,  vgl.  Bp.  I  p.  228''^  Fms.  I  p.  186.  vgl.  Cleasby-Vigf.,  Möbius  s.  v,, 


232     LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN. 

Über  den  Prolog  der  Thidrekssaga  und  seine  Echtheit  sind  die  Acten 
noch  nicht  geschlossen,  denn  auch  was  Storni  (S.  104)  dafür  vorbringt,  ist  nichts 
■weniger  als  zwingend.  Ein  interessantes  Gegenstück  zu  derselben  bildet  die  noch 
ungedruckte  Einleitung  zur  Adoni'us  Saga  ok  Constantius  (A  M.  593  A.  4")  und 
das  Schlußcapitel  der  Bragtta-Mägus  Saga  (S.  175  flF.),  die  übrigens  für  die 
Sache  selbst  als  Beweismaterial  kaum  brauchbar  wären,  da  es  sehr  fraglich  ist, 
ob  ihnen  ein  hohes  Alter  zu  vindicieren  ist. 

Was  endlich  noch  einmal  die  Quellen  der  Saga  angeht,  so  behaupten 
Storm  (S.  107  f.)  wie  Döring  (a.  a.  O.  S.  7l)  energisch,  es  seien  das  nicht 
handschriftliche  Quellen,  sondern  nur  Erzählungen  deutscher  Kaufleute  ge- 
wesen. Sollte  die  Wahrheit  nicht  in  der  Mitte  liegen?  Sollten  die  Gewährs- 
männer des  Sagaverfassers  nicht  oft  genug  ihre  Erzählung  durch  Recitation  von 
einzelnen  Versen  oder  Versreihen  unterbrochen  haben,  und  auf  diese  Weise 
die  von  Döring  zwar  bestrittenen  (S.  3),  aber  von  ihm  selbst  mannigfach  auf- 
gezeigten wörtlichen  Übereinstimmungen  zu  erklären  sein?  Weist  er  doch  selbst 
öfters  auf  j^ydersk  kvtBcti  hin.  Ob  die  Kaufleute  aus  Soest,  Bremen  und  Münster 
die  Epen  in  mhd.  und  mnd.  Mundart  gekannt  haben,  lässt  Storm  (S.  107)  ab- 
sichtlich unberührt  (vgl.  jedoch  S.  129  u.).  Döring  deutet  S.  78  f.  vorüber- 
gehend auf  letzteres  hin,  und  ich  glaube  er  hätte  diese  Hypothese  kühner  vor- 
bringen dürfen. 

In  III  erweist  Storm  u.  a.,  daß  die  Thidr.  und  Karlam.  Saga  c.  1430, 
zur  gleichen  Zeit  wie  die  Eufcmiaviser  nach  Schweden  gekommen  und  hier 
übersetzt  worden  sind,  ferner  daß  die  schwedische  [jetzt  bis  auf  das  Rolands- 
lied und  Jorsalaferd  verlorene]  Karlschronik  auf  einem  sehr  alten  Texte  der 
Saga  ruht,  und  ihrerseits  die  Quelle  der  wesentlich  gekürzten  dänischen  Fassung 
ist,  die  deßhalb  nicht  selten  für  kritische  Untersuchungen  von  Bedeutung  wird*)  5 
endlich  daß  die  Hvensche  Chronik,  die  Döring  auf  die  Thidrekssaga  zurück- 
führte,  aus   dem  schwedischen  Texte  abzuleiten  ist. 

In  IV  wird,  gestützt  darauf,  daß  die  dänischen  Viser,  die  Saxo  benutzte, 
offenbar  stabreimend  waren,  gezeigt,  daß  die  dänischen  Folkeviser,  wie  sie  uns 
jetzt  vorliegen,  späte  Umarbeitungen  sind,  die  auch  die  historische  Wahrheit 
oft  genug  verstört  haben,  während  Grundtvig  sie  viel  früher  ansetzt;  ihr  Metrum 
ist  von  Deutschland  gekommen,  zu  Ende  des  13.  oder  im  14.  Jahrhundert. 
Die  meisten  speciell  hierher  gehörigen  Viser  sind  auf  die  schwedischen  Prosa- 
fassungen zurückzuführen. 

Abschnitt  V,  der  sich,  wie  oben  erwähnt,  mit  den  an  diesen  Sagenkreisen 
sich  anschließenden  norwegischen,  isländischen  und  fseröischen  Reimgedichten 
beschäftigt,  konnte  der  Natur  der  Sache  nach  nicht  so  vollständig  ausfallen, 
wie  die  früheren,  da  dem  Verfasser  nur  wenig  handschriftliches  Material  zu 
Gebote  stand.  Ausführlich  wird  nur  die  norweg.  Rolandsvise  und  das  faer.  Lied: 


so  daß  also  über  den  Sinn  der  Stelle  kein  Zweifel  entstehen  kann.  Trotz  der  genauen 
Beschreibung  erkennt  der  Vater  den  Sohn  nicht. 

S.  321  hält  Edzardi  den  schwedischen  Text  an  einer  Stelle  für  ursprünglicher, 
als  die  Hdschr  der  ps.  Aber  wie  ist  das  möglich,  wenn,  wie  Unger  (S.  VlII)  erweist, 
der  schwed.  Übertragung  gerade  A  zu  Grimde  lag?  Vgl.  auch  u. 

*)  Leider  ist  sie  uns  nur  zugänglich  in  Pedersens  Überarbeitung  von  1534. 
Schon  eine  genaue  Angabe  aller  sachlichen  Varianten  der  Hdschr.  und  Gehmens  Aus- 
gabe von  letzterer  wäre  für  kritische  Untersuchungen  von  Interesse. 


LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.     233 

Runsevalsstnij  besprochen  (S.  217  ff.).  Kurz  erwähnt  werden  S.  215  die  Geiplur, 
die  den  oben  besprochenen  Abschnitt  der  Karlamagnussaga:  Um  Jorsalaferd 
zum  Stoffe  haben,  zum  größten  Theil  enthalten  in  der  Wolfenbüttler  Eimurhs. 
(Tgl.  Ant.  Tidskr.  1849-51  S.  7  ff.),  zu  ergänzen  durch  AM  603.  4"*). 
Daß  diese  Ri'mur  auf  die  Saga  zurückgehen,  war  a  priori  wahrscheinlich.  Eine 
genauere  Prüfung  bestätigt  es;  nur  hat  keine  der  uns  erhaltenen  Hdschr.  die 
Vorlage  gebildet,  sondern  eine  z.  Th.  bessere.  Ich  darf  mich  hier  um  so  eher 
kurz  fassen,  als  ich  einer  neuen  kritischen  Ausgabe  des  Charlemagne,  die  einer 
meiner  Zuhörer  gegenwärtig  vorbereitet,  die  Rimur  wie  das  gleich  zu  erwähnende 
faer.   Lied  anhangsweise  beizugeben  gedenke. 

Der  Name  Geiplur  stimmt  zu  der  Überschrift  des  Saga]iättr  in  B:  Gei- 
punar  pättr  (Unger  S.  XXXI).  Die  Namen  der  Kitter,  die  um  König  Karl  sind, 
weichen  z.  Th.  von  der  Saga  ab,  woraus  man  sieht,  daß  der  Dichter  die  ganze 
Karlamagnussaga  ziemlich  genau  studiert  hatte.  Es  sind  in  R  (=  Rimur)  folgende: 
Rollant,  Oliver,  Oddgeir,  Turpin,  Nemus,  Namlum,  Otuel,  Villifer,  Ivorius,  lugiler, 
Bernard,  Boering,  Reinald,  Geirard,  Bertram,  Angilas,  Berard,  Gumilum,  und 
zwar  werden  dieselben,  etwa  in  der  Art,  wie  in  der  ersten  Aventiure  des  Nibe- 
lungenliedes, der  Erzählung  vorausgeschickt,  nicht  erst  bei  Gelegenheit  der 
von  Karl  berufenen  Rathsversammlung  genannt,  im  Sinne  des  Dichters  sehr 
passend. 

An  ein  paar  Stellen  schließt  sich  R  genauer  an  frz.  an  als  S  (Saga). 
RI  v.  24  sagt  Karl: 

Ek  skal  leita  at  lofdung  peim, 

listin  hefir  so  unnat, 

koma  ei  fyrr  i  Frakkland  heim, 

enn  foeg   hann   sdt  ok   kunnat. 
=   frz.  v.   57  :  Ja   nen   prenderai   mais  fin    tresque    l'averei    veuz.   S   entspricht 
S.   467^":   Pd  sor  K.   Je.  at  hann  skyldi  pat  reyiia. 

Vor  den  Pflug  des  K.  Hugon   sind  Maulthiere    gespannt  R  II  v.    63^  f.  : 

rar  var  gerr  af  guUi   ardr 

ok  gengu  mülar  undii*. 
=    frz.  v.  287:  Mais  de  chascune  pari  un  fort  mul  amhlant.  In  S.   S.  471'*  ist 
von  öxn  die  Rede. 

Dagegen  finden  sich  eine  Anzahl  Stellen  in  R,  für  die  weder  in  frz.  noch 
S.  Parallelen   aufzeigbar  sind. 

Nachdem  der  Patriarch  Karl  aufgefordert  hat,  gegen  die  Heiden  zu  kämpfen, 
heißt  es  R  v.  50 : 

Hilmir  for  at  herja  framr 

hvatt  4  spenska  drengi ; 

Massilius   enn  mikli  gramr 

mönnum  red  jDar  lengi. 
Marsilius  wird  in  der  Saga  hier  nicht  genannt.  Die  obige  Notiz  von  der 
Belesenheit  des  Dichters  wird  dadurch  bestätigt. 

Hinter  jeder  ij^rott  wiederholt  in  R  der  betreffende,  daß  er  sterben  wolle, 
wenn   er  das  Gelobte  nicht  ausführen  könne.     S.  und  frz.  haben  dieß  bloß  an 


*)  Vollständig,  mit  Ausnahme  des  Mansöngr,  auch  erhalten  in  Cod.  AM  chart. 
615.  J.  4". 


234     LlTTERATUl?:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN. 

zwei  Stellen.  Auch  die   Bemerkungen  des  njosnarmadr  sind  selten   dieselben  in 
S  und  R.   Ganz   eigeutbümlich  ist  R  v.  69: 
Bidenciana  var  borgin  sii 
af  brögnum  köllud  olim ; 
p6  er  hon  kend  af  köppum  nu 
Constantinopolina. 
Constantinopel  wird  auch  in  der  dänischen  Fassung  (Storm  S.  232'*')  genannt. 
Wie  R  zu    dem  Namen   Bideneiana    kommt,    weiß    ich    nicht.     Doch  wohl   eine 
Entstellung  aus  Byzanz? 

Als  man  sich  zu  der  Abendmahlzeit  im  Pallaste  Hugons  niedersetzt, 
nennt  der  Dichter  unter  Karls  Helden  mit  Namen  Roland,  Oliver,  Turpin  und 
Oddgeir  danski  (v.  87  f.).  In  schw.  St.  S.  233j  f.:  roland  oc  olifernus  oc  the 
tolff  ioempnunga,  in  S  S.  472'^  f.:  En  Rollant  ok  tölf  jafningjar  sdtu  ncest  k.  k. 
Ich  vermuthe,  daß  das  Original  von  S  Oliver  auch  erwähnte.  Frz.  gibt  freilich 
keinen  Anhalt,  v.  400:  Carles  s'asist  e  sis  ruiste  barnez,  T.  und  0.  mag  R 
hinzugefügt  haben. 

Über  die  Gemahlin  Hugos  sagt  R  v.  90: 
Listug  kunni  lauka  ey 
laekna  drengja  sottir. 
Die  andern  Texte  wissen  nichts  davon;    aber  es  ist  das  ein  Zug,   der  in 
der  romantischen  Litteratur  oft  genug  wiederkehrt,  z.  B.  bei  der  Cecilia,   der 
späteren  Gemahlin  des  Mirmann  (Ridd.  S.  174*^°);  es  wird  das  also  eine  ander- 
weitige Reminiscenz  des  Dichters  sein. 

R  V.  94:  Mildings  sonr  ä  meyna  drakk, 
mjiik  er  f)eirra  bli'da, 
gefr  hon  jarli  göda  jaakk.    .    .    . 
wohl  eine  Ausschmückung  von  der  Hand  des   Dichters. 

Bertram  will  durch  sein  Geschrei  alle  Thiere  im  Wald  und  alle  Fische 
zusammenlocken:  R  v.  89: 

retta  gjörvallt  J)egar  i  stad 
J)reyngist  vörum  fotum  at, 
en  fyr  afli  anda  mi'ns 
aptr  fari  til  heima  sins. 
Die  Notiz   in  den    letzten    zwei  Zeilen  findet    sich    nirgends    sonst;    auch 
ist  sie  nicht  ungeschickt. 

Noch  interessanter  ist  folgende  Stelle.  Karl  der  Große  erzählt  am  fol- 
genden Morgen  angstvoll  seinen  Helden,  was  Hugo  fordere.  Da  heißt  es  in  R 
weiter  v.  118  f.: 

Rollant  svarar  med  reidi  hätt: 
„Rsesi  vildi  ek  bj6da  fätt; 
„kuggum  bann  med  kapp  ok  matt, 
„kvistum  fölkit  sundr  i  smätt." 

„Högg  ek  aldri",   er  keisarinn  kvad, 
„kristit  fölk  i  Jjessum  stad. 
„margr  dn'fr  mugrinn  at, 
„megu  ver  ekki  efla  J)at." 
An  dieser  Stelle  findet  sich  obiger  sehr  passende  Zug  nirgends ;  vergleichen 
ließe  sich  ein  Passus  aus  dem  schon  citierten  Galien  Rbetorö.   Auf  dem  Zuge  nach 


LITTERATUR:  ZUR  ALTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.     9,35 

Gi'iechenland  wird  K.  d.  G.  von  Saracenen  überfallen,  unter  Anführung  eines 
Heiden  Braimont.  Roland  und  Naimes  rathen,  man  solle  den  Kampf  mit  ihnen 
aufnehmen;  Karl  weist  auf  die  Übermacht  der  Feinde  hin  und  sucht  vielmehr 
Hülfe  bei  den  Reliquien.  Während  er  dieselben  anbetet,  sind  jene  zwei  auf  die 
Feinde  losgegangen,  erstaunen  aber  nicht  wenig,  als  sie  das  ganze  Saracenen- 
heer  plötzlich  in  Felsen  verwandelt  sehen,  was  natürlich  der  Wunderkraft  der 
Reliquien  zugeschrieben   wird. 

Hier  entsteht  nun  die  Frage,  ob  diese  wie  die  vorige  Einschaltung  der 
Erfindung  des  Dichters  zuzumuthen  ist,  oder  nicht.  Ahnliche  Stellen  aus  der 
Karlamagnussaga  sind  mir  nicht  erinnerlich.  Es  würde  da  zu  entscheiden  sein, 
ob  den  Dichtern  von  Rimur  überhaupt  selbständige  Ideen  zuzutrauen,  oder  ob 
sie  bloß  als  sklavische  Nachahmer  zu  betrachten  sind.  Dänische  Gelehrte  haben 
mir  mit  Bestimmtheit  das  letztere  versichert.  Indessen  schon  die  Einfügung 
anders  woher  entnommener  Reminiscenzen ,  die  wir  sicher  nachweisen  konnten, 
sowie  der  Mansöngr,  in  dem  die  Dichter  gar  gern  mit  ihrer  Gelehrsamkeit  und 
Belesenheit  prunken,  bilden  den  Übergang  zu  selbständigem  Schaffen.  Ich  ge- 
denke an  anderem  Orte  darauf  zurück  zu  kommen. 

Selbständig  ausgeschmückt  sind  vom  Dichter  endlich  die  Vorbereitungen 
zu    dem  Beilager  Olivers  und  der  Königstochter,  R  v.  134  flP. : 

Hoflolk  allt  med  herrum  gengr, 

hörpu  })aut  hinn  sasti  strengr. 

kurteiss  ferr  af  klsedum  drengr 

ok  kvelr  sik  ei  i  pessu  lengr. 
rar  er  hinn  mesti  ssemdarsidr, 

sjdlfir  kongar  standa  vidr, 

aldri  lengr  leyfis  bidr, 

leggst  hann  par  hjä  meyju  nidr. 
regar  var  skenkt  hit  ski'ra  vm 

skjälda  brjot  ok  silkihlin. 

Jungfrü  gi'et  med  angr  ok  pi'n, 

Oliver  hugdi  gott  til  sin. 
Lasar  geymdu  loptit  Jsat, 

lydrinn  vi'kr  burt  i  stad 

Wir  werden  es  hier,  wie  oben,  mit  Reminiscenzen  des  Dichters  aus  ander- 
weitiger Leetüre  zu  thun  haben.  Besonders  interessant  ist  v.  136;  eine  Erinnerung 
an  die  bekannte  Sitte,  die  uns  aus  dem  Tristan  am  geläufigsten  ist?  Hier  frei- 
lich vor  der  Vollziehung  der  Ehe.  Von  einer  wirklichen  Umarmung  sagt  übrigens 
S  gar  nichts  (vgl.  oben  S.  231),  wohl  aber  R  v.  141^  flf.: 

Ssetan  vafdi  silkijDrdd 

scemdarmanns  um  vizkul4d. 
Riddarinn  fadmar  refla  nipt, 

r^tt  svä  vasri  eigingipt. 

holdit  spenti  hann  svä  dript: 

hrtedilig  mundi  J)eirra  skript. 
Diese    Notiz   wird   in  S  ungern   vermisst,    im  frz.    nach    dem    früher    be- 
merkten freilich  nicht. 

Alles  in  Allem  genommen  werden  wir  zugeben  müssen,  daß  wenn  der 
Dichter  die  sonst  nicht  nachweisbaren  Stellen  erfunden  hat,  was  ich  für  v.  118  ff. 


236     LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.   IM  NORDEN. 

noch  nicht  gern  zugeben  möchte,  diese  ein  für  diese  Zeit  und  Dichtungsart 
nicht  gewöhnliches  Geschick  und  Verständniss  verrathen. 

An  die  Besprechung  dieser  Ri'mur  schließt  sich  am  besten  an  eine  Er- 
örterung des  entsprechenden  faeröischen  Litdes,  das  Storm  nicht  zu  kennen 
acheint.  Es  findet  sich  in  Svabo's  bekannter,  freilich  nur  z.  Th.  gedruckter 
Handschrift:  Farseiske  kveair  eller  gamle  kjempe-sange  samt  Rujinur,  samlede 
og  optegnede  i  aarene  1781  og  1782  af  Jens  Chr.  Svabo.  Heft  HI  S.  IS. 
[kgl.  Bibl.  in  Kop.  Gaml.  kgl.  Saml.  2894],  unter  dem  Titel:  Geipa  Tcitur 
(vgl.  Lyngbye:  Faeröiske  Qvoeder  S.  11).  Eingehender  beschäftigt  hat  sich  mit 
diesem  Gedichte  wohl  eben  so  wenig  jemand  als  mit  den  Ri'mur.  Die  Frage 
nach  der  Quelle  des  ersteren  ist  nicht  bloß  litterarhistorisch  interessant:  es  geben 
uns  solche  Untersuchungen  auch  Fingerzeige  darüber,  woher  die  Faerör  im  MA. 
ihre  Bildungselemente  gewonnen  haben,  ob  bloß  von  Island,  oder  auch  vom 
Festlande  oder  von  letzterem  ausschließlich.  Hier  werde  ich  aus  dem  oben  be- 
zeichneten Grunde  mich  mit  einer  kurzen  Übersicht  über  das  Gedicht  begnügen 
können*),  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Quellen.  Die  Schreibweise  ist  in 
den  Citaten  natürlich  normalisiert, 

Karl  fragt  nicht  die  Königin,  sondern  seine  Helden,  ob  sie  jemanden 
wüssten,  der  ihm  überlegen  sei.  Alle  senken  die  Häupter  und  wagen  nicht  zu 
antworten,  bis  auf  die  Königin.  Dieser  Anfang  ist  wohl  herübergenommen  aus 
einem  anderen  fser.  Liede,  auf  das  ich  unten  zurückkommen  werde:  Tiffriks 
kappar  (Svabo  I,  S.  329  fi".),  das  fast  mit  denselben  Worten  beginnt,  und  dem 
Sinne  nach  ziemlich  genau- zu  der  dänischen  Fassung  (Grundtvig  D.  Folkev. 
I  S.  94)  stimmt.  Daß  solche  ähnliche  Situationen  bei  Liedern,  die  nur  im  Volks - 
munde  fortleben,  sich  allmählich  ausgleichen,   ist  selbstverständlich. 

Karl  droht  seiner  Gemahlin  mit  dem  Scheiterhaufen,  wenn  ihr  Wort  sich 
nicht  bestätige.  Mit  dem  Tode  wird  ihr  auch  in  den  anderen  Versionen  gedroht. 

Jene  sucht  ihn  milder  zu  stimmen  mit  den  Worten  v.  6 :  Ek  eri  tin  eigiu 
kona  =  frz.  =  S  ^  schw.   In  DP  fehlen  diese  Worte. 

Der  Zug  nach  Jerusalem ,  das  übrigens  gar  nicht  genannt  wird,  schließt 
sich  hier  ganz  unvermittelt  an.  Jer.  wird  umschrieben  durch:  eine  Stadt,  wo 
ein  Verwandter  (!)  Karls  war.  Er  hört  Glocken  läuten,  Turpin  singt  eine  Messe, 
der  Patriarch,  der  hier  Poul  heißt,  waffnet  sich(!),  um  K.  anzureden,  lauter 
dieser  Fassung  eigene  Ideen.  K.  sagt  (v.  10),  er  wolle  die  Reliquien  sehen 
(=  S  S.  469*  =  schw.,  fehlt  in  DP).  Nun  erst  nehmen  die  13  die  Stühle 
in  der  Kirche  ein,  wohin  sie  der  Patriarch  selbst  leitet.  So  außer  F  nur  DP: 
Patriarchen  leddbce  hartem  i  toempcelin  etc.  Es  folgt  die  Aufzählung  der  Reliquien, 
betreffs  deren  sich  F  fast  ganz  an  DP  anschließt.  Der  Arm  des  heil.  Simon 
•wird  überall  genannt.  F  fügt  hinzu  v.  1 5 :  Sjdlvur  Jesus  Id  tar  d,  td  hau  var 
eitt  litit  harn  =  D:  som  wor  herre  sat  pa  köndilmesse  dag  tha  han  qffrcedes  i 
monsteref.  la  frz.  S.  schw.**)  fehlt  dieser  Zusatz.  Weiter  wird  in  F  (v.  16)  ein 
Tuch  erwähnt,  mit  dem  sich  Jesus  die  Hände  trocknete,  in  D  ein  Schweißtuch, 
mit  dem  er  sich  das  Antlitz  trocknet;   in  S  schw.    trägt  er  das  Tuch    nur   um 


*)  Frz.  =  Charlemafrne.  S  =  Saga.  Schw.  =  schwedische  Fassung  (bei  Storm 
S.  228  flf.).  D  =:  Dänisclie  Krönike  nach  der  jüt.  Hdsclir.  und  Ghemens  Ausgabe  (bei 
Storm  a.  a.  O.).  P  =  Pedersens  Keyser  Karlls  Kr.  (bei  Brandt  S.  99  ff).  F  =  faer.  Lied. 

**)  R  übergeht  die  Aufzählung  der  Reli(|iiien  gauz. 


LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.     237 

das  Haupt  gebunden.  Ferner  findet  sich  in  F  (v.  17)  ein  Becher,  aus  dem 
Jesus  trank,  als  er  gen  Himmel  fuhr,  was  zurückfühi-t  auf  S  S.  469^^:  kaJeh 
pann  er  cb-öttinn  hlezaäi  =  schw. ;  fehlt  in  D  F.  Statt  der  Milch  der  Jungfrau 
Maria  wird  hier  ihre  Brust  genannt  (v.  14).  Neu  ist  in  F  eine  Locke  vom 
Haare  der  Maria,   Die  andern  Reliquien  fehlen. 

Nun  folgt  ein  ganz  selbständiger  Zug,  für  den  ein  belesenerer  Forscher 
vielleicht  die  Quelle  findet.  Vor  dem  Zuge  nach  Gardariki  [wie  hier  Miklagard 
=  Griechenland  genannt  wii-d;  vgl.  Cleasby-Vigf.  s.  v.]  wird  Karl  durch  den 
Patriarchen  gewarnt:  große  Gefahren  drohten  ihm  da;  zwei  weiße  Bären  stünden 
am  Burgthor,  doch  beim  Anblick  seines  Schwertes  würden  sie  von  den  Stein- 
thüren  herabfallen;  ferner  au  den  Pforten  der  inneren  Halle  zwölf  Wolfshunde, 
die  aber  dasselbe  Schicksal  haben  würden.  In  der  Halle  sprudele  vom  Boden 
eine  Giftquelle  auf,  Feuer  brenne  auf  den  Bänken.  Als  Karl  sich  durch  alle 
diese  Schrecknisse,  die  nach  unserem  Geschmack  freilich  mehr  als  kindlich  er- 
funden sind,  nicht  abhalten  lässt,  gibt  ihm  der  Patriarch  seinen  Segen.  Beim 
Eintritt  in  das  Land  findet  K.  zunächst  3000  Jungfrauen,  die  mit  ihren  Ge- 
liebten einen  Tanz  aufführen  (v.  34  f.),  ähnlich  wie  in  frz.  =  S  S.  470';  fehlt 
in  schw.  DP.,  dann  auch  die  ihm  prophezeiten  Fatalitäten,  die  er  nach 
des  Patriarchen  Wort  überwindet.  Eine  weitere  Beschreibung  der  Halle  fehlt. 
Doch  bestätigt  Karl  den  Ausspruch  seiner  Gemahlin  (v.  48).  Die  Abendmahl- 
zeit, die  Bekanntschaft  Olivers  mit  der  Tochter  Hugos  etc.  werden  ganz  über- 
sprungen. Im  folgenden  Vers  fordert  K.  zu  den  i})r6ttir  auf.  Roland  entgegnet: 
ei  skal  niäur  falla.  Ber  mi  upp  tä  fystu  treyt,  ti  tir  erut  ovur  oss  allar  =  D  : 
roland  sagde  thet  böör  ether  först  herre  =  P.  Li  S  S.  473^'  =  R  v.  104  = 
schw.:  peir  hdäu  kann  fyrstan  segja  sina  iprott.  Frz.  wird  vor  v.  453  etwas 
ausgefallen  sein.  Mit  Karls  ijjrott  ist  diejenige  Eimers  [=  schw.  Aerner  = 
dän,  Rymer]  vermengt  worden,  allerdings  nach  ihrer  dänischen  Fassung.  F  v.  51 
keisariiin  skal  ek  d  hdlsinn  sld  etc.  =  D  S.  236*'^*':  wilt  ieg  slaa  hand  [sc. 
kongen]  paa  halsen  etc.  Die  anderen  Redactionen  weichen  ab.  Der  Mann  in 
der  Steinsäule  [diese  letztere  ist  auswendig  von  Ziegelstein  (!)  inwendig  hohl] 
schreibt  (v.  53  ff.)  seine  Uvtheile  auf,  auch  in  D  wird  er  scriffuerin  genannt, 
und  hinzugefügt:  S.  234^'"^  f.:  som  skulle  mercke  och  scriffum  hvat  frankes  men 
talade. 

Mit  Rolands  Abenteuer  (schw.  D  =  iprött)  ist  dasjenige  Bertrams 
zusammengewoi-fen,  und  zwar  steht  letzteres  zuerst.  Dann  will  er  das  Haar  vom 
Haupte  des  Kaisers  blasen  (v,  56):  hert  skal  eptir  standa.  Dazu  stimmt  nur 
schw.  S.  235^'':  oc  skal  keysaren  sta  ater  nakudher.  Kein  anderer  Text  hat 
diesen  Zusatz;  doch  hat  er  ursprünglich  gewiß  auch  in  S  gestanden.  Der 
Schreiber  bemerkt  dazu  in  F.  v.  57:  Ger  tu  td  sum  tu  sigur,  td  hevur  til  ster- 
kan  and  =  D  S.  235''^"  ff.  ^=  P:  tha  hafuer  thu  en  stark  andhe  sadhe  scriffue- 
rin*).  S  weicht  ab. 

Des  Schreibers  Antwort  auf  Olivers  gabb  v.  60:  Ger  tu  td  sum  tri  sigur, 
td  er  tu  av  spurru  siegt,  finde  ich  nur  in  P  S.  101^^  wieder:  Du  trcettis  en 
för,  uden  du  est  äff  spurge  slecte.   D  hat  nur:  tu  trötther  cen  för.   =  S. 


*)  In    schw.    fehlen    die  Bemerkungen    des    Schreibers  durchweg,    außer    nach 
Karls  i})r(1tt. 


238     LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN. 

Es  folgt  Guillaume  d'Orenge,  der  aber  in  F  v.  61 :  Villicornus  genannt 
wird  =  DP  tvilliem  comitz  :=  schw.  wilicelm,]  dagegen  S:  Villifer  af  Orenge', 
ich  möchte  fast  glauben ,  Vühjdlmr  Korneis  habe  in  der  Originalhdschr.  von 
S  gestanden  5  vgl.  Storms  Bemerkung  S.  62.  Der  Schreiber  sagt  zu  seinem  gabb 
V.  67:  Ger  tii  td  sum  tu  sigur ,  tä  ger  tu  kong  Iluggon  storan  skada.  =  P: 
Da  g'ör  du  kong  Hugen  stör  skade  sagde  scriffueren.  Nach  Storms  Angabe  muß 
dieser  Satz   in  A  und  B   des  dän.   Textes  fehlen.     S  und  R  weichen  ab. 

An  Ernaldrs  Stelle  tritt  hier  Eingilbrett,  ein  Name,  der  sich  nahe  be- 
rührt mit  D  S.  236''3  =  P:  Engeler.  Es  heißt  v.  66:  Ek  skal  etiga  i  hUikerit, 
td  tcift  heitast  swlur  :=  D  S.  236''7  :  ...  nar  hwn  sywdher  tha  will  jeg  styge 
iher  lofj  P  S.  102^'  fügt  nach  suider  ein:  hardist,  dem  F  heitast  entspricht; 
S  schw.  weichen  im  Wortlaute  ganz  ab.  Der  Späher  sagt  v.  67:  td  hevur  tu 
eaja(f)   hiid  =  D  S.  236''2    =   P:  tu  haffuer  en  hord  hudh. 

Es  folgt  Turpin,  zu  dessen  Rede  nichts  zu  bemerken  ist.  Antwort  des 
Schreibers  v.  72:  td  mundi  honum  illa  behaga',  ger  tu  td  sum  tu  sigur  guä 
forbjddi  tad  =  F8.  102 2":  Gud  forbiude  dtt.  Dagegen  D  S.  236''='':  gud  lade 
thet  aldrigh  skee.   S   weicht  noch  mehr  ab. 

Die  übrigen  gabbs  fehlen.  Am  Morgen  greift  der  Spion  zu  seinen  Kleidern, 
löst  den  Brief  von  seinem  Gürtel  und  wirft  ihn  auf  den  Tisch  des  Königs. 
Das  ist  natürlich  nur  eine  Weiterbildung  der  Idee  vom  Schreiben. 

Dagegen  ganz  selbständig  erfunden  scheint  der  Zug,  daß  dem  König  Karl 
seine  Gemahlin  im  Traum  erscheint  mit  der  AuiForderung,  sich  das  Gesprochene 
noch  einmal  zu  überdenken.  Als  er  aber  am  Morgen,  ängstlich  geworden  durch 
diese  Erscheinung,  mit  seinen  Helden  zur  Kirche  geht,  kommt,  anstatt  eines 
Engels,  eine  Taube,  setzt  sich  auf  seinen  Arm,  spricht  aber  etwa  dasselbe, 
wie  jener.  Diese  letztere  Änderung  könnte  leicht  hervorgerufen  sein  durch  eine 
Reminiscenz  aus  dem  VI.  Buche  der  Saga:  Äf  Otuel,  dem  (Cap.  8)  während 
des  Zweikampfes  mit  Roland  ebenfalls  der  heilige  Geist  in  Gestalt  einer  Taube 
zufliegt,  um  ihn  anderen  Sinnes  zu  machen.  Dann  springt  F  v.  82  gleich  zur 
Ausführung  der  if)röttir  über  und  bricht  mit  der  Flucht  des  Königs  Hugo  auf 
den  Thurm  ab. 

Zunächst  ist  hervorzuheben,  daß  die  den  Zusammenhang  wesentlich  schä- 
digenden Auslassungen  in  der  Erzählung  schwerlich  dem  Dichter  zur  Last 
zu  legen  sind,  sondern  auf  der  Lückenhaftigkeit  der  mündlichen  Überlieferung 
beruhen  dürften. 

Etwas  bedenklicher  ist  die  Frage  nach  der  Quelle  von  F.  Aus  der  obigen 
Übersicht  erhellt  erstens,  daß  F  sich  am  nächsten  —  oft  wörtlich  —  anlehnt  an 
die  dänische  Bearbeitung,  und  zwar  an  einer  Anzahl  Stellen  augenscheinlich 
Zusätze  von  Chr.  Pedersen  aufnimmt*).  Daneben  muß  aber,  wie  einige  Stellen 
zeigten,  auch  ein  ausführlicherer  Text,  jedenfalls  die  isländische  Prosa,  benutzt 
worden  sein.  Mit  R  zeigt  F  nirgends  nähere  Berührung.  Dieser  Umstand  ist 
lehrreich  gegenüber  der  Neigung  Storms,  die   faer.   Gedichte,  z.  B.^die  Sjürdar 


*)  Es  wäre,  nebenbei  bemerkt,  recht  zweckmäßig  gewesen,  wenn  Storm  die  ver- 
hältnissmäßig  geringen  sachlichen  Zusätze  Pedersens  in  die  Variantensammlung  auf- 
genommen hätte.  Man  hätte  dann  eine  Art  Überblick  darüber  gewonnen,  wie  häufig 
und  welcher  Art  dieselben  sind.  Brandt  (a.  a.  O.  S.  525  ff.)  hat  sie  gar  nicht  betont. 


LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.     239 

kvfedi,  nicht  direct  von  Sagas,  sondern  von  nach  diesen  verfassten  isländischen 
Rimur  abzuleiten  (vgl.  a.  a.  0  S.  224  f.),  von  denen  keine  Spur  nachweisbar 
wäre.  Eine  solche  Annahme  mehrerer  Quellen  für  ein  fser.  Lied  hat  gar  nichts 
AuflFallendes.  Für  das  Högnilied  hat  Döring  (a.  a.  0.  S.  283  ff.)  ebenfalls  ver- 
schiedene Vorlagen  aufgezeigt,  und  Storm  erwähnt  (S.  223),  daß  auf  Svabos 
Aufzeichnung  des  „Runsevalsstruj"  die  dänische  Karlschronik  Einfluß  geübt  hat. 
Pedersens  Redaction  der  Karls  Krön  icke  ist  in  erster  Auflage  1534  er- 
schienen: Geipa  tätur  muß  also  später  gedichtet  sein.  Auch  das  kann  nicht 
befremden,  wenn  wir  bedenken,  daß  auch  Vedels  gedruckte  Viser  für  ältere 
faer.   Gedichte  benutzt  worden  sind. 

S.  215  spricht  Storm  von  Otuels  rimur  in  Kopenhagen,  die  ebenso  alt 
sein  sollen  als  die  Geiplur.  In  einer  Membrane  existieren  dieselben  wenigstens 
nicht  und  ich  habe  sie  überhaupt  nie  gesehen;  doch  wird  Jon  Sigurdsson  da- 
mit natürlich  Recht  haben.  Dagegen  findet  sich  in  Svabös  Sammlung  Heft  III 
ein  fseroisches  Lied  über  Otuel,  der  hier  freilich  Otvald  heißt.  Ich  will  das- 
selbe hier  kurz  besprechen  und  wenigstens  einige  Verse  anführen. 

Am  Morgen  bei  Sonnenaufgang  erscheint  ein  großer  Mann  aus  der  Halle 
Garsia's,  Namens  Otvald,  beim  Kaiser,  erfasst  denselben  bei  seinem  weißen 
Barte  und  hebt  ihn  so  aus  dem  Sitze.  Von  dieser  Gewaltthat  weiß  S  nichts, 
obwohl  der  Bart  des  Kaisers  auch  dort  erwähnt  wird.  Keiner  von  den  Fi-anken 
wagt  ihn  anzublicken,  außer  Roland.  Dieser  droht,  ihn  durch  sein  Schwert  Dirin- 
dal  zu  einer  Beute  der  Wölfe  zu  machen.  Karl  fragt  Otvald,  an  welchen  Gott 
er  glaube.  Es   heißt  v.   8: 

Ek  trygvi  paa  mitt  skjöld  og  svord, 

og  ringabrynju  fri'da, 

hesin  sami  buni  brandur 

pn'sar  mik  so  vi'da. 
[Ein  Zug,  der  sich  hier  nicht  in  S,  aber  sonst  oft  genug  in  S.  findet,  hier 
also  anders  woher  eingeflochten  ist.]  Karl  prophezeit  ihm  übles  bei  solchem 
Schutz.  Auf  die  weitere  Frage  Karls,  welche  Botschaft  er  bringe,  eröflfnet  jener, 
der  König  Gaisia  sende  ihn,  um  Tribut  von  des  Kaisers  Land  zu  erheben. 
[Nach  S  soll  K.  ihm  sogar  ganz  Prankreich  abtreten].  Das  möge  Gott  ver- 
hüten, versetzt  K.  Ferner  sagt  0.  er  sei  gekommen  um  sich  mit  Roland  zu 
messen.  Die  Jungfrau,  welche  0.  wappnet,  heißt  Dalita,  was  zu  keinem  Namen 
in  S  passt.  Bei  Tagesanbruch  wird  der  Zweikampf  begonnen.  Rolands  ersten 
Hieb  wehrt  0.  mit  seinem  Schilde  ab;  bei  den  nächsten  Schlägen  verwunden 
beide  sich  gegenseitig.  Auch  diese  Scene  schließt  sich  nicht  enger  an  S  an. 
Die  Gebete  Karls  sind  in  F  in  dines  zusammen  gezogen  v.   24,  wie  in  P: 

T4  er  keisarinn  Karlamagnus , 

til  bönar  hann  gär. 

Harra  gud  gevi  tär  sigur  i  dag, 

Roland  frandi  v4r. 

Da  erfolgt  das  Wunder,  ähnlich   wie  in  S;  v.  25ff. : 
Ljösit  kom  av  himli  nidur, 
tä  for  eptir  vonum: 
Vid  tad  er  Odvald  högga  mundi 
alt  drö  megin  frä  honum. 


240    LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN. 

Ljösit  kom  av  himli  nidur, 
yvur  heidins  herar. 
Vi'ct  f)ad  er  Odvald  högga  mundi, 
tä  vildi   av  angun  vera. 

Tu  tort  ikki,  Roland  jall 
efla  tek  so  stinuan , 
Hevdi   ec  havt  slika  trii  sum  tii, 
tu  skuldi  mec  ikki  vinna. 
Wir  finden  auch  hier  nirgends  directen  Anschluß    an  S  oder  P;    an   die 
Stelle  der  Taube    ist   ein  Licht  getreten ,    das    dem    Heiden    seine  Körperkraft 
nimmt,  und  Otuels  Worte  sind  viel  weniger  zahm  gehalten,   als  dort. 

Der  Kaiser  verspricht  ihm,  wenn  er  Christ  werden  wolle,  seine  Schwester 
zu  geben  [in  SP  seine  Tochtei-] ;  mit  einer  beistimmenden  Rede  von  Odvalds 
Leuten  schließt  das  Gedicht.  Nach  welcher  Vorlage  es  verfasst  ist,  lässt  sich 
nicht  mehr  erweisen:  vielleicht  nur  nach  mündlicher  Überlieferung.  Sonst  würde 
sich  wohl  —  wie  in  Geipa  tätur  —  irgendwo  wörtliche  Übereinstimmung  mit 
einem  Texte  finden. 

An  diese  drei  Lieder  aus  der  Karlamagnussaga  (Runsivals  striS,  Geipa 
tätur,  Otvalds  rima)  schließt  sich  ein  viertes,  das  Svabo  Edmunds  Ri'ma  nennt. 
Es  handelt  von  dem  Abenteuer,  welches  K.  d.  G.  mit  Jamund  an  der  Quelle 
zu  bestehen  hat:  Karlamagnussaga  VII,  Cap.  55  S.  199.  P  S.  47.  Daß  man 
diese  Lieder  auch  beim  Volke  für  zusammengehörig  hielt,  lehrt  die  Bemerkung 
des  Sammlers  „Denne  rujma  synges  af  nogle  for  sig  selv,  som  en  taatur 
af  Runsivals  bölk,  men  efter  andre  er  den  eet  med  Rol.  kv.  eller  Runsivals 
etruj  " . 

Das  Gedicht  beginnt: 

Emund  kvittar  ur  stridinum , 
skuldi   rida   hajm, 
Tä  var  keisarinn  Karlamagnus . 
bann  vann  honum  mein. 

Emund  eigir  ein  fljotan  best, 
tilikur  eingin  i  landi , 
So  leypur  han  yvur  dalar  og  fjöU 
sum   adi-ir  a  slöttum  sandi. 
Von    der  Schnelligkeit  von  Edmunds  Roß    ist    nur    in  S,  nicht    in  P  die 
Rede.  Edmund  legt  sich  an  der  Quelle  nieder,  um  zu  trinken. 
Karl  d.   Gr.   sagt  v.   4 : 

Ec  sä  kjempu  i  strid  i  dag, 
vanari  ec  ikki  sä. 
Givi  tä  gud  av  himmiriki , 
ec  hevdi  heuni  näd. 
Er  kommt  zur  Quelle    und    heißt  Emund    aufstehen  und  sein  Leben  ver- 
tbeidigen,  nennt  auch  auf  E.  Verlangen  seinen  Namen  (v.  9).  Emund  wünscht 
des  Kaisers  Helm  zu  besitzen,    jener  vei'weigert    ihn  und  sie    kämpfen  darum. 
Bis  bierbin  schließt  F  sich  so  ziemlich  genau  an  die  Saga  an.  Jetzt  aber  folgt 
ein  Stück,  welches  wohl  der  Erfindung  des  Dichters  zuzuschreiben  ist;  wenigstens 
ist  dieser  Zug  von  anders   woher   übei tragen,    ohne    daß  ich  jedoch  die  Quelle 
anzugeben  wüsste.  Ich  hebe  die  ganze  Episode  aus  v.  16  ff. : 


LITTERATLTR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.     241 

Bardust  teir  um  hjalmin   tann, 
tä  var  mest  af  süt.    — 
Henda  sama  fagra  dag 
ta  slap  Koland  ut. 

Svaradi  keisarinn  Karlamagnus , 
stöd  tä  skamt  i  frä: 
„Gevi  tä  guä  i  himmin'ki, 
Olgar  lievdi  stactid  hjä. 

Keisarinn   eigir   ein   systurson , 
bann  vil  bann  ikki  gloyma, 
Setur  bann   i  Glastriborg 
vict  sextan   sveina  goyma. 

Eöland  reikar  i   borginni, 
bann  biggur  at  ringinum  reyda: 
„Tk  63SY  eg  a  ringinum , 
at  frandi  min   er   i  neyct. 

Roland  talar  til  sveinanar 
tögva   ella  triggjar: 
„Lovi   mar  af  ballinni  vit, 
franda   min   at  siggja. 

Svaradi   ein   af  sveinunum, 
sum  binar  bevdi   i  valdi: 
Tii  fert  ikki   af  baliinni   lit, 
tu   ert  so   ungur   af  aldri. 

Svaradi  annarr  af  sveinunum , 
bann   beldur   ä  bi'inum   knivi: 
Tu  fert  ikki  af  ballinni  lit, 
tii  ert  so  ungur  k  livi. 

Roland  reikar  i   borginni , 
ta  gerdi  ban  treytr , 
Tok  bann   ein   af  sveinunum , 
og  sldri  binar  dej^dar. 

Roland  slap  af  ballinni  üt 
i  ti  fyrsta   sinni , 
Hanu  fekk  s4r  ein  fljotan  best, 
bann  legdi  sär  i  minni. 
So  reitet  Roland  in  den  Wald   binaus.   Ii;  S  beißt  es  nur  S.  2OI3  :   kemr 
at  fram   Rollant  etc.  Interessant  ist  diese  Episode    immerbin  für  die  Kenntniss 
der    Art    und    Weise,     wie    man    die    überkommenen     Stoffe    ausputzte,     resp. 
weiterbildete.     Glastriborg    findet    sich    übrigens    in    den    Sjilrdar    kvtedi,   z.   B. 
Dvörgamoy  IV  v.  18. 

Roland,  von  K.  mit  Freude  begrüsst,  der  schon  ganz  ermattet  ist,  kämpft 
mit  Emund  und  tödtet  ihn  mit  Durindal.  Dann  bringt  er  dem  Kaiser,  der  in- 
zwischen die  Besinnung  verloren  und  von  dem  Kampfe  nichts  gesehen  zu  haben 
scheint,  Wasser  im  Hörn  Eulufu  und  stärkt  ihn  so.  Hörn  und  Schwort  des 
Gefallenen  nehmen  sie  mit  und  reiten  zur  Halle  zurück.  Olgar  danski  sagt, 
K.  verdanke  Roland  sein  Leben  und  K.  bestätigt  es.  Damit  schließt  das  Ge- 
dicht, das  allerdings  sich  nur  im  Allgemeinen  an  S  anschließt,   so  daß  es,   ebenso 

GERMANIA.  Neue  Reihe  Vin.  (XX.)  Jahrg.  16 


242     LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN. 

wenig  wie  beim  vorigen,  zu  entscheiden  ist,  welcher  Text  zu  Grunde  liegt. 
Ausfall  von  einzelnen  Versen  anzunehmen,  scheint  hier  unnöthig,  da  der  Zu- 
sammenhang  nirgends   gewaltsam   unterbrochen   ist. 

Damit  ist  die  Reihe  der  faeröischen  Lieder,  welche  sich  an  den  Karls- 
sagenkreis anlehnen,  abgeschlossen,  falls  wir  nicht  die  Flovins  rima  (Svabo  III), 
welche  einem  Theil  der  Floventssaga  entspricht,  mit  hieher  rechnen  will,  auf 
die  ich  an  andei'er  Stelle  bei  Besprechung  der  letzteren  zurückkommen  werde. 
Ehe  ich  diesen  Abschnitt  schließe,  möchte  ich  noch  eine  Vermuthung  be- 
treffs der  Karlamagnussaga  aussprechen.  Im  frz.  Rolandsliede  wird  erzählt, 
daß  Olivers  Schwester  Aide,  welche  mit  Roland  verlobt  ist,  in  Ais  vor  Schmerz 
entseelt  zusammensinkt,  als  sie  von  dessen  Tod  Kunde  erhält.  In  der  Saga  wird 
sie  zwar  auch  an  anderem  Orte  erwähnt  (vgl.  Storm  S.  42  f.),  aber  die  obige 
Erzählung  von  ihrem  Tode  wird  an  der  betreffenden  Stelle  ganz  übergangen, 
wie  auch  Storm  hervoi-hebt  (S.  29).  Doch  aber  möchte  ich  glauben,  daß  sie 
ursprünglich  auch  in  der  Saga  vorhanden  war  und  durch  irgend  einen  Zufall 
ausgefallen  ist.  In  dem  Mansöngr  nämlich,  der  die  vierte  ri'ma  der  Geirarils 
ri'mur  einleitet,  v.  16  f.  wird    direct  auf  diesen  Zug  hingewiesen.   Es  heißt  da: 

Barctist   moctr,   fimr   ok  frodr 

fyrr  ä  hjall, 

rfkr  ok   odr,  riddari  godr, 

Eollant  jall. 

Hring]DÖll  skser  var  honum   so  kaer 

til  hjartans  }3inga: 

festarmser  J)at(?)   feil  so  naer, 

hun   for  at  springa. 
Aus  dem  franz.   Texte  kann  der  Isländer    diese  Notiz    unmöglich    wissen, 
und   woher   sonst  soll   er  sie  geschöpft  haben? 

Der  Vollständigkeit  halber  will  ich  endlich  noch  bemerken,  daß  der  Ver- 
fasser von  Icappakooßdi  [in  Cod.  Holm.  perg.  22,  4**,  aus  dem  ersten  Viertel  des 
16.  Jahrb.],  der  zwar  keine  große  dichterische  Begabung,  aber  um  so  um- 
fassendere Belesenheit  an  den  Tag  legt,  indem  er  c.  50  isländische  und  aus- 
ländische Helden  kurz  bespricht,  auch  in  der  Karlamagnussaga  ganz  heimisch 
ist;  er  nennt  Karl,  Rollant,  Oddgeir  danski,  Otuel,  Balldin,  Balan  und  Alkaen, 
Die  Thidreks  Saga  ist,  was  spätere  dichterische  Bearbeitungen  wenigstens 
auf  Island  anlangt,  gegen  die  Karlamagnussaga  sehr  dürftig  weggekommen, 
obwohl  ihre  vielen  Episoden  sich  sehr  gut  zu  Stoffen  für  Ri'mur  geeignet  hätten. 
Storm  führt  gar  keine  hierher  gehörigen  an,  und  auch  mir  sind  nur  Herburts 
ri'mur  (Cod.  Guelf.  und  AM  604)  bekannt  geworden.  Über  diese  heißt  es  Ant. 
Tidsskr.  1849  —  51,  S.  12:  „Sagaen  hörer  til  den  brittiske  Cyclus  om  kong 
Artus  og  bans  Kjsemper,  men  findes  ikke,  saavidt  vides,  i  nogen  Sämling."  Daß 
man  1849  in  Kopenhagen  nicht  gewusst  hat,  daß  diese  Ri'mur  ihren  Stoff  aus  Cap. 
231  ff.  der  Thidreks  Saga  hergenommen  haben,  muß  billig  Wunder  nehmen, 
um  so  mehi-,  als  die  Abweichungen  der  Ri'mur  sehr  unbedeutend  sind  und  alle 
Namen  übereinstimmen.  Freilich,  während  der  schwedischen  Dietrichschronik 
vielleicht  nur  dieselbe  Stockh.  Hdschr.,  nach  der  die  Saga  jetzt  von  Unger  ediert 
ist,  als  Quelle  gedient  hat,  hat  der  Dichter  vorliegender  Rimur  offenbar  eine 
andere  Hdschr.    benutzt.     Daher  wohl  z.   Th.,   vorwiegend  aber  vielleicht  —  die 


LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.      243 

Entscheidung  ist  unmöglich,  weil  wir  über  die  Vorlage  jenes  Sagaabschnittes 
absolut  nichts  wissen  —  aus  der  Willkür  des  Dichters  schreiben  sich  die 
A^'arianten,  die,  meist  sachlicher  Natur,  für  die  Greschichte  der  Thidrekssaga 
nicht  ohne  Interesse  sind  und  deßhalb  im  Folgenden  mitgetheilt  werden  sollen. 
Für  die  Stellen  aus  den  Ri'mur  (=  R)  ist  Cod.  Guelf.  zu  Grunde  gelegt. 
Thidrek  sucht  eine  ebenbürtige  Gemahlin.  Es  heißt  in  R: 
Fylkir  heldr  frettum  nii, 

fimr  i   eli  vigra, 

hvar  sü  vseri  hoeversk  frii, 

at  honum  s6  vegr  at  bidja. 

=  A: Pidrekr  konungr  leiäir  at  frettum,    hvar  su    Jcona    sitr,   at  honum 

pikkir  s^r  soma.   B  ähnlich.  Mbr. :   Nu  hcevir    Pidrekr  konungr  oenga  konuser   til 
ceignar  konu.  firir  pvi  at  hvergi  hcevir  hann  set  oc  eigi  hceuir.  hann  frett  til  sua 
friärar  konu  sem  hann  vill  ceiga;   also  wesentlich  im  Wortlaute  abweichend. 
Die  Werbung  (S  S.  214^  ff.)  fehlt  in  R  ganz.   Statt  dessen  heißt  es; 

rekkr  ok  j^yctr  Jjengill  bydr 

ridreks  mönnum  öUum: 

Sextigir  manns   er  sigldu  or  Franz 

sitja  i  Artus  höllum. 

Hälfa  vetr  ok  heldr  betr 

ristir  sat  ]iar  n'ta, 

Enga  stund  mk  agaett  sprund 

afreksgarpa  lita. 

So  hefig  spurt,   hann  sendi  i  burt 
si'na  garpa  dyra , 
Jseir   skulu  brdtt  k  J^enna  hatt 
Pidrek   kongi   skyra. 

Holdar  peir  med  hvassau  geir 
heim  til  rictreks  venda, 
fleiri  menn  vill  fylkir  enn 
friinni  ekki  senda. 

Nach  der  Saga  schickt  Herburt  seine  Begleiter  erst  zurück  (Cap.  237), 
nachdem  er  die  Prinzessin  gesehen.  Zuzugeben  ist  übrigens,  daß  in  der  Dar- 
stellung von  S  die  Werbung  (Cap.  234)  ganz  im  Sande  verläuft,  ohne  daß 
damit  etwas  über  die  Ursprünglichkeit  der  dinen  Lesart  präsumiert  werden  soll. 
Es  wird  dann  in  R  noch  einmal  wiederholt: 

Nii  er  hann  einn  ok  engi  sveiun 
eptir  ridreks  manna. 

Die  Botschaft  der  Kammerfrau  (S.  Cap.  236)  ist,  wohl  um  zu  kürzen, 
in  R  weggelassen.  Dagegen  ist  nach  R  Herburt  etwas  weniger  brutal  gegen 
den   störrigen   Mönch : 

Garprinn   talar   vid  gamla  segg, 
Gripr  1   munksins   sida  skegg : 
Ek  skal  kömpum  kippa  af  per, 
ei  keifar  l:>ü  neitt  til  olids  mer. 
Vgl.   S   S.    21 64  ff. 

16* 


244     LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.   IM  NORDEN. 

Im  Folgenden  hat  K  eine  wesentlich    andere  Darstellung    als   S,   weßhalb 
ich   diese  Stelle  complet  ausschreibe.   Man  vgl.    S   Cap.   237.   K  bietet: 
Herburt  nü  fyrir  hilmi  stö 
hseversklega  ok  feil  k  kn^; 
sidan  berr  hann   kongi  ker: 
kurteis  veizla  stofnad  er. 

t^eingill   talar   vid   l)orna   lund: 
„t'vi  skalt  ganga   ä  vi'fa  fund, 
„J)j6na  upp  ä  Jjeirra  boret, 
„):)egniun  gledst  vid  J)essi  ord. 

„Nii  er  sa  dagr,   at  döttir  min 
„drekkr  i  höll    med  meyjum  sin; 
„Jjeim  er  haldinn  heidrinn  vant, 
„haf  mi  fram  l:)at  er  ]m  kant!'' 

Heilsar  upp  ä  hseversk  vif 
Herburt  med  sitt  unga  lif, 
]5iggr  slikt  af  })eim  i  gen, 
J)ar  mä  heita  veizlan  klen. 

Byrlar  hann  hit  bezta  vi'n 
bdru  glödar  seskiliu; 
hvort  til   annars   löngum  leit, 
li'fit  speunir  elskan  heit. 

t^enna-dag  sem  drykkjan  lidr, 
dögling  sitt  ok  ristill  fridr, 
hilmir  talar  vid  Hildi   kgerr, 
Herburt  si'ttr  furdu  uaer. 

„Ljiifa  dottir",  })engill  kvad, 
„leystu  )iat  er  ek  fretti  at: 
„Hversu  kuiini  hofmauns  plag 
„herra  Jjann  sem  skenk[t]i  i   dag?" 

Svanni  vard  i  svörunum  Idttr: 
„Sa  mä  J)ikkja  hofmann  rdttr! 
„slika  kunni  alla  art , 
„einnhvern  ti'ma  laerdi  mart. 

„Hardla  vitr  er  hristir  fleins, 
„hann  skal  verda  ydr  til  sveins, 
„standa  frammi  ok  ]ijöna  per, 
„]De88  i  milli  hann  skenkir  mer." 

Kappinn  gekk  i  kvenna  lid, 
katar  urdu  meyjar  vid 
rar  var   hofmanns   heidrinn  vendr 
hvern  J^ann   dag   hann   frammi   stendr. 
Nach  S    erbittet    sich  Hilde  von    ihrem  Vater,  daß  Herburt  ihr  Schenke 
sein  darf  und  dieser  willigt  nur  widerstrebend  ein.  An   das  Obige  schließt  sich 
nun  der  Inhalt  von   S  Cap.   238   genau  an. 

Endlich  sind  noch  in  R  die  Verse  hervorzuheben,  in  denen  dem  König 
von  der  Flucht  seiner  Tochter  Anzeige  gemacht  wird.  Man  vgl.  den  Schluß 
von  S    Cap.   238. 


LITTERAT ÜK:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.     245 

Riddari  einn  fyri  rajsi  gengr, 
r 36 dir  svä  med  tiggja: 
„Samir  ]3eim  ei  at  sitja  lengr, 
„er  saämdir  vilja  jsiggja. 

„Rsesir  gaftu   riddara   einn 
„n'kri   dottur  ]>inui: 
„ydr  mun  eigi  Tpessi  sveinn 
„jjarfr  at  setlun  miuni. 

„R^tt  i  dag,  sem  rann  upp  söI, 
„rödullinn   tok   at  ski'na, 
„bjo  sik  ])etta  bölvat  föl 
„burt  meä  d(5ttur  ])ina. 

„Lsetr  Jiii  ekki  leita  at  })eim 
„ok  li'fi  riddarann   fletta, 
„koma  ]Dau  aldri  hingat  heim, 
„hafi  Jj^r  so  gjort  jietta. 
Dieser  Passus  ist  viel  ausführlicher,   als   der    entsprechende  in   der  Saga, 
mit   dem   er    sich    dem   Sinne    nach    übrigens    deckt.     Hier   wie   oben    lässt    sich 
aus    inneren  Gründen  gar  kein  Schluß  ziehen  auf  die  Authenticität  einer  Fassung. 
Ob    die    folgenden  Zeilen    aus   Kappakvsedi    (s.  o.)   v.  3    hierher    gehören 
mögen  ? 

Tristram  fr4  ek  med  brandiun  blä, 
brytjar   födur   sins  mengi. 
Mit  der  Erzählung    der  Saga  (die  hier    mit  R  stimmt)  wollen  die   Worte 
sich    nicht    recht    in    Einklang    bringen    lassen,    denn    dort  (Cap.  231)    hat    es 
Tristram  nur  mit  seinem  Bruder  Herjaegn,    nicht  mit  den  Leuten  seines  Vaters 
zu  thun.   Vielleicht   beruht  die  Abweichung  auf  unsicherer  Reminiscenz. 

S.  73  ff.  weist  Storm,  wie  mir  scheint,  unwiderleglich  nach,  daß  die 
dänischen  und  schwedischen  Fassungen  der  Vise  von  „König  Dietrich  und 
seinen  Helden"  nicht,  wie  Sv.  Grundtvig  meinte,  auf  einen  deutschen  Urtext, 
sondern  auf  die  schwedische  Dietrichschrouik  zurückgehen.  Die  ungedruckte 
fseröische  Fassung,  die  Grundtvig  (DgP.  I,  S.  65)  in  zwei  Redactionen  vorlag, 
scheint  St.  nicht  genauer  geprüft  zu  haben,  da  er  sie  nur  nach  Gr.  citiert.  Was 
mir  eine  genaue  Vergleichung  von  Svabos  Niederschrift,  die  mir  allein  zu  Ge- 
bote stand,  mit  den  übrigen  Formationen  des  Liedes^  sowie  mit  der  Saga  und 
der  schw.  Chr.  bemerkenswerthes  ergeben  hat,  will  ich  daher  zur  Vervoll- 
ständigung von  Storms  Notizen  hier  anfügen. 

Bei  der  Vergleichung  der  verschiedenen  Fassungen  dieser  Polkeviser  wird 
man  höchst  selten  zu  dem  Resultat  gelangen,  daß  eine  als  die  absolut  älteste 
anzusehen  und  die  übrigen  sämmtlich  davon  abzuleiten  sind.  Oft  kann  gerade 
eine  verhältuissmäßig  alte  Fassung  einzelne  späte  Interpolationen  aufgenommen 
und  umgekehrt  eine  späte  alte  Züge  bewahrt  haben ,  wie  das  ja  bei  der  Ent- 
stehung und  Fortpflanzung  solcher  Lieder  ganz  natürlich  ist.  Diesen  Umstand 
werden  wir  im  Folgenden  nicht  übersehen  dürfen*). 


*)  Kr  =  schwed.  Dietrichschrouik;  S  =  Pidrekssaga.  F  =  faer.  Lied.  Arw. 
Arwidsson:  Svenska  forusäuser  I. 


246     LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  R0MANT1SCHP:N  LITT.  IM  NORDEN. 

Der  König  Visin  (=  Isungr)  hat    nach   F   elf   Söhne,    die  seine  Banner- 
träger sind;   der  zwölfte  ist  Siurdr,   Sigmunds  Sohn;  vgl.   v.  3  ff. : 
Visin   kongur  borgina  eigir, 
hon  stendur  ä  höum  fjalli, 
EUevu  eigir  hann  sinir  s4r, 
og  tolvti  er  Sjurur  snjalli. 

EUevu  eigir  hann  sinir  skr  , 
tolvti  er  riddarinn  besti , 
eru  so  allir  Visana  sinir  , 
sita  so  vel  ä  hesti. 

EUevu  eigir  hann  sinir  sar, 
teir  bera  sitt  ailit  merki. 
Tolvti  er  Sjurur  Sigmundason  , 
Fevnisbanin  sterki. 
Diese  Angaben    stimmen    genau  zu  Kr.    und    S,   während    nach    den    dän, 
Fassungen  Sjurur  der  Sohn  des  Königs  ist  (Storm  S.  200). 

Daß  Brandr  [hier  hinn  viferi  genannt;  vgl.  Grundtv.  S.  67  f.],  seinem 
Beinamen  entsprechend,  schon  weit  herumgekommen  ist,  hebt  Kr.  und  S  nicht 
besonders  hervor;  dagegen  F  v.  6 :  ti  hann  hevdi  farit  vi  da  :=:  dän.  A.  v.  S'^: 
menn   du  haffuer  vanndritt  saa  viide. 

Wenigstens  erwähnt  muß  werden,  daß  die  Form  Bertingaland  und  Ber- 
tingäskog  in  F  (v.  8)  =  dän.  A  v.  4,  9  einfacher  von  Bertangaland  und  Ber- 
tangaskog  in  S,  als  von  Bretanea  oder  Britania  in  Kr.  abzuleiten  ist,  während 
freilich  Bratinsborg  (F  v.  6)  zur  zweiten  Form  stimmt. 

Der  Riese  beißt  in  F  Aggi  (nicht  Agi,   Grdtv.   S.  84,    die  Doppelconso- 
nanz  ist  durch  Assimilation  des  d  entstanden)  =  Edgeirr  (S)  oder  Edger  (Kr). 
Das  Abenteuer  Wictga's   (Wideke's),  F:   Virgar  Valindson,   mit  dem  Riesen 
bietet  in   F  keinen  abweichenden   Zug.     Dagegen    fehlt    der  Scherz,   durch  den 
jener  seine  Gefährten   schreckt.    Nach  Aggi's   Tode  fährt  das  Lied  fort  v.   23: 
,  Virgar   ropar  vi(t   härri   röst, 

hann  bidur  teir  koma  bratt, 
at  brenna  irni  Visans  sinir 
a  teirri  sömu  nätt. 
woraus  hervorzugehen    scheint,    daß    der  Dichter    diese   Scene  absichtlich  über- 
gangen   hat,   dieser  Ausfall  also    nicht  auf   lückenhafter    Überlieferung    basiert. 
Interessant  ist  die  folgende   Stelle.   Während  einige  Fassungen  gar  nichts 
davon  wissen,   daß  Sigurd  dem  König  die  erste  Kunde  von  dem  Fremden  bringt, 
andere  wenigstens  die  Reihenfolge  der  Handlungen  umgekehrt  haben,  heißt  es 
in  F  V.  24f.: 

Sjurur   stod   i  visgördum, 
hann   heldr   a  gyltum   hödni , 
Hann   ssev  guU   ok  glitra   merki , 
ä  fögrum  aumars   modni. 

Sjurur  gekk   ur  visgörum 
og  iun  ä  hallargolv: 
Hdr  eru  komnir  i  vort  land 
Tidriks  kappar  tolv. 


LITTERATUR:  ZUR  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN  LITT.  IM  NORDEN.     247 

T.  24  schließt  sich  eug  an  Kr.  an  Cap.  184^:  Sigorcl  swen  stod  i  vigs- 
kalen  og  sag  thenne  tidende.  han  gik  m  fore  konungen  oc  sayde  tili  hanum  etc., 
während  sich  in  S  S.  189'^  nur  findet:  oc  nu  kemr  til  peirra  Sigurdr  sueinn 
oc  mcellti  til  konungs  etc.  Diese  Stelle  beweist  wieder  klar  die  Abhängigkeit 
der  Vise  von  der  schw.  Chronik,  und  zugleich,  daß  F  hier  wie  oben  das  Ur- 
sprüngliche bewahrt  hat*). 

Sigurd  reitet  allein  den   Fremden  entgegen.  Fv.  30: 
Sjurur  g^kk  i  hellina  inu, 
einginn  er  bann  kendi , 
ütan  Virgar  Valindson, 
bann  einni  at  honum  vendi. 
Dieser  Zug  ist  F    eigenthümlich.   Sigurd  fordert  von  Dietrich   und   seinen 
Helden  Tribut;  F  v.  72: 

Gangur  her  nakar  skättur  av 
eptur  fornum  vanda. 
=  Kr.   Cap.   186^^:   Sigurd  sporde:   wilia  i  nokon  skatt  wtge^ra  som  her  ar   en 
gamall  sidwania.  In  S  entspricht  S.  191  ^'^:   sem  her  ero  log  til.   F   schließt  sich 
also   direct  an  Kr  an.  Die  andern  Texte  weichen  ab. 

Wenn  Storra  (S.  201)  bemerkt,  nur  im  faer.  Liede  würfen  die  Kämpfer 
das  Loos  darum,  wer  sein  Eoß  ausliefern  solle,  so  ist  das  nicht  ganz  genau. 
Es  heißt  v.  35: 

Teir  kastavu  sterning  4  breicta  bord, 
teir  runnu  vel  nakid  vi'da  ; 
Teir  fdllu  strax  unga  Humla  til, 
han  skuldi  möt  Sjüri  ri'da. 
Also  fast  wörtlich  =  Arw.  4  A  v.  9,  wo  ebenso   wie  im  Dan.   die  Meinung 
ist,  daß  Sigurd  mit  ihm  um  ihre  Rosse  kämpfen   soll  (vgl.  Arw.   v.  8),   ohne  daß 
dieser  Kampf  jedoch  zum  Austrag  kommt.   Dagegen  fährt  allerdings   F    fort: 
Sjurur  sat  a  G-räna  baki , 
snärliga  hann  sar  vendi, 
reid  so  burtur  fra  Tidriks  koppum, 

og  Humlinga  best  i  hendi 

T4  hann  för  af  gardi   burt, 
tä  hevdi  hann  hestar  tvä. 
Hier  sind  also  offenbar  die  beiden  Lesarten  mit  einander  vermengt. 
In   dem  Gespräche  Humlings  mit  Virgar**)  finden   sich  alle  die  späten  Zu- 
sätze wieder,   die  Storm  (S.  201  f.)  zusammengestellt  hat.   Daß  aber  in  F  Sigurd 


*)  Nebenbei  sei  bemerkt,  daß  in  dieser  Rede  Sigurds  einmal  die  schw.  Prosa 
sich  an  die  Lesarten  von  A  und  B  der  Saga  anschließt,  nicht  an  Mmb ;  Cap.  185**: 
oc  suia  hogmoduge  are.  oc  vtan  ider  wilia  are  kompne  i  wort  land.  Saga  A:  ok  sua 
diarfir  haja  gorz,  at  firir  utan  rad ydart,  hen-a,  hafa  komit  i  yävart  land  idofat.  B :  diarf- 
lega  lata  ok  S7ia  mikit  firir  ser  at  peir  hafa  komit  olofat  i  ydart  land.  Dagegen  Mmb. 
...  at  firir  ydart  rdd  hava  komit  i  ydart  land.  Zwei  ähnliche  Beobachtungen  hat 
Döring  gemacht  (a.  a.  O.  S.  70).  Es  lohnte  der  Mühe,  daraufhin  die  beiden  Texte 
einmal  vollständig  zu  vergleichen. 

**)  Hier  ist  eine  Stelle  im  schwed.  Texte  in  grammatikalischer  Beziehung  in- 
teressant; Cap.  187' f.:  thevi  gaff  mik  myn  fiader  oc  tw  skalt  wara  hans  arffwinge  oc 
ekke  iak  oc  faar  tw  ekke  tin  hest  igen  =  wenn  du  dein  Roß  nicht  wiederbe- 
kommst. Also  oc  im  Sinne  von  ,,wenn".  Vgl.  Saga  S.  192.  :  ef  ceigi  f(c  ek  pinn  hest 
per  aptr.  Vgl.  Tobler,  Germ.  Xlll   S.   101. 


248     LITTERATUK:  ZUK  ÄLTEREN  ROMANTISCHEN   LITT.  IM  NOItDEN. 

und  Ilumling  nur  zweimal  auf  einander  stossen ,  wie  in  Kr.,  ist  darum  nicht 
bemerkenswerth,  weil,  was  Storm  übersieht,  auch  einige  dän.  Fassungen  dazu 
stimmen  (D  v.  16  ff. ;  H  v,  46  £F. ;  G-  sogar  nur  einmal  (v.  13),  wo  natürlich 
mehrere  Verse  ausgefallen  sind.  Beim  ersten  Zusammentreffen:  sundurgikk  Hunila 
sadiljjorä  =  dän.   E  v.  21.   G  v.  13   gegen  Kr.    S. 

Wie  in  Kr  weigert  sich  in  F  der  besiegte  Humling,  seinen  Namen  zuerst 
zu  nennen :  seine  Genossen  würden  ihn  der  Feigheit  bezichtigen.  In  allen  an- 
deren Versionen  der  Vise  nennt  er  ihn  ohne  zögern.  Nur  in  F  =:  Kr.  S  nennt 
Sigurd  sich  direct,  v.  52: 

Sjurur  skal  tu  nevna  mik, 
Sigmunda  svein , 
Kjerdujr   drottning 
hon  bar  mik  i   heim. 
Die  beiden  letzten  Zeilen  sind  freilich  Zusatz  des  Dichters;  Kjerdujr  doch 
wohl   Hiördis'i  Kr  Cap.    188**^  hat  nur:  Jak  heter  Sigord  swen.  In  den  andern 
Texten  nennt  Sigurd  sich  überhaupt  nicht,   nur  Humlung  min  nerskylde  frende 
(Arw.  4  V.  28)    und    systersann  (das.  v.   29);  vgl.    dän.  A.  v.  78  f.     F  hat  nur 
V.   53: 

Er  hetta  satt,  tu  sigur  mär, 
tu  skalt  min  frandi  vera, 
ähnlich  wie  in   Kr.,  wo  das  aber  Amlung  sagt. 

Endlich  bemerke  ich  noch,  daß  am  Schluße  F  ein  Moment  aus  der  spä- 
testen Fassung  aufgenommen  hat;   v.  60  f.: 

Her  gangur  ein  dans  vid  Bratinsborg , 
bär  dansa  kempur  og  heltir. 
Her  dansar  Sjurur   Sigmundason 
vid  eikinni  4  belti. 

Hdr   dansadi   Sjurur   Sigmundason ; 
sin   lika  kan   ikki   siggja. 
Tan  minsta  kempa  i  dansinum , 
var  fyra   älin  til   kniggjar. 
also  ganz  wie  dän.  F  v,    36.   Den  Schlußvers  fügt  F  selbständig  hinzu. 

Es  ergiebt  sich  aus  dieser  Erörterung,  daß  das  fser.  Lied  in  Svabo's 
Fassung,  trotzdem  es  manche  späte  Züge  aufnahm,  den  Stoff  am  reinsten  er- 
halten hat,  indem  es  mehrmals  gegen  alle  übrigen  mit  der  schwedischen  Prosa 
geht.  Dadurch  erlangt  aber  auch  Storms  Ansicht,  daß  letztere  die  Quelle  der  Vise 
gewesen,  nicht  aber  ein  deutsches  Lied,  eine  schlagende  Bestätigung.  Es  ver- 
lohnte sich  deßhalb  wohl,  daß  die  verschiedenen  Aufzeichnungen  dieses  Liedes 
vollständig  gedruckt  würden,  wie  es  denn  überhaupt  sehr  zu  bedauern,  daß  die 
Sammlung  der  fjeröischen  Lieder  von  Hammorshaimb  unvollendet  geblieben  ist, 
wie  freilich  in  neuerer  Zeit  auch  so  manches  andere  littcrarische  Unternehmen 
in  Dänemark. 

Indem  ich  hiermit  von  Storms  sorgsam  gearbeitetem  Buche  Abschied  nehme, 
dessen  Thema  sich  mit  meinen  eigenen  Studien  nahe  berührt  und  dessen  Be- 
sprechung mich  in  Folge  davon  unwillkürlich  weit  über  die  sonst  einer  Reccn- 
sion    gesteckten   Grenzen    hinaus  geführt  hat,    sage    ich    dem  Verfasser  für  die 


LITTERATUR:  WILMANS,  DIE  ENTWICKLUNG  DER  KUDRUNDICHTUNG.     249 

mir  und  gewiß  auch  anderen  gewordene  Anregung  meinen  Dank,  und  knüpfe 
daran  den  Wunsch,  Herrn  Storm  recht  bald  wieder  auf  verwandtem  Gebiete 
zu  begegnen,  ein  Gebiet,  dessen  Bearbeitung  ja  für  Skandinavier  mit  bei  weitem 
nicht  so  großen  Schwierigkeiten  und  Umständen  verknüpft  ist,  als  für  uns  in 
den    Südlanden. 

BRESLAU,  im  Nov.  1874.  E.  KÖLBING. 


Die  Entwicklung  der  Kudrundichtung  untersucht  von  W.  Wilmans.  Halle, 
Verlag  der  Buchhandlung  des  Waisenhauses,    1873.    VIII  und    275  S.    8. 

Diese  Arbeit  schließt  sich  an  die  vor  einigen  Jahren  erschienene  Kudrun- 
ausgabe  von  E.  Martin  an,  deren  Verdienste  Hr.  Wilm.  S.  VI  sehr  hervorhebt, 
iedoch  mit  dem  Zusatz,  „aber  die  Einsicht  in  die  Zusammensetzung  und  Entwick- 
lung der  Dichtung,  woran  mir  vor  Allem  gelegen  war  und  worin  der  Schwer- 
punkt der  Kritik  und  Erklärung  liegt,  fand  ich  durch  sie  nur  wenig  gefördert. 
—  So  entschloß  ich  mich  dann  selbst  die  Untersuchung  zu  führen"  u.  s.  w. 
Von  den  vier  dann  hingestellten  Hauptresultaten  dieser  Untersuchungen  kann 
ich  mir  freilich  nur  den  letzten  Satz:  „An  eine  Wiederherstellung  der  ursprüng- 
lichen Dichtung  ist  gar  nicht  zu  denken",  aneignen,  und  es  ist  bedeutsam 
genug,  daß  ein  derartiges  Urtheil  über  die  Herstellungsversuche  EttmüUers  und 
MüUenhoffs,  das  indirect  auch  eine  Abweisung  der  Lachmaun'schen  Nibelungen- 
kritik in  sich  schließt,  jetzt  auch  in  Berlin  von  einem  der  tüchtigsten  Vertreter 
der  Schule  abgegeben  ist.  Wenn  ich  gleichwohl  mit  den  positiven  Resultaten 
der  Wilmans'schen  Untersuchung  nur  in  Einzelheiten  und  mitunter  fast  zufällig 
zusammentreffe,  so  liegt  dieß  einerseits  in  der  sehr  großen  Schwierigkeit  des 
Stoffes ;  andererseits  aber  auch  wohl  darin ,  daß  Wilmans  bei  allem  Bestreben 
unbefangen  an  die  Sache  heranzutreten,  sich  doch  von  falschen  Voraussetzungen 
noch  nicht  völlig  frei  zu  machen  wusste. 

Dahin  gehört  namentlich,  daß  Hr.  Wm.  (S.  1)  als  „feststehend  voraussetzt, 
daß  Cäsurreime  und  Nibelungenstrophen  einer  jüngeren  Entwicklungsepoche  der 
Dichtung  angehören".  Aber  wenn  auch  Ettmüller  und  MüUenhoff  in  dieser  An- 
sicht übereinstimmen,  so  zeigen  sich  Beide  in  dieser  Auffassung  metrischer  Ver- 
hältnisse doch  nur  von  Lachmanns  Nib.  Kritik  abhängig ;  wir  können  diese 
Prämissen  durchaus  nicht  einräumen ,  und  können  hier  sogar  auf  Martin  ver- 
weisen, der  (S.  X)  bekennt:  „Indessen  lässt  diese  mehrmalige  Wahrnehmung, 
daß  der  Cäsurreim  öfter  erst  von  den  Abschreibern  eingeführt  ist,  sich  nicht 
zu  einem  allgemeinen  Princip  erheben,  wonach  alle  Cäsurreime  auf  diese  Art 
entstanden  sein  müssten."  —  Noch  bedenklicher  ist  es,  die  Nibelungenstrophen 
als  Kriterium  der  Unechtheit  verwenden  zu  wollen ;  ihr  Vorkommen  in  der  Gudrun 
(bekanntlich  in  '98  Str.)  ist  bisher  nicht  genügend  erklärt.  Von  drei  Möglich- 
keiten, die  sich  darbieten,  ist  die  gewöhnliche  Annahme,  wonach  diese  Strophen 
Interpolationen  der  Abschreiber  enthielten,  wohl  die  am  wenigsten  wahrschein- 
liche; man  müsste  hier  einen  reactionären  Geschmack  der  Schreiber  annehmen, 
die  von  der  jüngeren  Gudrun-  auf  die  ältere  Nib. -Strophe  hätten  zurückgreifen 
wollen  —  oder  gar  zu  bequem  Alles  auf  das  Ungeschick  dieser  Leute  schieben. 
Theoretisch  plausibler  dürfte  es  schon  sein,  wenn  man  eine  ältere  Redaction  des 
Gedichtes    durchgängig  in  Nib. -Strophen    sich  vorstellte,    da    die  Wiederholung 


250     LITTERATUR :  WILMANS,  DIE  ENTWICKLUNG  DER  KUDRUNDICHTUNG. 

derselben  Stroplieuform  im  epischen  Volksgesange  ganz  unbedenklich  erscheint. 
Eine  dritte  Möglichkeit  wäre  die ,  daß  die  älteste  Gudrundichtung  neben  der 
echten  Nib. -Strophe  eineVai-iation  derselben  mit  klingenden  Reimen  in  der  3.  und 
4.  Langzeile  eingeführt  habe,  und  daß  diese  in  der  Hs.  vielfach  erscheinende,  von 
den  Hrgb.  allerdings  verpönte  Form  —  vgl.  z.  B.  Martins  Ausgabe  S.  VII  —  den 
Übergang  zu  der  eigentlichen  Gudrunstr.  (mit  5  Hebungen  in  der  letzten  Halbzeile) 
gebildet  habe,  die  bei  den  späteren  Abfassungen  allmählich  das  Übergewicht 
erhalten,  ohne  die  früheren  Formen  ganz  zu  verdrängen.  Bei  einer  Dichtung,  die 
sich  nicht  an  die  festen  Normen  höfischer  Poesie  anschloß,  ist  ein  solches  Vcr- 
hältniss  wohl  denkbar,  und  jene  äußeren  Kriterien,  die  Hr.  Wm.  als  feststehend 
bezeichnet,  erweisen  sich  für  ihn  als  sehr  zweideutige  Stützen.  Nicht  viel  besser  ist 
es  mit  den  inneren  Argumenten  bestellt.  Gerade  weil  unser  Gedicht  in  der  vor- 
liegenden Gestalt  nicht  als  Geisteskind  eines  einzelnen  poetischen  Genius,  sondern 
als  ein  solches  erscheint  „an  dem  zu  verschiedenen  Zeiten  verschiedene  Verfasser 
geai'beitet  haben",  fragt  es  sich  sehr,  ob  von  der  Kritik  „nicht  nur  das  Anstößige, 
sondern  auch  das  Überflüssige  und  Entbehrliche  bei  Seite  geschoben  werden  muß", 
einmal  angenommen,  daß  man  sich  über  die  Ertheilung  einer  derartigen  Censur 
wirklich  verständigen  könnte.  Aber  was  erregt  wohlgeschulten  Kritikern  nicht  Alles 
Anstoß!  So  bemerkt  E.  Martin  zu  Str.  1600,  2 — 3,  wo  vom  Baden  und  Kleiden 
Hartmuots  die  Rede  ist:  „Diese  Schönheitspflege  kennzeichnet  hier,  wo  sie  bei  den 
Männern  hervorgehoben  wird,  die  weichliche  Sinnesart  der  Zudichter."  Bekanntlich 
war  nicht  bloß  im  MA.  das  Baden  der  Männer  ganz  gewöhnlich  (vgl.  z.  B.  mhd. 
Wb.  I,  76,  77),  sondern  schon  Tacitns  (Germ.  Cap.  XXH)  weiß  von  warmen 
Bädern   der  alten   Deutschen. 

Die  so  begreifliche  List  Gudruns,  sich  (Str.  1242)  zunächst  für  eine  andere 
Person  auszugeben,  um  die  Gemüthsstimmung  der  Ihrigen  zu  erforschen;  ein  Zug, 
den  auch  W.  Grimm  als  poetisch  berechtigt  gewürdigt  zu  haben  scheint,  be- 
zeichnet Martin  als  „unnütze  Flunkerei"  der  Heldin,  und  meint,  daß  die  ähn- 
liche echt  weibliche  List,  die  Str.  1312  ihr  beigelegt  wird,  „weder  dem  Herzen 
noch  dem  Verstände  der  Kudrun  besondere  Ehre  mache".  Es  ist  wahr,  daß 
Wm.  von  derartigen  Randglossen,  die  oft  genug  störend  zwischen  die  wirklich 
brauchbaren  Erläuterungen  der  Martin'schen  Ausgabe  gerathen  sind,  sich  fern- 
zuhalten gesucht  hat,  wohl  fühlend,  daß  auf  solche  Weise  nur  der  zu  eigenem 
Urtheile  Unfähige  verwirrt  werden  könne  ;  aber  auch  Wm.  nimmt  öfter  da  An- 
stoß, wo  bei  längerer  unbefangener  Betrachtung  sich  die  vorhandenen  Schwierig- 
keiten denn  doch  noch  selbst  auflösen  können.  Von  ästhetischen  Urtheilen,  die 
so  leicht  den  Kritiker  irre  führen  können,  macht  Wm.  zum  Glück  nur  einen 
sparsamen  Gebrauch,  desto  mehr  Scharfsinn  wird  aufgewandt,  um  „jeden  An- 
stoß in  der  Verbindung  der  Theile  sorgfältig  zu  beachten"  und  aus  dem  schein- 
baren Wirrwarr  der  Überlieferung  einen  fortlaufenden  Faden  älterer  Vorlage 
herauszufinden;  so  sehr  wir  aber  auch  diesem  Streben  unsere  aufrichtige  An- 
erkennung zollen,  ist  es  uns  doch  nicht  möglich  geworden,  dem  Ariadnefaden 
des  Herrn  Wm.  folgend  uns  wirklich  in  dem  Labyrinth  zurechtzufinden.  Dazu 
kommt,  daß  auch  die  Anlage  des  Buches  nicht  allzu  bequem  und  der  Gebrauch 
des  sorgfältig  gearbeiteten  Registers  durch  allzugroßen  Laconismus  erschwert  ist*). 


*)  Die  Unterscheidung  der  cursiv  gedruckten  Ziffern  von  den  gewöhnlichen  ist 
bei  der  großen  Menge  der  Zahlzeichen  äußerst  lästig,  mid  wäre  ein  beigesetztes  Str. 
viel  praktischer  gewesen. 


LITTERATUR:  WILMAN3,  DIE  ENTWICKLUNG  DER  KUDRUNDICHTUNG  .     251 

Zur  nähern  Beleuchtung  des  Wilmans'schen  Verfahrens  muß   ich   mich  auf 
einzelne  Abschnitte    seines  Buchs   beschränken ,   und  ich  wähle    hier  namentlich 
III  (5. — 8.  Aventiure),   weil  man  hier  vielleicht  am  ehesten  versucht  sein  könnte, 
mit  Herrn  Wm.    übereinzustimmen.     Wenn    auch   der   Satz,   daß    „im    MA.   edle 
Geburt  mit  bürgerlichem  Gewerbe  unverträglicher  schien  als   heute",  nicht  ab- 
solut feststeht  (vgl.  Zacher's  Zusatz  in  Martins  Ausgabe  S.  XXIII),   so  lässt  sich 
doch   wohl  nicht  leugnen,   daß  die  Art,    in  der    die  Hegelingenboten    „zugleich 
als  Kaufleute    und  vertriebene    Landesherren    auftreten"    etwas   Auffälliges    und 
sich  fast  ^Widersprechendes  hat.   Aber  der  rasche   Schluß ,   daß  es   zwei   Gestal- 
tungen der  Sage  gab,    je    nachdem    sich  die  Boten  für  Kaufleute   oder  Fürsten 
ausgaben,   ist  darum  noch   keineswegs  gerechtfertigt;  vielmehr  ist  es  ganz  natür- 
lich,  daß  Hagens    und    seiner    Tochter    Interesse    für    die    Fremdlinge    auf   ver- 
schiedene Art,  zuerst  durch  Geschenke,    dann  durch    ihre  Kunst-  und  Kampf- 
fertigkeit,'schließlich  durch  ihre  edle  Abkunft  und  König  Hetels  Machtverhältnisse 
erregt  und  festgehalten  wird.   So  zeigt  auch  die  Thidrekssage  in  ihrem  Bericht 
von    der  Entführung  Hilde's  —  mag    man    diesen  als   Quelle  unseres   Gedichtes 
anerkennen  oder  nicht  —  zunächst  die  goldenen  Kleinode  als  Lockmittel,  während 
den  eigentlichen    Ausschlag    die    männliche   Schönheit  des  Boten,    der  hier  das 
Interesse  seines  Herrn  verleugnet,   giebt;  und   sollte,   wie  in   unserem  Gedicht  — 
eine  schließliehe  Aussöhnung  der  Familie  Hilde's  mit  ihren  Entführern  stattfinden, 
so  war  die    ebenbürtige  Stellung  Hetels    und  der    fürstliche  Rang  seiner  Boten 
dafür  die  fast  nothwendige  Voraussetzung.   Ohne  also  eine  Wandelung  der  Über- 
lieferung ganz  zu  bestreiten,   sehen  wir  in  den   scheinbaren  Widersprüchen  doch 
zunächst    nur    eine  Ungewandtheit    der  Redaction ,    die  —  vielleicht    nach  ver- 
schiedenen   litterarischen  Vorbildern   —   verschiedene    Motive    in    die   Dichtung 
einführte,  und   diese  nicht  —  wie  so  leicht  angieng  —  in  künstlerischer  Weise 
wieder  vereinigte.  —  Und  wenn  auch   Wate  sich  selbst  als   wenig  gewandt  im 
Handel    und    ungeübt    im  Verkehr    mit  Frauen    bezeichnet    (Str.    253,  255),    so 
darf  man   darum  noch  nicht  gleich  annehmen,   daß  er  in   einer  früheren  Fassung 
sich  bis   zur  gewaltsamen  Entscheidung  im   Schiffe  verborgen  hielt.  Dieß  würde 
seinem  Charakter  doch  wohl  noch   mehr  widersprechen,  während  sein  Auftreten 
in  unserem  Texte  zu  keinem  Bedenken  Anlaß  giebt.    Daß   Fruote  in  unserer 
Red.    „mit  den  Waaren  seine   Bedeutung  verloren,   und  als  Hauptperson  neben 
Wate  (nun)  der  ritterliche  Sänger  Horant  getreten",  lässt  sich  einfach  dadurch 
widerlegen,    daß   Fruote,  welcher    der  Sage   ursprünglich    fremd  war,    mit  Fug 
und  Recht  nur  eine  Nebenrolle  auch  im  Gedichte  spielt,   während  bei  Horant 
das  Umgekehrte  der  Fall  ist;  wenngleich   die  Art  und  Weise  seines  Auftretens 
in  unserem  Gedichte  allerdings  Zweifel  zulässt,   wie  weit  diese  auf  sagenmäßiger 
Grundlage  beruhe.   —  Wenn  wir  so    mit    den    „im  Allgemeinen    orientierenden 
Bemerkungen"   (S.  44)  keineswegs    übereinstimmen  können ,  kann   es  nicht  viel 
helfen,  in  Einzelheiten  bisweilen  beizustimmen.   Str.  356  mag  sich  an  Str.  354 
ursprünglich  anschließen,   aber  ist  Str.  355  ganz  unecht  oder  vielleicht  nur  hier 
an  falscher  Stelle  stehend?  —  Im  Folgenden  geht  Wilmans  nun  auf  die  Scene 
mit  dem  Fechtmeister  ein,  und  nimmt  hier  eine  Interpolation  an,  mit  der  Ab- 
weichung von   Müllenhoff,   Str.   363   zu  verwerfen,   aber  St.   368    beizubehalten. 
Die  Gründe,  welche  für  spätere  Einfügung  der  Rolle  des  Fechtmeisters  in 
die  fünfte  Aventiure  sprechen  könnten,   hat  Martin  zu  Str.  359   vorgeführt;  auf 
ihn  bezieht  sich   auch   Wilmans.   Aber  zunächst  ist  klar,   daß  durch   bloße  Aus- 


252     LITTERATUR:  WILMANS,  DIE  ENTWICKLUNG  DER  KUDKUNDICHTUNG. 

Scheidung  der  betreffenden  Strophen  unmöglich  ein  echter  Bestand  gewonnen 
wird,  denn  die  vier  Schlüge  in  Str.  362  sind  jedenfalls  nur  Steigerung  der  drei 
Schwanke  in  Str.  359,  wobei  es  völlig  gleichgiltig  ist,  ob  man  ein  solches  Ver- 
fahren der  Red.  «ganz  abgeschmackt"  findet  oder  nicht.  Durch  derartiges  ästhe- 
tisches Raisonnement  wird  überall  weniger  als  nichts  bewiesen;  und  ich  muß 
gestehen,  daß  mir  bei  längerer  Betrachtung  die  Rolle  des  Fechtmeisters  immer 
minder  anstößig  wurde.  Denn  ist  es  nicht  ganz  natürlich  für  Hagen,  einen 
angeblichen  Neuling  im  Fechten  zunächst  an  den  schirmmeisfer  zu  weisen,  dann 
aber,  da  sich  Jener  wider  Erwarten  tüchtig  zeigt,  selbst  sich  mit  ihm  zu  messen? 
Ob  das  äne  vride  Fechten  (Str.  366)  nicht  eine  ganz  gewöhnliche  Steigerung 
der  sonst  üblichen  Fechtweise  war,  wissen  wir  nicht.  Aber  völlig  fehl  zu  gehen 
scheinen  mir  die  Erklärer,  wenn  sie  die  Stellen  358,  4;  3G2,  4;  366,  3  —  4 
direct  auf  den  späteren  Kampf  Hagens  mit  Wate  in  der  achten  Aventiure  be- 
ziehen, was  nur  bei  der  letzten  Stelle  allenfalls  möglich  wäre ,  obgleich  auch 
hier  nichts  hindert,  das  sti  (366,  4)  auf  das  zunächst  Folgende  (367)  zu  be- 
ziehen. In  der  achten  Aventiure  findet  sich  auch  bei  passender  Gelegenheit 
(Str.  517,  8 — 4)  keinerlei  Zurückdeutung  auf  die  frühere  Fechtscene,  die  viel- 
leicht nur  in  der  Phantasie  unserer  Kritiker  als  ein  Vorspiel  zu  dem  ernsten 
Kampfe  aufgefasst  wurde.  Der  Entscheidungskampf  zwischen  Hagen  und  Wate 
war,  wenn  auch  nicht  in  der  ältesten  Sage,  doch  schon  vor  Lampiechts  Alexander 
(vgl.  V,  1830  fg.  M.)  in  der  Überlieferung  begründet;  jenes  in  der  fünften 
Aventiure  geschilderte  Fechten  schloß  sich  wohl  nur  als  Ausschmückung  leicht 
an  eine  ältere  Darstellung  an.  Daß  es  Sitte  für  Fremdlinge  war  sich  in  den 
Kampfspielen  zu  versuchen,  ist  bekannt  —  vgl.  Martin  zu  Str.  371,  4  —  und 
daß  diese  Spiele  in  unserm  Gedicht  einen  humoristischen  Eindruck  machen,  ist 
aus  der  Individualität  Wate's  vollkommen  zu  begreifen. 

Auf  den  Gesang  Horants  in  der  sechsten  Aventiure  möchte  ich  noch 
etwas  genauer  eingehen.  Wilmans  versucht  —  einige  echte  Strophen  MüUeu- 
hoffs  kühn  streichend  —  Str.  372  unmittelbar  mit  Str.  389  und  dann  391  zu 
verbinden.  Dieser  Vorschlag  hat  etwas  sehr  Ansprechendes,  die  wiederholten 
Angaben  über  das  Singen  Horants  schwächen  den  Eindruck  und  fördern  die 
Handlung  nicht;  eine  Ausscheidung  von  Str.  373 — 388  scheint  der  Dichtung 
zu  statten  zukommen,  nur  einzelne  Wendungen  wie  Fruote's  Scherz  Str.  382, 
der  dann  Str.  406  von  Horant  selbst  ähnlich  geäußert  wird,  verrathen  denn 
doch  auch  hier  poetisches  Leben.  Auch  würde  die  Athetese  immer  nur  ästhe- 
tische, nicht  philologisch-kritische  Berechtigung  haben,  denn  zwingende  Gründe, 
Str.  373 — 388  auszuscheiden,  findeich  nicht.  Auch  ist  der  Entschluß  Hilde's, 
Horant  heimlich  zu  sich  zu  entbieten,  doch  auch  wieder  verständlicher,  wenn 
sie  den  Sänger  bereits  mehrfach  gehört  und  seine  Kunst  am  ganzen  Hofe  Bei- 
fall gefunden  hat,  ihr  Versuch  aber,  mit  Einwilligung  des  Vaters  ihren  Wunsch 
zu  erreichen,  gescheitert  ist,  wie  Str.  387  ausführt.  Die  hier  gegebene  Antwort 
Hagens  bezeichnet  Wilmans  S.  53  als  völlig  unverständlich,  und  im  Einzelnen 
mag  der  Text  auch  gelitten  haben,  aber  in  der  Hauptsache  ist  doch  klar,  was 
Hagen  meint.  Wohl  hat  Horant  schon  mehrfach  gesungen,  aber  diel>  geschab 
vor  der  Burg,  wie  Str.  380  ausdrücklich  bezeugt,  in  der  Kemenate  der  Königin 
Hilde  war  er  nur  zu  einer  Visite  gewesen,  vgl.  Str.  375 — 378.  Die  junge  Hilde 
wünscht  Horant  nun  am  Hofe  selbst,  d.  h.  in  der  Hofburg  (oder  auf  ihrem 
Zimmer)  zu   hören,   was    namentlich  aus  Str.    387,  4    hervorgeht.     Hierzu    aber 


LITTERATUR :  WILMANS,  DIE  ENTWICKLUNG  DER  KUDRUNDICHTUNG.     253 

die  Gäste  durch  Bitten  oder  Geschenke  zu  vermögen,  lehnt  Hagen  ab,  und 
nachdem  die  folg.  Strophen  noch  einmal  die  Macht  des  Gesanges  in  aller  Stärke 
geschildert  haben,  entschließt  sich  nun  Hilde  selbst  zu  dem  kühnen  Schritt. — 
So  reduciercn  sich  doch  auch  hier  bei  sorgfältig-ruhiger  Betrachtung  die  kri- 
tischen Bedenken  nicht  unerheblich,  noch  mehr  ist  dieß  in  dem  zunächst  Fol- 
genden der  Fall.  Allerdings  wären  Str.  392 — 94  beinahe  ohne  Verlust  zu  ent- 
behren, aber  an  der  Erwähnung  Moruncs  394,  4  ist  nicht  Anstoß  zu  nehmen, 
der  freilich  nur  als  Begleiter  Horants  auftritt  und  daher  395,  1  nicht  aus- 
drücklich zum  Sitzen  genöthigt  wird.  Es  scheint  bisher  nicht  bemerkt  zu  sein, 
daß  Morunc  wiederholt  in  nähere  Beziehung  zu  Hilde  gesetzt  wird;  Str.  211,  1 
ist  er  es,  der  zuerst  den  König  Hetel  auf  den  Gedanken  bringt,  um  sie  zu 
werben;  bei  dem  Empfang  der  Boten  in  Hagens  Hofburg  tritt  von  den  jüngeren 
Helden  Morunc  sowohl  Str.  332  als  Str.  345  folg.  entschieden  hervor  —  einen 
Grund  hierfür  giebt  das  Gedicht  allerdings  nicht  an,  aber  es  ist  nun  nicht  auf- 
fällig, ihn  auch  in  Hilde's  Kemenate  als  Begleiter  Horants  Str.  394,  4  erwähnt 
zu  finden.  —  Str.  395  und  396  bleiben  vor  der  Bei-liner  Kritik  bestehen, 
wenngleich  die  Furcht  vor  Hagen,  die  in  der  letzteren  ausgedrückt  ist,  nach 
dem  bisherigen  Vei-halten  desselben  auflPallen  könnte.  Man  hat  es  vorgezogen, 
Str.  397 — 400  als  unecht  zu  verwerfen,  und  also  directen  Anschluß  von  Str. 
401  an  396  zu  behaupten.  Auf  den  ersten  Blick  hat  auch  dieser  Voi-schlag 
etwas  für  sich,  aber  der  Wunsch  Hilde's,  den  sie  Str.  395  deutlich  ausdrückt, 
Horants  Gesang  zu  hören,  bliebe  dann  unerfüllt,  und  es  würde  nur  eine 
Unterredung  zwischen  Hilde  und  Horunt  stattfinden.  Lässt  man  die  angefochtenen 
Strophen  stehen,  so  ist  auch  das  erst  Str.  401  erfolgende  nähere  Eingehen 
Hilde's  auf  die  Anspielung  Horants  auf  seinen  Herrn  (396,  4)  nicht  unnatürlich: 
ihr  Interesse  wendet  sich  zunächst  dem  Boten  und  seinem  Gesänge  zu ,  erst 
die  Zurückhaltung  desselben  und  die  erneute  Hinweisung  auf  seinen  Herrn 
(400,  4)  erregt  nun  die  Aufmerksamkeit  der  Prinzessin.  —  Während  Wm. 
Str.  409  mit  Recht  gegen  den  Obelos  Müllenhofts  in  Schutz  nimmt,  scheint  mir 
auch  Str.  408  unentbehrlich,  da  eine  Beruhigung  der  jungen  Fürstin  nach  407,  4 
nicht  überflüßig  war*).  —  Bei  der  Scene  mit  dem  Oberkämmerer  (Str.  411 
bis  425**),  die  schon  von  Ettmüller  gestrichen  wurde,  ist  eine  jener  Partien 
unseres  Gedichtes,  wo  der  Verdacht  späterer  Interpolation  nicht  als  völlig  un- 
gegrüudet  erscheint,  aber  ein  philologischer  Beweis  hierfür  ist  doch  auch  bis- 
her nicht  erbracht  worden.  Vielmehr  erscheint  erst  durch  die  Bedrohung  Str. 
412,  2 — 4  die  frühere  Befürchtung  Horants  (Str.  396)  verständlich,  und  die 
Ansicht,  daß  hier  wie  dort  dieselbe  Hand  an  unserem  Gedichte  gearbeitet  habe, 
scheint  unabweisbar.  Die  Weichlichkeit  der  Scene  (namentlich  Str.  416,  3)  mag 
unser  Gefühl  überraschen,  unser  Urtheil  verstimmen  darf  sie  darum  nicht; 
ähnliche  Beschreibungen  weicher  Gemüthsstinimung  finden  sich  auch  sonst,  z.  B. 
Str.  284  und  435  —  freilich  wohl  nur  in  „unechten"  Strophen!  —  In  Bezug  auf 
Str.   342  bemerkt  Wilmans  S.  58,   daß  sie  den  Zusammenhang  unterbreche,  und 


*)  Auffallen  könnte  nur  das  unbestimmte  Er  sprach  Str.  409,  1:  doch  ist  eine 
ähnliche  Epanaphora  von  Wilmans  selbst  S.  55  Anm.  1  vertheidigt.  Man  braucht 
Str.  409  nicht  Horant  als  Redner  zu  denken,  schon  408,  4  spricht  Morunc  entschlossen 
für  sich  selbst. 

**)  Da[!i  diese  Str.  nicht  wohl  „echt"  sein  kann,  wenn   das  Vorhergehende  un- 
echt ist,  bemerkte  selbst  Martin. 


204     LITTKKATl'U:  WILMANS,  DIE  ENTWICKLUNG  DEK  KUDRÜNDICHTUNG. 

versucht  sie  zwischen  335  und  336  zu  placieren,  aber  dort  würde  die  Wendung 
vor  ir  gesidele  stuonden  die  wcetUchen  man  unverständlich  sein,  da  sie  eben  erst 
in  den  Saal  getreten  sind  und  eine  Aufforderung  zum  Sitzen  überhaupt  noch 
nicht  erhalten  hab»'n,  die  erst  Str.  336  erfolgt.  Dagegen  erklärt  sich  die  über- 
lieferte Stellung  vollkommen,  nur  wird  man  Str.  342,  1  nhd.  so  fassen  dürfen: 
es  standen  (nämlich)  vor  ihrem  Sitze  die  stattlichen  Männer,  die  sich  auf  feine 
Sitte  verstanden  u.  s.  w.  Nach  der  Aufforderung  der  Fürstin  nehmen  sie  nun 
allmählich  Platz,  wobei  man  sich  an  andere  Stellen,  wo  gleichfalls  das  Stehen- 
bleiben oder  Aufstehen  von  Abgesandten  als  der  feineren  Sitte  entsprechend 
hervorgehoben  wird,  erinnern  muß,  so  Str.  768,  1  —  2,  wo  von  Martin  einige 
weitere  Belege  beigebracht  sind.  —  Ebenso  zerstreuen  sich  die  Bedenken  gegen 
den  doppelten  Empfang  der  Gäste,  zuerst  von  Hagen  und  Hilde  (Str.  334  fg.), 
dann  im  Frauengemach  von  Hilde  und  ihrer  Tochter.  Daß  diese  die  Gäste 
nicht  bestimmt  erwartet  hatte  selbst  zu  sehen,  zeigt  Str.  337  die  gegen  Hagen 
geäußerte  Bitte  der  Mutter  —  man  darf  sich  also  nicht  wundern,  wenn  nun 
erst  von  den  jungen  Damen  Toilette  gemacht  wird.  Der  erste  Empfang  ist  ein 
officieller,  an  dem  —  nach  der  Sitte  der  Zeit  —  auch  die  Königin  sich  be- 
theiligte, der  zweite  ein  confidentieller  im  Frauengemach,  zu  dem  die  Einladung 
erst  ergeht,  nachdem  die  Gäste  sich  sowohl  artig  (Str.  336,  1)  als  unterhaltend 
(Str.  337,  1)  gezeigt  haben.  —  Wie  Str.  342  wäre  auch  348  allenfalls  ent- 
behrlich, aber  einen  zwingenden  Grund  sie  zu  streichen  finden  wir  doch  nicht. 
Meinem  Vorschlag  Str.  351  auf  353  folgen  zu  lassen  schließt  sich  Wilmans 
an;  zur  Begründung  sei  hier  noch  erwähnt,  daß  Str.  352  den  Abschied  der 
Gäste  von  den  Frauen,  353  ihre  Rückkehr  zum  König  schildert,  und  von  diesem 
ist  auch  351  die  Rede.  Doch  ist  auch  diese  Translation  nicht  völlig  gesichert 
und  überhaupt  das  von  der  höheren  Kritik  in  der  Gudrun  Erreichbare  nicht 
bedeutend,  wenn  man  darauf  verzichtet,  geistreiche  Entdeckungen  oder  scharf- 
sinnige Experimente  machen   zu  wollen. 

Nur  für  die  Hauptzüge  der  Entwickelung  wird  man  aus  einer  unbefangenen 
Prüfung  der  zu  Grunde  liegenden  Sagenstoffe  einige  Anhaltspunkte  gewinnen 
können,  und  verweise  ich  hier  noch  auf  meine  Ausführungen  in  den  Göttinger 
Gel.  Anz.  1872  S.  2026  fg.,  1875  S.  303  fg.  Im  Gegensatz  gegen  Müllenhoff 
und  Wilmans  —  Martin  weicht  einer  bestimmten  Darstellung  seiner  Ansicht 
aus  —  und  im  theilweisen  Anschluß  an  Andere  habe  ich  zu  begründen  ver- 
sucht, daß  man  nur  von  einer  oder  mehreren  Hildesagen  als  Quellen  der 
Gudrun  reden  könne,  bei  deren  Redaction  zu  einem  einheitlichen  Gedicht  auch 
andere  Sageustoffe,  z.  B.  die  Hildburgsage,  das  Gedicht  von  König  Rother 
und  wohl  noch  andere  Spielmannsdichtungen  benutzt  seien,  während  nach  der 
formellen  Seite  namentlich  die  Nibelungen  als  Vorbild  gedient  haben  werden, 
was  sich  bezüglich  einzelner  Charaktere  noch  weiter  ausführen  ließe.  Für  eine 
Gudrunsage  in  dem  sonst  wohl  angenommenen  Sinne  fehlt  es  uns  aber  nicht 
bloß  an  jedem  unverdächtigen  Zeugniss,  sondern  es  bleibt  auch  in  unserem 
Gedicht  kein  Raum  für  dieselbe  übrig,  wenn  wir  die  einzelnen  Theile  desselben 
auf  die  verschiedenen  Hildesagen  und  ihre  natürliche  Fortsetzung  richtig  zurück- 
geführt haben;  der  Name  Gudrun  scheint  durch  bloßen  Zufall  in  die  Über- 
lieferung gekommen  zu  sein,  ähnlich  wie  Dan  erat  in  die  Nibel.,  den  Biterolf 
und  die  Klage.  E.  WILKEN. 


MISCELLE.V.  255 


MISCELLEN. 


Altdeutsche  Freskobilder. 

Im  einstigen  Hause  der  Margaretha  Maultasch  zu  Meran,  welches  lange 
Zeit  als  Magazin  benutzt  wurde,  sind,  wie  die  Kunstchronik  1874,  Nr.  51  berichtet, 
Fresken  entdeckt  worden,  die  an  künstlerischem  Wertbe  die  bekannten  Fresken 
des  Schlosses  Runkelstein  bedeutend  übertreffen  sollen.  Man  verdankt  diesen 
Fund  dem  Oberbaurath  Fr.  Schmidt  in  Wien,  der  auf  einer  Studienreise  mit 
seinen   Schülern   das  Haus  näher  untersuchte. 


Handschriften  in  Olmütz. 

Herrn  A.  Müller  in  Olmütz  verdanke  ich  die  nachstehenden  Notizen  über 
folgende  altdeutsche  Handschriften. 

1.  Fergamenthandschrift  in  4"  von  etwa  60  Blättern.  Das  puch  das  do 
geheissen  ist  ein  stachel  der  lyb.  das  mag  man  pillicheu  in  den  süssen  und 
den  guten  herzen  Jesu  unsern  heiler  sprechen,   und  das  teilet  sich   in  dreu   teil. 

2.  Pergamentblatt  in  8.,  zweispaltig.  Aus  Bruder  Philipps  Marienleben 
(V.  9062—9202). 

Anfang:   Wi  heilig  und  auch  wi  gut  si  wer 

ir  rat  wer  suze  und  auch  sin  1er 
Daz   alle  di  leut  di  zu  ir  quamen 

groz  genade  si  von  ir  namen 
Ignatius  der  bat  do  des 

sinen  maister  iohannes. 
Schluß:  Do  di  zeit  nu  chomen   solte 

daz  iesus  sein   muter  wol.  . 
In  daz  himelrich  enphan 

und  si  niht  langer  wolte  lan 
Uf  ertrich  bleiben  zu  ir  sante 

ein  engel  von   sines  vater  lant 
Der  praht  ir  eine  palme  gru .  . 

3.  Papierhandschrift  in  4"  von  etwa  106  Blättern.  Hie  hebt  sich  an  das 
puch  der  ewigen  weishait  (von  Suso).  Anfang:  Es  stund  ein  prediger  ze  einer 
czeit  nach  einer  metten  vor  eine  crucifix  Vnd  clagt  got  innichleichn.  Das  er 
nicht   chunt  betrachten  nach  seiner  marter  und   nach  seinem  leyden. 

4.  Papierhandschrift  in  4"  von  20  Blättern.  Dicz  ist  das  püchelein  des 
heilige  pabstes  inuocentii  von  menschilicher  dürftikeit  (Innocentii  III  de  miseria 
conditionis  humanae). 

5.  Papierhandschrift  in  fol.  von  starkem  Umfange.  Ein  vorred  des  puchleins 
der  himelstroß. 

Die  himelstraß  die  all  menschen  geen  müssen  die  gen  himel  komen  wellen 
ist  so   verporgen  das  der  wenig  sind  die  die  vinden. 


25G  MISCELLEN. 

6.  Papierhandschrift  in  fol.  von  4  Blättern.  Wye  cristus  der  herr  ge- 
waltigklich  Erstuend.  In  der  czeit  an  dem  dritten  tag  das  was  an  dem  hey- 
ligisten  esterlicheu  tag  früe  Do  für  dy  seil  uusers  lieben  herrn  J.  eh.  wider 
czu  dem  leichnam  yn  das  heylig  grab  do  kam  von  hymel  ein  Hecht  als  ein 
plicz   und   ein  grossez   erpide. 

7.  Interlinearübersetzung  der  Psalmen.  Der  selig  man  der  niht  inget  in 
den  rat  der  posen  und  in  den  weg  der  sunter  nicht  enstuend  Vnd  in  dem  ge- 
sesse  dez   gespottes  nicht  ensas. 

8.  Ebenfalls  Interlinearübersetzung  der  Psalmen.  Der  selig  man  der  niht 
hingangen  ist  in  den  rat  der  boezen  und  in  dem  weg  der  sunder  niht  gestanden 
ist  und   auf  dem  stuel  der  suchtichait  niht  gesessen  ist. 


30.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner. 

Den  Herrn  Collegen  und  Fachgenossen  geben  die  gehorsamst  Unterzeich- 
neten   sich  die  Ehre  anzuzeigen,  daß  die 
30.  Versammlung    deutscher  Philologen    und  Schulmänner  in  Rostock  vom   28. 

September  bis   1.   October 
stattfinden  wird,  und  sprechen  die  dringende  Bitte  aus,  die  weiteren  Mittheilungen 
uns  vorbehaltend,  beabsichtigte  Vorträge  für    die    allgemeine  und  Sections -Ver- 
handlungen, sowie  Thesen,   besonders  für  die    pädagogische  Section,   uns  thun- 
lichst  bis  Ende  Mai  einsenden  zu  wollen. 

Zugleich  erbitten  wir  die  möglichst  genaue  Angabe  der  Zeitdauer  der 
gemeldeten  Vorträge,  indem  wir  uns  zu  bemerken  erlauben,  daß  wir,  um  nicht 
nachfolgende  Redner  zu  schädigen,  den  Vorträgen  nur  die  im  Voraus  geforderte 
Zeit  glauben  gewähren  zu  dürfen. 

Rostock,   am   10.   März    1875. 

F.   V.   Pritsche.  K.   E.  H.   Krause. 


Personalnotizen. 

Dr.  Karl  Elze,  Gymnasiallehrer  in  Dessau,  ist  als  Professor  der  eng- 
lischen Sprache  und  Litteratur  an  die  Universität  Halle  berufen  worden. 

An  Stelle  von  E.  Windisch  wurde  der  Privatdocent  Dr.  Ernst  Kuhn 
in  Leipzig  als  ordentlicher  Professor  des  Sanskrit  und  der  Linguistik  an  die 
Universität  Heidelberg  berufen,  und  wird  seine  Lehrthätigkeit  daselbst  im  Winter- 
semester beginnen. 

Dr.  August  Lübben  in  Oldenburg  hat  zur  Vollendung  des  mittelnieder- 
deutschen Wörterbuches  einen  dreijährigen  Urlaub  erhalten. 

Professor  Dr.  Wilhelm  Seh  er  er  in  Straßburg  ist  von  der  Akademie  der 
Wissenschaften  in  Berlin  zu  deren  correspondierendem  Mitgliede  gewählt  worden. 


Am  17.  April  d.  J.  starb  in  Halle  Dr.  Karl  Ili Idebrand,  Privatdocent 
an  der  dortigen  Universität,  ein  tüchtiger  Kenner  des  Altnordischen,  seit  mehreren 
Jahren  mit  einer  Ausgabe  der  Edda  beschäftigt. 


ZUR  HEIMATFRAGE  WALTHERS. 


Als  Fr.  Pfeiffer  in  dieser  Zeitschrift  5,  14  Franken  als  die  Hei- 
mat unsers  Dichters  angenommen  hatte*),  bemerkte  H.  Kurz  in  der 
Schrift:  „Über  Walthers  von  der  Vogelweide  Herkunft  und  Heimat". 
Aarau  1863,  S.  17:  „Walther  sagt,  er  habe  das  Land  seiner  Geburt 
seit  einer  so  großen  Reihe  von  Jahren  nicht  gesehen,  daß  er  weder 
Land  noch  Leute  mehr  kenne.  Diese  Äußerung  kann  sich  nun  eben 
so  wenig  auf  Franken  als  auf  Österreich  beziehen,  denn 
auf  seinen  Wanderungen  von  Österreich  nach  Thüringen  u.  s.  w.  lag 
Franken  auf  seinem  Weg,  und  es  ist  kaum  anzunehmen,  daß  er  bei 
solchen  öfters  wiederkehrenden  Gelegenheiten  nicht  in  seine  nächste 
Heimat  gegangen  wäre,  wenn  er  auch  einen  Umweg  von  einer  oder 
zwei  Tagreisen  hätte  machen  müssen,  um  in  dieselbe  zu  gelangen, 
insbesondere  wenn  man  erwägt,  daß  er  gewiß  nicht  auf  einen  be- 
stimmten Tag  an  dem  Ort  erscheinen  musste**),  nach  welchem  er  sich 
begab"  etc.  „Weil  Wailher  zu  wiederholten  Malen  in  Franken  ge- 
wesen, konnte  dieß  Land,  wie  gesagt,  nicht  seine  Heimat  sein. 
Dieselbe  muß  von  den  Wegen,  auf  denen  ihn  seine  viel- 
fachen Wanderungen  führten,  no thwendi g  abgelegen  sein, 
so  daß  es  ihm  nicht  leicht  war,  auch  mit  Aufopferung 
einiger  Tage  in  dieselbe  zu  gelangen."  Diese  Bemerkung  mochte 
außer  der  Stelle  im  Meinhard'schen  Urbar:  „datz  Vogelweide  an  dem 
herbiste  driu  pfunt",  Pfeiffer  bewogen  haben,  seine  frühere  Annahme 
aufzugeben  und  Wippthal  in  Tirol  als  die  Heimat  Walthers  anzunehmen. 
Herrn  Professor  Th.  Mairhofer  in  Brixen  gelang  es,  in  der  Gemeinde 
Telfes  (eine  Stunde  westlich  von  Sterzing)  einen  Wald  zu  entdecken, 
der,  in  zwei  Theile  getheilt.  Vorder-  und  Hintervogelweide  genannt 
wird.  (4.  Aufl.  S.  XXV.)  So  sehr  mich  als  Tiroler  freute,  Walther 
meinem  Heimatslande   zugewiesen  zu  sehen ,   wollte   mir   diese  Wiege 


*)  Gegen  Franken  spricht  schon  Walthers  Sprache,  die  von  fränkischem  Dia- 
lecte  keine  Spur  zeigt.  Wäre  Walther  ein  Franke  gewesen,  so  wäre  er  wohl  ver- 
muthlich  nach  dem  näheren  Thüringen  gezogen,  um  dort  sich  zu  bilden. 

**)  So   berichtet  Walther  ja    selbst  (L.  104,  25.  Pf.  Nr.   155,  3),  daß   er   mehr 
als  eine  Meile  von  der  Straße  abgebogen  habe,  um  Tegernsee  zu  besuchen. 
GKRMANIA.  Neue  lieihe  VIII.   (XX.  Jahrg.)  17 


258  ZINGEIU.E 

Wnitliers  nicht  /nsa<:^eu.  Das  alte  Sterzing  und  dessen  Umgebung  hat 
mit  Ausnahme  des  Tonkünstlers  Joh.  Gänsbacher  weder  einen  Dichter 
noch  einen  andern  namhaften  Schriftsteller  oder  Künstler  aufzuweisen. 
Und  hier  in  dieser  in  geistiger  Beziehung  sterilsten  Gegend  soll  der 
größte  Lyriker  des  Mittelalters  geboren  sein?  —  Der  Dichter  nimmt 
die  Jugendeindrücke  der  Natur  mit  durchs  Leben,  der  Charakter  dieser 
Gegend  passt  aber  gar  nicht  zu  Walthers  Anmuth.  Der  Dichter  nennt 
bei  seiner  Heimat  ein  fließendes  Wasser  —  ich  nehme  die  Stelle  nicht 
als  bloße  Phrase  — ,  dieß  fehlt  bei  Telfes.  Ich  glaube  nicht,  daß  er 
damit  den  fernen,  die  Thalsohle  verheerenden  Mareiter  Bach  gemeint 
haben  könnte.  Das  Hauptbedenken  war  aber  dieß,  daß  der  Edelsitz 
oder  das  Gehöfte  spurlos  verschwunden  sein  sollte.  Ich  habe  mich  mit 
alten  Urbaren  Tirols,  namentlich  mit  den  Meinhard'schen,  die  ich  zur 
Veröffentlichung  vorbereite,  vielfach  beschäftigt  und  daraus  gelernt, 
daß  alle  in  denselben  genannten  Höfe  noch  und  meist  unter  denselben 
Namen  fortbestehen.  Es  wäre  deßhalb  doppelt  merkwürdig,  wenn  ein 
Herrensitz  im  Telf'ser  Walde  ganz  zerstört  worden  sei,  ohne  daß  die 
zähe  Volkstradition  die  leiseste  Erinnerung  daran  erhalten  hätte. 

Da  machte  im  Tiroler  Volksblatte  1867  Nr.  90  der  damalige 
Pfarrer  von  Laien,  Joh.  Hall  er,  auf  die  zwei  Vogelweider  Höfe  am 
Laiener  Ried  aufmerksam.  Als  ich  diesen  Aufsatz  las,  schien  mir  diese 
Ansicht  einer  näheren  Untersuchung  werth.  Ich  hatte  das  Laiener  Ried 
nur  einmal  1847  gesehen,  erinnerte  mich  aber  oft  an  die  Reize  dieser 
Gegend,  an  diesen  Wechsel  zwischen  Wald  und  Feld,  an  die  alten 
Burgen  und  die  wunderbare  Aussicht.  Es  liegt  ein  eigenthümlicher 
Zauber  über  diesen  von  dem  Eisack  und  dem  Grödnerbache  um- 
schlossenen Gelände.  Hier  von  Brixen  südwärts  blühte  im  Mittelalter 
reiches  künstlerisches  Leben.  Die  alten  Burgen  und  Edelsitze,  Kirchen 
und  Gemälde  geben  Zeugniss  dafür.  In  der  Nähe  liegt  Sähen,  der 
Vogelweide  gegenüber  die  Trostburg,  das  Schloß  der  Wolkensteiner. 
In  der  dortigen  Gegend  waren  zahlreiche  Burgen  und  Adelsgeschlechter 
und  der  Name  Walther  war  gerade  dort  1140 — 1230  einer  der  be- 
liebtesten, während  er  im  obern  Wippthale  bei  Sterzing,  im  nahen 
Pustcrthale  und  im  Etschthale  nicht  oder  höchst  vereinzelt  vorkam. 
Ich  gebe  hier  einige' Belege  aus  dem  Neustifter  Urkundenbuche  heraus- 
gegeben von  Theod.  Mairhofer,  Wien  1871.  Da  begegnen  uns: 

S.  3  Walther  1142.  —  S.  4,  5,  11,  12  Waltherus  de  Brixina  1142. 
1147.  1148.  —  S.  6,  51  Witigus  et  frater  ejus  Waltherus  1142.  1179.— 
S.  9  Quidam  ministerialis  de  Brixina,  nomine  Waltherus  1145.  —  S.  10 
cuidam  libero  horaini  Walthero  de  Malentin  1145.  —  S.  15  Waltherus 


ZUR  HEIMATFRAGE  WALTITERS.  259 

de  Gredena  1151.  —  S.  18,  19,  21  Waltherus,  iilius  domini  Megenhardi 
de  Monte  1153.  1155.  1156  etc.  —  S.  19  wird  ein  Waltherus  cognatus 
des  Reginbert  von  Sähen  genannt  und  ein  Walther  kommt  als  Zeuge 
vor  1155.  —  S.  31  Waltherus  cocus  1161.  —  S.  32  Waltherus  de  Selus 
1162.  —  S.  42  Waltherus  1173.  —  S.  52  Hartwigus  et  Waltherus  1181. 

—  S.  56  Ekkehardus  Garrinus  et  frater  ejus  Baltherus,  Waltherus  et 
frater  ejus  Hartwicus  de  Risehone  1182.  —  S.  57  Ekkehardo  Garre  et 
fratre  suo  Walthero.  —  Walthero  dapifero  de  Monte  1183.  —  S.  57 
Heinrieus  Augensis  prepositus  et  Waltherus  frater  ejus  1184.  —  S.  61 
Waltherus  1187.  —  S.  62  Waltherus  dapifer  1187.  —  S.  68  Heinrieus, 
filius  domini  W^altheri  1192.  —  S.  78  Waltherus  de  Bradelle  1211.— 
S.  86  Waltherus,  presbyter  1226.  —  S.  92  Waltherus,  carpentarius  1231. 

—  S.  99  Waltheriuus,  camerarius  1235.  —  Daß  bei  den  Edlen  von 
Laien  dieser  Name  vorkam,  bestätigt  eine  Urkunde  vom  16.  Mai  1203, 
in  welcher  die  Brüder  Gumpert  und  Walther  von  Lajan,  Söhne 
Walthers,  für  140  Pfund  Berner  ein  ihnen  gehöriges  Gut  zu  Lajan 
dem  Quarte  von  Veles  verpfänden.  (Archiv  Gandegg.  s.  Ladurner,  Bei- 
träge zur  Geschichte  der  Pfarrkirche  in  Bozen.  Bozen  1851  S.  6). 

Die  Brixner  Gegend  ist  die  Region  der  Walthernamen,  aus  der 
auch  das  Geschlecht  der  Edlen  von  Walther  stammt;  allein  auch  hier 
tritt  der  Name  Walther  in  der  Regel  nur  als  Herrenname  auf 

Am  8.  September  1873  besuchte  ich  zum  ersten  Male  die  Vogel- 
weide und  in  meinem  Berichte  über  diesen  Ausflug  theilte  ich  mit,  daß 
der  jetzige  Besitzer  über  die  ehemalige  Bedeutung  dieses  Gehöftes 
und  dessen  Reste  gesprochen  habe.  Ahnlich  äußerte  sich  derselbe  gegen 
Martin  Greif.  Dieser  berichtet  (Wiener  Fremdenblatt  1874  Nr.  276), 
daß  der  alte  Schrott  ihm  gesagt  habe,  sein  Vater,  der  90  Jahre  alt 
geworden,  habe  ihm  oft  erzählt,  daß  Laien  dem  Hofe  zinspflichtig  ge- 
wesen sei.  „Das  Gleiche  habe  er  (Schrott)  in  seiner  Jugend  noch  von 
vielen  anderen  Leuten  behaupten  hören,  trotz  seiner  85  Jahre  könne 
er  sich  auf  Alles  recht  wohl  besinnen." 

Man  hätte  mir  gerne  nachgesagt,  daß  dieß  nur  eine  Erfindung 
sei,  ich  weise  jedoch  solche  Zumuthung  zur  Unehre  der  Gegner 
entschieden  zurück.  Was  der  alte  Schrott  mir  und  ein  Jahr  später 
Herrn  Martin  Greif  und  auch  anderen  erzählte,  ist  thatsächlich 
wahr  und  urkundlich  belegt.  Denn  noch  im  Cataster  vom  Jahre  1774 
werden  als  Grund-  und  Zehentsolden  des  Inner- Vogelweidehofes  auf- 
geführt: 1.  Aus  dem  Fechterhof  an  Wein,  und  Getreide  zwei  Theile. 
2.  Beim  Zorgler  an  Wein  und  Getreide  zwei  Theile.  3.  Zu  Ranzfron 
von  allen  Ackern   auch  je  zwei  Theile.    4.  Aus  dem  Kerspamhof  von 

17* 


200  '  ZIXfH-.KLF. 

allen  Äckern  auch  je  zwei  Tlieile  vom  ganzen  Jahresertrag.  Von  den 
eigenen  Äckern  und  Weingärten  unter  dem  Wege  und  in  Schürf  ge- 
nannt mochte  der  Vogelweidhofbesitzer  vom  Zehent  zwei  Theile  für 
sich  behalten,  ebenso  bezog  er  aus  dem  Langacker  zwei  Theile  vom 
Zehent  an  Wein  und  Getreide  aus  einem  Grundstück  in  Ritsch,  dann 
aus  einem  Weingarten  am  Bach  gelegen,  welchen  Hofer  baut,  dann 
aus  einem  Weingarten,  ebenfalls  im  Bach  genannt,  so  der  Hurlacher 
baut  und  inne  hat,  je  zwei  Theile  vom  Erträgniss.  Aus  diesem  ergibt 
sich  doch  klar,  daß  unsere  Vogelweide  nicht  ein  gewöhnlicher  Bauern- 
hof, sondern  ein  Herrensitz  gewesen  ist.  Dazu  stimmt  die  Tradition, 
daß  beide  Vogelweidehöfe  ehemals  ein  geschlossenes  Gehöfte  bildeten*) 
und  dieß  das  älteste  im  Ried  gewesen  sei.  Wir  sind  somit  vollstän- 
dig berechtigt,  die  Vogelweide  als  Edelsitz  anzunehmen. 
Den  Namen  Vogelweider  kann  ich  in  der  Bozner  Gegend  schon 
1302  nachweisen.  Eine  Paiersbergische  Urkunde,  in  P.  Justinian  La- 
durners Sammlung  Nr.  620,  beginnt:  Anno  domini  MCCC  secundo. 
Indicione  XV  die  dominico  XXVy  exeunte  Octobri  in  domo  fratrum 
Theotonicorum  apud  aquam  Ysarci  iuxta  Bozanura.  In  presencia 
fratris  Chonradi  de  Aychach,  sacerdotis,  et  fratris  ülrici  de  Monaco, 
layci  de  domo  et  ordine  fratrum  Theotunicorum  predictorum,  Hainrici 
laici,  Chrophonis  de  Eppiano  et  Volchonis  de  sancto  Michahele  in  plebe 
de  Eppiano  et  Chonradi  Vogelwaiderii  de  Eppiano  et  Laurencii, 
filii    quondam  Petri    de   Rinne    de   Eppiano    et    testium    aliorum   etc." 


*)  In  einer  Papierhandscbrift  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  „Vermerkt 
die  satzgüeter  des  pfuntschillings  beider  gericht  Gufidaun  und  Villanders"  heißt  es 
noch  Bl.  26'':  „Item  der  hof  Vogelwaid  gibt  zu  Liechtmes  IX  Xr,  zu  Jacobi  IX  Xr 
und  der  vasten  aier  X".  (Cam.  Archiv  Cod.  Nr.  5.  lit.  n.  12).  In  der  Papierhandschrift : 
„Vervahung  etlicher  obrigkait,  herrlichait,  stuck  und  gueter,  rent,  zins  und  gült  zu 
dem  satz  und  phantschaft  des  schloß  Sumersperg  und  baider  gericht  Gufidaun  und 
Villanders  gehörig  und  beschriben  anno  Cr.  1547  (Statthaltereiarchiv  Lade  Nr.  5  lit. 
n.  13)  heißt  es  Bl.  50*':  Wörndl  Voglwaider  im  Ried  als  innhaber  des  Underfoglwaider- 
hofs,  dazzue  ain  hausung,  stadi ,  gartu ,  zwo  jauch  acker  und  von  achtundzwainzig 
haweru  Weingarten  gehört,  dient  cupl  5  Xr.  Bl.  51"  Wolfgang  Voglwaider  als  inn- 
haber des  Oberfoglwaiderhofs,  darzue  ain  hausung,  stadl,  garten,  vier  jauch  acker  und 
von  dreissig  hawern  Weingarten  gehört,  raicht  cupl  5  Xr.  Im  Jahre  1562  finden  wir 
dieselben  Besitzer.  Im  Jahre  1589  saß  Michael  Voglwaider  auf  dem  untern,  Andre 
Voglwaider  auf  dem  obern  Hofe.  —  Die  Theilung  des  alten  geschlossenen  Gehöftes  ge- 
schah somit  zwischen  circa  1500  und  1547. —  Daß  das  LaienerKied  zur  Herrschaft  Gufidaun 
gehörte,  ersehen  wir  auch  aus  den  Urbaren  des  Grafen  Meinhart  aus  den  Jahren  1286 
bis  1298.  Unter  der  16.  Rubrik  r  „Der  ist  der  gelt  ze  Gufdoun"  Bl.  50  ff.  werden 
Bl.  53  auch  Höfe  „ze  Riede"  aufgeführt  und  Bl.  56  heißt  es :  „Umb  daz  Ried  und 
ze  Laian  git  man  minem  herren  von  cinslseutten  fümfzich  Schillinge  phenn,"  • 


ZUR  HEIMATFKAGE  WALTHERS.  261 

Dieser  Conrad  Vogelwaider  stammte  aber  vermuthlicli  aus  dem  Laiener 
Riede,  da  weder  ein  Hof  Vogelweide  noch  der  Name  Vogelweider 
sonst  im  untern  Eisackthale  nachzuweisen  ist*). 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  darf  ich  wohl  nicht  unwahrschein- 
lich finden,  daß  die  Vogelweide  die  Heimat  unsers  Dichters  sein  könnte, 
da  die  beiden  im  Sanderviertel  zu  AVürzburg  gelegenen  Vogelweider- 
höfe  aus  früher  genanntem  Grunde  nicht  in  Betracht  kommen  können**). 

Ich  nehme  an,  daß  Walther  auf  dem  Edelsitze  am  Laiener  Ried 
geboren  sei,  daß  er  den  Kreuzzug  mit  Friedrich  H.  mitgemacht***), 
und  auf  dem  Wege  nach  Italien  zum  Kreuzzuge  seine  Heimat  am 
Riede  nach  vielen  Jahren  wieder  zum  ersten  Male  gesehen  habef). 

Ich  lege  nun  meine  Gründe  vor,  die  für  meine  Annahme  sprechen 
könnten. 

Unser  Dichter  hat  sich  längere  Zeit,  vermuthlicli  öfters,  in  Kärnthen 
aufgehalten.  Er  sagt  selbst: 

Ich  hitn  des  Kerndseres  gäbe  dicke  enpfangen  L.  32,  17 
und:  edel  Kerndensere,  ich  sol  dir  klagen  sere, 

milter  fürste  und  marterer  umb  ere, 

ichn  weiz  wer  mir  in  dinem  hove  verkeret  minen  sanc  L.  32,  31. 

Es  ist  hier  Herzog  Bernhard  von  Kärnthen,  der  von  1202 — 1256 
regierte,  gemeint.  Walthers  Aufenthalt  dort  lässt  sich  ganz  gut  er- 
klären, wenn  wir  ihn  als  Norithaler  annehmen,  denn  wie  heute  der 
Verkehr  zwischen  den  zwei  angränzenden  Ländern  ein   großer  ist,  so 


*)  In    einem   Raitbuch   vom  J.   1477   (Statthaltereiarchiv)    kommt    ein    „Meister 
Thomas  von  der  Vogelwaid"  als  Arzt  vor. 

**)  Vergl.  Schrott,  Walther  von    der  Vogelweide   in   seiner  Bedeutung   für  die 
Gegenwart  (München  1875)  S.  6. 

***)  Daß  das  Gedicht: 

Allererst  lebe  ich  mir  werde  L.  14,  38. 
nicht  Fiction,  sondern  „im  gelobten  Lande"  selbst  entstanden  sei ,  davon  bin  ich  fest 
überzeugt.  Meine  Ansicht  theilen  Simrock:  Übersetzung  2,  197,  Ausgabe  S.  241.  Rieger, 
das  Leben  Walthers  S.  41.  Lexer  (Über  Waltlier  von  der  Vogelweide.  Wiirzburg  1873). 
der  S.  7  sagt:  ,.Die  vielfach  ausgesprochene  Behauptung,  Walthers  Kreuzlieder  seien 
in  Deutschland  abgefasst  und  nur  das  Product  einer  gesteigerten  Einbildungskraft, 
muß  entschieden  zurückgewiesen  werden,  denn  wir  haben  keinen  Grund,  an  seinen 
Aussagen  und  an  seiner  Schilderung  des  Erlebten  zu  zweifeln." 

t)  Über  das  Gedicht: 

Owe  war  sint  verswunden  alliu  miniu  jär 
bemerkt  Lexer  S.  27,    daß    dieß   prachtvolle,   wehmüthige   Lied,    das   man    häufig   als 
Walthers  letztes  und  als  seinen  Schwanengesang  bezeichnen  wolle,  jedenfalls,  wie  aus 
den  Schlußzeilen  sich  ergibt,   vor    dem  Kreuzzug   gedichtet   sei.    Wackernagel  S.  74, 
Pfeiffer  S.  306  setzen  es  1227  an. 


262  ZINGERLE 

waren   die  Verbindungen    des   Norithals    mit  Kämthen   damals    schon 
bedeutend*). 

Und    wenn  Walther    in    einem    am    Kärnther    Hofe    gedichteten 
Spruche  sagt: 

singe  ich  minen  höveschen  sanc,  so  klagent  siz  Stollen  L.  32,  11, 
so  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  daß  dieser  Stolle  auch  aus  dem  Eisack- 
thal  war.  Denn  in  einer  Neustifter  Urkunde  v.  J.  1191  kommt  als 
Zeuge  neben  „Heinricus,  plebanus  de  Lejan,  Gebehardus  de 
Sehen  u.  a.  ein  Heinricus  Stollo  vor  (Neustifter  Urkundenbuch 
Nr.  171  S.  66)  und  in  einer  Brixner  Urkunde  vom  9.  December  1323 
begegnet  uns  ein  Christan  der  Stolle  (Bartsch,  Liederdichter  S.  LV)**). 
Auch  in  Aquileja  war  unser  Dichter  und  preist  dessen  Patriar- 
chen Berthold  von  Andechs: 

Die  wile  ich  weiz  dri  hove  so  lobelicher  manne, 

so  ist  min  win  gelesen  unde  süset  wol  min  pfanne. 

der  hiderbe  patriarhe  missewende  fri, 

der  ist  ir  einer.  L.  34^  34. 
Aquileja  stand  aber  mit  Brixen  in  den  nächsten  Beziehungen, 
denn  das  Bisthum  Brixen  war  in  ältesten  Zeiten  der  Metropole  von 
Aquileja  untergeordnet  und  wurde  von  diesem  Verbände  erst  798  ge- 
lrennt. (Tinkhauser,  Beschreibung  der  Diöcese  Brixen  I,  4.  5.)  Seitdem 
waren  lange  Aquileja  und  Brixen  Nachbardiöcescn***).  —  (Über  die 
engen  Beziehungen  zwischen  Aquileja  und  Neustift  bei  Brixen  vergl. 
die  Urkunden  Nr.  109  v.  J.  1165,  Nr.  131  v.  J.  1177  u.  Nr.  225  v.  J.  1235 
im  Neustifter  Urkundenbuche  S.  36,  44,  97.)  Walther  hatte  aber  nicht 
nur  dem  Patriarchen  Berthold  von  Andechs  Gastfreundschaft  zu  danken, 
sondern  stand  auch  sonst  den  Audechsern  nahe.  Joh.  Schrott  betonte 
zuerst  das  Verhältniss  unsers  Dichters  zu  den  Audechsern  (Beilage 
zur  Allg.  Zeit.  1874  Nr.  186)  und  besprach  es  dann  in  seiner  Schrift: 
„Walther  von  der  Vogel  weide  in  seiner  Bedeutung  für  die  Gegenwart" 
S.  4,  5.  Hier  schreibt  er:  „Die  falsche  Deutung  des  Waltherschen 
Spruches  auf  den  Nürnberger  Hoftag  hat  zu  dem  langjährigen  Irrthum 


*)  Bei  dem  Turnier  zu  Freisach  1224  waren  Graf  Albrecht  von  Tirol,  Hugo 
von  Taufers,  ein  Wolkensteiner  und  Bischof  Heinrich  von  Brixen  anwesend.  U.  v. 
Lichtenstein,  Frauendienst  S.  65,  67,  78  ff. 

**)  Vergl.  Bote  für  Tirol  1875  Nr.   113. 
***)  „Karl  der  Große  entschied:  ut  Dravus  fluvius  terminus  ambarum  dioecesium 
esset.  Dalham  Concil.  Salisb.  p.  28.  Wirklich    gehörten   bis  auf  die  neuere  Zeit  selbst 
die  in   Tirol   unter   der   Drau    liegenden  Pfarren  Ampezzo ,   Tristach   und   Lavant  zur 
Diöcese  Aquileja.  Tinkhauser  I,  6. 


ZUR  HEIMATFRAGE  WALTHERS.  263 

Veranlassung  gegeben,  als  ob  Walther  von  Geburt  ein  Franke  wäre. 
Daselbst  ist  nämlich  von  seinen  (unsern)  heimischen  Fürsten 
und  von  Leopold  von  Osterreich  als  Gast  die  Rede.  Die  heimischen 
Fürsten  deutete  man  kurzweg  auf  den  fränkischen  Adel_,  ohne  zu 
bedenken,  daß  Fürst  ein  staatsrechtlicher  Titel  ist  und  kleinen  Herren 
nicht  zukam.  Leopold  ferner  konnte  nur  durch  einen  außerordentlichen 
Fall  Gast  sein,  da  er  sonst  als  Reiehsfürst  bei  einer  curia  solemnis  zu 
erscheinen  die  Pflicht  hatte.  Zufälliger  Gast  konnte  er  nur  1219  sein, 
als  er  vom  Kreuzzug  zurückkam  und  unvermuthet  und  freiwillig  auf 
jenem  Reichstag  erschien.  Die  für  Walther  heimischen  Fürsten  — 
da  die  anwesenden  geistlichen  Reichsfürsten  sicherlich  nicht  in  Betracht 
kommen  —  sind  alsdann  die  Herzoge  Ludwig  von  Baiern,  Beruhard 
von  Kärnthen  und  Otto  von  Meranien,  der  Bruder  Bertholds  von  An- 
dechs,  Patriarchen  von  Aquileja.  Sagt  man,  der  Ton  jenes  Spruches 
komme  vor  1220  nicht  vor,  so  ist  zu  erwägen,  daß  der  November 
von  1219  vom  Januar  1220  denn  doch  nicht  so  weit  entfernt  ist!"*) 
Es  befremdet,  daß  Walther  den  Herzog  Friedrich  von  Osterreich, 
Reinmar  den  Alten,  Engelbert  von  Köln  ehrende  Nachrufe  widmete, 
aber  für  den  ermordeten  König  Philipp,  den  er  so  hoch  gehalten,  kein 
Wort  fand.  Schrott  scheint  mir  dieß  Räthsel  glücklich  gelöst  zu  haben. 
Er  sagt:  „Mit  wie  hoher  sittlicher  Entrüstung  Walther  jede  rohe  Ge- 
waltthat  verdammte,  wissen  wir  aus  dem  Spruch  auf  des  Erzbischofs 
Engelbert  Ermordung,  worin  er  sich  in  Ausdrücken  des  Zornes  förm- 
lich erschöpft.  Man  kann  also  Gleichgiltigkeit  gegen  jene  That  gewiß 
nicht  annehmen,  noch  auch  voraussetzen,  daß  uns  ein  solcher  Spruch 
nicht  erhalten  worden  wäre.  Wenn  er  also  schwieg,  so  muß  er  einen 
Grund  gehabt  haben,  der  ebenfalls  in  einer  sittlichen  Empfindung  an- 
derer Art  lag.  Der  Mörder  König  Philipps  war  des  Baiern-Herzogs 
nächster  Verwandter,  und  des  wilden  Pfalzgrafen  Mitschuldiger  war 
der  Markgraf  Heinrich  von  Istrien,  Bruder  des  Patriarchen  Bertholds 
von  Aglei  und  des  Herzogs  Otto  von  Meran.  Können  wir  nun  dem 
zarten  und  höfischen  Sinne  Walthers  zumuthen,  daß  er  jene  Unthat, 
die  zwei  seiner  Gönner  und  seinen  Landesherrn  so  schmerzlich  berührte, 
durch  einen  in  ganz  Deutschland  verbreiteten  Spruch  hätte  in  fort- 
währender Erinnerung  erhalten  sollen?  Ist  es  denkbar,  daß  er  dem 
gepriesenen  Patriarchen  von  Aquileja  ein  infandum  renovare  dolorem 
hätte  bereiten  und  vorsingen  sollen?  Nein,  aus  zarter  Schonung  und 
schuldiger  Rücksicht  für  seine  „heimischen  Fürsten"  aus  den  durch  jenes 


*)    Böhmern  Kaiser-Kegesteu  ad  a.  1219. 


264  ZINGEKLE 

Ereigniss  so  hart  betroffenen  Häusern  Witteisbach  und  Auclechs  wollte 
und  musste  Walther  schweigen."  (Beil.  zur  Allgera.  Zeit.  1874  Nr.  186).*) 

Wie  stellt  sich  nun  das  Verhältniss  Walthers  zu  den  Andechsern 
bei  der  von  uns  angenommenen  Heimat?  —  War  Walther  am  Riede 
zu  Plause,  so  war  er  ein  geborner  Dienstraann  der  Andechser.  Nach 
Hormeyer  hatten  die  andechsischen  Rapotos  den  gräflichen  Arabacht 
des  Norithales*)  oder  Eisackthales  um  Brixen  schon  frühe  verwaltet. 
(Goldene  Chronik  v.  Schwangau  S.  43.) 

Im  Jahre  1165  wurde  vom  Bischof  von  Brixen  die  Vogtei  des 
Hochstiftes  dem  Hause  Andechs  übertx'agen.  (Sinnacher,  Beiträge  3,  641, 
Tiukhauser  I,  37.)  Seitdem  begegnen  wir  Andechsern  oft  in  Brixner 
Urkunden.  Ich  verweise  nur  auf  folgende  im  Neustifter  Urkunden- 
buche: Nr.  123.  1169  Ortolfus  de  Andechs.  Nr.  127.  1174  Gotefrit  et 
frater  ejus  Grife  de  Andechs,  Nr.  149.  1182  Bertholdus,  marchio  Histrie 
ac  brixiuensis  ecclesie  advocatus.  —  Gotschalcus  de  Andechs  Nr.  159. 
1187  Gotfrid  de  Andechs,  purcgravius  de  Brixina**).  In  Folge  der 
Theilnahme  am  Morde  Philipps  verloren  sie  die  Vogtei  von  Brixen 
1214***)  und  ihre  Güter,  aber  1232  erhält  Otto  von  Andechs  wieder 
Lehen  vom  Brixner  Bischöfe,  in  Beziehung  auf  die  Vogtei  wurde  aber 
1241  beschlossen,  daß  die  Grafen  von  Andechs  und  die  von  Tirol 
dieselbe  wechselseitig  und  erblich  besitzen  sollen f).  Im  Jahre  1239 
finden  wir  Otto  IL  von  Andechs  auf  dem  Schloße  Gufedaun,  wo  er 
dem  Kloster  Neustift  eine  Schenkung  bestätigtff).  Von  dort  aus  be- 
fehdete er  1240  den  Bischof  Egno  von  Brixen.  Zum  Gerichte  Gufe- 
daun, das  die  Andechser  besaßen,  gehörte  aber  auch  Laien  mit 
dem  Riede.  War  Walther  hier  geboren,  so  läßt  sich  sein  Verhältniss 
zu  den  Andechsern  leicht  erklären. 

Ich  erlaube  mir  hier  auch  den  Spruch  von  Tegei'nsee  heranzu- 
ziehen. Walther  sagt: 

Man  seit  mir  ie  von  Tegerse, 

wie  wol  daz  hüs  mit  eren  ste. 

dar  kerte  ich  mer  dan  eine  mile  von  der  sträze.  L.  104,  23. 


*)  Die  Grafschaft  Norithal,  welche  Kaiser  Konrad  II.  im  J.  1027  dem  Hoch- 
stifte Brixen  schenkte,  reichte  auf  der  linken  Seite  des  Eisakes  vom  Preibach  bei 
Blumau,  auf  der  rechten  vom  Tinnebach  bei  Clausen  beginnend  durch  das  ganze  Wipp- 
thal zu  den  Marken  des  Inn-  und  Pusterthals,  Tinkhauser  I,  34. 

**)  Über  die  Andechser  s.  J.  Egger,  Geschichte  Tirols  I,  197.  207.  214.  224  ff. 
***)  Sinnacher,  Beiträge  4,  170.  Tinkhauser  1,  37. 
t)  Tinkhauser  1,  37. 
ff)  Facta  sunt  hec  in  castroCufeduu  anno  dominice  incarnacionisM.CC.XXX.VIIII. 
Neust.  Urkuudenbuch  S.  108. 


ZURgHElMATFEAGE  WALTHERS,  265 

Waltlier  hat  stäts  von  diesem  Gotteshause  gehört  und  sucht  es 
seitab  von  der  Straße  auf,  was  ein  besonderes  Interesse  an  diesem 
Gotteshause  voraussetzt.  Er  beklagt  sich  bitter,  daß  er  dort  keinen 
Wein  erhielt  und  mit  Wasser  fürlieb  nehmen  musste.  Lag  Walthers 
Heimat  im  Eisakthaie,  so  gewinnt  das  „ze"  seine  volle  Bedeutung.  Dann 
hat  er  sicher  schon  als  Knabe  von  Tegernsee  sagen  gehört.  Denn 
Tegerusee  hatte  bei  Bozen  große  Besitzungen*)  und  bezog  den  im 
Mittelalter  'berühmten   Bozensere**)   von    seinen    eigenen  Weinbergen. 


*)  In  den  mon.  Boic.  6,  15  ist  von  Erwerbung  von  Gütern  „in  tribus  locis,  Stil- 
vis,  Pozajna,  Loina  nuncupatis"  die  Rede.  Ebendort  S.  34.  „Noverint  omnes  fideles 
Cristi  präsentes  atque  futuri,  quod  quidam  homo  nobilis  nomine  Minio  habitans  in 
Villa  Bozana  dimidium  cellarii  sui,  quod  habuit  in  castello  eiusdem  villae  contigno, 
potestativa  manu  pro  pecunia  delegavit  in  manus  Sigifridi  Abb.  et  advocati  sui  Per- 
toldi."  —  S.  39.  „Fidelium  Christi  pluralitas  presens  et  futura  non  ignoret,  qualiter 
quidam  advocatus  S.  Quir.  Pertholt  nomine  potestativa  manu  ad  alt.  ejusd.  s.  Mart. 
pro  rem.  sui  suorumque  parentum  per  manum  Sigibotonis  nostri  advocati  presenti  abb. 
Sigifrido  cum  suis  fratribus  in  usum  ipsorum  vineam  propriam  in  Bozanensi  villa 
donavit  seil,  in  optimo  loco  eiusdem  ville  sitam"  etc.  S.  61.  „Fidelium  Christi  plura- 
litas presens  et  futura  non  ignoret,  qualiter  advocatus  S.  Quiryni  Pernhardns  de  Snssin- 
cheim  potestativa  manu  pro  remedio  sui  parentumque  suorum  duas  vineas  proprias  ad 
alt.  pred.^Mart.  in  Bozanensi  villa  donavit,  quas  vinitores  coluerunt  Aribo  et  Vitalis." 
Vergl.  noch  S.  126.  163.  —  Nach  einer  gütigen  Mittheilung  des  Hrn.  Prof.  Dr. 
Eockinger  enthält  die  Hs.:  ,,Anno  domini  MCCXLII  subnotantur  redditus  prediorum 
in  montibus  mouasterii  Sti.  Quiriui  martyris  in  Tegernsee,  qui  nobis  jure  proprietario 
attinent"  (k.  allg.  Reichsarchiv  in  München.  Kloster  Tegernsee  Nr.  54)  folgendes  auf 
die  Bozner^Gegend  Bezügliche: 

Ze   Potzen   Wiltteyuerm  4   vrn  1   fl     perner    malphenning.    von    der    Ränern    von 
der  mutaw  vnder  der  Spitz  von  den  drein  Weingarten. 
Ibidem  Hanns  Zumpf  von  den  pewnt  halben  wein. 
„        Freuntsperger  in  der  Merum  \  fueder  wein. 
„        Örtel  2  vrn.  2  gallos. 

„  zu  Kchlinn  von  des  Kramers  Weingarten  bei  den  Talveren  1  vrn  weins. 
„  Niederhauserin  2  vrn  weins. 
Zu  Potzen  de  Dominico  4  'Ü  perner. 
Planici  weinhof  administrat  nobis  medium  vinum  von  den  zwain  tailen  des  hofs,  die 
zu  den  Weingärten  ligen  suUen,  und  von  dem  andern  drittail,  der  zu  anderm  paw  ligen 
mag,  7  'S  veronen,  und  sol  das  gotzhaus  anwalt,  die  weil  sy  in  dem  wymat  sind,  mit 
malen,  mit  fueter,  mit  hew  und  mit  allen  sachen  jerleich  besorgen  und  ausrichten. 
Pernstich  von  einem  Weingarten  14  g".  Eppan  in  der  Romei  von  einem  Weingarten  ain 
phund  perner,"  Vergl.  überdieß  B.  Weber,  Bozen  und  seine  Umgebungen  S.  12.  Tiro- 
lische Weisthümer  I.  6.  7. 

**)  Mon.  Germ.  scr.  2,  108.  Gotfr.  de  Viterbo  Carmen  de  rebus  gestis  Friderici 
primi  in  Italia  v.  262.  Otto  v.  Freisingen  de  gest.  Frid.  2,  26.  Wolfram  v.  Eschenbach, 
Willehalm   136,  6.  Von  dem  übelen  Weibe  553.  Ottokars  IJeimchronik  ed.  Pez  S.  310«, 


266  ZINGEKLE 

Wenn  Walther  im  Eisackthale  zu  Hause  war  konnte  er  seine 
Heimat  auf  seinem  Kreuzzuge  berühren?  Gieng  die  Fahrt  der  damals 
nach  Italien  ziehenden  Kreuzträger  über  den  Brenner  und  durch  das 
Eisackthal?  —  Wir  könnten  dies  aus  Antecedentien  annehmen,  da  sich 
das  Kreuzheer  in  Italien  sammelte.  Denn  die  Züge  nach  Italien  giengeu 
häufig  über  den  Brenner  und  durch  das  Eisackthal,  was  urkundlich 
durch  den  Aufenthalt  der  deutschen  Kaiser  und  Könige  im  Eisack- 
thale festgestellt  ist*).  Aber  für  den  in  Rede  stehenden  Zuzug  aus 
Deutschland  haben  wir  sichere  Nachricht.  In  dem  Spruche: 

„Swer  an  des  edeln  lantgräven  rate  si" 
L.  85,  17  fordert  unser  Dichter  den  Landgrafen  Ludwig  von  Thüringen, 
den  Gemahl  der  heiligen  Elisabeth,  auf,  den  Kreuzzug  zu  beschleunigen. 
Der  Landgraf  unternahm  im  Juni  1227  mit  dem  Hauptzuzuge  aus 
Deutschland  die  Fahrt  nach  Italien.  Walther  befand  sich  in  seiner 
Schaar  oder  in  einem  Nachzuge,  der  wohl  den  nämlichen  Weg,  wie 
das  Hauptheer,  einschlug.  Welchen  Weg  nahm  nun  Landgraf  Ludwig? 
Darüber  sind  wir  genau  unterrichtet.  In  den  Annales  Reinhardsbrun- 
nenses  (ed.  Wegele)  S.  205  heißt  es:  „Omnibus  istis  ad  iter  bene  dis- 
positis  cum  gaudio  et  JDcunditate  maxima  profectus  est  Ludewicus, 
Thuringorum  lantgravius,  princeps  Hassie  et  Saxonie  comes  palatiuus, 
de  terra  sua  eligens  pro  amore  Jhesu  Chi'isti  exulare,  ut  in  celesti 
patria  ab  ipso  recipi  mereretur.  Cum  tranquillitate  ergo  pacis  transiens 
Franconiam,  Sweviam  atque  Bavariamel  trans  Alpes  Italiam,  Longo- 
bardiam  Tusciamque  venit  in  Ceciliam,  ubi  Imperator  Fridericus  ipsum 
cum  inestimabili  gaudio  suscepit  in  civitate,  que  Troya  nuncupatur, 
in  inventione  St.  Stephani  (3.  August)  et  ibi  commorabatur  per  tri- 
duum."  Der  Landgraf  zog  also  per  Bavariam  d.  h.  durch  Altbaiern, 
nämlich  von  Schwaben  über  Partenkirchen  und  Mittewald  nach  Zirl  — 
und  von  dort  über  den  Brenner.  Denn  wäre  er  über  Füßen  und  den 
Fernstein  nach  Imst  und  gegen  Chur  gezogen,  stünde  nicht  „per  Ba- 
variam"**).   Simrock   hat   eingewendet    (Ausgabe  S.  23)   Tirol    könne 


*)  Vergl.  „Beiträge  zur  Geographie  Tirols  im  Mittelalter"  im  Archiv  für  Geschiebte 
Tirols  I,  323  ff.  Was  den  Aufenthalt  deutscher  Könige  im  Eisackthale  betrifft,  ist  mir 
folgendes  bekannt:  Otto  II.  October  967  in  Brixen.  Conrad  II.  Mai  1027  in  Brixen. 
Heinrich  IV.  Juni  1079  in  Brixen.  Heinrich  V.  Sept.  1120  in  Brixen.  Friedrich  I.  im 
J.  1155  in  Bozen  und  Brixen.  Heinrich  VI.  Jänner  1191  in  Bozen.  Heinrich  VII.  April 
1226  in  Brixen.  Friedrich  II.  im  Aug.  1236  in  Brixen,  im  Sept.  1237  bei  Klausen. 

**)  Die  meisten  Tiroler,  die  das  Kreuz  nehmen  wollten,  schloßen  sich  dem 
Kreuzzuge  1218  an  (Ferdinandeums  Zeitschrift  1869  S.  37.  38),  aber  auch  1227  be- 
theiligten sich  manclie  au  der  Kreuzfahrt.  Sinnachcr  Beiträge  IV,  "214  ff. 


ZUR  HEIMATFRAGE  WALTHERS.  267 

auch  deßwegen  nicht  Walthers  Heimat  sein,  weil,  als  der  Dichter  seine 
Heimat  wiedersah,  er  die  'liebe  reise'  noch  nicht  angetreten  hatte. 
Aber  Simrock  bemerkt  selbst,  Walther  habe  die  ihm  fehlenden  Mittel 
zu  der  Fahrt  wohl  in  seinem  Geburtslande  aufzutreiben  gehofft.  Also 
er  begab  sich  in  seine  Heimat,  und  zu  diesem  Zwecke;  das  Lied  Owe 
war  sint  verswundeu  ist  unter  dem  ersten  mächtigen  Eindruck  des 
Wiedersehens  entstanden,  ehe  der  Dichter  noch  sicher  war,  seinen 
Zweck  zu  erreichen.  Es  gelang  ihm  aber  und  er  schloß  sich  dem  durch 
Tirol  gehenden  Zuzug  an,  dem  er  zu  jenem  Zwecke  vorangeeilt  war. 
Auf  dem  Wege  nach  Italien  sah  Walther  seine  Heimat  nach  langen 
Jahren  wieder  und  die  Verse: 

bereitet  ist  daz  velt,  verhouwen  ist  der  walt: 
wan  daz  daz  wazzer  fliuzet  als  ez  wilent  floz 
passen  trefflich  auf  unsere  Vogelweide. 

Nach  allgemeiner  Sage  stund  von  den  Höfen  bei  St.  Kathrein  bis 
Laien  dichter  Wald  und  alter  Tradition  eingedenk  wollen  nun  die 
Laiener  die  Heide  von  Casserol  wieder  anpflanzen.  Nach  den  Mein- 
hardschen  Urbaren  circa  1280  war  aber  Casserol  nicht  mehr  Wald, 
denn  es  heißt  dort  Bl.  55":  „In  Casiral  von  der  voitai  git  man  zwei 
schäf." 

Nach  Tirol  weisen  aber  auch,  was  Pfeiffer  ausführlich  betonte 
XXVI  ff.,  die  Handschriften.  In  der  V/eingartner  Handschrift  linden 
wir  die  Folge  Her  Liutolt  von  Savene,  Herre  Rubin,  Her  Walther  von 
der  Vogelweide,  im  Anhange  der  Heidelberger  Handschrift:  Rubin, 
Friderich  von  Sunburg,  Walther  von  der  Vogelweide.  Es  ist  dieß  wohl 
nicht  blinder  Zufall,  daß  Walther  hier  gerade  neben  Dichtern,  die 
dem  „jetzigen  Tirol"  angehören,  erscheint.  Über  das  Verhcältuiss  Walthers 
zu  Liutolt  von  Sähen  haben  Wackernagel  XX  ff.  und  Pfeiffer  S.  XXVII 
ausführlich  gesprochen.  Ein  nahes  Verhältniss  zwischen  ihnen  dürfte 
nicht  zu  leugnen  sein.  Nehmen  wir  nun  Walthers  Heimat  am  Riede  an, 
so  waren  sie  Landsleute  in  engster  Bedeutung  des  Wortes,  ihre  Ge- 
burtsstätten waren  höchstens  zwei  Stunden  von  einander  entfernt  und  der 
Verkehr  zwischen  hüben  und  drüben,  zwischen  Laien-Gufedaun  und 
Säben-Villanders  war  der  belebteste*),  Wechselheiraten  zwischen  den  zahl- 
reichen Adelsgeschlechtern  am  linken  und  rechten  Eisackufer  waren 
sehr  häufig.  Die  Bekanntschaft  mit  den  Säbnern  liefert  aber  auch  für 
seine  Fahrt  nach  Wien  eine  passende  Erklärung.    Allgemein  wird  an- 


*)  Im    Neustifter  Urkundenbnche    erscheinen    z.  B.  Zeugen    von    beiden    Seiten 
nebeneinander  Nr.  1,51.  153.   155.   171.    172.    173.   176  ff. 


268  ZINGEKLE 

genommen,  daß  unser  Dichter  circa  1190  dorthin  gekommen  sei.  Im 
Jahre  1189  reiste  aber  Ortulf  II  von  Sähen*)  Domherr  zu  Brixen^ 
Probst  zu  Inuichen,  Hofcaplan  Friedrich  I.,  nach  Wien,  um  den  Kaiser 
auf  dem  Kreuzzuge  zu  begleiten,  und  erscheint  in  der  dort  1189^  18.  Mai 
ausgestellten  Kaiserurkunde  als  Zeuge:  Ortolfus  Iticensis  prepositus. 
Fontes  rerum  Austriacarum  XXXI.  Nr.  122.  S.  121.  —  Ortulf  kehrte 
vom  Kreuzzuge  zurück  und  lebte  seitdem  als  Probst  des  weltlichen 
Collegiatstiftes  in  dem  früheren  Benedictinerkloster  zu  Innichen. 
Sein  Todesjahr  soll  circa  1210  fallen**),  es  scheint  aber  zu  früh  an- 
gesetzt, da  sein  Nachfolger  Conrad  von  Tölz  erst  1224  frühestens 
diese  "Würde  bekleidete***).  Ortulf  hatte  das  Reich  in  seinem  Glänze 
gesehen  und  nach  des  großen  Kaisers  Tode  die  Wirren  und  Drangsale, 
den  unseligen  Streit  zwischen  Kaiser  und  Reich  noch  erlebt.  Nach 
seiner  Heimkehr  lebte  er  so  zurückgezogen,  daß  er  in  keiner  Urkunde 
mehr  erscheint.  Würden  auf  unsern  Ortulf  nicht  Walthers  Stellen,  in 
denen  der  Klosenaere  vorkommtf),  passen?  Wenn  Ortulf  darunter  ge- 
meint ist,  so  haben  wir  ein  sinnreiches  Wortspiel,  dergleichen 
uns  bei  Walther  öfter  begegnen.  Auf  dem  niedrigen  Vorsprunge  des 
Säbner  Berges,  unmittelbar  über  der  Stadt  Klausen  (Clüsa,  Clüse, 
Clüsna)  hatten  sich  die  Säbner  eine  eigene  Burg,  nun  Branzol  ge- 
nannt, gebaut.  Diese  Burg  war  die  Veste  Klausens.  Ein  Säbner  konnte 
deßhalb  mit  Recht  ein  Bewohner  Klausens  (Clüsenaere,  Cl6senaere)ff) 
genannt  werden.  Closenaere  enthält  somit,  wenn  Ortulf  gemeint  ist, 
eine  Anspielung  auf  dessen  Geburtsort;  Klausner,  Eremit,  konnte  Walther 
ihn  mit  vollem  Rechte  wegen  seiner  Zurückgezogenheit  im  alten  Kloster 
zu  Innichen  nennen. 

Der  Annahme,  daß  Walther  im  andechsischen  Gerichte  Gufedaun 
auf  dem  Laiener  Ried  geboren  sei,  stehen  ihr  vielleicht  sprachliche 
Gründe  entgegen?  —  Ich  glaube  nicht.  Der  Reim  „verwarren"  L. 
34,  18  ist  nicht  entscheidend,  es  kommt  a  für  o  in  der  bairischen  Mund- 
art ungemein  häufig  vor  (Weinhold,  bair.  Gramm.  §.  6),  die  häufigen  Reime 
a  :  0  bei  Vintler  und  Oswald  von  Wolkenstein,  sowie  die  Schreibung 
a  für  o  in  Urkunden  beweisen  dieß  Vorkommniss  auch  für  Tirol.  Die 


*)  Über  ihn  vergleiche  Sinnachers  Beiträge  3,  465.  Tinkhauser  1,  465.    "KroU 
Geschichtsfreund  1,  26. 

**)  Sinnacher  3,  467.  Nach  Tinkhauser  1.  c.  1200. 
***)  Sinnacher  3,  468.  Tinkhauser  1.  c. 
t)  L.  9,  37.  10,  33.  34,  33.  62,  10. 
tt)  Heinrich  der  Clüsenaere  1102.  Neust.  Urkb.  S.  67.    Ulreich   der    Chlosner 
1329.  Ebendort  S.  240. 


ZUR  HEIMATFHAGE  WALTHERS.  269 

Reime  lieht  :  niebt  L.  88_,  12.  18  und  26.  27  begegnen  uns  gerade  auch 
bei  dem  tirol.  Dichter  Liutolt  von  Sähen,  der  nicht  :  lieht  :  ieht  bindet. 
Wackernagel  265,  1.  4.  7.  Walther  erfreut  sich  sonst  der  reinsten  höfi- 
schen Form  und  Sprache,  aber  ungeachtet  dessen  deuten  einige  Aus- 
drücke auf  seine  alpine  Abkunft.  Wenn  er  sagt:  der  kalc  wacr  abe 
getragen  L.  28,  30,  so  kommt  kalc  in  der  Bedeutung  von  „Weiße, 
Tünche"  im  Eisackthale  und  Etschlande  noch  heutzutage  allgemein 
vor.  Die  Phrasen:  „der  kalk  geht  ab",  „der  kalk  wird  abgerieben" 
sind  überall  dort  gebräuchlich.  In  der  Stelle:  „ez  ist  ze  Avich  und 
ofte  hcene"  L.  35,  28  ist  ze  wich  durch  A  und  C  verbürgt.  Lachraanu 
möchte  S.  163  „ze  weich"  oder  „ze  wiz"  vorschlagen.  Wich,  wiech 
ist  aber  ein  jenseits  des  Brenners  allgemein  verbreitetes  Wort.  Es  be- 
deutet: fett,  üppig,  ausgelassen  und  abgeschmackt.  Schöpf  815*). 
Als  Walther  sein  Lehen  erhalten,  jubelt  er: 

Ich  hän  min  lehen,  al  die  werlt,  ich  hän  min  lehen. 

nü  enfürhte  ich  niht  den  hornunc  an  die  zehen.  L.  28,  31. 
Nun  was  soll  das,  ich  fürchte  den  Hornung  (Februar)  nicht  an  den 
Zehen?  —  Es  ist  zu  beachten,  daß  Walther  das  Wort  „hornunc"  nur 
an  dieser  Stelle  gebraucht.  In  Pfeiffers  Ausgabe  4.  Aufl.  S.  260  finden 
wir  die  Erklärung  „der  hornunc,  Februar,  bildlich  hier  Frost,  Frost- 
beulen". Ganz  richtig,  aber  dafür  hätte  Walther  wohl  das  ihm  sonst 
geläufige  Winter  besser  gebraucht,  denn  Frost,  Frostbeulen  bringt 
nicht  der  Februar  allein.  Ein  unerwartet  Licht  fällt  auf  diese  Stelle, 
wenn  wir  das  horniglen,  das  im  innern  Eisackthale  gebräucLlich  ist, 
heranziehen.  „Hurniglen,  horniglen  vor  Kälte  prickeln,  brennen; 
den  hurnigl  an  den  Fingern  haben"  Schöpf  283.  Vgl.  Schmeller  II, 
1165.  Hornigg'n  heißen  dort  geradezu  die  Frostbeulen.  —  Wir  haben 
in  „hornunc"  also  ein  Wortspiel,  das  sich  aus  dem  hornigg'n  erklären  lässt. 

Bemerkeuswerth  ist,  daß  der  Name  Walther  auf  unserer  Vogel- 
weide noch  im  16.  Jahrhundert  vorkommt.  Das  älteste  Taufbuch  von 
Laien  beginnt  1571.  Seite  36  heißt  es  vom  Jahre  1575:  Die  20.  Martii 
ain  kindt  getaufft  dem  Walter  Voglwaider  in  Riedt,  patrinus  W'ther 
Prantschurer  alhie,  infans  W'ther**).  Im  16.  Jahrhundert  war  in  Tirol 
der  Name  Walther  ebenso  vergessen,  als  Walther  von  der  Vogelweide. 
Wie  lässt  sich  dieß  Vorkommnisse  daß  der  Name  Walther  gerade  auf 

*)  Es  möge  hier  zu  Schöpf  bemerkt  werden,    daß  „ein  wiecher  mensch"  auch 
in  der  Bedeutung:  „ein  ausgelassener,  frivoler,  widerlicher"  gebraucht  wird. 

**)  Ich  gebe  diese  Stelle  nach  einer  gütigen  Mittheilung  des  Hrn.  Pfarrers  in 
Laien,  Jacob  Tappeiner.  Leider  konnte  ich  ins  Taufbuch  nicht  selbst  Einsicht  nehmen, 
um  die  Kürzungen  zu  vergleichen;  das  erste  „V/alter"  steht  fest. 


270  ZINGERLE,  ZUR  HEIMATFRAGE  WAI.TIIEKS 

der  Vogel  weide  erscheint,  erklären,  als  damit,  daü  hier  dieser  Name 
aus  früheren  Zeiten  fortlebte?  Das  Bild  am  Hause,  das  an  Bäumen 
sich  hinanschlingende  Reben  darstellt,  an  deren  Früchten  Vögel  naschen, 
zeichnet  dieß  Gehöfte  vor  andern  aus.  Aus  welcher  Zeit  dasselbe 
stammt,  zu  bestimmen,  überlasse  ich  Fachmännern.  Jedenfalls  datiert 
es  nicht  aus  neuester  Zeit. 

Nach  dem  bisher  Gesagten  sprechen  viele  Wahrscheinlichkeits- 
gründe dafür,  daß  Walthers  Heimat  am  Laiener  Ried  zu  suchen  sei,  iind 
so  lange  für  eine  auderwärtige  Vogelweide  nicht  kräftigere  Stützpunkte, 
als  bisher  beigebracht  werden,  bin  ich  in  gutem  Rechte,  die  Vogelweide 
als  muthmaßliche,  ja  höchst  wahrscheinliche  Wiege  Walthers  anzunehmen. 
Weiter  bin  ich  auch  nie  weder  schriftlich  noch  mündlich 
gegangen. 

Damals  erfreute  sich  Tirol  des  reichsten  geistigen  Lebens  und 
Strebens,  was  uns  die  hiesigen  Dichter  der  damaligen  Zeit,  die  zahl- 
reichen Handschriften  und  die  Bauten  und  alten  Fresken  gerade  in 
der  Eisack-  und  Etschgegend  beweisen.  Wenn  später  das  Eisackthal 
noch  einen  Oswald  von  Wolkenstein  und  einen  Fallmereier  unter  viel 
ungünstigem  Verhältnissen  erzeugte,  sollte  es  nicht  würdig  sein,  die 
Wiege  eines  Walther  zu  sein?  —  Urkundlicher  Beweis  dafür  wird 
sich  nicht  beibringen  lassen.  Aber  könnten  wir  den  Oswald  von  Wolken- 
stein, der  einem  der  mächtigsten  Adelsgeschlechter  angehörte  und  200 
Jahre  später  als  Walther  lebte,  nachweisen,  wenn  er  1396  nicht  wieder 
heimgekehrt  Aväre,  um  hier  seine  große  politische  Rolle  zu  spielen?  — 
Und  ungeachtet  der  Archive  und  Familienaufzeichnungen,  die  dieses 
gräfl.  Geschlecht  besitzt,  wurde  allgemein  angenommen,  daß  Oswalds 
hochgefeierte  Margaretha  vor  ihm  gestorben  und  er  sich  zum  zweiten 
Male  mit  Anna  v.  Ems  verehlicht  habe,  bis  in  einem  ganz  fremden 
Archive  P.  Just.  Ladurner  zufällig  eine  Urkunde  fand,  die  das  Gegen- 
theil  bestätigte.  Wenn  solche  Dinge  bei  einem  der  mächtigsten  Ge- 
schlechter aus  späterer  Zeit  begegnen,  so  ist  bei  Walther,  der  als 
nachgeborner  Sohn  aus  niederem  Adelsgeschlechte  fi'ühe  seine  Heimat 
verlassen  und  dieselbe  nur  einmal  wieder  gesehen  hat,  an  einen  ur- 
kundlichen Beweis  nicht  zu  denken. 

J.  V.  ZINGERLE. 


*)  Zur  Note  S.  260  kann  ich  nun  berichtigen,  daß  in  einem  vom  Archivar  Dr. 
D.  Sehönherr  aufgefundenen  Urbare  von  Gufedaun  aus  dem  Beginne  des  15.  Jh.  schon 
beide  Vogelweider  Höfe  vorkommen: 

Item  baid  Vogelweider  IX  gr.  (Fol.  22). 
S.  Tiroler  Bote  1875  Nr.   156. 


FICKER,  ZUR  WALTHERFRAGE.  271 


ZUR  WALTHERFRAGE. 


Von  solchen,  welche  die  für  die  Herkunft  Walthers  von  der  Vogel- 
weide aus  dem  Laiener  Riede  geltend  gemachten  Gründe  für  unzu- 
reichend halten,  ist  unter  anderm  geltend  gemacht,  daß  die  Frage  be- 
friedigend nur  durch  den  urkundlichen  Nachweis  eines  Geschlechtes 
der  Herren  von  der  Vogelweide  gelöst  werden  könne.  Dem  gegenüber 
dürfte  doch  daran  zu  erinnern  sein,  daß  der  ganzen  Sachlage  nach 
ein  solcher  Nachweis  nie  zu  erwarten  sein  wird,  daß  insbesondere  auch 
die  Annahme,  Walther  stamme  aus  dem  südlichen  Tirol,  in  keiner 
Weise  dadurch  als  unrichtig  oder  unwahrscheinlich  erwiesen  werden 
kann,  daß  sich  eine  Herrenfamilie  dieses  Namens  in  jener  Zeit  in  Tirol 
allerdings  nicht  findet. 

Die  Forderung  solchen  Nachweises  ist  natürlich  nur  dann  be- 
rechtigt, wenn  anzunehmen  ist,  daß  Walther  einem  Geschlechte  ange- 
hörte, welches  zu  seiner  Zeit  bereits  einen  Geschlechtsnamen  führte. 
Diese  Annahme  aber  ist  in  keiner  Weise  zu  begrrtinden.  Allerdings  war 
Walther  zweifellos  ritterlicher  Abkunft.  Aber  gegen  Ende  des  zwölften 
Jahrhunderts  hatten  noch  keineswegs  alle  ritterlichen  Familien  einen 
Geschlechtsnamen;  insbesondere  nicht  in  der  Gegend,  in  welche  jetzt 
Walthers  Heimat  überwiegend  gesetzt  wird. 

Die  ritterlichen  Personen  zerfallen  hier  in  drei  Classen,  nämlich 
freie  Herren,  Dienstmannen  oder  Ministerialen  und  einfache  Ritter. 
Freie  Herrengeschlechter  gab  es  hier,  außer  den  Grafen,  sehr  wenige; 
es  wären  aus  nicht  zu  großer  Entfernung  nur  etwa  die  Herren  von 
Wangen  und  von  Taufers  zu  nennen.  Alle  übrigen  Rittergeschlechter 
waren  unfrei.  Diese  zerfallen  aber  wieder  in  zwei  Classen,  welche  hier 
und  in  manchen  andern  Gegenden  des  südlichen  Deutschlands  scharf 
geschieden  sind,  während  sich  in  andern  Ländern  der  Unterschied 
mehr  verwischt.  Dienstmannen  und  Ministerialen  sind  hier  eine  bevor- 
zugte Classe  ritterlicher  Unfreien;  der  Titel  sollte  eigentlich  nur  den 
Mannen  der  Reichsfürsten,  wie  der  Bischöfe  von  Brixen  oder  der  an- 
dechsischen  Herzoge  von  Meran  zukommen;  er  wurde  dann  aber  auch 
wohl  den  Mannen  der  Grafen  oder  angesehener  Prälaten,  wie  etwa 
der  Äbtissin  von  Sonnenburg,  zugelegt.  Einer  solchen  Familie,  wie  es 
etwa  die  brixnerischen  Ministerialen  von  Velthurns,  Sehen,  Rodeneck, 


272  FICKEK.  ZUR  WAr/rfIKRFKAGE. 

Kastelruth  oder  die  andechsischen  von  Gufidaun  waren,  gehörte 
Walther  sicher  nicht  an.  Denn  diese  Familien,  in  den  früheren  Zeiten 
des  Jahrhunderts  vielfach  noch  namenlos,  führen  gegen  Ende  desselben 
durchwegs  Geschlechtsnamen,  wenn  auch  noch  vielfach  nach  den  Be- 
sitzungen wechselnd.  In  der  Zeit  Walthers  werden  diese  Ministerialen- 
geschlechter nun  aber  hier,  wie  in  andern  Theilen  Deutschlands,  zu 
häufig  in  den  Urkunden  erwähnt,  um  nicht  den  Schluß  durchaus  be- 
rechtigt erscheinen  zu  lassen,  daß,  wenn  eine  solche  Familie  sich  von 
der  Vogelweide  genannt  hätte ^  wir  den  Namen  in  den  Urkunden  be- 
gegnen mtissten. 

Es  gab  nun  aber  noch  eine  dritte  Classe  von  Rittern,  welche 
nicht  Mannen  der  Fürsten  oder  Grafen,  sondern  Mannen  der  freien 
Herren  und  insbesondere  auch  der  Dienstmannen  waren.  Werden  die 
Dienstmannen  noch  häufig  als  Herren  bezeichnet,  so  ist  das  bei  diesen 
einfachen  Rittern  nicht  der  Fall.  Sie  führen  weiter  zu  Walthers  Zeit 
durchweg  keinen  Geschlechtsnamen. 

In  den  fürstlichen  Urkunden  werden  sie  überhaupt  ihres  geringen 
Ansehens  wegen  selten  genannt;  und  das  ist  wohl  der  Hauptgrund, 
daß  man  bei  solchen  Untersuchungen  diese  anscheinend  ziemlich 
zahlreiche  Classe  von  Rittern  gewöhnlich  ganz  vergisst.  In  andern  Auf- 
zeichnungen dieser  Gegend,  z.  B.  im  Schenkungsbuche  von  Neustift, 
werden  sie  nicht  selten  erwähnt.  Und  zwar  in  der  Regel  nur  als  Be- 
gleiter ihres  Herrn,  der  meist  selbst  nur  den  fürstlichen  Ministerialien 
angehörte.  Es  heißt  etwa:  Reginbert  von  Sehen  und  seine  Ritter  Her- 
mann und  Hartmann,  der  Arnold  von  Rodeneck  und  seine  Ritter 
Herman   und  Werner. 

Von  dieser  Seite  her  widerspricht  also  nichts  der  Annahme,  daß 
Walthers  Geburtsstätte  im  Laiener  Ried  war;  eher  ergibt  sich  daraus 
eine  gewisse  Unterstützung.  Der  dortige  Vogelweidhof  hat  vor  allen 
andern  bekannten  Örtlichkeiten  dieses  Namens  das  voraus^  daß  die  an 
ihn  geknüpften  Giebigkeiten  ihn  als  alten  Rittersitz  zu  kennzeichnen 
scheinen.  Wird  dagegen  nun  geltend  gemacht,  daß  in  diesem  Falle 
sich  ein  Rittergeschlecht  nach  ihm  benannt  haben  müsse,  so  verliert 
dieser  Einwand  mit  dem  Gesagten  seine  Berechtigung.  Gab  der  Hof 
aber  noch  keinem  Geschlechte  den  Namen,  so  kann  es  trotzdem  wieder 
in  keiner  Weise  auffallen,  daß  eine  einzelne,  von  ihm  stammende 
Person  nach  ihr  benannt  wurde.  War  Walther,  wie  wohl  zu  vermuthen, 
ein  jüngerer  Sohn,  der  schon  früh  sein  Glück  an  fremden  Herrenhöfen 
versuchte,  weil  ihm  sein  geborner  Dienstherr,  der  etwa  ein  Ritter  von 
Gufidaun  gewesen  sein  könnte,  kein  Gut  zuwenden  konnte,  so  bedurfte 


SlICHIER,   DIE  QUELLEN  DER  MAGUSSAGA.  273 

es  einer  bestimmteren  Bezeichnung  ,  um  ihn  von  so  manchem  andern 
Walther  zu  unterscheiden;  nichts  lag  da  näher,  als  ihn  nach  dem  Hofe 
zu  bezeichnen,  auf  dem  er  das  Licht  der  Welt  erblickte. 

Wenn  ich  mit  dem  Gesagten  einen  einzelnen  Einwand  für  be- 
seitigt halte,  der  gegen  die  Annahme,  daß  Tirol  Walthers  Heimat  sei, 
erhoben  wurde,  so  weiß  ich  recht  wohl,  daß  wir  in  dieser  Richtung 
von  einem  unumstößlichen  Beweise  noch  weit  entfernt  sind.  Aber  das 
wird  man  nach  dem  jetzigen  Stande  der  Forschung  wohl  sagen  dürfen, 
daß  der  Annahme,  Walthers  Wiege  habe  im  Lande  am  Eisack  ge- 
standen, bis  jetzt  nicht  allein  kein  maßgebender  Grund  widerspricht, 
sondern  auch  mancher  gewichtige  Umstand  sie  in  hohem  Grade  wahr- 
scheinlich macht. 

(„T.  B.")  J.  FICKER. 


DIE  QUELLEN  DER  MAGUSSAGA. 


Zu  den  isländischen  Sagas,  welche  altfranzösischen  Chansons  de 
geste  nacherzählt  sind,  gehört  auch  die  Mägussaga.  Mit  Beziehung  auf 
die  altfranzösische  Litteratur  wurde  sie  zuerst  von  Geffroy  erwähnt 
in  seinem  Berichte  über  die  französischen  und  auf  Frankreich  bezüg- 
lichen Handschriften  schwedischer  Bibliotheken  (Archives  des  missions 
scientifiques  1856  IV  222.  223).  Geffroy  führt  auch  die  Rubriken  zweier 
]}oettir  der  Magussaga  aus  den  Stockholmer  Handschriften  an  {Laes 
Hinrikssonar  ok  Hrolfs  Skuggaßßs  saga.  Geirards  jarls  ok  Vilhjalms 
Geirardssonar  saga). 

Zwar  erschien  dann  die  Saga  im  Jahre  1858  im  Druck  u.  d.  T. 
Bragda-Mdgus  Saga  med  tilheyrandi  pdttum.  Skrifud  ujyp  eptir  gömlum 
handritum  af  Gunnlaugi  Pördarsyni.  Kaupmannahöfn.  1858.  kl.  8".,  wurde 
aber  in  dieser  übrigens  sehr  mangelhaften  Ausgabe  auf  dem  Continente 
fast  gar  nicht  bekannt,  so  daß  die  Gelehrten,  welchen  wir  die  um- 
fassenden Werke  über  die  Chansons  de  geste  verdanken,  auch  später 
noch  über  den  eigentlichen  Inhalt  der  Saga  in  Uugewissheit  bleiben 
mussten.    (K.  Maurer  gedenkt  unserer  Saga  Germ.  XII,  480.) 

Nun  hat  kürzlich  F.  A.  Wulff  versucht,  uns  über  die  Quellen 
der  Magussaga  aufzuklären  in  seiner  Abhandlung:  Notices  sur  les 
Sagas  de  Magus  et  de  Geirard  et  leurs  rapports  aux  epopees  fran9aises. 
Lund  1874.  4".  Wulff  erwähnt  Beziehungen    der  Saga  zu  den  franzö- 

ÜERMANIA.  Neue  Reihe.  VIII.  (XX.  Jahrg.)  lg 


274  SUCHIER 

sischen  Gedichten  von  Karls  Reise  nach  Constantinopel  und  von  den 
Haimonskindcm,  hat  aber,  wohl  aus  Mangel  an  Hülfsmitteln^  nicht 
die  französischen  Gedichte  selbst,  sondern  nur  litterarhistorische  Werke 
herangezogen.  Übrigens  gibt  er  S.  14  fF.  eine  vollständige  Analyse  der 
Saga  nach  den  beiden  Stockholmer  Handschriften  (die  eine  Nunomer  58 
in  Folio  auf  Papier  im  Jahre  1690  in  Stockholm  geschrieben,  die 
andere  Nummer  6  in  Quarto,  gleichfalls  Papierhandschrift)  und  einige 
schätzbare  Bemerkungen  über  die  im  79.  Capitel  erwähnten  histori- 
schen Ereignisse. 

Leider  glaube  auch  ich  nicht  im  Stande  zu  sein,  die  Frage  nach 
den  Quellen  der  Mägussaga  erschöpfend  zu  behandeln.  Immerhin  aber 
wird  das,  was  ich  bestimmter  als  Wulff  zu  fassen  oder  dem  von  ihm 
gesagten  hinzuzufügen  vermag,  die  Frage  in  ein  besseres  Licht  setzen. 
Ich  greife  sie  daher  von  neuem  auf. 

Gunnlaug*)  ]36rdarson  kennt  sieben  Handschriften  unserer  Saga 
auf  der  Ärna-Maguüssonischen  Bibliothek  in  Kopenhagen :  1,  N.  152  fol. 
Pg.  Diese  Handschrift  liegt  der  Ausgabe  zu  Grunde.  —  2,  N.  187  fol. 
Pap.  (ist  Abschrift  von  N.  152).  —  3,  N.  535.  4".  Pap.  —  4,  N.  590. 
A.  4".  Pap.  —  5,  N.  533.  4".  Pg.  —  6,  N.  536.  4°.  Pap.  —  7.  N.  188  fol. 
In  der  letzten  Handschrift  bricht  bei  Ubbis  Tode  (Cap.  56)  die  Er- 
zählung ab.  Daß  zwei  weitere  Handschriften  in  Stockholm  sind^  habe 
ich  schon  erwähnt. 

Die  Saga  kann  als  Ganzes  nicht  vor  der  Mitte  des  13.  Jahr- 
hunderts entstanden  sein,  da  zahlreiche  Anspielungen  an  die  rictreks- 
saga  vorkommen.  Sie  ist  eine  Compilation  aus  mindestens  drei  vorher 
getrennten  Stücken,  die  ursprünglich  nichts  mit  einander  zu  thun  haben 
und  so  roh  an  einander  gefügt  sind,  daß  sich  die  Nähte  ebenso  leicht 
als  sicher  erkennen  lassen.  Möglich  ist,  daß  die  Vereinigung  der  beiden 
ersten  Theile  vor  Anfügung  des  dritten  geschah  und  die  Handschrift 
A.  M.  188  fol.  diese  ältere  Gestalt  der  Saga  repräsentiert. 

Von  den  drei  Theilen  der  Saga  zeigt  der  dritte  einen  wesentlich 
andern  Charakter  als  die  beiden  ersten.  Der  Inhalt  der  beiden  ersten 
ist  ein  durchaus  einheitlicher,  und  wenn  sich  auch  der  erste  Theil 
in  zwei  Abschnitte  sondern  lässt,  so  sind  diese  doch  in  der  vorliegen- 
den Gestalt  in  innern  Zusammenhang  gebracht.    Dagegen  besteht  der 


*)  Es  scheint  mir  berechiigrter,  nordische  Namen  in  der  flexionslosen  Form  des 
Accusativs,  als  in  der  flectierten  des  Nominativs  ins  Deutsche  herüberzunehmen.  So 
werde  ich  auch  im  folgenden  statt  Rögnvaldr,  Yidförull  u.  s.  w.  die  Formen  Eögnvald, 
Vidt'örul  u.  s.  Av.  verwenden. 


DIE  QUELLEN  DER  MAGUSSAGA.  275 

dritte  Theil  aus  mindestens  fünf  Erzählungen,  von  denen  jede  für  sieh 
die  Aufmerksamkeit  spannt  und  befriedigt.  Im  ersten  und  zweiten 
Theile  bleiben  ferner  die  handelnden  Personen  bis  zum  Schluße  die- 
selben, wogegen  im  dritten  Theile,  der  uns  das  Geschlecht  seiner 
Helden  durch  neun  Generationen  kennen  lehrt,  der  Reihe  nach  Lais^ 
sein  Enkel  Hrölf,  sein  Sohn  Vilhjalm,  sein  Enkel  Geirard  und  sein 
Urenkel  Vilhjalm  in  den  Vordergrund  treten. 

Da  die  Ausgabe  der  Saga  so  selten  ist,  wird  eine  kurze  Wieder- 
gabe ihres  Inhaltes  hier  am  Platze  sein,  an  welche  sich  zudem  meine 
Bemerkungen  leichter  anschließen  lassen*). 

I  (Cap.  1  —  12.)  Hlödver  ist  König  von  Saxland  und  wohnt  in 
Verminzuborg.  Er  ist  Karlamagnüs  Enkel.  Sein  Vater  ist  Hlödver; 
seine  Brüder  sind  Lotharius,  Karulus,  Pippin.  Eines  Tages  fragt  er 
seinen  Rathgeber  Sigurd,  ob  wohl  ein  König  auf  Erden  ihm  an  Macht 
gleichkomme.  Sigurd  sagt:  *So  lange  dir  Weib  und  Kind  fehlt,  ist 
deine  Macht  noch  nicht  vollkommen  (1)  und  macht  ihn  auf  Ermenga, 
die  Tochter  König  Hügons  von  Miklagard**),  aufmerksam.  Sigurd  geht 
als  Brautwerber  hin  und  bringt  zusagende  Antwort.  Dann  kömmt 
Hlödver  selbst  die  Braut  zu  holen  (2).  Hügon  zeigt  große  Pracht  (3). 
Ermenga  schminkt  sich  mit  Kalkwasser  bleich,  ehe  sie  in  den  Saal 
tritt.  Dann  bringt  sie  Hlödver  einen  gebratenen  Hahn  und  bittet  ihn 
den  Hahn  zwischen  ihr  und  ihm,  ihrem  Vater  und  ihren  beiden  Brü- 
dern (Hrölf  und  Halfdan)  zu  theilen.  Hlödver,  der  sich  anfangs  über 
die  Zumuthung  beleidigt  fühlt,  weist  dann  dem  Vater,  der  aller  Haupt 
ist,  den  Kopf,  den  Brüdern,  die  im  Begriffe  sind,  flügge  zu  werden, 
die  Flügel,  die  Füsse  und  Beine  ihr,  welche  die  Stütze  des  Vaters 
und  der  Brüder  sein  soll,  die  Brust  sich  selber  zu,  der  aller  Brust 
und  Panzer  ist.  Hlödver  fährt  mit  ihr  in  sein  Land,  bleibt  aber  der 
Kränkung  eingedenk  (4). 

Ein  dänisches  Heer  belagert  Treviris.  Der  König  zieht  zu  Felde. 
Ehe  er  abreist,  stellt  er  seiner  Frau  aus  Rache  für  die  Kränkung,  die 
er  erlitten  zu  haben  glaubt,  drei  Aufgaben,  welche  bis  zum  Ende  des 
Feldzuges,  d.  h.  nach  drei  Jahren,  gelöst  sein  sollen:  Ermenga  soll 
eine  Halle  bauen,  die  an  Pracht  der  Halle  ihres  Vaters  gleichkömmt; 
sie  soll  drei  Gegenstände  beschaffen,  so  kostbar  als  die,  welche  Hlöd- 
ver besitzt,  Hengst,  Schwert,  Habicht;  sie  soll  ihm  einen  Sohn  zeigen, 


*)  Herr  Dr.  Kölbing  in  Breslau  hatte  die  Freundlichkeit  mir  sein  Exemplar   der 
Ausgabe  zu  leihen,  wofür-   ich  ihm  hier  herzlichen  Dank  sage ! 
**)  =  Constantinopel. 

18* 


276  SUCHIER 

dessen  rechter  Vater  er,  dessen  rechte  Mutter  sie  ist  (5).  Sie  beginnt 
zunächst  den  Saalbau.  Dann  übergibt  sie  Sigurd  die  Regierung  von 
Saxland  und  reist  nach  Miklagard  (6).  Nachdem  sie  Männerrüstung 
angelegt  hat,  bricht  sie  mit  sechzig  Rittern  nach  Treviris  auf,  welches 
sich  im  Besitze  der  Dänen  befindet.  Sie  gibt  sich  für  den  Jarl  Iring 
von  Alimannia  (nach  andern  Handschriften  Hirting  von  Alimannia  oder 
Albania)  aus  (7)  und  tritt  in  das  Heer  des  dänischen  Königs  ein.  Nun 
muß  ihr  Bruder  Hrolf  Hlödver  erzählen,  in  dessen  Lager  er  weilt,  er 
habe  ein  schönes  Mädchen  aus  einem  Thurm  der  Burg  herausschauen 
sehen.  Der  König  reitet  hin,  erblickt  Ermenga,  ohne  sie  zu  kennen, 
und  redet  sie  an.  Sie  sagt,  sie  sei  Jarl  Iriugs  Kriegsgefangene,  eine 
Königstochter  aus  der  Burg  Sobrie  in  Frigia,  und  bittet  ihn  dringend, 
ihr  zur  Freiheit  zu  verhelfen.  Hlödver  lässt  Iring  rufen,  und  dieser 
ist  bereit,  ihm  die  Gefangene  abzutreten,  wenn  er  sich  dafür  drei 
Kleinode  ausbitten  darf.  Hlödver  geht  den  Handel  ein  und  muß  Hengst, 
Schwert  und  Habicht  herausgeben  (8).  Dann  legt  sie  die  Verkleidung 
ab,  legt  Frauenkleider  an  und  lässt  sich  von  Hrölf  zum  Könige  führen. 
Dieser  behält  sie  in  der  Meinung,  es  sei  die  Phrygische  Königstochter, 
drei  Nächte  bei  sich,  und  so  gelingt  es  ihr  die  Lösung  der  dritten  und 
schwersten  Aufgabe  zu  ermöglichen.  Heimlich  eignet  sie  sich  dabei 
den  Ring  des  Königs  an  (9).  Dann  entkommt  sie  mit  Hrolfs  Hülfe 
nach  Saxland  (10)  und  gebiert  einen  Sohn,  der  Karl  genannt  wird  (11). 
Nun  folgt  die  Einnahme  von  Treviris,  die  Rückkehr  des  Königs.  Alles 
weitere  versteht  sich  von  selbst  (12). 

H  (Cap.  13—46,  48^ — 57,  61 — 62).  Hlödver  regiert  noch  über 
Saxland.  Amund  ist  Jarl  von  Buslaraborg.  Er  hat  vier  Söhne:  Vig- 
vard,  Rögnvald,  Markvard,  Adalvard  und  eine  Tochter  Matthild.  Die 
Sühne  sind  18,  15,  12,  9,  die  Tochter  ist  14  Winter  alt.  Des  Königs 
Rathgeber  ist  Ulf,  der  Rögnvald  freundlich  gesinnt  ist.  Beide,  Rögnvald 
und  Ulf,  sind  bei  der  Königin  gut  angeschrieben.  Des  Königs  Sohn 
Karl  wird  mit  Erling  und  Erlend,  den  Söhnen  des  reichen,  aber  ver- 
hassten  Jarls  Ubbi,  in  Spiransborg  erzogen  (13).  Matthild  wird  die 
Gattin  des  zauberkundigen  Jarls  Mägus*)  von  Strausberg**)  (14). 

Auf  des  Königs  Wunsch  soll  in  Verminzuborg  sich  Rögnvald  mit 
ihm  im  Brettspiel  messen  (15).  Der  König  setzt  drei  Ringe  ein  und 
will,  daß  von  Rögnvalds  Seiten  dessen  Kopf  als  Einsatz  gelte.  Der 
Königin,  die  für  ihn  zu  bitten  wagt,  wird  die  Antwort:  'Ich  weiß  seit 

*)  Nach  einer  Anmerkung  Aina  Magnüssons,  die  Gunnlaug  J)ör(larson  mittheilt, 
lautet  der  Name  in  den  Handschriften  auch  Müfus  oder  Maus. 
**)  =  Straßburg? 


! 


DIE  QUELLEN  DEK  ÄLVGÜSSAGA.  277 

lange,  daß  er  dir  lieber  ist  als  ich:  schon  deßhalb  sollte  er  den  Kopf 
einbüßen.'  Der  König  verliert  drei  Spiele  nach  einander.  Ergrimrat 
steckt  er  das  Spiel  in  den  Beutel  und  schlägt  Rögnvald  damit  ins 
Gesicht.  Da  eilt  Vigvard  herzu  und  tödtet  den  König  mit  einem  Axt- 
hieb. Die  Brüder  entfliehen  in  des  Vaters  Haus.  Karl  (18  Jahre  alt) 
wird  Kaiser  (16). 

Amund  führt  die  Söhne  in  den  Wald.  Er  würde  meineidig,  wollte 
er  des  Königs  Feinden  mit  Rath  behültiich  sein.  Daher  beschreibt  er, 
mit  vier  Eichenstämmen  redend,  ein  Versteck,  in  das  sich  die  Söhne 
begeben.  Drei  Winter  wohnen  sie  hier  (17).  Vergebens  suchen  Karl 
und  Ubbi  die  Brüder  bei  Amund  (18).  Der  Zufall  will,  daß  ein  Mann, 
Namens  Aki,  mit  seiner  Frau  Helga,  die  ihm  Grund  zur  Eifersucht 
gegeben,  sich  im  Walde  niederlässt,  nicht  weit  vom  Verstecke  der 
Amundssöhne  (19).  Nun  stirbt  Amund.  Ulf  bekömmt  Buslaraborg  zu 
Lehen  (20).  Als  die  Brüder  beginnen  Noth  zu  leiden,  schicken  sie 
Eögnvald  auf  seinem  trefflichen  Rosse  Flugar  zu  Magus.  Dieser  hat 
seinen  Schwcägern  bei  Strausberg  eine  Feste  erbauen  lassen  (21).  Nun 
verrätli  Aki  dem  Könige  das  Versteck  der  Brüder.  Der  Kaiser  reitet 
zu  ihrer  Verfolgung  aus  und  trifft  sie  auf  dem  Wege  nach  Strausberg 
an.  Im  Kampfe  wird  Adalvard  gefangen,  die  anderen  entkommen  zu 
Mdgus  (22). 

Magus  macht  sich  auf,  den  Schwager  zu  befreien  (23).  Sein 
Mantel  ist  mit  klirrenden  Muscheln  und  Hummerklauen  besetzt.  Dem 
Skeljakarl,  dessen  Aufzug  der  ganze  Hof  bewundert,  reicht  der  König 
selber  Speise  und  Trank  (24)  und  lauscht  den  Mären,  die  der  Fremde 
von  Hr61f  Kraki,  von  Harald  Hilditönn  berichtet.  Dem  König  Agülan- 
dus  und  Jamund,  seinem  Sohne^  hatte  er  ihren  Fall  vorausgesagt.  Als 
Rollant  durch  Verrath  fiel,  war  er  an  Karlamagnüs  Hof  gewesen  (25). 
Dann  wahrsagt  Skeljakarl  den  Hofleuten  und  schmäht  dabei  auf 
Ubbi  (26).  Zuletzt  zaubert  er  aus  der  Wand  einen  Wasserstrom  hervor, 
der  den  Saal  überschwemmt.  Alles  entflieht  (27),  zuletzt  der  König, 
der  schlafen  geht  (28).  Magus  befreit  dann  Adalvard  aus  dem  Gefäug- 
niss  und  kehrt  mit  ihm  nach  Stransborg  zurück  (29). 

Ubbi  erfährt,  daß  Mägus  ein  Hörn  besitzt,  auf  dessen  Klang  die 
Amundssöhne  ihr  Schloß  verlassen,  um  ihm  zu  Hülfe  zu  eilen  (30). 
Ubbi  lässt  ein  gleiches  Hörn  anfertigen  (31),  rückt  vor  das  Schloß 
und  bläst  darauf.  Vigvard  und  Markvard  lassen  sich  täuschen,  eilen 
hinaus  und  stoßen  auf  Ubbis  Krieger.  Markvard  fällt  den  Feinden  in 
die  Hände  (32).  Da  eilt  Rögnvald  in  den  Kampf  und  nimmt  Erlend 
gefangen  (33). 


278_,  SUCHIER 

Auf  Matthilds  Bitten  (34)  zieht  Mdgiis  aufs  neue  an  den  Hof,  dieß- 
mal  als  uralter  riesengroßer  Mann,  Namens  Vidförul  (35).  Er  erzählt  dem 
König  von  den  Helden  der  ridrekssaga,  die  er  gekannt  hatte;  von 
Ermeurek  (36),  Gunnar,  Högui  (37),  Jjidrek  (38),  Vidga  u.  a.  und  ver- 
spricht sogar,  die  Helden  dem  König  vorzuführen  (39).  Doch  muß  er 
sich  zuvor  verjüngen,  da  seine  Zeit  gekommen  ist,  wie  schon  zweimal 
im  Leben  (40).  Dann  errichtet  er  im  Freien  fünf  Säulen,  darüber  einen 
Glashiramel.  Die  Helden  erscheinen;  zuletzt  die  vier  Riesen  des  Osanc- 
trix,  vor  welchen  alles  entflieht.  Im  Tumulte  wird  der  Gefangene 
Markvard  zurückgelassen  (41)  und  geht  mit  Mdgus  nach  Strausberg  (42). 

Drei  Winter  vergehen  in  Ruhe.  Da  erkrankt  Mdgus;  der  König 
schickt  Ulf  an  des  Sterbenden  Lager  (43).  Nun  hören  wir  vom  König 
Eystein  von  Dänemark,  den  zwei  herserkir,  Gyrdi  und  Atli,  belästigen. 
Halfliti-maun,  der  eine  Seite  seines  Gesichtes  mit  rother  Salbe  entstellt 
hat  (44),  tödtet  den  einen,  die  Dänen  den  andern.  Dann  fährt  er  nach 
Saxland  (45).  Unterwegs  schließen  sich  ihm  Tosti  und  Ingimar  mit 
ihren  Schiffen  an  (46).  Hlödver  macht  den  Hdlfliti-mann  zum  Jarl  von 
Buslaraborg,  Als  Rögnvald  kommt,  um  mit  ihm  zu  kämpfen,  erkennt 
er  in  ihm  den  Schwager  Mägus  (48).  Den  andern  Tag  wird  Rögnvald 
von  des  Königs  Mannen  umstellt,  entkommt  aber  auf  Flugar  und  gibt 
Framar,  Ubbis  Neffen,  seine  Waffen.  Erlend  hält  daher  diesen  für 
Rögnvald  und  tödtet  ihn,  legt  selbst  die  Waffen  an  und  fällt  in  Folge 
der  gleichen  Verwechslung  von  Ubbis  Hand. 

Nun  lässt  Mägus  vor  dem  Kaiser  Haufen  feindlicher  Krieger  er- 
scheinen, wirft  sich  aber,  als  dieser  sich  zum  Kampf  bereitet,  ihm  zu 
Füßen  und  bittet  um  Frieden  und  Straflosigkeit  für  die  Amunds- 
kinder.  Ulf,  der  an  Mägus  Sterbelager  gewesen  war,  hatte  sich  täuschen 
lassen;  Mägus  lebt.  Der  König  bewilligt  alles  (49).  Rögnvald  heirathet 
Karls  Mutter  Ermenga  und  bekömmt  Buslaraborg,  Markvard  Spirans- 
borg; Adalvard  wird  des  Kaisers  Rath.  Ubbi  wird  verbrannt.  Vigvard 
gewinnt  mit  der  Hand  von  Eysteins   Tochter  Helga  Dänemark  (50). 

Nun  wird  der  Angriff  zurückgeschlagen,  den  von  Ubbi  aufge- 
stachelt Hrölf  und  Hdlfdan,  Ermengas  Brüder,  unternehmen  (51 — 55). 
Ubbi  wird  gefangen  und  von  Pferden  todt  geschleift  (56).  Kaiser  Karl 
heirathet  Koustantia,  die  Tochter  des  Königs  Konräds  von  Frankreich, 
der  in  Reirasborg  wohnt,  und  wird  dessen  Nachfolger.  Rögnvald  be- 
kommt Verminzuborg,  Mägus  Paris  (57).  Nach  zwanzig  Jahi-en  folgt 
ein  siegreicher  Krieg  gegen  König  Osanctrix  von  Gallicia  (61),  in 
welchem  die  Amundssölme  fallen,  außer  Rögnvald,  der  an  einer  Krank- 


DIE  QUELLEN  DER  MAGUSSAGA.  279 

heit  stirbt  und  einen  Sohn  Hlödver  hinterlässt,  welcher  bald  nach  ihm 
gestorben  ist.  Mägus  Sohn  heißt  Hävard,  Karls  Tochter  Elinborg  (62). 
III.  1  (Cap.  47,  58—60,  63).  Heinrek  ist  König  von  England, 
Adalräds  Sohn,  Vilhjalms  Enkel.  Er  hat  einen  Sohn  Lais,  was  wir 
Lödurr  nennen*),  und  eine  Tochter  Fora.  Der  Sohn  wird  in  Frankreich 
vom  Bischof  Trajanus  erzogen.  Nach  fünf  Wintern  kehrt  er  zu  seinem 
Vater  zurück.  Da  er  den  Hirten  Björn  erschLägt,  verbannt  ihn  der 
Vater  aus  England.  Auf  den  Wikingsfahrten,  die  Lais  nunmehr  mit 
des  Bischofs  Schiffen  unternimmt,  hat  er  zunächst  Unglück,  bis  er 
dem  Juden  Barus  begegnet,  der  ihm  einen  dem  Besitzer  Reichthum 
verschaffenden  Wunderstein  F^gsefa  gibt  (47).  Nach  Verabredung  sucht 
Lais  den  Barus  wieder  auf  und  fährt  mit  ihm  zu  Schiffe  nach  emem 
frischen  Grabe.  Lais  muß  die  Leiche  herausgraben,  ihr  die  Eingeweide 
herausnehmen,  und  dann  seinen  Kopf  unter  den  Brustknochen  haltend 
Barusens    Fragen   beantworten.  'Wie    lange   M'ird   dein  Vater   leben'  ? 

—  *19  Winter'.  —  'Und  rora  deine  Schwester  ?  —  *^10'.  —  ^Trajanus'? 

—  '27'.  —  'Du  selbst'?  —  'o  .  —  'Und  ich' ?  —  'Nicht  bis  Morgen  .  In  der 
That  bricht  Barus  unmittelbar  darauf  den  Hals;  Lais  begräbt  ihn  und 
segelt  nach  Dänemark  zu  dem  Amundssohne  Vigvard,  der  jetzt  Val- 
dimar  heißt  (58). 

Während  Laisens  Abwesenheit  hat  Trajanus  für  ihn  um  die  Hand 
der  Flörentia,  der  Tochter  des  Jarls  Sergius  von  Schottland,  angehalten. 
Lais  erzeugt  mit  ihr  den  Vilhjalm,  den  Mägus  erzieht  (59).  Lais  fährt 
mit  F16rentia  nach  Dänemark,  trifft  daselbst  den  Norweger  Ingjald 
aus  Skugga  und  verabredet  mit  ihm  auf  ihren  Wikiugsfahrten  gemein- 
same Sache  zu  machen.  Sie  gewinnen  Reichthümer  und  fahren  den 
vierten  Sommer  nach  Rüduland,  wo  Harald  und  Toki  herrschen.  Im 
Kampfe  mit  ihnen  fällt  Lais.  Flörentia  stirbt  bald,  nachdem  sie  ihm 
eine  Tochter  Pöra  geboren.  Diese  wird  Ingjalds  Gattin  und  Mutter  des 
Hrölf  Sfluggafifl  (60). 

Hrölf  wird  von  Kaufleuten  nach  England  mitgenommen,  kauft 
dort  ein  geraubtes  Mädchen  und  lebt  mit  ihr  den  Winter  auf  einer 
Burg.  Eines  Tages  wird  das  Mädchen  von  ihm  vermisst  (63). 

2  (Cap.  64 — 65).  Auf  einmal  gibt  sich  der  Burgherr  als  Laisens 
Sohn  Vilhjalm,  Hrolfs  Oheim  mütterlicher  Seits,  zu  erkennen  und  fordert 
Hrölf  auf,  mit  ihm  nach  Valland  zu  fahren.  Sie  wollen  sich  für  die 
Brüder  Kaupahröi  und  Helgi  ausgeben.  Sie  fahren  hin.    König  Hring 


*)  Mau  sollte  eher  Icidr  erwai'ten;    doch  vergleiche  man   lödurmenni  homuncio 
TÜis.  Björn  Haldorsen. 


280  SUCHIER 

nimmt  sie  auf  und  Avird  von  ihnen  in  seiner  Halle,  die  er  dazu  lier- 
leiht,  drei  Tage  lang  bewirthet.  Den  ersten  Tag  ist  die  Halle  ärmlich, 
den  zweiten  fürstlich,  den  dritten  mit  wahrhaft  königlicher  Pracht  aus- 
gestattet. Als  der  König  und  seine  Begleiter  entschlafen  sind,  bereitet 
Vilhjalm  Hrolf  eine  große  Überraschung,  indem  er  ihm  das  ver- 
schwundene Mädchen  wiedergibt.  Er  schickt  Hrolf  mit  ihr,  die  nun  Sigrid, 
die  Tochter  König  Hrings  von  Valland,  genannt  wird,  nach  England. 

Vilhjalm  geht  in  Bettlcrtracht  zu  Jarl  Ulf  nach  Marsil,  wohin  auch 
Hrings  Sohn  Sigurd  gekommen  war.  Als  König  Hring  erwacht,  ist 
Kaupahröi  verschwunden.  Jetzt  glaubt  er  Vilhjalm  und  Hrolf  in  den 
Kaufleuten  zu  erkennen  (64).  Während  sich  in  Marsil  Ulf  und  Sigurd 
mit  dem  Bettler  unterhalten,  erlöschen  plötzlich  alle  Lichter  und  der 
Bettler  ist  verschwunden.  Sigurd  heißt  die  Thüren  der  Burg  schließen, 
aber  der  Bettler  erschlägt  den  Wächter  Hermöd,  wechselt  mit  ihm 
die  Kleider  und  berichtet  dann  Sigurd,  der  ihn  für  Hermöd  hält,  er 
habe  den  Bettler  getödtet.  Nun  geht  Sigurd  heim  und  will  sich  gegen 
Hrölf  rüsten.  Zuvor  jedoch  beräth  er  sich  mit  Hermöd.  Dieser  gibt 
sich  plötzlich  als  Vilhjalm  zu  erkennen  und  ruft  durch  einen  Stoß  ins 
Hörn  seine  Krieger  herbei.  Von  den  beiden  Möglichkeiten,  die  er 
Sigurd  lässt:  zu  kämpfen  oder  das  Königreich  abzutreten  und  Vilhjalms 
Jarl  zu  werden^  wählt  Sigurd  die  letztere.  Dann  geht  man  in  die  Halle, 
wo  Hring  Vilhjalm  den  Königstitel,  Sigurd  aber  die  Jarlswürde  ver- 
leiht. Hrölf  wird  König  von  England  (65). 

3  (Cap.  66 — 68).  In  Sniälönd  herrschen  Rodulgeir  und  Galifrey, 
zwei  Brüder.  Er  (welcher  von  beiden?)  hat  zAvei  Söhne  Frankus  und 
Niceta.  Rodulgeir  hat  eine  schöne  Tochter  Oktavia.  Vilhjalm  will  um 
ihre  Hand  anhalten,  und  Sigurd  soll  Brautwerber  sein.  Sigurd  bringt 
von  Rodulgeir  abschlägige  Antwort  zurück.  Oktavia  gibt  ihm  ihr  Bild- 
niss  mit,  auf  welchem  sie  mit  halb  abgewandtem  Gesichte  dargestellt  ist. 
Daran  erkennt  Vilhjalm,  sie  schlägt  ihn  nicht  aus,  wagt  aber  nicht 
dem  Willen  des  Vaters  entgegen  zu  handeln  (66). 

Vilhjalm  belagert  nun  mit  Hrölf  Rodulgeirs  Hauptstadt.  In  Bettler- 
tracht begibt  er  sich  hinein.  Oktavia  droht  dem  Bettler,  die  Kühnheit 
sich  in  die  Burg  zu  wagen  könne  ihn  leicht  das  Leben  kosten.  Der 
Bettler  entgegnet,  wenn  sie  ihn  vertreibe,  könne  es  ihr  selbst  theuer 
zu  stehen  kommen.  Vilhjalm  Laisson,  der  berühmt  sei  in  Waffenthaten, 
werde  ihr  keinen  Dank  dafür  wissen.  Sie  erlaubt  ihm,  sich  auf  den 
Fußboden  ihres  Zimmers  niederzulegen,  und  als  sie  entschlafen  ist, 
enteilt  er  mit  den  Burgschlüsseln.  Erwacht  bemerkt  sie  das  Fehleu  der 
Schlüssel  und  lässt  die  Thüren  mit  neuen  verschließen. 


DIE  QUELLEN  DER  MAGUSSAGA.  281 

Vilhjalm  setzt  die  Belagerung  fort.  Eines  Tages  sieht  er  Baum- 
stämme oberhalb  der  Stadt  den  Fluß  herabfließen,  die  er  auffangen 
lässt  und  mit  Speisen  und  Getränken  gefüllt  findet  (67).  Vilhjalm  steckt 
sich  und  seine  Krieger  hinein  und  überfällt  so  die  Stadt.  Rodulgeir 
wird  gezwungen,  Vilhjalm  seine  Tochter  zu  geben. 

In  Valland  gebiert  sie  ihm  einen  Sohn,  der  Lais  getauft  (skirdr), 
aber  mit  Eottulgeirs  Geschlechtsnamen  Geirard  confirmiert  [fermdr) 
wird.  Als  Rodulgeir  stirbt,  setzt  er  Geirard  zum  Erben  von  Smdlönd 
ein  (68). 

4  (Cap.  69—75).  Nach  Karls  Tode  folgt  ihm  Elinborg  auf  dem 
Throne  und  wird  von  Mägus  Sohne  Hävard  in  der  Regierung  unter- 
stützt (69).  Geirard  bewirbt  sich  um  Elinborgs  Hand  und  bekömmt 
abschlägigen  Bescheid.  Er  entgegnet:  'Die  Zeit  ist  nicht  ferne,  wo  du 
dieses  Wort  ungesagt  wünschen  wirst,  und  wo  du  mir  dasselbe  An- 
gebot stellen  wirst  als  ich  dir  jetzt'  und  kehrt  nach  Smälönd  zurück. 
Elinborg  aber  bereut  bald  die  Antwort,  die  sie  Geirard  gegeben  (70). 

Der  heidnische  König  Priams  von  Afrika  und  Serkland  kommt 
mit  großem  Heere  nach  Frakkland.  Die  tapfersten  Helden  seines 
Heeres  sind  Baldvini  der  starke  und  Baldvini  der  berühmte.  Blan- 
kandin  heißt  des  Königs  Fahnenträger,  Osvip  der  des  starken,  Kabin 
der  des  berühmten  Baldvini.  Zehn  Meilen  von  Reimsborg,  wo  die 
Königin  wohnt,  macht  er  Halt  und  schickt  Baldvini  zu  ihr.  Will  sie 
an  ror  und  Odin  glauben,  so  ist  Priams  gewillt  sie  zu  heirathen  und 
Frakkland  zu  regieren.  Will  sie  nicht,  so  nimmt  er  ihr  das  Reich  mit 
Gewalt  ab  und  gibt  sie  selbst  den  Knechten  Preis.  Die  Königin  ent- 
gegnet, sie  bitte  um  zwei  Monat  Bedenkzeit  (71). 

Als  die  Königin  mit  ihren  Mannen  Rath  hält,  erklären  alle  ein- 
stimmig: 'Wolltet  ihr  Geirard  zum  Gatten  nehmen,  so  brauchtet  ihr 
Priams  nicht  zu  fürchten.'  Daher  soll  Hävard  zu  Geirard  gehen  und 
ihn  um  seine  Hülfe  bitten.  Die  Königin  gibt  ihm  drei  Briefe.  Sagt 
Geirard  auf  den  ersten  nicht  zu,  so  soll  Havard  ihm  den  zweiten  über- 
reichen; wirkt  auch  dieser  nicht,  den  dritten  mit  ihres  Vaters  Siegel- 
ring. Hävard  reitet  nach  Smalönd.  Den  ersten  Brief,  den  er  vorzeigt, 
lässt  Geirard  einfach  verbrennen.  Den  andern  Tag  überreicht  Hävard 
den  zweiten  Brief  und  erzählt,  Priams  sei  mit  Heeresmacht  in  Frank- 
reich eingefallen.  Geirard  tliut,  als  höre  er  nichts  und  reitet  in  den 
Wald.  Da  endlich  tritt  Hävard  vor  ihn  hin  mit  den  Worten:  'Die 
Königin  will  ihr  Reich  in  deine  Gewalt  geben,  wofern  du  sie  von 
Priams  befreist'  und  übergibt  ihm    zur  Bestätigung  den  Brief  mit  des 


282  suciiiER 

Kaisers  Siegelring.  Geirarct  liest  den  Brief  und  schickt  Hdvard  mit 
dem  Versprechen  seiner  Hülfe  heim  (72). 

Geirard  reitet  mit  seinen  Knappen  Frankus  und  Niceta  nach 
Reimsborg.  Sie  übernachten  dort,  ohne  daß  sie  sich  zu  erkennen  geben. 
Am  andern  Tage  beginnt  die  Schlacht;  sie  dauert  vier  Tage.  Am 
zweiten  schickt  Priams  den  starken  Baldvini  Geirarct  entgegen;  er 
fällt  von  Geirards  Hand.  Am  Morgen  des  dritten  bemerkt  Geirards 
Wirtin  an  seinem  Finger  des  Kaisers  Ring  und  berichtet  dieses  der 
Königin.  Baldvini  der  berühmte  kämpft  mit  Geirard  und  theilt  das 
Schicksal  seines  Bruders  (73).  Am  vierten  Tage  ordnet  Geirard  die 
Franzosen  vorn  schmal  und  hinten  breit,  was  man  svinfylkt  nennt. 
Als  Priams  Geirard  erblickt,  ruft  er  aus:  *Bei  Maümet,  nie  sah  ich 
einen  so  schönen  Mann!  Zwar  hast  du  meine  Brüder  erschlagen,  aber 
wenn  du  mir  dienen  willst,  will  ich  dir  Frakkland  und  Elinborg  geben. 
Dann  wollen  wir  beide  den  Jarl  Geirard  erschlagen.'  Geirard  ver- 
schmäht das  Anerbieten,  und  Priams  reitet  auf  seinem  Elefanten  auf 
ihn  zu.  Sie  kämpfen.  Priams  fällt.  Der  Sieg  ist  entschieden.  Vilhjalm 
und  Galifrey  erscheinen  auf  dem  Schlachtfelde  (74).  Die  Heiden  er- 
geben sich,  die  Christen  ziehen  feierlich  in  Reimsborg  ein.  Geirard 
wird  König  von  Frakkland  und  Elinborgs  Gemahl.  Vilhjalm  tritt  ihm 
auch  die  Regierung  von  Valland  ab  und  geht  ins  Kloster  (75). 

Aus  dem  76.  Capitel  erfahren  wir,  daß  Geirard  und  Elinborg 
sieben  Söhne  haben:  Vilhjalm,  Karl,  Lais,  Konstantinus ,  Rodulgeir, 
Rögnvald,  Mägus. 

5  (Cap.  76 — 78).  Bevor  die  Königin  diese  Söhne  gebiert,  träumt 
ihr,  sie  verzehre  Apfel,  der  König  gebe  ihr  aus  einem  Brunnen  zu 
trinken,  und  sieben  Feuerbrände  gehen  aus  ihrem  Munde;  sechs  fallen 
in  ihrem  Erbland  nieder;  der  siebente  fliegt  in  weite  Ferne.  Der  König 
deutet  den  Traum  auf  sieben  Söhne,  deren  einer  in  ein  fernes  Land 
fahren  wird.  Die  Söhne  werden  geboren  und  wachsen  auf.  Mit  Vil- 
hjalm, der  unbändig  ist  und  alles  Geld  verbringt,  fährt  Geirard  nach 
Griechenland  (76). 

Kaiser  Kirialax  hat  mit  seiner  Gattin  Maxentia  eine  schöne 
Tochter  ]\Iargareta.  Auf  Pfingsten  hält  er  ein  großes  Fest,  wo  nach 
seinem  Gebote  niemand  das  erste  Gericht,  wenn  es  ein  Lachs  ist,  um- 
wenden, das  Messer  laut  auf  den  Tisch  legen,  noch  so  laut  reden  darf, 
daß  man  es  durch  das  Zimmer  hört.  Der  Zuwiderhandelnde  soll  die 
Erfüllung  dreier  Bitten  beanspruchen  dürfen,  aber  nach  der  siebenten 
Nacht  der  Todesstrafe  verfallen.  Vilhjalm  verletzt  die  drei  Gebote  mit 
Eclat  und  soll  seine  drei  letzten  Bitten  äuüern  (77).  Er  will  die  letzten 


DIE  QUELLEN  DER  MAGUSSAGA.  283 

Bieben  Nächte  König  sein,  die  Kaiserstochter  Margareta  sogleich  hei- 
rathen,  die  oberste  Gerichtsbarkeit  für  das  ganze  Land  ausüben.  Der 
Kaiser  muß  darauf  eingehen ,  und  als  Vilhjalm  im  ])ing  einen  nach 
dem  andern  fragt:  'Sahst  du  mich  den  Lachs  wenden  oder  hörtest 
mich  das  Messer  hinwerfen  oder  laut  reden'?  will  es  keiner,  selbst 
der  Kaiser  nicht,  bemerkt  haben.  Im  Gegentheile  gibt  dieser  zu,  daß 
Vilhjalm  die  Regierung  behält  und  gekrönt  wird. 

Als  Geirard  stirbt,  folgt  ihm  sein  Sohn  Konstantinus ,  und  von 
dessen  Söhnen  gibt  es  viele  Sagen,  die  hier  nicht  geschrieben  sind. 
Elinborg  geht  ins  Kloster.  Vilhjalm  hat  mit  Margareta  einen  Sohn 
Karl  und  eine  Tochter  Konstantia  (78). 

Das  79.  und  letzte  Capitel  gibt  verschiedene  Ereignisse  der  is- 
ländischen Geschichte  an,  welche  in  die  Jahre  900 — 933  fallen  und 
als  gleichzeitig  bezeichnet  werden  mit  dem,  was  in  der  Saga  erzählt 
ist.  Aus  weitern  Angaben  ergibt  sich,  daß  der  Compilator  den  Kaiser 
der  Mägussaga  mit  Karl  dem  Einfältigen  identificierte.  (Vgl.  Wulff 
S.  4-5.) 

Wenn  wir  uns  nun  nach  den  Quellen  dieser  Compilation  um- 
sehen, 80  kommen  wir  zunächst  an  die  Einleitung  des  ersten  Theiles, 
Hlödvers  Reise  nach  Constantinopel.  Die  Angaben  über  Hlödver  zeigen, 
daß  Ludwig  der  Deutsche  gemeint  ist.  Seine  Brautfahrt  erinnert  an 
die  in  dem  bekannten  altfranzösischen  Gedichte  dargestellte  Reise  Karls 
des  Großen  nach  Jerusalem  und  Constantinopel.  Freilich  ist  von  der 
Reise  nach  Jerusalem,  dem  unzweifelhaft  ältesten  Theile  des  französi- 
schen Gedichtes,  keine  Rede;  Hlödver  reist  nach  Miklagard  direct 
über  Greta  und  Cypern.  Mit  dem  Französischen  stimmt  außer  dem 
Namen  des  Königs  Hugo  und  dem  Umstände,  daß  er  zwei  Söhne  und 
eine  Tochter  hat,  nur  die  Motivierung  der  Fahrt  überein.  Auch  dort 
fragt  Karl,  ob  wohl  auf  Erden  ein  Mensch  sei,  dem  Schwert  und  Krone 
80  wohl  anstehe  als  ihm,  worauf  die  Gattin  antwortet:  'König  Hugo 
von  Constantinopel'.  Alles  übrige  weicht  vollständig  ab. 

Daß  die  List,  mit  welcher  Ermenga  ihres  Gatten  Liebe  wieder  zu 
gewinnen  weiß,  auch  in  der  Fabel  von  Shaksperes  Ende  gut  Alles  gut 
wiederkehrt,  ist  schon  von  Wulff  hervorgehoben*).   Kölbing  (Riddara- 


*)  Ich  verweise  noch  auf  Grässe,  Sagenkreise  377.  Dunlop-Liebrecht 
229.  439.  Simrock,  Quellen  des  Shakspere  3,  242.  Ferdinand  Wolf,  über  eine  Samm- 
lung spanischer  Romanzen  in  fliegenden  Blättern  S.  42 — 44.  Les  facetieuses  nuits  de 
Straparole  traduites  par  Jean  Louveau  et  Pierre  de  Larivey.  T.  I.  Paris,  Jannet  1857, 
Preface  zu  7,  1,  wo  ähnliche  Stoffe  nachgewiesen  sind.  Landau,  Quellen  des  Deca- 
merone  S.  50. 


284  ST 'CHI  ER 

sögur  S.  218)  hat  auf  die  Übereinstimmung  dieser  Erzählung  mit  einem 
Theile  der  Mirmanssaga  aufmerksam  gemacht. 

Der  zweite  Theil  erzählt  die  Geschichte  der  vier  Haimons- 
kiuder.  Nach  Sachsen  sind  auch  hier  die  Ereignisse  verlegt.  Nach 
Hlödvers  Tode  folgt  gleich  zu  Anfang  der  Geschichte  sein  Sohn  Karl, 
also  Karl  der  Dicke,  während  er  im  79.  Capitel  für  Karl  den  Einfältigen 
gehalten  wird.  Im  Französischen  empören  sich  die  Haimonskinder 
gegen  Karl  den  Großen.  Mit  den  erhaltenen  französischen  Gedichten 
zeigt  dieser  Theil  der  Saga  die  verhältnissmäßig  größte  Überein- 
stimmung. Der  Eingang  von  Beuve  d'Aigremont  fehlt.  Im  übrigen 
finden  sich  alle  Hauptsachen  wieder:  die  Schachscene,  das  Leben  im 
"Walde,  der  Kampf  um  die  Burg,  die  zweimalige  Reise  Mägus  an  Karls 
Hof  zur  Befreiung  der  Schwäger  (im  Französischen  ist  Maugis  das 
zweite  Mal  selbst  der  Gefangene).  In  allen  Einzelheiten  sind  die  Ab- 
weichungen freilich  bedeutend.  Von  Magus  (so  ist  der  Name  Maugis 
latinisiert  und  verständlich  gemacht)  hat  die  ganze  Compilation  ihren 
Namen  bezogen.  Doch  ist  die  im  Französischen  Maugis  genannte 
Chanson  (der  niederländische  oder  deutsche  Malagis)  nicht  benutzt 
worden.  Der  Friede  mit  dem  König  macht  den  natürlichen  Schluß 
(Cap.  50).  Alles  was  folgt  (Cap.  51  —  57.  61  —  62)  ist  offenbar  Machwerk 
der  Compilatoren. 

Auch  das  niederländische  Volksbuch  von  den  Haimonskindern 
(analysiert  von  Gödeke,  Deutsche  Dichtung  im  Mittelalter  S.  705) 
weicht  von  der  französischen  Darstellung  oft  weit  ab,  doch  lange  nicht 
soweit  als  die  nordische  Fassung.  Letztere  entfernt  sich  fast  überall 
ebensoweit  von  jenem  als  von  dieser.  Doch  stimmt  sie  in  der  That 
in  einigen  Punkten  mit  dem  Niederländischen  überein.  Heinrek,  Vil- 
hjalms  Großvater,  wird  Rögnvalds  Oheim  mütterlicher  Seits  genannt 
(Cap.  61).  Ähnlich  nennt  Hugo  von  Dordoen  im  niederländischen  Texte 
den  Grafen  Aymyn  von  Dordoen  seinen  Mutterbruder  und  den  Ayraeryn 
von  Narboen  seinen  Oheim.  —  Im  Französischen  findet  sich  nichts 
davon.  —  Im  Isländischen  schlägt  Vigvard  dem  regierenden  Könige 
Hlödver  das  Haupt  ab,  als  dieser  Röguvald  mit  dem  Brettspiel  schlug. 
Im  Niederländischen  tödtet  Reinout  den  König  Lodewyk,  weil  er 
Adelaert  mit  dem  Spielbrett  geschlagen.  Im  Französischen  findet  erst 
Karls  Sohn  Lohier  durch  Beuve  d'Aigremont,  dann  Karls  Neffe  Ber- 
tolai  durch  Renaut,    der  ihn    mit    dem  Schachspiele  trifft,  seineu  Tod. 

Diese  Übereinstimmungen  sind  gewiß  beachtenswerth,  zumal  die 
letztere,  die  wir  nicht  für  zufällig  halten  können.  Der  Beweis,  daß  die 
Magussaga  aus  der   niederländischen   und    nicht  aus  der  französischen 


DIE  QUELLEN  DER  iMAGUSSAGA.  285 

Darstellung  geflossen  sei,  ist  dcamit  freilich  nicht  geführt,  um  so  weniger, 
als  einige  französische  Gedichte  unserer  Sage  e  rst  th eilweise  heraus- 
gegeben sind.  Übrigens  scheint  die  niederländische  Darstellung  in  der 
Eingangsscene  wie  auch  in  andern  Zügen  die  französische,  die  Miche- 
lant  und  Bekker  (im  Fierabras)  bekannt  machten,  an  Alterthümlich- 
keit  zu  übertreffen. 

Aus  einem  andern  Grunde  glaubte  Wulff  S.  12  schließen  zu  dürfen, 
der  Inhalt  der  beiden  ersten  Sagen  wäre  nicht  direct,  sondern  erst 
durch  deutsche  Vermittlung  nach  Island  gekommen.  Dieser  Grund  ist, 
daß  statt  Frankreich  und  S.  Denis  oder  Paris  vielmehr  Sachsen  und 
Worms,  die  Hauptstadt  von  Sachsen,  den  Schauplatz  dieser  Sagen  bilden. 
Möglich  ist  das  gewiß ;  aber  ebenso  wohl  konnten  in  der  Überlieferung 
die  Namen  der  französischen  Localitäten  vergessen  oder  entstellt  worden 
und  deßhalb  von  einem  Erzähler  oder  dem  Compilator,  dem  die  Namen 
der  ridrekssaga  so  geläufig  sind,  durch  das  in  der  Pidrekssaga  oft  ge- 
nannte Worms  und  Sachsen  ersetzt  werden.  Daß  sich  nach  der  franzö- 
sischen Darstellung  der  Schluß  des  Kampfes  um  Tremoigne  (Dort- 
mund) bewegt  und  hier  der  Friede  geschlossen  wird,  konnte  schon 
den  Anlaß  zu  dieser  Übertragung  gegeben  haben. 

Übrigens  scheint  es  auch  in  Deutschland  einheimische  Sagen  auf 
die  Haimonskinder  gegeben  zu  haben.  Ich  folgere  dieß  aus  den  An- 
gaben des  niederländischen  Volksbuchs  über   die  Person  des  Adelaert. 

Ich  kann  die  Angaben  nur  aus  Gödekes  Analyse  des  Volksbuchs 
entnehmen  (Deutsche  Dichtung  im  Mittelalter  705,  706).  Karl  belehnt 
die  vier  Brüder:  Kitsaert  mit  Spanien,  Writsaert  mit  dem  besten  Lehen 
zwischen  Loewen  und  Paris,  Reinout  mit  Angers,  Artois  und  Boulogne, 
Adelaert,  der  zum  Truchsess  geordnet  wird,  mit  ApuUen.  Dann  heißt 
es  am  Schluße  des  Volksbuchs :  Reinouts  Brüder  seien  in  Neapel  be- 
graben. 

In  dem  niederrheinischen  Auszuge  aus  dem  Volksbuche,  welchen 
Reifferscheid  in  der  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  V,  274  abdruckte, 
findet  sich  nichts  entsprechendes.  Dagegen  stimmt  zum  Volksbuche 
die  hochdeutsche  Übertragung  des  niederländischen  Gedichts,  welches 
die  Quelle  des  Volksbuches  bildete  und  nur  in  Bruchstücken  erhalten 
ist.  Herr  Prof.  Ettmüller  stellte  mir  gütigst  eine  Abschrift  der  Heidel- 
berger Handschrift  340,  welche  diese  Übersetzung  enthält,  zur  Ver- 
fügung. Hier  finden  sich  folgende  Stellen  über  Adelharts  Beziehungen 
zu  Apulien : 

1,  S.  41  (V.  1353-6),  wo  Karl  sagt: 


286  SUCHIER 

'Adelhart  stolczer  wygant, 
Ich  geben  uch  Polgen  das  riche  laut 
Darüber  zu  bliben  ummermer 
Marggraff  und  herr\ 

2,  S.  387  (V.  13083—5),  wo  Adelhart  sagt: 

'Ee  wir  Beyart  verloren, 

Ee  selten  wir  faren  in  Tabren, 

In  Polegen  und  in  Calabren  . 

3,  S.  454  am  Schluße,  wo  es  nach  Reynolts  Begräbniss  heißt: 

Reynolt  für  wider  allzuhant. 

Das  sy  uch  allen  wol  bekant, 

Mit  sinen  brudern  in  die  hagedocht. 

Ich  sagen  uch  auch  wer  des  geröcht, 

Das  er  den  herren  wollte  sehen, 

Zu  Napels  mocht  es  jm  beschehen. 
Die  letztere  Stelle  gibt  auch  Mone  im  Anzeiger  für  Kunde  des 
deutschen  Mittelalters  6,  200  nach  der  Heidelberger  Handschrift  399 
und  bemerkt  dazu:  'Daß  der  Leichnam  Reinolds  zu  Dortmund  ver- 
schwand und  er  mit  seinen  Brüdern  und  dem  Malagis  geisterhaft  in 
Neapel  fortlebte,  scheint  einestheils  eine  Nachwirkung  der  Zaubersage 
des  Malagis,  anderntheils  eine  Anknüpfung  an  die  Zauberer  Klingsor 
und  Virgilius  zu  Neapel.  Ob  und  wie  aber  dieser  Zug  mit  dem  eigent- 
lichen Inhalt  der  Reinoldssage  zusammenhänge,  das  weiß  ich  vor  der 
Hand  nicht  zu  erklären.' 

In  der  That  bleiben  Adelharts  Beziehungen  zu  Apulien  in  Dunkel 
gehüllt.  Daß  er  sich  wirklich  nach  der  Versöhnung  mit  dem  Kaiser 
nach  Apulien  begeben  hat,  können  wir  nur  daraus  entnehmen,  daß 
seiner  Person  fortan  mit  keiner  Silbe  gedacht  wird.  Einiges  Licht,  wenn 
auch  nur  einen  schwachen  Schimmer,  verbreitet  über  diesen  Punkt 
eine  Stelle  der  Kaiserchronik.  Es  ist  höchst  auffallend,  daß  auch  die 
Kaiserchronik  in  ihrem  sagenhaften  Berichte  von  Karl  dem  Großen 
einen  Fürsten  Adelhart  von  Apulien  nennt,  der  auf  Befehl  des  Kaisers, 
gegen  den  er  sich  empört  hat,  enthauptet  wird.  Die  Stelle  lautet 
(V.  14843  ff.): 

Do  er  ze  Rome  gevestende  sine  phahte 

unde  er  alle  reht  betrahte 

umbe  eigen  unde  umbe  lehen, 

umbe  man  unde  umbe  herren, 

do  karte  er  zuo  Appuliä. 

ein  vurste  was  da. 


DIE  QUELLEN  DER  MAGUSSAGA.  287 

geheizen  was  er  Adelhart, 
ein  gotis  widerwart, 
durch  des  riches  not 
der  vurste  wart  gehoubetot. 
die  siDe  wurden  gevangen. 
der  keiser  karte  dannen. 

Karl  zieht  darauf  nach  Pavia  (Sisinniä). 

Beiläufig  bemerke  ich,  daß  Maßmann  in  diesem  Adelhart  den 
historischen  Adalhard  Abt  von  Corbie  vermuthet,  daß  mit  dem  letztern 
aber  auch  Michelant  Aalart  den  Haimonssohn  identificiert.  Auf  jeden 
Fall  scheint  mir  die  Identität  zwischen  dem  Adelhart  der  Kaiserchronik 
und  Adelhart  dem  Haimonssohne  unbestreitbar. 

Nun  aber  entsteht  die  Frage,  deren  Beantwortung  von  großem 
Interesse  wäre:  'Ist  die  Quelle  des  niederländischen  Volksbuches  nur 
eine  französische  Chanson,  auf  die  es  offenbar  seinem  Gesammtinhalte 
nach  zurückgeht,  oder  benutzte  es  für  die  erwähnten  Angaben  deutsche 
Sagen,  dieselben,  die  schon  vor  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  dem 
Compilator  der  Kaiserchronik  bekannt  waren?  In  dem  französischen 
von  Michelant  (in  der  Bibl.  des  Stuttg.  lit.  V.  1862)  herausgegebenen 
Texte  finde  ich  nichts  über  Aalarts  Beziehung  zu  Apulien.  Leider  sind 
die  beiden  andern  Recensionen  von  Hippeau  (Arch.  des  missions 
V.  1856.  157)  und  Bekker  (vor  dem  Fierabras),  zumal  die  erstere  nur 
in  spärlichen  Auszügen  bekannt  gemacht.  Ist  sie  deutsch,  so  dürfen 
wir  die  Sage  von  Adelhart  von  Apulien  mit  der  von  Karl  und  Elegast 
zusammenhalten,  deren  Vorhandensein  in  ursprünglich  deutscher  Fassung 
Bartsch  in  der  Germania  (IX,  224  K)  wahrscheinlich  gemacht  hat. 

Ich  komme  zu  den  fünf  Abschnitten  des  dritten  Theils  der 
Mdgus-Saga. 

Die  Quellen  des  ersten  und  fünften  dieser  Abschnitte  sind 
mir  unbekannt.  Der  im  letzten  Abschnitte  vorkommende  Name  des 
Kaisers  Kirialax  (kvqioq  l4Xi^ioq)  erinnert  an  die  Kirjalaxsaga,  über 
welche  ich  durch  Konrad  Hofmann  (Münchener  Sitzungsberichte  1867. 
II.  218 — 219)  und  durch  Dr.  Kölbings  Güte  aufgeklärt  bin.  Danach 
glaube  ich  annehmen  zu  können,  daß  keinerlei  Zusammenhang  mit 
dieser  Saga  stattfindet. 

Was  den  zweiten,  dritten  und  vierten  Abschnitt  (die  Fahrt  nach 
Valland,  die  Fahrt  nach  Smälönd,  die  Schlacht  bei  Reimsborg)  betrifil, 
so  scheinen  dieselben  ein  Gemisch  entstellter  Traditionen  und  neuer- 
fundener Züge  zu  sein,    die  Traditionen  aber,   von  denen  der  Compi- 


288  SUCHIER 

lator   oder   eher   sein    Gewährsmann    eine    dunkle    Kenntniss    verräth, 
verschiedenen  Chansons  von  Guillaume  d 'Orange  anzugehören. 

Der  zweite  Abschnitt,  die  Fahrt  nach  Valland,  erinnert 
lebhaft  an  das  Charroi  deNimes,  wo  Guillaume  und  sein  NefTe 
Bertran  (=  Hrolf)  in  Kaufmannstracht  die  Stadt  gewinnen.  Wenn 
England  hier  als  Vilhjalms  Heimat  gilt,  von  welcher  aus  die  Fahrt 
unternommen  wird,  so  ist  V.  1107  des  Charroi  vergleichbar,  wo  Guil- 
laume mit  den  Worten:  Nos  somes  d'Angleterre  sich  und  Bertram  für 
Engländer  ausgibt.  Die  Bewirthung  König  Hrings  entspricht  dem  Be- 
suche Harpins  und  Otrants  (Charroi  1097  ff.).  In  der  Entführung  der 
Sigrid  mag  ebenso  wie  in  Vilhjalms  Aufenthalt  in  Marsil  ein  Nachklang 
an  die  Prise  d'Orange  vorhanden  sein,  wo  sich  Guillaume  in  ähnlicher 
Verkleidung  in  Orange  einführt.  Sicherer  ist  wieder  die  Scene,  in 
welcher  Hring  Vilhjalm  mit  Hintansetzung  seines  eigenen  Sohnes  zum 
König  von  Valland  macht,  auf  den  Eingang  des  Charroi  de  Ninies 
zurückzuführen,  wo  sich  Ludwig  erbietet,  ehe  er  Guillaume  mit  der 
südfranzösischen  Mark  belehnt,  ihm  die  Hälfte  seines  Reiches  abzu- 
treten, was  Guillaume  ausschlägt*). 

Nicht  minder  auffallend  gleicht  der  dritte  Abschnitt,  die  Fahrt 
nach  Smälönd,  der  Prise  d'Orange.  In  dieser  geht  Guillaume  in 
Sarazenentracht  in  die  Stadt  hinein,  wird  vor  Orable  geführt  und 
rühmt  Guillaumes  treffliche  Eigenschaften,  ganz  wie  im  67.  Capitel 
der  Mägussaga.  Wenn  Vilhjalm  und  seine  Krieger  in  hohlen  Baum- 
stämmen in  die  Stadt  hineinkommen,  so  liegt  vielleicht  eine  Combination 
der  Prise  d'Orange,  wo  Bertran  auf  einem  unterirdischen  Gange  dem 
in  Orange  gefangenen  Guillaume  zu  Hülfe  eilt,  mit  dem  Charroi  de 
Nimes  vor,  wo  Guillaume  seine  Krieger  in  Fässer  versteckt  in  die 
Stadt  hineinführt.  Wenn  Rodulgeirs  Bruder,  Oktavias  Oheim,  Galifrey 
heißt,  so  vergleiche  ich  das  Coronement  Looys,  wo  Guillaume  das 
Heer  König  Galafr^s  besiegt  und  sich  mit  König  Gaifiers  von  Apulien 
Tochter  verlobt. 

Der  vierte  Abschnitt^  die  Schlacht  bei  Reimsborg,  scheint 
eine  Verbindung  des  Eingangs  von  Girard  de  Viane  mit  der 
Schlacht  von  Aliscans  zu  sein.  Freilich  sind  die  Anklänge  dürftig 


*)  Beiläufig  erwähne  ich,  daß  in  Saga  af  ]ijalar-J6ni  gefin  ut  af  Gunnlaugi  pör- 
darst/ni.  Rey^avik  IS.'jT,  König  Vilhjalm  über  Frakkland  herrscht.  Er  wohnt  in 
Rüduborg.  Seine  Gattin  Elinborga  ist  die  Tochter  Hlödvers  von  Frakkland.  Vil- 
hjalms Nachfolger  wird  sein  Sohn  Eirik,  der  Jons  Schwester  Marsilia  zur  Gattin  ge- 
winnt. Weitere  Bezüge  dieser  Saga  zu  Chansons  de  geste  scheinen  zu  fehlen.  Auch 
diese  Saga  ward  mir  durch  Dr.  Kölbings  Güte  zugänglich. 


DIE  QUELLEN  DER  xMAGUSSAGA.  289 

genug.  Der  eigentliche  Hauptinhalt  von  Girard  de  Viane  wird  ganz 
übergangen.  An  die  Sehlacht  von  Aliscans  erinnert  nur,  daß  Priams 
zwei  Riesen,  Baldvini  den  starken  und  Baldvini  den  tapfern  mitbringt, 
wie  Desram^  den  Bauduc  oder  Baudin  (in  Ulrichs  von  Türheim  Wille- 
halm: Baldewin).  Daß  Priams  Sarrazene  ist  körmen  wir  nur  aus  seinem 
Schwüre  bei  Maümet  (Cap.  74)  erschließen.  Die  Königin  Eliuborg  ist 
an  die  Stelle  von  Guillaumes  Gattin  Guiborc  getreten.  Priams  droht, 
er  wolle  sie  den  Knechten  preisgeben,  wie  Desrame  (Aliscans  S.  120), 
er  wolle  Guiborc  von  Pferden  schleifen  lassen.  Mir  fällt  auf,  daß  Priams 
Botschaft,  durch  welche  er  Ermenga  auffordern  lässt,  das  Christenthum 
abzuschwören  und  Heidin  zu  werden,  vielmehr  an  Wolframs  Willehalm 
217,  9  ff.  als  an  die  erwähnte  Stelle  der  Schlacht  von  Ali&cans  er- 
innert. Vilhjalm  gilt  als  Geirards  Vater,  was  in  der  That  eher  eine 
historische  Möglichkeit  hätte  als  Großneffe.  Geirard  scheint  die  Stelle 
Renoarts  einzunehmen,  wenn  Priams  ihn  auffordert,  Heide  zu  werden 
(vgl.  Aliscans  S.  199),  und  wenn  er  beide  Baldvini  besiegt  (vgl.  Alis- 
cans S.  215).  Auch  scheint  die  nach  der  Schlacht  stattfindende  Ver- 
heiratung Elinborgs  mit  Geirard  durch  Renoarts  Verheiratung  mit  Alice 
hervorgerufen  zu  sein.  In  Elinborg  aber  sind  die  beiden  Guiborc  der 
französischen  Chansons  de  geste,  von  denen  die  eine  Geirards,  die 
andere  Guillaumes  Gattin  ist,  in  eine  Person  zusammengeflossen.  Geirard 
hat  mit  Elinborg  (wie  Aimeri  mit  Ermengart)  sieben  Söhne,  deren  ältester 
gleich  seinem  Großvater  Vilhjalm  heißt.  Der  ältere  Vilhjalm  und  Elin- 
borg sterben  wie  Guillaume  und  Guiborc  im  Kloster. 

Ich  gestehe  gern  zu,  daß  mehrere  der  angeführten  Züge  nur 
geringe  Übereinstimmungen  zeigen  und  nicht  ausreichen  würden  den 
Zusammenhang  mit  den  französischen  Gedichten  zu  beweisen.  Doch 
glaube  ich  soviel  festhalten  zu  dürfen,  daß  den  drei  besprochenen 
Abschnitten  der  Mägussaga  Erinnerungen  aus  dem  Charroi  de 
Nimes,  der  Prise  d'Orange,  aus  Girard  de  Viane  und  der 
Schlacht  von  Aliscans  zu  Grunde  liegen. 

Zwei  der  besprocheneu  Sagen  finden  sich  auch  außerhalb  der 
Mägussaga  in  isländischer  Fassung:  Girard  de  Viane  und  Karls  Reise 
nach  Constantinopel,  beide  als  Theile  der  Karlamagnussaga.  Doch  kann 
man  sich  leicht  überzeugen,  daß  zwischen  diesen  Darstellungen  und 
denen  der  Mägussaga  keinerlei  Beziehungen  obwalten. 

Über  die  Art,  auf  welche  die  Mägussaga  aus  ihren  Quellen  ent- 
stand, kann  kaum  ein  Zweifel  herrschen.  Gewiß  gehen  alle  Theile  der- 
selben, deren  Quelle  ich  angeben  konnte,  auf  mündliche  Überlieferung 
zurück.    Isländer,    die    im   zwölften    bis    vierzehnten   Jahrhundert   den 

UKKilANIA.  Neue  Reihe  VIII.  (XX.)  Jahrg.  19 


200  SUCHIEK 

Contineut  bereisteu,  fanden  oft  genug  Gelegenheit,  französischen  Spicl- 
leuten  zu  lauschen  und  gewannen  an  ihrem  Vortrage  solches  Interesse, 
daß  sie  nach  ihrer  Heimkehr  nicht  versäumen  mochten,  das  vielleicht 
von  vorn  herein  nur  halbverstandene,  auf  dem  Heimwege  halbver- 
gessene ihren  Landsleuteu  wiederzuberichten.  Dabei  wurde  mancher 
Name  vergessen  und  durch  einen  nordischen  oder  im  Norden  bekanntern 
ersetzt.  Mancher  ursprüngliche  Zug  gieng  auf  der  weiten  Reise  ver- 
loren. So  wird  das  Zerhackte  der  Darstellung,  das  Ungenügende  der 
Motivierung,  das  Fehlen  jeglicher  Pointe  in  den  betreffenden  Erzählungen 
des  dritten  Theiles  erklärlich. 

Im  größten  Theile  der  ersten  Sage  aber  sowie  im  ersten  und 
fünften  Abschnitte  der  dritten  dürfen  wir  neue  Schößlinge  erkennen, 
welche  der  überallhin  wuchernde  und  überall  gedeihende  Baum  des 
französischen  Epos  auf  isländischem  Boden  angesetzt,  wenn  auch  nicht 
aus  sich  selbst  hervorgetrieben  hat.  HERMANN  SUCHIER. 

Nachtrag  zu  285  ff. 

Meine  Vermuthung  über  das  Dasein  einer  deutschen  Sage  von 
Adelharts  Tod  in  Apulien  muß  ich  zurücknehmen.  Auch  dieser  Theii 
der  Sage  ist  ursprünglich  französisch  und  ist  sogar  noch  in  poetischer 
und  prosaischer  Form  erhalten.  In  jener  bildet  die  Sage  den  Schluß 
der  Pariser  Handschrift  764,  aus  welcher  Immanuel  Bekker  im  Fiera- 
bras  S.  II — XII  Auszüge  gab.  Zwar  hat  Bekker  diesen  Schluß  über- 
gangen, dagegen  wird  er  von  Mone  in  seinem  Anzeiger  6,  202  mitge- 
theilt.  Hier  wird  erzählt,  wie  Alart,  Guichart,  Richart  und  Maugis  durch 
Ganelons  Verrath  in  einer  Höhle  bei  Neapel  ihren  Tod  finden.  Daraus 
ergiebt  sich  mit  Sicherheit,  daß  auch  das  Original  der  niederländischen 
Haimonskinder  am  Schlüsse  dieselbe  Erzählung  enthielt.  Denn  das 
seltene  Wort  hagedocht,  welches  der  Niederländer  hier  anwendet  (vgl. 
S.  286),  bedeutet  nichts  anderes  als  eine  Höhle.  {Haghedocht.  Äpogeum 
[gemeint  ist  offenbar  Hypogeuvi]  dicitur  aedißciurn  sub  terra  quod  antrum 
vel  spelunca  dicitur.  Vocab.  bei  Hoffmann  Gloss.  belg.)  Das  niederlän- 
dische Gedicht  gehört  dem  13.  Jahrhundert  an,  die  Sage  von  Aalart 
muß  also  mindestens  bo  alt  sein.  Ich  trage  kein  Bedenken,  ihre  Existenz 
schon  im  12.  Jahrhundert  vorauszusetzen  und  die  angeführte  Stelle  der 
Kaiserchronik  daraus  zu  erklären,  daß  der  Compilator  der  Chronik  die 
französische  Tradition  gekannt  hat. 

In  Prosa  findet  sich  Aalarts  Tod  in  dem  Volksbuche:  Les  Prou- 
esses  et  Vaillances  du  redoute  Mahrian  (Troyes,  1625)  erzählt.  Durch 
den  Umstand,  daß  Alard   hier  sein  Leben  verliert,  weil  er  und  seine 


DIE  QUELLEN  DER  MAGUSSAGA.  291 

Verwandten  sich  gegen  den  in  Neapel  anwesenden  Karl 
empören,  wird  das,  was  wir  aus  den  Angaben  der  Hs.  764  und  des 
niederländischen  Gedichtes  erfahren,  dem  Berichte  der  Kaiserchronik 
noch  um  einen  Schritt  näher  gerückt.  Den  Inhalt  dieses  Volksbuches 
erzählt  auch  eine  dem  15.  Jahrhundert  angehörige  Handschrift  der 
Arsenal-Bibliothek  am  Schlüsse  eines  langen  Prosaromans  von  den 
Hairaonskindern,  von  welchem  die  Hist.  litt.  XXII,  705  ff.  nähere  Kunde 
giebt.  Schon  die  älteste  Ausgabe  des  Mabrian  vom  Jahre  1530  enthält 
gleich  der  erwähnten  vom  Jahre  1625  die  Angabe:  reduit  du  vieil  lan- 
gage  en  hon  vulgaire  francoys,  die  sich  vermuthlich  auch  in  der  Arsenal- 
Handschrift  wiederfindet.  Diese  Angabe  würde  kaum  Glauben  verdienen, 
wenn  sich  nicht  zeigen  ließe,  daß  eine  altfranzösische  Chanson  Mabrian 
noch  im  18.  Jahrhundert  existierte.  Es  wird  dieses  nämlich  bezeugt 
durch  eine  Notiz  der  Bibliotheque  des  Romans  par  M.  le  c.  Gordon 
de  Percel  (=Lenglet  du  Fresnoy).  1734.  2,  247,  wo  unter  der  Rubrik 
Anciens  romans  manuscrits  en  vers  et  en  prose  depuis  Vau  1250  jusquen 
1450  auch  Le  Roman  de  Mabrian  en  vers,  in  4.  manuscrit  aufgeführt  wird. 

Die  verschiedenen  Spuren  dieser  Sage  scheinen  von  einem  Punkte 
auszugehen  und  zwar,  wie  mich  dünkt,  in  der  folgenden  Weise.  Im 
12.  Jahrhundert  existierte  eine  Chanson  de  geste  (Ja  Mort  Aalart?), 
welche  Aalarts  Tod  in  Apulien  erzählte,  und  an  deren  Inhalt  der  Vf. 
der  Kaiserchronik  anspielt.  Eine  kurze  Inhaltsangabe  dieser  Chanson 
wurde  einer  Version  des  Renaut  de  Montauban  angehängt  und  ist  uns 
in  Übersetzung  des  13.  Jahrhunderts  am  Schlüsse  des  niederländischen 
Gedichts,  in  verjüngter  Gestalt  des  15.  Jahrhunderts  am  Schlüsse  der 
Pariser  Hs.  764  erhalten.  Durch  eine  Umarbeitung  und  Fortsetzung 
der  alten  Chanson  des  12.  Jahrhunderts  wurde  die  Chanson  Mabrian 
hergestellt,  deren  handschriftliche  Existenz  im  18.  Jahrhundert  Lenglet 
du  Fresnoy  bezeugt.  Gegenwärtig  scheint  von  der  poetischen  Fassung 
des  Mabrian  keine  Handschrift  bekannt  zu  sein,  dagegen  liegt  ihre 
Prosaauflösung  in  einer  Hs.  und  zahlreichen  Drucken  vor. 

Zweifel  hege  ich  nur  über  einen  Punkt.  Wahrscheinlich  existierte 
die  Chanson  Mabrian  schon  im  13.  Jahrhundert,  und  vielleicht  lag  sie, 
und  nicht  die  Chanson  des  12.  Jahrhunderts,  dem  Redactor  vor,  welcher 
den  Tod  von  Renauts  Brüdern  seiner  Version  des  Renaut  de  Montauban 
angehängt  hat.  In  diesem  Falle  wäre  die  alte  Chanson  nur  für  die  Angaben 
der  Kaiserchronik  und  für  die  Chanson  Mabrian  unmittelbare  Quelle 
gewesen.  HERMANN  SUCHIER. 


19^ 


2()2  STROHL 

ANGELSÄCHSISCHE  STUDIEN. 

VON 

JOSEPH  STROBL. 


I.  Zur  sogenannten  Cädmonschen  Exodus. 
Vers  12  He  väs 


freom  folctoga 

Das  Wort  folctoga  erscheint  noch  Einmal  in  der  Exodus  Vers  254, 
wo  es  von  Moses  heißt 

heht  pä  folctogan  fyrde  gestyllan. 

Vers  14  wurde  Moses  folctoga  genannt,  hier  sind  es  die  Führer 
der  eiste  229,  die  so  bezeichnet  werden.  Und  diesen,  die  ungefähr  den 
principes  des  Tacitus  entsprechen  mögen,  gebührt  wohl  zunächst  der 
Ausdruck,  In  der  ersten  Fortsetzung  des  Beövulfsliedes  839  erscheint 
das  Wort  wieder  in  gleicher  Verwendung.  In  der  Judith  heißt  Holo- 
fernes  folctoga  47;  folctogan  194  werden  die  Führer  der  Juden  genannt. 
Im  Andreas  8  bezeichnet  folctogan  die  Apostel,  1458  die  Heidenführer. 
Jul.  225  heißt  Helisaeus  folctoga.  Nirgend  finden  wir  also  folgtoga  im 
engeren  und  zugleich  im  weiteren  Sinne  verwendet,  daß  etwa  einem 
Hauptführer,  der  folctoga  genannt  würde,  andere  Unterführer  als  folc- 
togan untergeordnet  seien. 

Dem  widerspricht    nicht    der  Gebrauch  von  folctoga   im  Daniel. 
Folctoga  wechselt  im  Daniel  mit  cyning,  so  heißt  Nabuchodonosor  z.  B. 
108  folctoga,  100  cyning  u.  s.  w.  Wenn  es  daher  Vers  527  heißt: 
Het  J)a  tosomne  sine  leode, 
folctogan,  frägn  ofer  ealle 
svidraod  cyning 
ßo  steht  der  Plural  folctogan  so  bestimmt  dem  Singular  in  seiner  engen 
Bedeutung  cyning  gegenüber,  wie  der  Plural   cyningas  in  Exodus  185 
dem  cyning  175,  Wie  um  eine  unliebsame  Doppelverwendung  zu  corri- 
gieren  steht  Dan.  529  noch  ausdrücklich  cyning. 

Das  Wort  folctoga  kommt  in  der  Genesis  nicht  vor. 
55  modig  magurwsva 

Das  Wort  magurcesva  kommt  bis  zum  Vers  102  dreimal  vor,  in  den 
späteren  Theilen  sucht  man  das  Wort  vergebens;  nur  sein  Simplex 
roisva  erscheint  234  roesvan  herges. 


ANGELSÄCHSISCHE  STUDIEN.  293 

16  sigora  valdend, 
eine  im  ags.  sehr  häufige  Verbindung,  die  in  der  Genesis  z.  B.  fünf- 
mal gelesen  wird,  steht  in  der  Exodus  nur  an  dieser  Stelle. 

25  vitig  drihten. 
Das  Adjeetivum  vüig  (nicht  in   der  Genesis)   findet   sich  in   der 
Exodus  nur  noch  80  vitig  god. 

102  mcere  magurcesvd. 
Es  ist  bekannt  wie  im  mhd.  gewisse  Worte  des  Volksepos  der  höfi- 
schen Sprache  gegenüber  zurückweichen;  das  Wort  mcei-e  gehört  zu  ihnen, 
vgl.  Jänicke  de  dicendi  usu  Seite  6.  Das  ags.  Epos  verwendet  das  Wort 
wie  das  deutsche:  mcere  peöden  Beöv.  129.  seo  mcere  hurh  Dan.  609. 
mcere  spell  Gen.  2566.  se  mcera  Be6v.  762.  se  mcera  mago  Beov.  2011. 
Moyse  pdm  mceran  Ps.  102'  u.  s.  w.  Im  epischen  Gebrauche  und 
zwar  attributiv  steht  das  Wort  nur  an  angeführter  Stelle,  Vers  47 
u.  349  steht  es  prädicativ,  so  häufig  der  attributive  Gebrauch  in  an- 
deren Gedichten  z.  B.  der  Genesis  ist. 

125  scyldas  lixton. 
Schild  heißt  in  der  Exodus  253  bord  [oder  160.  236.  320  bordhreöda] 
ein  Wort,  das  die  Genesis  nur  in  der  Bedeutung  Schiflfsbord  kennt,  in 
welchem  Sinne  es  hinwiderum  in  der  Exodus  keine  Verwendung  findet. 
scyld  hat  Gen.  einmal  2062,  Exodus  auch  nur  an  obiger  Stelle.  Die 
Wörter  lind  rand  kennen  beide  Gedichte,  bordhreöda  kennt  Genesis 
ebenfalls  nicht,  jedoch  gudhord  2693,  wie  Exodus  466  vighord. 

170  vlance  ftegnas 
ist   ein  Ausdruck,    der  genau  so  Byrhtnoth  205  wieder  erscheint.  Das 
altepische  pegn,  das  kaum  ein  ags.  Gedicht  nicht  öfter  darbieten  dürfte, 
erscheint   in    der  Exodus   nur   hier.  Von  den  vielen  Compositis   bietet 
Exodus   131  nur  metepegn. 

406  cniht, 
häufig  in    der   Genesis  und   im  Daniel,  nur   an   dieser  Stelle.     Beovulf 
kennt   das  Wort  nur    einmal  1219  in    den  Versen    eines   Interpolators. 

419  sunu  mit  sveorde. 
sveord  ist  ein  Lieblingswort  der  Genesis.  In  der  Exodus  steht  es 
nur  hier.  Diese  VI.  Fytte  enthält  noch  zwei  Wörter  für  Schwert,  das 
altepische    mece  413   und   ecg  408.    Sonst   gedenkt   die   Exodus    dieser 
Wafie  nur  mehr  49 :t,  wo  mece  steht. 

Solchen  Erscheinungen  gegenüber  wird  es  erlaubt  sein,  den  Blick 
tiefer  in  das  Denkmal  zu  versenken  und  den  Gründen  dieser  Ver- 
schiedenheit  im  Sprachgobrauche   nachzuspüren.    Ich  habe  absichtlich 


294  STROBL 

diese    Beobachtungen  vorangestellt,  weil  auch  sie  es  sind,  die  mich  zu 
dieser  Arbeit  veranlasst  haben. 

Die  Exodus  hebt  an  mit  hvät,  ein  Sprachgebrauch,  den  J.  Grimm 
in  seinen  Erläuterungen  zum  Andreas  Vers  1  und  in  der  Grammatik 
4,  448  ff.  abgehandelt  hat.  Irren  würde  aber  wer  in  solchem  tj'pischen 
Beginne  das  Zeichen  besonderer  Alterthümlichkeit  suchte;  gerade  so 
auffälliges  hält  der  Nachahmer  für  das  Wesentliche.  In  der  mit  Recht 
beanstandeten  Einleitung  zum  Beövulf  derselbe  Gebrauch. 

Bis  V.  19  liest  sich  alles  ohne  Anstand.  Bis  7"  beherrscht  ve  ge- 
frigen  hahhad  die  Construction.  Die  Verse  bilden  eine  allgemeine  Ein- 
leitung zu  dem  folgenden,  von  der  aus  die  Erzählung  auf  die  Einzel- 
heiten weiterschreitet.  Ganz  ähnlich  im  Beövulf,  wo  von  den  Versen, 
welche  den  Sagenstoff  bezeichnen,  dem  die  Erzählung  entlehnt  ist, 
übergegangen  wird  auf  Skyld  Scefing.  Vers  8  tritt  aus  dem  Abhängigkeits- 
verhältniss  heraus  und  knüpft  mit  pone  an  Moses  an.  Gott  begabt  ihn 
in  der  Wüste  mit  seiner  eigenen  Gewalt,  verleiht  ihm  Wunder.  Er  M'ar 
Gott  lieb,  ein  tüchtiger  Volksführer.  Nun  wird  erzählt  wie  er  Pharaos 
Geschlecht  strafte,  als  ihm  der  Herr  seiner  Mage  Leben  und  Erbsitz 
den  Söhnen  Abrahams  verlieh. 

Vers  19  dagegen  bringt  uns  nicht  weiter.  Was  handledn  sein  soll 
ist  unklar,  19"^  wiederholt  das  10*  bereits  Gesagte.  Ebenso  ist  ])ä  väs 
forma  std  pät  hine  veroda  god  vordum  ncegde  im  Widerspruch  zu  Vers 
8  ff.  und  bringen  V,  25  ff.  ganz  zur  unrechten  Zeit  eine  Erinnerung 
an  die  Genesis.  Mit  30,  welcher  Vers  sich  an  29  nicht  im  geringsten 
anschließt,  kehrt  die  Erzählung  auf  einmal  wieder  zu  Pharao  zurück. 
Die  Verse  31.  32  sagen  wieder  nichts  anderes  als  9  und  10  und  sind  dazu 
da,  den  Einschub  19  —  29  an  die  folgenden  Verse  anzuschließen,  denn 
echt  sind  erst  wieder  33  ff.,  welche  die  gyrdvite  weiter  ausführen : 

Faraones  cyn 
godes  andsacan  gyrdvite  band 
jDser  him  gesealde  sigora  valdend 
modgum  magursesvan  bis  mäga  feorh 
onvist  edles  Ahrahames  sunum. 
J)ä  väs  iugere  ealdum  vitum 
deäde  [gedrenced]  drihtfolca  msest. 
Das  pä  in  Vers  30  hat  erst  jetzt  seine  Bedeutung,  in  der  Über- 
lieferung ist  es  unverständlich  und  nicht  am  Platze.  Der  Einschub  hat 
auch  ein   seltsames   Mißverständniss  hervorgerufen,    der  Ausdruck  on 
fordvegas  ließ  einen  Corrector   offenbar  jetzt  schon,  also  sehr  zur  Un- 
zeit, an  den  Untergang    der  Ägypter  im   rothcn    Meere  denken,    denn 


ANGELSÄCHSISCHE  STUDIEN.  295 

das  Verbum  gedrenced  steht  auf  Rasur  von  späterer  Hand  (Sievers  in 
der  Ztschr.  f.  D.  A.  15;  459)  und  ist  offenbar  auf  die  angedeutete 
Weise  an  die  Stelle  geratlien.  Gut  schließt  sich  an,  als  Folge  der 
Strafen  und  des  Todes  der  Erstgeborenen 

älyfed  lädsid  leode  gretan. 

Vers  45  wiederholt  unpassend  schon  Gesagtes.  Vers  49  ist  in 
diesem  Zusammenhange  unverständlich,  51  trägt  einen  Gedanken  nach, 
der  füglich  früher  besser  am  Platze  gewesen  wäre.  Die  Erzählung 
schreitet  erst  fort  Vers  54,   der   sich  wieder  an  Vers  44  anschließt. 

Das  Folgende  gehört  aber  kaum  noch  dem  ausgehobenen  Stücke 
an.  In  Vers  59  ist  der  Ausdruck  gearve  bceron  entlehnt  von  Vers  193. 
Dieser  lautet 

güd|3red,t  gumena     gearve  bseron 

Also  auch  das  allitterierende  Wort  güd  ist  in  dem  nachgedichteten 
Verse  verwendet,  und  dieser  Nachahmung  verdankt  auch  gewiß  der 
Volksname  Guämyrce  seine  Entstehung.  Nachgebildet  ist  er  dem  Al- 
tnyrcan  des  Andreas.  Die  mit  güd,  heado  zusammengesetzten  angel- 
sächsischen Volksnamen  zeigen  sämmtlich  in  ihrem  zweiten  Theil  den 
vollen  sonst  gebräuchlichen  Namen  des  Volkes  und  treten  giiä.  u.  s.  f. 
nur  wie  ehrende  Attribute  vor  [vgl.  Arscildinga  Be6v.  464].  Güdgedta 
Beöv.  1538  neben  dem  häufigen  einfachen  Gedtas,  GüdsciJfingas  Beov. 
2927  neben  Scylfingas  u.  s.  f.  Myrce  erscheint  aber  nirgend  für  dieses 
Volk;  im  Gegentheil  muß  nach  dem  Bildungsgesetze  dieser  zusammen- 
gesetzten Volksnamen  jeder  Angelsachse  an  die  Bewohner  von  Mercia 
gedacht  haben.  (Vgl.  Jac.  Grimm  Andreas  und  Elene  XIX,  wo  dieselbe 
Besorgniss  mit  Rücksicht  auf  Almyrcan  ausgesprochen  wird.  Mit  Un- 
recht wie  ich  glaube.  Mit  äl  tritt  kein  Volksname  zusammen,  es  ist 
in  dem  gegebenen  Falle  nur  an  das  Adjectivum  myrce  getreten  und 
Almyrcan  muß  bedeuten  ,,die  ganz  schwarzen",  von  einer  Verwechslung 
mit  Myrce,  Bewohner  von  Mercia,  kann  also  nicht  die  Rede  sein.) 

Vers  60  ist  unverständlich  und  ist  offenbar  gedichtet  mit  Hinblick 
auf  die  folgende  Fytte;  es  kann  nur  die  Wolke  gemeint  sein,  von  der 
Vers  73  redet.  Ebenso  verräth  Vers  63,  daß  er  seine  Entstehung  der 
Absicht  verdankt,  die  Einleitung  mit  der  zweiten  Fytte  zu  verbinden. 
Diese  erzählt  Vers  87  von  einem  dritten  Nachtlager  der  Israeliten,  da 
schien  es  noth wendig  der  zwei  früheren  zu  erwähnen,  was  freilich 
in  der  möglichst  ungeschickten  Weise  geschah.  Ich  halte  übrigens 
pridda  in  Vers  87  für  einen  alten  Fehler,  der  dann  den  Einschub  der 
in  Rede  stehenden  Verse  veranlasste.  Drei  Tagweiden  bis  zum  rothen 
Meere    kennt    auch    die   Vorauer   Exodus  43,  12,    und    das   wird   einer 


296  STKOBL 

altkirchlichen  Quelle  entsprechen.  In  unserer  Exodus  gelangen  die  Is- 
raeliten jedoch  erst  am  4.  Abend  ans  rothe  Meer  134^  man  sieht  nicht, 
wohin  sie  am  dritten  gekommen  sind. 

Zunnchst  hebt  sich  also  aus  der  ersten  Fytte  als  zusammengehörig 
heraus:  1  — 18.  33 — 44.  54.  55.  Die  Einschübe  sind  theils  gesprächige 
Ausführungen,  wie  19 — 32.  45 — 53,  theils  sollen  sie  den  Übergang 
vermitteln. 

Was  von  der  ersten  Fytte  echt  ist,  ist  eine  Einleitung  zu  einer 
Geschichte  des  Zuges  der  Israeliten  zu  dem  rothen  Meer.  Alle  dem 
Auszuge  vorhergehenden  Begebenheiten  sind  kurz  zusammengefasst, 
verständig  dargestellt. 

Haben  wir  aber  die  Einleitung  desselben  Dichters,  der  die  fol- 
genden Haupttheile  dichtete?  Ich  glaube  nein.  Ganz  abgesehen  von 
der  Verschiedenheit  des  Tones  in  beiden  Theilen,  gehören  die  Haupt- 
unterschiede in  dem  Wortgebrauche  gerade  der  ausgeschiedenen  Ein- 
leitung an.  Weiters  zeigt  sich,  daß  der  Dichter  der  folgenden  Theile 
nur  einen  ganz  bestimmten  Theil  der  Exodus  hervorhebt  und  behandelt. 
Ein  nach  bestimmtem  Plane  arbeitender  Dichter  hätte  auch  schon  in 
der  Einleitung  davon  Kunde  geben  müssen.  Und  dieser  Theil  der 
Exodus  ist  die  Ei-zählung  von  dem  Durchzuge  der  Israeliten  durch 
das  rothe  Meer.  Der  Dichter  hat  seiner  Erzählung  auch  in  einem 
Grundgedanken  eine  große  innere  Einheit  zu  geben  gewusst. 

Zu  Anfang  und  Ende  der  Erzählung  wird  auf  Joseph  hingewiesen 
Vers  140  fr.: 

vajre  ne  gfmdon 
J)eäh  ])e  se  yldra  cyning       aer  getidode 
Jjä  he  veard  yrfeveard       in  gefolca 
manna  äfter  mädmum       })ät  he  svä  miceles  ge]3äh, 
bei   welcher  Stelle    Grein  mit    Recht    auf  I.  Mos.   47,    18 — 20    hinge- 
wiesen hat. 

Dazu  halte  man  584  ff. : 

ongunnon  sseläfe  segnum  dselan 

on  ydläfe,  ealde  mädmas, 

reäf*)  and  randas:  heom  on  riht  seeode 

gold  and  goldveb.  Josephes  gestreon 

Vera  vuldorgesteald 


*)  Man  wird  nicht  mit  Grein  „Roben"  oder  Boutervvok  (Cädmon  I  259)  „Raub 
(Gewand)"  übersetzen  dürfen,  sondern  re/if  wird  wie  im  ags.  Walther  brünne  bedeuten. 
Bord  und  byt-ne  bilden  die  Stäbe  in  Beovulf  2673,  Byrhtnoth  284,  byiii  and  byrdu- 
icrüd  Be6v.  2660  bord     .  .  byrnhomas  .Jud.   192. 


angelsächsischp:  studien.  297 

Also  an  beiden  Stellen  ist  von  den  Schätzen  Josephs  die  Rede, 
einmal ,  wie  der  Agypterkönig  sie  gewann  ,  das  andere  Mal ,  wie  die 
Israeliten  sie  wieder  zurück  erhielten.  Erinnern  wir  uns,  daß  in  II  Mosis 
der  Gedanke  schon  vorbereitet  ist,  so  werden  wir  als  den  Grundge- 
danken der  Exodus  erkennen  die  Wiedergewinnung  der  Schätze  Josephs. 
Bei  der  Bedeutung,  welche  der  Schatz  in  Leben  und  Sage  der  alten 
Germanen  hatte,  wird  man  es  trefflich  finden,  wie  der  Dichter  die 
altbiblische  Geschichte  unter  diesen  Gesichtspunkt  brachte.  Der  Kampf 
um  den  Schatz  ist  der  nationale  Gedanke  der  alten  Erzählung  einge- 
gossen. Bei  der  Naivität,  mit  welcher  die  Angelsachsen  biblische  Ge- 
schichte in  ihren  Gedichten  behandeln,  darf  es  uns  nicht  wundern,  einen 
Dichter  zu  treffen,  der  bei  der  Wahl,  Anordnung  und  Ausdehnung  des 
Stoffes  sich  von  einem  nationalen  Gedanken  leiten  lässt.  Der  Dichter, 
der  aber  so  arbeitete,  mußte  aber  entweder  ein  Volksdichter  gewesen 
sein  oder  an  die  Stelle  eines  Volksdichters  haben  treten,  die  alten 
Heldenlieder  durch  andern  Stoff  in  ihre  Form  gebracht  haben  ver- 
drängen wollen. 

Eine  fortgesetzte  aufmerksame  Betrachtung  des  Gedichtes  wird 
die  Frage  beantworten.  Man  wird  bemerkt  haben,  daß  ich  die  zweite 
Fytte  vor  der  Hand  übergehe,  ich  bitte  dieserhalben  um  Nachsicht,  sie 
wird  an  richtiger  Stelle  ihre  Würdigung  finden. 

Die  Einleitung  hatte  mit  den  Versen  geschlossen 
lyrd  väs  gefysed,  from  se  J)e  Isedda 
modig  magorsesva  msegburh  heora. 

Wie  wir  den  Dichter  kennen  gelernt  haben,  der  vieles  nur  an- 
deutungsweise behandelt,  so  genügen  ihm  diese  Verse,  um  die  Fahrt 
der  Israeliten  bis  zum  rothen  Meere  zu  schildern  und  mögen  sie  gleich 
vor  135  gestanden  haben: 

jjser  on  fyrd  hyra  fserspell  becvom  etc. 

Die  Verse  145  und  151  geben  die  Motive  an,  warum  die  Ägypter 
den  Juden  feind  wurden  und  sie  nun  verfolgen.  Vers  145  ist,  wie  Grein 
richtig  vermuthet,  änvig  zu  lesen,  es  wird  gemeint  sein,  was  2  Mos.  2,  12 
erzählt  wird.  Die  anderen  Verse  lauten  150 

voldon  hie  })ät  feorhleän  fäcne  gyldan 
jaätte  he  J)ät  dägveorc       dreöre  gehöhte 
Moyses  leöde. 

Das  he  151  muß  sich  auf  Moses  beziehen  und  deuten  die  Verse 
auf  den  Tod  der  Erstgeborenen,  wie  Vers  199,  wenn  auch  hier  hroäor- 
gyld  immerhin  auffallen  muß.  Das  letztere  Motiv  kennt  die  Bibel  eben- 
sowenig,   als    sie   aus    dem  von  Moses   verübten  Todschlage  die  obige 


298  RTROBL 

Folgerung  zieht.  Der  Gedanke  liegt  zwar  sehr  nalie  und  die  Milstädter 
Exodus  Diem.   159,  21  verwendet  ihn  ebenfalls: 

div  chint  ligent  uns  tot,  nu  habent  si  uns  beroubot, 
ohne  ihn  jedoch  wie  unser  ags.  Gedicht  als  Motiv  in  den  Vordergrund 
zu  stellen. 

Gieng  unserem  Gedichte  etwas  voran,  das  die  vorhergehenden 
Theile  der  Exodus  behandelte,  so  wäre  eine  solche  Wiederholung  der 
Thatsachen  unerträglich.  In  unserem  Falle  ist  aber  die  Exposition 
vollkommen  tadellos.  „Gefährliche  Kunde  kam  den  Flüchtigen ,  sie 
harren  des  Feindes,  der  längst  alte  Versprechen  vergessen,  die  Israe- 
liten bedrängt  hatte,  seit  er  um  einen  Einzelkampf  ihnen  gram  wurde. 
Nun  wollen  die  Feinde  Rache  nehmen,  dafür,  daß  die  Israeliten  das 
Tagwerk  vergalten  mit  Blut." 

Wir  stehen  also  am  Beginne  eines  Gedichtes,  das  nach  Art  des 
epischen  Volksliedes  auf  die  Bekanntschaft  der  Hörer  mit  dem  Stoffe 
rechnen  kann.  In  einigen  kräftigen  Zügen  wird  die  Situation  gezeichnet. 
Die  Worte  vräcmon  und  lästveard  rufen  ganz  bestimmte  Vorstellungen 
hervor,  um  wen  es  sich  handelt  wird  Vers  141  klar,  se  yldra  cyning 
setzt  bei  dem  Hörer  dasselbe  voraus,  wie 

Hygeläces  Jjegn 
god  mid  Geätum. 

Nur  wenn  wir  dem  Gedichte  gegenüber  diesen  Standpunkt  ein- 
nehmen wird  der  Ausdruck  se  yldra  cyning  verständlich,  jeder  Dichter 
einer  vollständigen  Genesis  und  Exodus  hätte  sich  dieses  Ausdruckes 
nur  bedienen  können,  wenn  er  innerhalb  seines  Gedichtes  hätte  Er- 
klärung finden  können.  Vergebens  suchen  wir  nach  einer  solchen.  Es 
bleibt  nun  also  nur  unsere  Annahme.  Steht  diese  fest,  so  darf  uns, 
daß  der  Dichter  auch  weiters  an  seine  Hörer  dieselben  Voraussetzungen 
stellt  wie  der  eines  epischen  Volksliedes,  nicht  mehr  Wunder  nehmen. 

Zu  ändern  wird  daher  sein  hyra,  diese  Beziehung  hat  der  Dichter 
der  Einleitung  hergestellt.  Etwa 

Jjser^on  fyrd  frecne  fserspell  becvom. 

Die  Verse  161 — 171  erregen  Bedenken.  An  formelhaftem  reiche 
Poesien  wie  die  angelsächsischen  fordern  verschärfte  Beobachtung,  ob 
gewisse,  geläufige  epische  Ausdrücke ;,  Schilderungen  auch  am  Platze 
sind.  Wir  haben  es  hier  mit  den  Ausführungen  zu  thun,  wie  sie  ags. 
Dichter  bei  Erzählungen  von  Karapfzügen,  lieben. 

Ich  führe,  um  zu  prüfen ,  nur  drei  Stellen  an.  Aus  der  Genesis 
die  eine.  Es  handelt  sich  um  den  Krieg  der  Elamiter  u.  a.  gegen  die 
Könige  von  Sodoma  und  Gomorrha.    Da  heißt  es  1983  f. 


ANGELSÄCHSISCHE  STUDIEN.  299 

sang  se  vanna  fugl 
imder  deoreäsceaftum  dedvigfeJera 
hrses  on  venan 
Eine  Schilderung,  die  dort  ganz  am  Platze  ist.  Unsere,  die  es,  wie  sich 
zeigen  Mnrd,  nicht  ist,  die  auch  über  das  Formelhafte  hinaus  zur  Stelle 
aus  der  Genesis  stimmt,  muß  aus  dieser  entlehnt  sein.  Man  vergleiche 
deävigfedere  163  (nur  hier  und  an  der  betr.  Stelle  der  Genesis),  vonn  164, 
setes  on  venan  165.    Daß    aber   die  Schilderung   in    der   Exodus  nicht 
am  Platze  ist,  zeigt  deutlichst  der  Ausdruck  ofer   drihtneum,    denn  es 
gibt  noch  gar  keine  Leichen,  zu  dem  ist  atol  sefenleod   aus  Vers  201 
entlehnt.  Unwahr  ist  für  unsere  Stelle  ßedh  fcege  gast  folc  väs  gehnceged. 
Wie  trotz  des  Formelhaften  Dichter  diese  Formeln  nur  am  pas- 
senden Platze  mit  den  durch  die  Situation  bedingten  Veränderungen  ver- 
wenden, zeigen  zwei  weitere  Stellen,  die  ich  anführen  will  Byrhtnoth  106  f. 
J)ä  veard  hream  ähafen,  hremmas  vundon 
earn  seses  georn  :  väs  on  eordan  cyrm. 

Maßvoll  ist  auch  der  Dichter  der  Judith,  wo  er  diese  Formel 
gebraucht. 

Die  Juden  ziehen  gegen  die  Assyrer  204  f. 
dynedan  scildas, 
hlude  hlummon;  ]3äs  se  hlanca  gefeah 
vulf  in  valde  and  se  vanna  hrefn, 
välgifre  fugel  :  vestan  begen, 
])ät  him  ])ä  Jjeödguman  ])ohton  tilian 
fylle  on  fsegum;  ac  him  fleah  on  laste 
earn  setes  georn  ürigfedera 
salovigpäda,  sang  hildeleöd 
hyrnednebba. 
Trotz  der  breiten  Ausführlichkeit  geht  der  Dichter  nicht  mit  einem 
Zuge   über  das  hinaus,    was   in   seiner  Darstellung   volle  Begründung 
findet. 

Die  Verse  170.  71  haben  offenbar  die  Aufgabe  den  Übergang 
von  der  Interpolation  zum  alten  zu  vermitteln,  außerdem  ist  mir  das 
Wort  pegn  verdächtig.  Dieses,  ein  Lieblingswort  der  Genesis,  in  der 
es  als  Simplex  zwölfmal  erscheint,  trifft  man  in  der  Exodus  nur  hier 
und  außerdem  das  Compositum  metepegn  in  der  nach  den  bisherigen 
Erörterungen  schon  nicht  zum  Liede  gehörigen  zweiten  Fytte.  Es  findet 
sich  wiederholt  in  jedem  größeren  ags.  Gedichte,  als  ana^  eiQO/.i.  nur 
noch  in  der  Cynevulfischen  Juliana.  Cynevulf  bedient  sich  des  Ausdruckes 


300  STKOBL 

in  seinen   anderen  Dichtungen    und  wäre   es    der  Untersuchung  werth, 
warum  ihn  die  Jul.  meidet. 

Streichen  wir  die  bezeichneten  Verse,  so  passt  alles  wieder  vor- 
trefflich zusammen.  Die  Israeliten  sehen  das  Heer  Faraos  heranrücken 

Jjüfas  Jjunian,  ])e6d  mearc  tredan, 

gäras  trymedon,  güd  hvearfode, 

blicon  borhreödan,  byman  sungon. 

Him  ]53er  sigecyning  vid  })one  segn  foran 

manna  Jiengel  mearc  }>reäte  räd. 
In  der  Fytte  IV  ist  der  Ausdruck  hycgan  on  eilen  218''  beachtens- 
werth.  Er  findet  sich  wieder  in  dem  Bruchstücke  von  dem  Überfall  in 
Finnsburg  11 : 

habbad  eovre  handa,  hicgead  on  eilen 

vinnad  on  orde,  vesad  onmode. 
Synonym  ist  hicgan  in  anderer  Verbindung  Byrhtn.  128: 

bäd  ]3ät  hyssa  gehvylc  hogode  to  vige. 
In  hycgan  on  eilen  liegt  jedesmal  eine  Aufforderung  zum  Kampfe, 
wie  auch  in  der  Exodus  der  gleichfolgende  Halbvers  heran  heorht  searo 
bestätiget.  Schon  die  ausführliche  Schilderung  des  Auszuges  der  Ägypter, 
die  schlachtbereit  heranrücken,  musste,  sollten  wir  es  nicht  mit  einer 
müßigen  Schilderung  zu  thun  haben,  einen  Kampf  erwarten  lassen. 
Wir  werden  einen  solchen  später  wirklich  finden.  Von  einer  unpassenden 
Ausführung,  wie  oben  Vers  161  ff.,  kann  also  hier  nicht  die  Rede  sein. 
Übrigens  kann  die  volksthümliche  Frische  dieser  Verse  niemand  ent- 
gehen. 

Was  Grein  zu  240  aus  dem  md.  Ritterspiegel  beibringt,  passt 
nicht.  Im  R.  wird  von  den  alten  Rittern  nicht  Kampf  sondern  Rath  ver- 
laugt. Eher  ist  zu  denken  an  Tacitus  Germ.  31  jamque  canent  insignes 
et  hostibus  simul  suisque  monstrati. 

Zu  dem  Vorhergehenden  stimmen  aber  wieder  gar  nicht  die 
Verse  247 — 251.  Die  Israeliten  haben  sich  gesammelt  am  Strande  des 
Meeres,  von  einem  Fortschreiten  kann  nicht  die  Rede  sein,  man  sieht 
daher  nicht  ein,  was  sie  von  dem  sidhoda  erwarteten,  zumal  beim 
wirklichen  Aufbruch  von  der  Führung  durch  die  Wolke  gar  nicht  die 
Rede  ist. 

Im  Vers  277  nimmt  Dietrich  Anstoß  an  Ufgendra.  Und  mit  Recht; 
lifgendra  peöden  (denn  so  wird  mit  Thorpe  zu  lesen  sein)  ist  niemand 
anders  als  Gott,  für  Moses  wäre  die  Bezeichnung  höchst  ungeschickt. 
Grein  sucht  zu  helfen,  indem  er  annimmt  lifgendra  solle  einen  Gegensatz 
bilden  zu  dedde  fedan,  ein  solches  AVoi-tspiel  wäre,  abgesehen  davon,  daß 


ANGET.SÄOHSISCHK  STT'DIEX.  .^iOl 

die  Antithese    durch    die    dazwischen    stehenden  Verse    ziemlich  abge- 
schwächt ist.    geradezu  läppisch. 

Aufschluß  über  den  Sachverhalt  giebt  das  zweite  Buch  Mosis. 
Cap.  14,  13  beruhigt  Moses  das  Volk,  Vers  15  folgt  die  Aufforderung 
Gottes  an  Moses  den  Stab  zu  erheben  und  das  Meer  zu  theilen. 

Die  Verse  259—275  enthalten  so  ziemlich  eine  Paraphrase  der 
Bibelverse  13  und  14  in  II  Mos.  Cap.  14.  Die  Verse  278  ff.  sind  aber 
nicht  entsprechend  Vers  15  der  Bibel  im  Munde  Gottes  zu  denken, 
sondern  Moses  spricht  sie.  Vgl.  280: 

hü  ic  silfa  sloh  and  jjeos  svidre  band 
grene  täne  gärsecges  deop. 

Die  Verse  259 — 277  sind  zu  streichen.  Die  Aufforderung  ne  beöd 
ge  Py  forhti'an  259  ne  villaä  eöv  ondrcedan  266  ist  unpassend  und  über- 
flüssig nach  Vers  218,  nach  dem  Verhalten  der  Israeliten,  wie  es  sich 
der  Dichter  der  vierten  Fytte  vorstellt.  Und  dieses  Verhalten  ist  aller- 
dings ziemlich  unbiblisch. 

Moses  eilt  vor  das  Heer  sowie  es  versammelt  ist  und  verrichtet 
vor  dessen  Augen  das  Wunder.  Ein  Interpolator  sucht  die  Erzählung 
der  Bibel  näher  zu  bringen.  Er  schaltet  nach  258  eine  Paraphrase  von 
II  Mos.  14,  13  und  14  ein.  In  dem  Worte  278  ff.  glaubt  er  eine  Über- 
setzung von  II  Mos.  16  zu  finden.  Da  in  der  Bibel  der  Herr  die  Worte 
spricht,  so  schiebt  er  zur  Verbindung  276.  277  ein. 

Vers  353 — 361  möchte  ich  wieder  für  eingeschoben  halten.  Sie 
führen  von  dem  sonst  so  strenge  eingehaltenen  Gedankengange  ab. 
Doch  lässt  sich  das  wegen  der  Lücke  vor  446  nicht  sicher  darlegen. 
Gewiß  ist  aber  die  sechste  Fytte  unecht. 

Wir  haben  oben  schon  Bedenkliches  im  Sprachgebrauche  gefunden, 
daß  sie  die  Erzählung  der  Vorgänge  am  rothen  Meere  gewaltsam  un- 
terbricht, liegt  zu  Tage. 

Zu  Vers  446  (3375  Bou.)  bemerkt  Bouterwek:  „Hier  knüpft  die 
meisterhaft  auch  künstlerisch  ausgeai-beitete  Darstellung  von  des  ägyp- 
tischen Heeres  Untergang  an  3259  (330  Grein)  an."  Es  ist  dieß  un- 
möglich, vor  446  muß  etwas  fehlen,  solche  Sprünge  sind  unserem 
Dichter  nicht  zuzutrauen.  Auch  was  das  Lob  künstlerischer  Ausführung 
anlangt,  so  wird  dasselbe  auf  die  vorliegende  Überlieferung  kaum 
Anwendung  finden  können. 

Vers  447  geofon  dedde  hveöp  sagt  dasselbe  wie  Vers  477  hrim- 
herstende  hlödegsan  hveöp;  wie  447  das  Verbum,  so  entlehnt  446  dem 
späteren  Verse  das  Wort  hlodegsa,  dem  flodegsa  nachgebildet  ist.  Vers 
448  vceron  beorhhlidu  hlode  hesfemed  sagt  dasselbe  wie  476  väs  seo  hcevene 


302  STROBL 

lyft  heolfre  gehlanden.  Vers  455  heißt  es  ne  pcer  cenig  becvom  herges  to 
käme,  dasselbe  wird  507  noch  einmal  gesagt  for  päm  päs  heriges  häm 
eft  ne  com  cenig  to  Idfe.  Vers  463  sagt  randhyrig  vceron  rofene,  doch 
hinwiderum  467  hedh  ofer  häledum  holmveall  ästäh  und  holmveall  meint 
doch  dasselbe  wie  randbyrg ,  die  Wellenberge.  Vers  466  steht  mitten 
in  der  Schilderung  der  Noth  so  unpassend  als  möglich  vighord  scinon. 

Die  Verse  446 — 466  sind  zu  streichen,  sie  enthalten  Wieder- 
holungen dessen,  was  an  späterer  Stelle  passend  gesagt  ist,  verwirren 
die  durchdachte  geordnete  Erzählung.  Denn  während  die  Interpolation 
die  Noth  der  Ägypter  malt,  ist  467  fF.  erst  von  der  Bedrängniss  der 
Israeliten  die  Rede,  der  Ägypter  Untergang  wird  erst  später  abge- 
handelt. 

„Hoch  über  den  Helden  stieg  der  Flutwall  in  die  Höhe,  die 
Schaar  war  in  Todesnoth,  ihr  Fortgang  behindert  durch  Nachstellungen, 
der  Sand  wartete  wann  die  Woge  käme ,  die  die  Feinde  ergriff" . .  . 
das  ist  doch  nur  die  Schilderung  der  Situation  der  durch  das 
Meer  ziehenden  Israeliten.  Unheimlich  gefärhlich  ist  da  durch  zu 
wandern,  es  dreuen  die  Meereswände,  die  den  Sand  suchen,  den  ge- 
wohnten Pfad,  der  Fortgang  ist  gehindert,  offenbar  durch  die  an- 
greifenden Ägypter.  Das  sagen  deutlich  die  zusammenfassenden  Verse: 
„Es  war  die  blaue  Luft  mit  Blut  erfüllt,  das  Meer  drohte  Schrecken, 
der  Seemänner  Weg,  bis  Moses  Hand  die  Muthige  entfesselte"  und 
so  die  Israeliten  befreite.  Der  Dichter  muß  also  geschildert  haben, 
wie  die  Ägypter  die  Juden  erreichten,  sie  im  Kampfe  bedrängten, 
während  die  Wellenberge  mit  andern  Schrecken  drohten,  bis  Moses 
dem  Kampfe  ein  Ende  macht*). 

Nun  rechtfertigt  sich  auch,  warum  der  Dichter  der  Schilderung 
der  kampfbereiten  Heere  so  bedeutenden  Platz  einräumt,  die  betreffenden 
Verse  erscheinen  nun  nicht  mehr  müßig. 

Mit  481  erst  beginnt  die  Erzählung  des  Unterganges  der  Ägypter. 

Grein  und  Bouterwek  haben  sich  durch  den  Interpolator  irre 
machen  lassen  und  beziehen  die  Verse  467  —  478  auf  die  Ägypter. 


*)  Dem  Dichter  schwebt  bei  dieser  Stelle  offenbar  Beöv.  2270  vor: 

hordvynne  fond 
eald  uhtsceada  opene  standan, 
se  ])&  byrnende  biorgas  seced 
nacod  niddraca. 
Wie  ein  nacud  nydhoda  sucht  die  See    die  alten  Stätten  wieder  auf.   Es   ist   nicht  zu 
Ijiugnen,  daß  unser  Dichter  sein  Vorbild   schön   und   selbständig  benutzt.     Keine  Ver- 
wandtschaft trotz  des  ähnlich   klingenden    Ansdrucks    zeigt   mit    unserer  Stelle _;Daniel 
G32  nacod  nytigenga,  womit  Nabuchodonosor   bezeichnet  ist. 


ANGELSÄCHSISCHE  STUDIEN.  303 

Vers  519.  530  berufeu  sich  auf  die  h.  Schrift,  eine  Berufung, 
die,  so  häufig  sie  in  der  ags.  Genesis  sich  findet,  in  unserem  Gedichte 
nur  an  dieser  Stelle  erscheint.  Die  frommen  Betrachtungen,  welche  der 
Anfang  der  VIII.  Fytte  enthält,  verbreiten  sich  über  die  beliebten 
Themen  Himmel,  Hölle,  jüngstes  Gericht  und  sind  hier  gar  nicht  am 
Platze.  Die  Worte  551''  f.  viindor  ongeton^  modiges  miidhcel  (m.  m.  fasse 
ich  als  Apposition  zu  vundor)  dürfen  von  dem  durch  Moses  Woi'te 
hervorgerufenem  Wunder  Vers  478  ff.  nicht  so  Aveit  getrennt  werden. 
Die  Verse  555 — 563  bringen  unpassend  die  Verheißung  Canaans^  wofür 
in  der  Ökonomie  unseres  Gedichtes  kein  Platz  ist.  Vers  567  ist  inso- 
ferne  verdächtig,  als  ja  nicht  der  vuldres  hedm,  der  in  den  echten 
Theilen  keine  besondere  Rolle  spielt,  sondern  des  Moses  Wunder  die 
Juden  gerettet  hat.  Die  Verse  570 — 573  sind  inhaltlich  unbedeutend 
und  ungefüge  gebaut.  Ich  streiche  daher  515 — 547.  555 — 563*),  567 
bis  573,  wodurch  wir  einen  wohlgefügten  planmäßigen  Schluß  erhalten. 

Ich  lasse  den  kurzen  Gedankengang  des  von  mir  aus  der  Über- 
lieferung ausgehobenen  Gedichtes  folgen. 

135 — 153.  Gefahr  verkündende  Maere  kommt  den  Wanderern. 
Es  erwartet  der  Vertriebene  den  leiden  Verfolger,  der  das  Volk  schon 
längst  bedrängt,  vergessen  hatte,  was  der  alte  König  einst  versprochen, 
als  er  Erbe  ward  der  Völker.  An  all  das  dachten  sie  nicht,  seit  gram 
wurden  die  Ägypter  um  eines  Faustkampfes  willen.  Nun  wollen  sie 
Rache  nehmen  dafür,  daß  Moses  dieFrohnarbeit  mit  Blut  zahlte.  154 — 160. 
172 — 199.  Aufzug  des  ägypt.  Heeres.  200  —  207.  Schutz  der  Israeliten 
während  der  Nacht.  208  — 215.  Nachtwache.  215—246.  Aufruf  des  Moses. 
Aufzug  der  Israeliten.  252 — 258.  278 — 360  Anrede  des  Moses.  Wunder. 
Das  Israel.  Heer  zieht  in  das  Meerbett.  —  Lücke.  —  467—514.  Die 
Israeliten  überfallen  durch  die  Ägypter.  Wunder  Moses.  Untergang  der 
Ägypter.  548  —  554.  Anrede  Moses  angesichts  des  Wunders.  Groß  ist 
die  Menge,  aber  der  Heerführer  stark,  der  Hilfen  größte  die  dieses 
Heer  fortleitet.  564—566.  574—578,  Freude,  Jubel  des  Volkes,  das  nun 
erst  am  Lande  ist.  578  bis  Ende.  Schlachtbeute.  Wiedergewinn  der 
Schätze  Josephs.  Schluß. 

Schon  aus  dieser  kurzen  Inhaltsangabe  wird  klar,  daß  wir  es  mit 
einem  einheitlichen,  künstlerisch  aufgebauten  Gedichte  zu  thun  haben. 
Wer  die  von  mir  ausgehobenen  Stellen  im  Zusammenhange  liest,  wird 


*)  Die  E.xodus  kennt  sonst  (63.  177.  254)  vom  Verbum  hdtan  nur  die  Form  mit 
erhaltenem  Keduplicationsvocal  lieht,  nur  557''  erscheint  die  contrahierte  geMt.  Ich 
setze  die  Bemerkung  in  die  Note,  weil  ich  wohl  weiß,  daß  auch  sonst  die  Formen 
wechseln   u.  z.  B.  im  Daniel  neben  15  het  ein  einziges  heht  in  Vers  704  erscheint. 


304  STKOBL,  ANGELSÄCHSISCH?:  STIDIEN. 

(ließ  noch  doutlicher  erkennen.  Die  Lücke  niuü,  das  können  wir  bei 
dem  symmetrischen  Bau  schließen,  den  Zug  der  Ägypter  in  das  Meer- 
bett enthalten  haben,  dem  der  Angriff  auf  die  Israeliten  gefolgt  sein  muß. 

Wenn  der  gesaramten  geistlichen  Litteratur  der  Angelsachsen  der 
Stempel  des  Volksthümlichen  aufgedrückt  ist,  so  geht  unser  Dichter 
weiter.  Er  wählt  aus  der  bei  den  Deutschen  so  beliebten  Exodus  den 
ihm  und  seinen  Hörern  zusagenden  Stoff,  legt  ihm  einen  Grundgedanken 
unter  und  behandelt  ihn  auf  seine  Weise.  Der  Bibel  gegenüber  ver- 
hält er  sich  vollkommen  frei,  er  hat  sie  wohl  nicht  vor  Augen  gehabt, 
dichtet  aus  Erinnerung.  Denn  nichts  deutet  auf  eine  unmittelbare  Be- 
nutzung der  Bibel  durch  unseren  Dichter. 

Ebenderselbe  Umstand  erschien  einem  späteren  Interpolator  ein 
Mangel,  Ihm  verdanken  wir  alle  jene  Stellen  in  welchen  eine  Vermitte- 
lung  mit  dem  Bibeltexte  gesucht  wird,  die  oft  unglücklich  genug  (Vers 
259 — 277)  ausfällt.  Demselben  Streben  verdankt  auch  die  ganze  zweite 
Fytte  ihre  Entstehung.  Der  Interpolator,  ein  ziemlich  nüchterner  Kopf, 
sucht  seiner  Interpolation  durch  Verwendung  formelhafter  Ausdrücke 
den  Schein  des  echten  zu  geben.  Wie  unglücklich  er  dabei  ist  haben 
wir  gesehen,  die  zweite  Fytte  verdankt  ihm  ihren  unerträglichen  Schwulst. 
Wo  er  aus  dem  ersten  Grunde  keinen  Anlaß  zu  Interpolationen  hat, 
bringt  er  dieselben  oft  bloß  aus  Liebe  zum  Pathos  an.  Von  solchem 
Schwulste  ist  freilich  die  Interpolation  259 — 277  frei  und  könnte  man 
daher  zwei  Interpolatoren  annehmen.  Doch  da  die  zweite  Fytte  den 
Schwulst  zeigt,  wie  das  Bestreben,  aus  der  Bibel  die  vergessene  Wolken- 
säule und  die  Feuerzeichen  zur  Nacht  nachzutragen,  so  werden  wir 
Avohl  sagen  müssen^  in  den  Versen  259  ff.  habe  der  Interpolator  dem 
Bibeltexte  gegenüber  in  der  Paraphrase  der  Rede  seiner  Gewohnheit 
Zwang  angethan. 

Von  diesem  Interpolator  ist  aber  jener  verständige  Kopf,  dem 
wir  die  Einleitung  verdanken,  zu  trennen. 

Erst  bekam  das  Gedicht  die  Einleitung,  dann  folgten  die  Inter- 
polationen, endlich  wurde  die  Einleitung  wieder  interpoliert. 

In  der  Halle  Heort 

väs  hearpan  sveg, 
svutol  sang  scopes.       sägde  se  J)e  cüde 
frumsceaft  fira       feorran  reccan, 
cväd  ])ät  se  älmihtiga  eordan  vorhte 
vlitnebeorhtne  vang  u.  s.  f. 

Be6v.  89  ff. 


STROHL,  ANGELSÄCHSISCHE   STUDIEN.  ."^OÖ 

Wenn  auch  die  Einleitung  dem  ursprünglichen  Beovulfliede  nicht 
angehört,  so  darf  sie  doch  hier  angezogen  werden,  um  nachzuweisen, 
daß  schon  früh  an  Höfen  die  alten  Heldenlieder  durch  Lieder  von 
geistlichem  Inhalte  verdrängt  wurden.  Wenn  mir  also  der  Nachweis 
gelungen  sein  sollte,  daß  in  der  ags,  Exodus  ein  besonderes  Gedicht 
von  den  Schicksalen  der  Juden  am  rothen  Meer  sich  erkennen  lässt,  so 
wäre  das  keine  für  die  ags.  Litteratur  unerhörte  Thatsache.  Dem- 
selben Jahrhundert  —  K.  Müllenhoff  setzt  die  Zusätze  zu  den  Beövulfs- 
liedern  wohl  mit  Recht  ins  achte  Jahrhundert  —  gehört  ein  anderes 
Zeugniss  an. 

Beda  erzählt  in  seiner  Kirchengeschichte  von  dem  Northumbrier 
Cädmon.  Dieser,  ein  Dienstmann  des  Klosters  Heorted,  des  Sanges  un- 
kundig, flieht,  als  er  einst  durch  die  Aufforderung  zu  singen  beschämt 
war,  in  die  Einsamkeit.  Im  Schlafe  erhält  er  die  Gabe  des  Gesanges 
und  die  Aufforderung  die  Schöpfung  zu  singen. 

Eine  Handschrift  des  Beda  theilt  eine  Strophe  northumbrisch  mit. 

Auch  hier  geistlicher  Stoff,  in  jenen  Kreisen,  die  einst  das  natio- 
nale Heldenlied  gesungen  hatten. 

Wir  haben  auch  für  die  echten  Theile  unseres  Liedes  Benutzung 
des  Beovulf  nachgewiesen.  Eine  Benutzung  der  unechten  Partien  des 
B.  dagegen  ist  nicht  nachzuweisen,  denn  eine  gleich  richtige  Ver- 
wendung des  Wortes  folctoga,  die  unser  Gedicht  übrigens  mit  anderen 
theilt,  lässt  noch  auf  keine  Benutzung  schließen.  In  die  Zeit  zwischen 
die  Entstehung  der  echten  Theile  des  Be6vulf  und  die  der  Zusätze 
wird  also  wohl  unser  Gedicht  zu  setzen  sein. 

Die  echten  Theile  des  Beovulf  setzt  es  voraus. 

Die  Zusätze  des  Beovulf  hinwiederum  kennen,  schon  die  That- 
sache der  Verdrängung  altnationalen  Stoffes  im  Liede  durch  geistlichen. 

MÖDLING,  im  Juni  1875. 


GERMANIA.  Neue  Reilie  YIII.   (XX.  J;vhrg.)  20 


30G  CEDERSCHIÖLD 


ZUR   TEXTKRITIK  VON  VIER  ROMANTISCHEN 

SAGA'S. 

Riddarasögur :  Parcevalssaga ,  Valversjjättr,  Iventssaga,  Mirmanssaga.    Herausgegeben 
von  Dr.  Eugen  Kölbing.  Straßburg  1872. 


Als  ich  vor  einigen  Woclien  den  Cod.  Holm.  6,  4*°  —  um  einen 
Theil  desselben  abzuschreiben  —  hieher  nach  Lund  entlehnt  hatte  und 
auf  der  hiesigen  Universitätsbibliothek  benutzte,  fiel  es  mir  ein,  zu 
vergleichen,  wie  Kölbing  diese  Handschrift,  auf  welche  er  seine  Aus- 
gabe jener  vier  Riddarasögur  gebaut,  wiedergegeben  hätte.  Die  Unter- 
suchung wurde  sehr  bald  von  größerem  Interesse,  als  ich  es  erwartet 
hatte;  ich  habe  sie  deßhalb  zu  Ende  geführt  und  alles,  was  sich  von 
jenen  Saga's  in  der  Membrane  befindet  (nur  mit  Ausnahme  einiger 
schwer  leserlichen  Stellen)  —  also  bis  p.  165  Z.  16  bei  Kölbing  —  mit 
der  Ausgabe  verglichen.  Was  ich  dabei  aufgezeichnet,  theile  ich  hier 
meistentheils  mit;  nur  bedaure  ich,  daß  mir  die  Zeit  nicht  erlaubt  hat 
die  Handschrift  mehr  als  einmal  zu  durchgehen;  es  sind  gewiß  viele 
Dinge  meiner  Aufmerksamkeit  entgangen  und  Vollständigkeit  kann 
nicht  erreicht  sein ;  doch  für  die  Richtigkeit  meiner  Angaben  darf  ich 
einstehen,  da  ich  die  betrefienden  Stellen  mehrmals  nachgeschlagen 
und  geprüft  habe. 

Tb.  Möbius  hat  in  der  „Zeitschrift  für  deutsche  Philologie"  Bd.  V 
p.  217 — 25,  eine  sehr  interessante  und  inhaltsreiche  Anzeige  der  „Ridd- 
arasögur" geliefert.  In  der  Regel  werde  ich  die  von  ihm  schon  be- 
sprochenen Punkte  nicht  berühren;  eine  erste,  allgemeinere  Bemerkung 
aber  will  ich  an  eine  Äußerung  des  hochverdienten  Mannes  anknüpfen. 
Er  sagt  (a.  a.  O.  p.  218):  „Übersicht  des  Inhalts  und  Columnenüber- 
schriften  werden  ungern  vermisst."  Gewiß!  und  Kölbing  hat  überdieß 
noch  die  Capitelüberschriften  der  Handschrift  gänzlich  aus- 
gelassen. Diese  sind  mit  rother  Tinte  geschrieben,  zwar  zum  Theil  ein 
wenig  verwischt,  jedenfalls  aber  nicht  undeutlicher  als  die  zwei  ersten 
(ebenfalls  rothen)  Zeilen  der  Parcevalssaga,  die  Kölbing  doch  hat 
lesen  können.  Die  Überschriften  der  ersten  Capitel  der  Parc.  s.  gebe 
ich  hier  (meistens  normalisiert)  als  eine  Probe: 

[Cap.  III  Parceval  kom  tu  Artus  konungs. 

[Cap.  HI]  Parceval  drap  ranäa  riddara. 

[Cap.  IV]  lonet  segir  konungi  frd  Parceval. 


ZUR  TEXTKRITIK  VON  VIER  ROMANTISCHEN  SAGA'S.  307 

[Cap.  V]  (Parceval)  ....    {p)roff\r goda  manni  [=  Parceval 

nam  ipröttir  af  hinum  göda  manni?]. 

[Cap.   VI]  Af  göda  manni  ok  Parceval. 

[Cap.  VII]   Harmtölur  jungfrüinnar  [Ende  nicht  ganz  sicher]. 

[Cap.  VIII]  Parceval  talar  viä  meyna  [Ende  etwas  undeutlich]. 

[Cap.  IX]  Frd  Klamadio  konungi  ok  hans  mönnum. 

[Cap.  X]  Parceval  vann  yfir  Klamadium  konung. 

[Cap.  XI]   Parceval  kom  [ergänze:  til]  konungs  ok  fiskimanns. 

[Cap.  XII]    Parceval  fretti  [etwas  undeutlich]  dauda  mödur  sinnar. 

[Cap.  XIII]    Frd  Parceval  ok  drambldta  riddara. 

[Cap.  XIV]  Kcei  feldr  af  haki. 

u.  s.  w. 

Diese  Überschriften,  die,  wie  man  sieht,  nicht  alles  Interesse  ent- 
behren, würden  die  Übersichtlichkeit  des  Stoffes  erleichtert  haben. 
Kölbing  hat  sie  nicht  einmal  erwähnt. 

Bevor  wir  zu  unseren  specielleren  Bemerkungen  übergehen, 
schicken  wir  die  Erinnerung  voraus,  daß  wir  für  die  richtige  Classi- 
fication der  hierunten  angeführten  Fehler  gar  nicht  verantwortlich  sein 
wollen ;  wenn  wir  einen  Fehler,  vereinzelt  oder  wiederholt,  fanden,  war 
es  uns  oft  unmöglich  zu  schließen,  ob  er  vom  Herausgeber  oder  vom 
Setzer  herrührte  —  besonders  da  die  Druckfehler  so  zahlreich  sind, 
was  in  einem  Buche,  das  der  Verfasser  selbst  zur  „Leetüre  für  An- 
fänger"  (s.  Vorrede  S.  I)  empfiehlt,  nicht  wenig  befremden  muß. 

Für  Druckfehler  also  halten  wir  erstlich  die  folgenden  ent- 
weder mangelnden  oder  irrigen  Längezeichen:  4'^  nattüran  (vgl.  64  ^, 
103'S  108«,  140^  145«);  —  13^*  i;  —  17^«  pa  (auch  77^^  70"-^  131*«); 

—  18^1  mer  (ebenso  67"«);  -  20^  folkit  (vgl.  22''«,  23',  147=^«,  154*'^); 

—  32'  pdr-  —  57«  halfdauda;  —  66 ^'^  haskavad  (vgl.  121');  —  77^ 
malmi;  —  79"  ogn-,  —  80*«  nand;  —  84^^  Gerif^  —  86^  Hvarrgi;  — 
106'-  hydi;— 108*  talma-  —  108**^  sva;  —  108*^  bodit;  —  109*^  svikja- 

—  115-  Ök;  —  IW^mitt  (auch  118^2);  —  US"  fridleysi-  —  118«  >inn; 

—  122"'  jarnstafnum  (vgl  122'«,  128^«);  -  122*»  sA«//;  —  125-  innyfl- 
in;  —  125*^  pät;  —  131*^  ridr\  —  146^^  akvedinn;  —  153«  mids-  — 
157"^  eilifrar  (vgl.  157");  -  164«  pys-  —  164'«  liß. 

Ferner  5*«  rausaka  lies  raunsaka]  —  9""  risti  1.  hristi;  —  32^^' 
Patt  1.  pat;  —  SS'^'  tili  1.  til-,  —  69^  hvdra-  1.  hvdrra-;  —  69*  Hin 
1.  Hinn;  —  69''^  tjedi  1.  tSdi-  —  99«  hefr  1.  hefir-,  —  104'  peira  1. 
Peirra\  —  107*^'  afsetr  1.  afsettr;  —  110'^  kcemi  1.  kwmi  oder  kvcemi; 

—  115*^  vdrar  1.  vdrrar-  —  131^*  Öttadist  1.  Öttaätst-,  —  132^^  syst- 
urr  1.   systur;   —    140^   giördist  1.  gjördist    (vgl.    145«'   ",    146'''      , 

20* 


.^08  CEDERSCmÖLD 

156^  157');  -  16P  ijjörl  1.  (jjört;  —  162**  os  1.  oss;  —  165'"  spaltara  l 
psaliara. 

Soweit  die  Druckfehler.  Obgleich  zum  Theil  störend  und  viel- 
leicht den  Anfänger  irre  machend,  könnten  sie  fast  alle  ohne  Benutzung 
der  Handschrift  berichtigt  werden.  Schlimmer  sind  diejenigen,  dem 
Herausgeber  zur  Last  zu  legenden  Fehler,  die  durch  ein  Zusammenhalten 
des  Textes  mit  der  Hs.  sich  ergeben.  Ehe  wir  dazu  übergehen,  theilen 
wir,  der  Übersicht  wegen,  unsere  Bemerkungen  in  folgende  fünf 
Rubriken  ein:  I.  Die  Orthographie;  II.  Stillschweigendes  Corrigieren; 
III.  Die  Noten;  IV.  Unsichere  Stellen;  V.  Unnöthige  oder  unrichtige, 
vom  Hrsgb.  nicht  angemerkte  Veränderungen. 

I.  Was  die  Orthographie  der  „Riddarasögur"  betrifft,  hat  Möbius 
(cit.  Schrift  p.  221)  nachgewiesen,  daß  sie  zum  Theil  allzu  alte,  zum 
Theil  allzu  junge  Formen  darbietet.  Wir  wollen  nur  nachsehen,  in  wie 
fern  die  Pflichten  gegen  die  Handschrift  erfüllt  sind. 

Daß  man  zuweilen  im  Texte  ein  Wort  entweder  auf  eine  von 
der  normalen  Rechtschreibung  abweichende  Weise  geschrieben  oder 
in  zwei  verschiedenen  Formen  findet,  kann  —  wenn  es  auch  mit  der 
von  Kölbing  (p.  IL)  ausgesprochenen  Absicht,  er  wolle  die  Orthographie 
normalisieren  und  durchaus  einheitlich  machen,  nicht  recht  wohl  stimmt 
—  doch  gar  keinen  Anstoß  erregen.  Nur  möchte  man  in  solchen  Fällen 
gern  glauben,  ja,  man  hat  das  Recht  zu  fordern,  daß  sich  der  Hrsgb. 
dem  handschriftlichen  Gebrauch  jedesmal  näher  angeschlossen  habe. 
Dieß  ist  aber  sehr  oft  nicht  geschehen,  wie  wir  es  durch  einige  Bei- 
spiele zeigen  werden. 

Die  Präposition  6r  wird  in  A*)  fast  immer  Or  geschrieben;  lir 
finde  ich  nur  bei  40^  und  112'^  {vr  hudkimi),  vielleicht  auch  12'*'^,  wo 
der  Vocal  undeutlich  ist ;  an  diesen  Stellen  schreibt  K.,  wie  billig,  ur. 
Das  handschriftliche  Or  behält  er  anfangs,  wie  5^,  6^,  8^^  9',  14^,  dann 
beginnt  er  es  in  ur  abzuändern,  wie  18'*,  19^  22",  29'^»,  302^  34 '^ 
50'5,  51«'  '^^  52'^'^,  58^  59=*,  60',  62»,  63'^'  '*  (dreimal),  68'*,  70",  81^ 
84'*,  85'«,  98'  u.  s.  w. ;  wieder  lässt  er  das  or  erscheinen  116'^,  darauf 
ur  117",  119^*,  und  endlich  Or  142^  {orlausn),  147^  {orskuräar),  1473«, 
149",  155^'  '^'  '^  u.  s.  w.  Welche  Verwirrung! 

ei  für  e,  wenn  ng  folgt,  ist  in  A  die  Regel;  eng  kommt  —  For- 
men wie  fengi  107'"  (wo  K.  feingi  schreibt;  vgl.  68'-'^  119'^  126^^^, 
150^),  die  wohl  eigentlich  e  haben  oder  wenigstens  gehabt  haben,  aus- 
genommen —   meines  Wissens   nur   zweimal    vor,    in   Mnga  20'^  und 


*)  Mit  diesem  Buchstaben  bezeichnen  wir   mit  Kölbing  den  Cod.  Holm.  6,  4'"*. 


ZUR  TEXTKRITIK  VON  VIER  ROMANTISCHEN  SAGA'S.  309 

lengi  110®;  auch  hat  sich  K.  (s.  p.  L)  entschlossen  eing  zu  schreiben. 
Wider  die  Hs.  und  seine  eigenen  Worte  schreibt  er  doch  eng  11^^, 
2422^  15^^-  ^^,  18*^^  23^^^  31^  {fengit;  das  vorangehende  gengit  ist  in  A 
verkürzt),  77*^^  82'',  86'"  ",  94^',  106^  \W'\ 

A  hat  6^  heisl  und  135''®  hrigzU;  Ersteres,  in  dem  s  zu  behalten 
wäre,  wird  von  K.  heii^l,  Letzteres,  in  dem  z  aliein  berechtigt  ist, 
brigsli  geschrieben. 

Als  Neutr.  Part.  Prät.  des  Verb,  skilja  braucht  A  skilt  \V\  W",  26", 
llö"";  diese  Form  ändert  K.  an  den  beiden  erstgenannten  Stellen  in  skillt, 
lässt  sie  aber  an  den  beiden  letzteren  stehen.  (132''  schreibt  er  mit  A  skilit.) 

Die  2  Sg.  Imperat.  des  Verb,  halda  kommt  in  A  in  der  Form 
halt  vor,  4^"  und  58';  am  letzteren  Orte  hat  sie  K.  ganz  unnöthig  in 
hald  abgeändert. 

A  lässt  sehr  oft  die  Endungen  der  1  Sg.  (Präs.  Ind.  und  Conj. 
nebst  dem  Prät.  Conj.  sämmtlicher  und  dem  Prät.  Ind.  schwacher  Verba) 
mit  denen  der  3  Sg.  zusammenfallen;  statt  diese  (ziemlich  jungen) 
Endungen  an  den  betreflfenden  Stellen  entweder  gar  nicht  oder  überall 
zu  behalten,  hat  sie  K.  zwar  in  einer  Menge  von  Fällen  stehen  lassen, 
die  handschriftlichen  Formen  aber  ek  hütr  QV,  95^^,  13P,  gefr  ek  113^, 
ek  ser  92^',  ek  hefir  68=^",  81",  96^",  103 '^  heyrU  ek  81''S  ek  hefcti 
82^",  ek  vissi  126^"  gegen  die  gewöhnlichen  normalen  vertauscht. 

Die  Form  hädi  (statt  des  mehr  üblichen  hceäi)  kommt  in  A  7"®, 
109"»,  1231®,  131"',  147"",  149^  1513®,  154'«  vor;  nur  zweimal,  149' 
und  15P®,  hat  es  K.  behalten. 

K.  scheint,  wenn  man  aus  der  Note  p.  63  schließen  soll,  die- 
jenigen Formen  in  A,  denen  der  w-Umlaut  fehlt,  behalten  zu  wollen; 
warum  also  28^*  skömm  (A:  ska)  schreiben?  Skamm  kommt  übrigens 
auch  als  Neutr.  vor,  s.  Cleasby-Vigfüsson's  Dictionary  p.  565. 

A  hat  119'  godzi,  130"^-  ='"  god^;  auf  p.  130  schreibt  K.  göii», 
auf  p.   119  aber  go^i.  (131"^,  wo  A  gozinu  hat,  schreibt  er  gözinu.) 

Die  verschiedenen  Formen  des  Wortes  hrott  pflegt  K.  genau 
wiederzugeben;  warum  nicht  auch  mit  A  154^,  158"  i  braut  und  64^* 
i  hroitu  schreiben? 

A  hat  ferner:  146""  einshverjum  eben  so  gut  wie  151^^  einshverja, 
—  147®  eyrendi  wie  U&'\  147 ^  —  42",  43«'  ""  Saiha^  wie  42'®'  '^ 
43'"'  '^;  —  126"®  riokkiu,  das  nicht  wie  die  andern  Formen  des  Wortes 
rekkja  (64^'  %  67"®'  "^  70"®)  angeführt  wird. 

Das  Obige  mag  genügen  um  zu  zeigen,  daß  K.  beim  Normali- 
sieren nicht  selten  mit  einer  Willkür  verfahren  ist,  die  ebensosehr  den 


310  CEDERSCHIÖLD 

Sachverständigen  über  die  handschriftliche  als  den  Anfänger  über  die 
normale  Form  in  Ungewißheit  lässt. 

Über  die  Schreibart  einzelner  Wörter  bemerken  wir  überdieß 
Folgendes:  A  hat  25^*  piJckisdögum,  75^  'pilcisdögum,  K.  schreibt  (wahr- 
scheinlich nach  Fritzner)  pikisd.;  es  scheint  doch  ziemlich  sicher,  daß 
mau  (mit  Vigfüsson,  Dict.  p.  476)  pikkis-  zu  schreiben  hat,  denn  aus 
dem  schwedischen  ^pingst"'  (vgl.  Pfingsten,  pentacoste)  erhellt,  daß 
in  pikkis-  eine  der  im  Altn.  überaus  gewöhnlichen  Assimilationen  aus 
nk  oder  ng  in  kk  vorliegt.  —  77^  hat  A  klokku-,  von  K.  in  klukku- 
geändert;  Vigfüsson  (Dict.  p.  344)  führt  auch  die  Form  klokka,  und 
zwar  als  die  ältere,  an.  —  85^^  schreibt  K.  vazfall]  warum  sollte  das 
handschriftliche  vat%fall  nicht  eben  so  gut  sein?  —  103'^  Vrient  (auch 
96"),  wie  K.  schreibt  (A  hat  urient,  96"  allerdings  vrient),  ist  in  nor- 
malisiertem Altn.  ein  Unding.  —  134^  hat  K.  den  kürzeren  Dativ  pessi 
(A)  ganz  uunöthig  in  pessari  verlängert.  —  136'  'völkurn  (K.)  ist  eine 
Form,  die  wohl  nie  existiert  hat,  denn  die  Dehnung  des  a  vor  l  mit 
nachfolgendem  m,  f,  p,  g  oder  k  scheint  von  gleichem  Alter  zu  sein 
wie  der  i<-Uralaut  des  a  in  ö  (s.  K.  Gislason:  Forandringer  af 'Qvan- 
titet'  i  Oldnordisk-Islandsk,  in  den  „Aarböger  for  Nord.  Oldk.  og  Hist." 
1866,  p.  248) ;  man  hat  also  das  volkü  (A)  mit  vdlkum  wiederzugeben 
(fO  steht  für  vd,  wie  gewöhiilich;  vgl.  Kölb.  p.  L). 

II.  Offenbare,  leicht  zu  berichtigende  Fehler  der  Hs.  hat  K.  bei 
corrigiertem  Texte  manchmal  in  den  Noten  angeführt,  ebenso  oft  aber 
nicht.  So  hat  er  27  ^),  100^),  140  ^j,  150'^)  u.  ö.  mitgetheilt,  daß  er 
Wörter  von  A  gestrichen  hat;  er  hat  aber  vergessen  zu  sagen,  daß  A 
32^^  af  sönnu  zweimal  (erstes  Mal  am  Ende  der  p.  49b,  letztes  Mal 
im  Anfange  der  p.  50a)  hat,  6P^  porir  zweimal,  95'^  pin  zweimal, 
102*^  Sil  hann  hin  fricta.  Daß  in  A  Wörter  übersprungen  sind,  ist 
3  ''),  5  ')  «),  6  '),  8  V),  14'*;,  15  '),  16  ^),  17  ')  u.  ö.  bemerkt,  aber  nicht 
betreffend  62*"  ]  d  gekk  hann,  66'  herra  Valver ,  106*^  ])viat  hann 
hafdi  sagt.  Sonstige  kleinere  Fehler  werden  angeführt  z.B.  14  ^'»^  19'^), 
30*),  35  3),  36^^),  44  1),  66 '),  123-"'),  141  i),  145^)3),  155 ')  ^j;  nicht 
bemerkt  wird,  daß  A  hat:  3^^^  svinnin  für  sveinninn,  13"  hueren  für 
hver?»iyi,  IT'^  fagur  f.  fagrt,  23"-  synyz  f.  synist,  2A-^  j  guds  frid  f.  i 
guds  friäi{?),  24^^^  haf  f.  hafa,  3V  undarlik  t  undarligt,  38"^  konungsin 
f.  konungsivs,  49'  heimnum  oder  heminum  f.  heiminum,  bl^^  hino  f.  hina, 
63"^  ok  skildinum  f.  or  skildinum,  8&^  skildinnir  f.  skildimir,  93^*  hellt 
f.  heilt,  95»  ef  ef  f.  ef  ek,  95'^  ath  pu  'fyrir  latet'  f.  fyrirldtir ,  109*^^ 
janfnnok  f.  jafnvijök,  112"  mer  ser  f.  med  ser,  118^  byrbd  f.  hyrgd, 
124***  stfiRi  f.  st^Ei  d.  i.  stoerri,    125'^   vor  f.  var,  141^  lang  f.  langt, 


ZUR  TEXTKRITIK  VON  VIER  ROMANTISCHEN  SAGA'S.  311 

145''*  jafvel  f.  jafnvel,  146"  konurnar  f.  konutinar,  156'"  giodi  f.  gjördi, 
16V*  heyri  f.  heyra. 

Es  dürfte  nicht  ohne  Bedeutung  sein,  wenn  Fehler  wie  diese  — 
man  könnte  sie  „lapsus  calami"  der  alten  Schreiber  nennen  —  in  den 
Ausgaben  exact  belegt  werden.  Denn,  auch  davon  abgesehen,  daß 
ein  solcher  Fehler  dann  und  wann  auf  mehr  als  eine  Weise  (und  zwar 
auf  eine  bessere  als  diejenige,  welche  sich  zuerst  darbietet)  berichtigt 
werden  kann,  oder  daß  er  bisweilen  von  einer  wirklichen,  wenn  auch 
irrigen  Aussprache  herkommt  (dieß  ist  vielleicht  der  Fall  86'  und  146'*, 
s.  oben)  —  haben  diese  lapsus  für  die  Textkritik  ein  ganz  besonderes 
Gewicht  dadurch,  daß  sie  oft  bei  der  Behandlung  von  Stellen,  die 
weniger  leicht  zu  corrigieren  sind,  als  ein  trefflicher  Leitfaden  dienen 
können*).  Um  hier  nur  ein  Paar  Beispiele  anzuführen,  wären  die  Schreib- 
art hyrbd  für  hyrgä,  (s.  oben)  zu  hraull  für  graull  (30";  s.  K.  Berich- 
tigungen p.  219)  und  das  janfmiok  (s.  oben)  nicht  nur  zu  daulizst  f. 
dvalizt  (s.  123"^  und  Note  3),  sondern  auch  zu  ofranad  f.  öfarnad 
(159";  s.  Möbius  p.  223)  gute  Seitenstücke  gewesen. 

ni.  Bei  denjenigen  Änderungen  des  Textes,  die  nicht  zu  den  oben 
besprochenen  gezählt  werden  können,  hat  K.  meistentheils  in  den  Fuß- 
noten die  handschriftlichen  Lesarten  angegeben;  in  so  fern  diese  richtig 
raitgetheilt  sind,  brauchen  wir  uns  dabei  nicht  aufzuhalten,  denn  in 
solchen  Fällen  kann  der  Leser  ohne  die  Hs.  selbst  zu  sehen  über  die 
Befugniss  der  Änderungen  urtheilen;  auch  hat  Möbius  schon  bezüglich 
mehrerer  Stellen  erwiesen,  daß  die  Lesarten  von  A  zu  behalten  sind**). 
Was  wir  zu  zeigen  haben,  ist,  daß  K.  einigmale  in  den  Noten  die  Les- 
arten falsch  oder  ungenau  angegeben  hat. 


*)  Eine  geschickt  zusammengestellte  Statistik  der  lapsus  calami  der  sämmt- 
lichen  altn.  Handschriften  würde  in  der  Hand  des  Textkritikers  ein  sehr  nützliches 
Hilfsbuch  sein.  Wir  zweifeln  nicht,  daß  das  Bedürfniss  in  der  Zukunft  eine  Arbeit 
dieser  Art  veranlassen  werde. 

**)  Wir  können  nicht  umhin  nebenher  noch  für  die  folgenden  Stellen  die  Les- 
arten der  Hs.  zu  vindicieren  zu  suchen.  5'^  Bann  kysti  hana  po  at  'nauägn  (K.  ändert 
in  naudgu),  vgl.  Cleasby-Vigfüsson's  Dict.  pö  B  III,  2,  wo  das  Beispiel  gef  pü  mir  p6 
at  overdugri  (da  mihi  quamvis  indignse)  aus  Stj6rn  angeführt  wird.  —  62'  dürfte  wohl 
das  peim  richtig  sein,  nur  muß  man  so  interpungieren :  ok  man  peim  skemtan  pikkji 
at,  hinum  f'ögrum  meyjum,  er  etc.  79*-'*  kann  man  sehr  wohl  mit  A  lesen:  Eyru  ho_fcti 

hann    opin    ok  innan    hdri   vaxin svd    mär    immnr   sem  ä   leöni;   ein   solcher 

Wechsel  der  Casus  ist  gar  nicht  selten;  vgl.  z.  B.  Njäla  (Kphfn.  1875)  Cap.  31  Z.  24 
bis  26 ;  konungr  gaf  hdnum  tignarklceäi  sin  ok  glöfa  guUfjallada  ok  skarband  —  ok  gull- 
km'dar  ä  —  ok  hatt  gerzkan,  Bandamanna  saga  (Lund  1874)  7^'  hafdi  kdpu  avarta  ok 
ein  ermr  ä,   12"'  '  p)ar  tel  ek  fyrst  sonn  Snorra  goda  eda  synir   porgiU  Arusonar  etc. 


312  CEDERSCHIÖLD 

So  finden  wir  an  vier  Stellen,  daß  die  Hs.  eben  das  in  den  Text 
aufgenommene  bietet,  K.  aber  ihr  Anderes  beilegt.  42"  hat  A  kauper, 
das  -er  durch  einen  Querstrich  unten  am  p  angegeben;  diese  nicht 
seltene  Verkürzung  des  (lateinischen)  Wortes  oder  der  Silbe  per  kommt 
auch  165*^  vor,  wo  es  von  K.  richtig  gelesen  wird.  —  131*  steht  in 
K  faair]  das  r  ist  ganz  wie  in  i^iddarar  (131')  geschrieben.  —  152'" 
wird  kann  nicht  von  A  ausgelassen  (das  ok  aber,  das  K.  dem  kann 
vorangehen  lässt,  findet  sich  nicht  in  A).  —  154^  schreibt  A  /yrir 
f\(Bndum\  das  r  ist  also  nur  erst  vergessen,  später  hinzugesetzt;  von 
dem  'far   ist  keine  Spur. 

12^°  hat  A  mikil  arnrrekendr;  K.  hat  das  erstere  Wort  ausgelassen. 
—  14^^  hat  A  nicht  nam  sondern  warn;  ich  leugne  nicht,  daß  die  Hs. 
d  (aa,  da)  sehr  oft  statt  ä  braucht;  doch  scheint  d  [aa,  da)  mit  der 
Geltung  d  bei  weitem  vorwiegender  zu  sein;  so  gefasst  giebt  es  auch 
hier  eine  gute  Lesart:  ok  ndmfüss  slikt  at  nema.  —  32^'  hat  A  nicht 
hvar  sondern  hvor  d.  i.  kvär.  —  68^  giebt  K.  Jur  als  die  Lesart  der 
Hs.  an;  A  hat  doch  JtiE,  was  wohl  zunächst  Jurv  repräsentieren 
muß.  —  130^  hat  A  meyia^  peirra;  der  Schreiber  hat  also  erst  Plur, 
gemeint,  dann  das  erstere  Wort  zu  Sing,  berichtigt,  bei  dem  letzteren 
aber  die  Berichtigung  vergessen.  —  162*^  schreibt  A  annat  hvort,  nicht 
annathvdrt/i. 

IV.  In  den  Fußnoten  wäre  der  Platz  gewesen  auch  solche  Stellen, 
die  zu  mehr  als  einer  Deutung  veranlassen,  näher  zu  besprechen, 
und  zwar  die  in  jedem  Falle  möglichen  Erklärungen  anzugeben,  damit 
der  Leser  selbst  wählen  könnte.  Besonders  an  den  folgenden  Stellen, 
die  wir  zum  Theil  anders  als  K.  auffassen,  hätte^  glauben  wir,  dieß 
geschehen  sollen. 

4^'  'Fair  ]m  sigrat  K. ;  A  hat  Faer.  ae  statt  oi  {^,  e)  habe  ich  an 
keinem  Orte  in  dieser  Hs.  gesehen;  dagegen  bedeutet  das  faer  fäh' 
(wie  auch  K.  schreibt)  23^^  (Adj.),  34*^^  (Verb),  146»«  (Verb).  Man 
könnte  hier  Bedenklichkeiten  gegen  den  Conjunctiv  hegen;  ganz  un- 
passend wäre  er  doch  nicht:  die  Mutter  will  vielleicht  die  Un Wahr- 
scheinlichkeit der  Bedingung  hervorheben  (vgl.  Z.  14,  15  ofveykr 
verdr  pü  i  vdpnaskipti]  s.  übrigens  Lund,  Oldnordisk  Ordföjningslsere 
§.  118,  p.  306).  —  12'  rann  'yfirmiklum  straiimi  K. ;  mir  scheint  es,  A 
habe  vielmehr  mz,  d.  i.  med,  miklum\  doch  sind  die  Züge  allzu  ver- 
wischt, um  die  Lesart  sicher  festzustellen.  —  14"^  fyllandi  K.;  ich  kann 
nicht  anders  sehen,  als  daß  in  A  fullandi  steht.  —  15^  Eigi  'herst'  svd 
at  gera  K.;  das  Wort  kann  auch  (vgl.  K.  p.  LH,  2)  hei-^'  (=  oportet; 
vgl.  Vigfüsson's  Dict.  bera  C  III}  gelesen  werden,  was  gut  passt;  was 


ZUR  TEXTKRITIK  VON  VIER  ROMANTISCHEN  SAGA'S.  313 

die  reflexive  Form  hier  bedeuten  soll^  ist  mir  nicht  klar.  —  32'^'^  Hai 
K.;  das  Wort  ist  in  A  undeutlich,  scheint  aber  Ho  (d.  i.  H6)  zu  sein 
(das  ^ziemlich  breit  geschrieben).  —  35^'  Jjegar  hon'kemr  i  karlmanns 
leik  K. ;  man  kann  auch  kernst  lesen.  —  84'*  giebt  K.  an,  daß  in  A  stehe 
'eU  vcentir  mik,  und  will  statt  dessen  ek  vcenti  lesen;  mir  dünkt  es, 
daß  A  ok  vamttr  mik  habe;  das  o  ist  jedoch  nicht  ganz  wie  gewöhnlich 
geschrieben.  —  114^^  at  eingi  riddari  'stendr  hdnum  K. ;  das  Wort  kann 
ebenso  gut  stendst  gelesen  werden,  wie  es  B  hat  und  die  Bedeutung 
fordert  (vgl.  13P**  und  Vigf.  Dict.  standa  C,  2).  —  149^"  Boeringr  K. ; 
A  hat  Bcernigr]  doch  kann  der  das  i  bezeichnende  „broddr"  etwas  ver- 
rückt sein  (wie  25\  wo  A  jungfruin  statt  jungfrnni  schreibt).  Der  Name 
des  Jarls  kommt  in  A  sonst  nicht  unverkürzt  vor.  —  162^  'Hverr  er 
sd  madr  her  med  os  [d.  i.  oss]  er  petfa  hefir  gjört  K. ;  zwar  scheint  in 
A  zuerst  hu  (d.  i.  hverr)  geschrieben  zu  sein^  dann  ist  aber  über  der 
Zeile  ein  t  zugesetzt  (dessen  Platz  durch  ein  Komma  nach  dem  u  an- 
gedeutet wird)  und  das  Kürzungszeichen  ^  rechts  mit  einer  Krümme 
versehen,  wodurch  es  wohl  in  o  verändert  sein  soll;  man  hat  also  hu°t 
(^=  huort,  hvdrt)  zu  lesen. 

V.  Wir  kommen  jetzt  zu  der  wichtigsten,  wie  auch  der  letzten 
Classe  unserer  Bemerkungen.  Denn  das  Folgende  ist  eine  Sammlung 
von  Stellen,  wo  der  Text  der  „Riddarasögur",  ohne  daß  dieß  nur  mit 
einem  Worte  angedeutet  wird,  von  der  Handschrift  ganz  unbefugt  und 
unrichtig  abweicht.  Es  scheint  uns  genügend  die  Lesarten  der  Hs.  in 
der  Regel  normalisiert  anzuführen. 

8'^'  ^*  aßa  ser  tipokka  ok  ''sviviräing^  K. ;  A  hat  svivirdingav  (Ge- 
nit.).  —  17*  vid  'framferdar  pinar  K. ;  A  hat  framferdir.  —  31'°  Hann 
reid  pd  '^af  stadnum  K. ;  A  hat  brott  af  stadnum.  —  31^^  Pd  var  'trygt 
Pat  er  ml  er  ''hrygt'  K. ;  A  hat  trygd  und  hrygd  (Substantiva).  —  31**' 
'LX'  milna  K.;  XL  A.  -  35''' ßngrguU  \it£  K.;  7nUt  A.  —  38^'  Parc- 
eval  ''leii  sem  hann  heyrdi  ekki  hvat  hann  sagdi  K. ;  in  A  steht  lett, 
d.  i.  let  {let  sem  =  er  that  wie);  dieses  lett  kommt  auch  35^',  63"*, 
97»,  102^2,  103',  1061«,  112'^  136»,  142i°'  "  vor,  wo  K.  es  richtig  durch 
let  wiedergiebt.  —  38^«  at  hinn  kom  nidr  K.;  A  hat  am  Rande  fjarri 
dessen  Platz  in  der  Zeile  durch  ein  Zeichen  nach  kom  bezeichnet  wird. 
—  48 1»  meyjar  ok  konur  gengu  i  vigskörd  %orginnar  (\)  K. ;  A  hat  bor- 
garinnar.  —  57^  Nu  hefr  upp  K.;  Nii  hefr  her  upp  A.  —  64^'  ^  hjö  snar- 
liga  til  leönsins  ok  af  hdnum  ''höfud'  ok  'foetmai'  (!)  K. ;  A  hat  höfudit 
ok  fcBh^xa.  —  65^  hat  A  vor  Mdri  die  (von  K.  übersprungenen)  Wörter 
drottning  mwlti.  —  65^"^  at  sönnu  vdrum  ver  '^heimskar  er  letum  hann 
hrott  faraK.]  A  hat  pä   heimskar   er.  —  68^''  schreibt  K.   hj/l  "okkar 


314  CEDERSCHIÖLD 

einvigi,  die  Hs.  hat  aber  ock"  {■=  ockro  =  okkru)\  ebenso  hat  K.  131''  *, 
fyrir  'okkar  skyld,  wogegen  in  A  oM""  steht,  was  nach  der  gewöhn- 
lichen Schreibweise  okkra  bedeuten  muß.  Bei  diesen  Fehlern  und  liei 
den  Schreibarten  K.'s  133^  dömandi  ^ykkav  (A:  ykk",  wie  auch  133®, 
wo  doch  K.  ykkavr  schreibt)  ok  allra  'yävar  (A:  ydu''),  ldb""'yctvar' 
(A:  ydu')  hüsböndi  und  145'^*  hvdrr  'okkar  (A:  okc'-,  vgl.  auch  184^ 
einn  'ydar,  von  Möbius,  cit.  Schrift  p.  223,  zu  yäarr  berichtigt),  — 
kann  man  nicht  umhin  zu  glauben,  daß  K.  doch  auf  das,  was  er  vom 
Gebrauche  des  Genitivs  des  Personalpronomens  statt  des  Possessivs 
(s.  Kölb.  p.  LH,  LIII)  in  zwei  ziemlich  unzuverlässigen  Ausgaben  ge- 
funden hat,  allzu  großes  Gewicht  legt*)  und  von  seinem  Versprechen 
(a.  a.  0.)  das  Possessiv  beizubehalten  abgegangen  ist.  —  70'**'  *^  hefir 
nidr  hrotit  svd  ^Idgt'  pina  angi^cedi  K. ;  A  hat  langt.  —  7916-18  Jcvikendi 

er  svd  vdru  ^olin  (!)  ok  vidrces  K. ;  A  hat  oUm  d.  i.  ölm.  —  83®'  * 

at  aldri  'kaemi  madr  fyrr  padan  K.;  A  hat  kvcemist;  — 85*'~^®  moettust 
peir  med^miklum  ok  opinherum  fjdndskaj)  [richtiger  ^*an(isÄ:ap],  sem  hvdrr 
cetti  ödrum  dauda  sök  at  gefa  K. ;  A  hat  svd  miklum.  —  87  ^^'  *^  Yfir 
pvi  hlidi  var  dregin  ein  feUihurä  K. ;  dregin  upp  A.  —  94®  vildi  hon 
K.;  A:  vildi  hon  pä  (zuerst  pö  geschrieben).  —  95^"^  Meerin  mielti: 
Nu  ef  tveir  riddarar  herklcedast  til  hardaga  ok  mcetast,  hvdrr  peirra  hyggr 
pü  at  vildari  se,  ef  einn  vdpnsoekir  annan  ok  sigrar?  Sa  synist  mer  vil- 
dari,  sagdi  früin,  'ew'  hinn  er  yfir  verdr  kominn  K.;  A  hat  aber 'er  enn\ 
wodurch  es  leicht  ersichtlich  wird,  daß  das  Wort  sigrast  ausgefallen  ist; 
man  hat  also  (mit  B)  Äa  ....  er  sigrast  enn  hinn  er  etc.  zu  lesen.  — 
96'® — 91^  samir  ydr  at  spyrja  pd  [d.  i.  „Eure  Mannen"]  rdds  um  konung- 
inn  er  hingat  er  d  ferd,  hvar  [falsch;  A  hat  hu  d.  i.  hverr]  til  er  at 
halda  sidum  [sie!  statt  sidum]  ydrum  ok  verja  kelduna;  ok  seg  peim  at 
einn  riddari  frcegr  ok  cettgödr  %idr  ydar  ok  vill  ydr  püsa  K. ;  A  hat 
hydr  ydv  [sc.  petta  oder  at  halda  sidum  ydnim  ok  verja  kelduna].  Hier 
ist  die  Stelle  zu  bemerken,  daß  K.  auch  49'^'-*  und  62^*^  gegen  die  Hs. 
hid  statt  hl/d  schreibt.  —  97'*  med  svd  '^marghdttudum'  (!)  starfi  K. ;  marg- 
hdttudu  A.  —  97 '^^  tjdr  'pat'  nü  ekki  leingr  at  leynast  K. ;  A  hat  per.  — 
104''  ®  Varnü  pangat  hodit  hiskupum  ok  harilnum' ok  jörlum  ok riddarum**} 
K.;  in  A  kann   ich   das  ok  (vor  jörlum)   nicht  finden;  der  Wohlklang 


*)  Daß  man  jenen  Gebrauch  in  den  Papierhs.  des  17.  und  des  18.  Jahrh.  findet 
(wie  in  der  That  der  Fall  isti ,  kann  natürlich  für  die  Kritik  dieser  Texte  wenig  Be- 
deutung haben. 

**)  Diese  incorrecte  Form,  statt  ridditrvm,  begegnet  unsjauch  4^',  5^^  18'^  24'^, 
36'".  42*S  42'»  (zweimal),  43«'  •*'  '',  51",  101'",  108'\  109''  ',  134'-^;  riddwum  schreibt 
K.   151'",   152",   162'*;  A  hat  das  Wort  überall  verkürzt  {E"'). 


ZUR  TEXTKRITIK  VON  VIER  ROMANTISCHEN  SAGA'S.  315 

gewinnt  auch,  wenn  es  wegbleibt  und  die  allitterierenden  Wörter  hisk- 
upum  ok  barünum.  ein  Glied  bilden ;  vgl.  übrigens  Lund,  Oldnordisk 
Ordföjningslsere  §.  156  p.  404  —  405.  —  104*^'  *"*  svd  vandliga  föru  '^par 
med  hdnum  hans  riddarar,  at  eingi  sat  eptir  K.;  A  hat  peh'.  —  109*''  *^ 
Nu  sendi  hon  per  pau  ord  at  pii  vitir  hennar  aldri  ^ eptir  K. ;  A  hat 
Optar.  —  113^^'  ^  pd  var  kann  vordinn  svd  'matlauss,  at  kann  gat  eiyi 
gengit  K. ,  mättlauss  A;  vgl.  179'*  ^matUtüt,  von  Möbius  (p.  223)  zu 
mättlitill  berichtigt.  ■ —  j  1416-18  p^  ^j^  kann  spjötü  ok  braut  svd  mörg 
fyrir  sinum  ilvinum  at  'feil  tiu  hiindricd'  [das  Verbum  in  Sing. !]  fyrir 
kveldK.'^  A  hat  vel  XC\  hiernach  ist  wahrscheinlich  vdru  (das  ge- 
wöhnlich v°  geschrieben  wird)  ausgefallen.  —  129^'  ^  ' pd  var  sem  peir 
heiddust  K. ;  A  hat  nicht  pd,  sondern  ^j,  d.  i.  pat,  das  jedoch  von  einer, 
wie  scheint,    späteren  Hand  in  P'',  d.  i.  par   geändert  ist.  —  134^*'  ^^ 

gangari sie  hon  upp  d  Kann  ok  reid  til  er  ^hann    kom  tu  keldunnnr 

K. ;  A  hat  hon.  —  140'*  fdr  er  vamma  'vani  K. ;  A  hat  vanr.  —  142^'  '* 
ok  va;ri  ^nikit'  hetra  at  pü  koemir  ekki  i  heim.  K. ;  obgleich  in  A  der  obere 
Theil  der  beiden  letzten  Buchstaben  (das  Wort  steht  am  Ende  der 
ersten  Zeile  der  Seite)  abgeschnitten  ist,  kann  man  sehr  wohl  sehen, 
daß  der  letzte  o  ist;  hieraus  ist  leicht  zu  folgern,  daß  ma,n  myklo,  d.i. 
miklu,  zu  lesen  hat.  —  143*'  ^  ok  var  hann  pd  ^Xllf  vetra  gamall  K. ; 
A  hat  XIIII  {dsis  dritte  /  ist  um  ein  wenig  kürzer  und  das  vierte  er- 
mangelt des  „brodd");  vgl.  142'^  er  ml  sveinn  XIII  vetra  und  143^'  ^ 
mödir  hans  let  hann  pö  vera  heima  um  vetrinn.  —  144^"^  '^lidu  fram  nökk- 
urar  stundir  K. ;  A  hat  lidi,  d.  i  liddi,  hier  unpersönlich  gebraucht; 
s.  Vigf.  Dict.  Uda  B  I,  2.  —  145*^  '' Mikill  pokki  er  mer  d  godvilja  konungs 
K. ;  A  hat  mikil  pokc,  d.  i.  mikil  pökk.  —  146'^  pessu  K. ;  pvisa  A.  — 
147*'''  ^^  Svd  lidr  nü  fram  at  peirri  stundu  er  til  var  '^cefladf  K.;  A  hat 
cetlot,  d.  i.  cetlud.  —  14734-36  ^.^^,  par  pd  dyrlig  veizla,  er  Hlödver  konungr 
veitti  hrullaup  sitt  ok  stöd  '  Vllf  daga  K. ;  A  hat  VII.  —  148^  'vdnum' 
hrddara  K. ;  A  hat  vonu,  d.  i.  vdnu;  ein  dunkler  Fleck  des  Pergaments 
über  dem  u  hat  wahrscheinlich  den  Irrthum  K.'s  herbeigeführt.  — 
148*^  um  hinar  smwri  'ipröttar  K. ;  iprötti/i"  A.  —  152^^'  ^^  settist  Mir- 
mann  ncer  jarli  ok  'Brigidu  mödur  hans  K. ;  A  hat  Bg'  mod\  d.  i.  Brig- 
ida  mödir.  —  155*  add.  A  nach  pik:  S.  M.,  d.  i.  segir  [oder  sagdi] 
Mirmann.  —  156"  'er  hann  drap  K.;  A  hat  pä  er.  —  158*^'  *"  setti  hjdlm- 
inn  '{(!)  höfud  ser  K.;  ä  A.  —  160*^— löl*^  En  peir  gdfu  allir  eitt  rdd 
til,  at  hann  kalladi  üt  her  sinn  ok  foeri  i  möti  Boering  jarl,  ok  'hardist' 
vid  hann  ok  yrdi  etc.  K. ;  herdist  A.  —  163*  hvdrkinK.;  huorki,  d.  i. 
hvdrki  A.  —  163'*'^  pat  legg  ek  d  miskunnardöm  allmdttigs  [sie!]  guds 
er   ek  vil  f>jöna  K. ;  A  hat  pes.s  (zuerst  vielleicht  peim  geschrieben)  er. 


316     CEDKRSCHIÖLD,  ZUR  TEXTKRITIK  VON  VIER  ROMANTISCHEN  SAG  AS. 

Was  nun  die  Schreibart  alhndttigs  betrifft,  hat  K.  augenscheinlich  nicht 
gewusst,  daß  man  (wie  bereits  Rask,  „Vejledning  til  det  Islandske  eller 
gainle  Nordiske  Sprog",  Kbhvn.  1811,  p.  153  bemerkt)  zwischen  den  Prä- 
fixen a^- und  a??- so  unterscheidet,  daß  al-  „all-",  vollkommen",  all-  aber 
„sehr"  bezeichnet.  Auch  in  A  kann  man  diesen  Unterschied  Avahr- 
nehmen,  denn  die  Hs.  hat  hier  und  164'^  (wo  das  Wort  doch  zu  alfä 
verkürzt  wird)  almdttigs  („des  allmächtigen")  und  dagegen  30^*^  all- 
margir  („sehr  viele"),  145^  allvel  („sehr  wohl"),  146'^  allvitr  („sehr 
klug"),  146*'' a??/rtV  („sehr  wenige"),  löl*^' a?ZM«wcT«^r  („sehr  ungern") ; 
daß  aber  A  142"  dlmikit  statt  all-  und  143'^  almargir  statt  all-  hat, 
kann  in  einer  Hs.,  die  so  häufig  einfachen  Consonant  für  doppelten 
braucht  (vgl.  Kölb.  p.  LH),  nicht  auffallend  sein.  Obwohl  also  aus  der 
Hs.  selbst  die  verschiedenen  Formen  der  beiden  Wörter  ziemlich  er- 
sichtlich sind,  hatK.  163^  (vgl.  oben)  und  164*8  allmdttigs,  SO^"  und  143^ 
almargir,  142^'^ almikit,  lAö^  alvel,  146^^  alvitr,  lAG^^alfdr  nndlbV^ alnai(ct- 
igr,  also  überall  unrichtig  geschrieben.  —  163**  at  svd'hiut'  K. ;  A  hat 
huno,  d.  i.  hiinu.  —  164*^'  **  er  Jm  porir  at  'berja  viämik  K. ;  A  hat  herjasi. 

Wir  enden  hier.  Zwar  wäre  noch  hie  und  da  etwas  hinzuzufügen 
und  wir  sind  überzeugt,  daß  eine  wiederholte  Vergleichung  der  Hand- 
schrift mit  dem  Texte  der  Ausgabe  zu  nicht  wenigen  neuen  Bemer- 
kungen Anlaß  geben  würde.  Das  schon  mitgetheilte  mag  indessen  ge- 
nügen um  zu  zeigen,  mit  welcher  Unachtsamkeit  der  Herausgeber  beim 
Benutzen  der  Handschrift  zu  Werke  gegangen  ist.  Daß  ein  solches 
Verfahren  höchst  tadelhaft  und  schädlich  ist,  braucht  hier  keine  weit- 
läufige Beweisführung.  Die  Handschriften  bilden  ja  die  wichtigste  und 
fast  einzige  Grundlage  der  ganzen  Sprachforschung  und  da  dazu 
kommt,  daß  nur  sehr  wenige  Personen  die  Gelegenheit  haben  dieselben 
zu  benutzen,  die  meisten  aber  auf  die  auf  die  Handschriften  gebauten 
Ausgaben  verwiesen  sind,  so  kann  man  mit  allem  Recht  fordern,  daß 
diese  mit  der  äußersten  Sorgfalt  und  Genauigkeit  ausgearbeitet  werden. 
Ja,  da  es  einerseits  unmöglich  ist  vorauszusehen,  für  welche  — jetzt  über- 
sehene —  Punkte  eine  künftige  Sprachforschung  Beweisstellen  suchen 
werde,  und  da  andererseits  die  Handschriften  gegen  eine  Vernichtung, 
wie  sie  die  Kopenhagener  Bibliotheken  im  vorigen  Jahrhundert  betraf, 
keineswegs  gesichert  sind,  so  wäre  es  wahrlich  zu  wünschen,  daß  von  jeder 
werthvolleren  Handschrift  neben  einer  normalisierten  Handausgabe  ent- 
weder eine  photographische  Abbildung  oder  doch  ein  recht  genauer  Ab- 
druck besorgt  wäre.  Man  setze  nur  den  Fall  voraus,  daß  der  Cod.  Holm. 
6,  4*°  gleich  nachdem  die  Ausgabe  von  K.  erschien,  auf  irgend  eine  Weise 


A.   EDZARDI,  EIN  LITAUISCHES  SIGFRIDSMÄRCHEN.  317 

der  Zerstörung  heimgefallen  wäre!  Könnte  wohl  die  Ausgabe  einem  Gram- 
matiker, Lexikographen,  Textkritiker  für  die  verloren  gegangene  Hand- 
schrift vollen  Ersatz  gewähren?  Und  wenn  ein  Sprachforscher  dann 
z.  B.  in  den  Formen  'horginnar  48^®  und  '^hvdrkin  163^  neue  Anschlüsse 
an's  Altschwedische  zu  sehen  geneigt  wäre;  oder  in  '^okkar  68^^  und 
131^  eine  Ausnahme  von  einer  syntaktischen  Regel  oder  in'olin  79*^  ein 
wirkliches,  sonst  nicht  gekanntes  Wort  u.  s.  w.,  wer  wäre  im  Stande  ihm 
dieses  zu  wiederlegen?  —  Wohin  auch  ein  Verfahren,  wie  es  K.  in 
„Riddarasögur"  zeigt,  immer  leiten  mag,  wissenschaftliche  Wahrheit 
bleibt  dabei  ein  unerreichtes  Ziel.  Es  soll  die  Absicht  des  Herausgebers 
sein,  der  romantischen  Sagen  noch  mehr  herauszugeben.  Zweifelsohne 
ist  es  von  großem  Gewicht,  daß  sie  allgemein  zugänglich  gemacht 
werden ;  aber  wenn  sie  in  derselben  unzuverlässigen  Form  erscheinen, 
wie  das  eben  besprochene  Werk,  so  wird  der  Nutzen  im  mindesten 
ein  sehr  zweifelhafter  werden. 

LUND,  Mai  1875.  GUSTAF  CEDERSCHIÖLD. 


EIN  LITAUISCHES  SIGFRIDSMÄRCHEN, 


So  weit  mir  bekannt,  ist  noch  nicht  darauf  hingewiesen  worden, 

daß  von  dem  bei  Grimm  unter  Nr.  60  gedruckten  Märchen  „Die  zwei 

Brüder"  eine  in  manchen  Punkten  ältere  Gestalt  sich  im  Litauischen  *) 

erhalten  hat,  welche  in  Schleichers  Lit.  Lesebuch  S.  118  abgedruckt  ist. 

Von  dem  hörnenen**)  menschen  (Aus  Kurschen). 

Von  den  beiden  Sagen,  die  in  dem  deutschen  Märchen  zusammen- 
gewachsen sind***)  —  der  Sage  von  Sigfrid  und  der  von  den  Blutsbrüdern 
—  enthält  das  Litauische  aber  nur  die  erstere,  und  auch  diese  nur 
theilweise;  sie  berührt  sich  hierin  und  in  andern  Punkten  am  nächsten 
mit  der  bei  Grimm  III,  104  angeführten  Erzählung  aus  Zwehrn,  die 
ich  mit  Z  bezeichne.  Das  litauische  Märchen,  welches  ich  in  Über- 
setzung gebe,  beginnt  also: 


*)  Grimm,  Märchen  III,  105  weist  eine  weite  Verbreitung  dieses  Märchens  in 
andern    Sprachen  (indisch,  dänisch,  schwedisch,  flämisch,   walachisch  u.  s.  w.)   nach) 
der  litauischen  Gestalt  erwähnt  er  aber  nicht. 
**)  raginis. 
***)  Grimm,  Märchen  III,  104. 


31g  A.  EDZARDI 

Es  war  einmal  ein  Mensch,  der  hatte  drei  Kälber  [Z  drei  Ziegen], 
und  er  gieng  durch  einen  Wald  mit  den  Kälbern  und  traf  einen  andern 
Menschen,  welcher  drei  Hunde  hatte,  der  sagte:  „Wir  beide  wollen 
tauschen;  ich  will  dir  diese  drei  Hunde  geben  und  du  sollst  mir  die 
drei  Kälber  geben;  die  Hunde  werden  dir  aus  jeder  Noth  helfen". 
Und  da  tauschten  sie  [so  mich  Z].  Darnach  gieng  der  mit  den 
Hunden  und  kam  zu  einem  Hause,  und  er  gieng  hinein,  fand  aber 
keinen  Menschen,  und  als  er  sich  umsah,  da  bemerkte  er  in  der  Stube 
eine  Flinte  (puczka),  einen  Säbel  und  eine  Flasche  (pleczka). 

In  Z gieht  ihm  der  Jäger,  von  dem  er  die  Hunde  ertauscht,  Büchse, 
Hirschfänger,  Pulverhorn  und  Ranzen.  Dann  erst  geht  er,  die  ver- 
schiedenen Thiere  werden  seine  Diener  und  er  findet  dann  ein  Haus  im 
Wulde,  ICO  er  ein  weder  im  deutschen  noch  im  litauischen  Märchen  er- 
zähltes Abenteuer  mit  zwölf  Spitzbuben  besteht.  Darauf  kommt  er  in  die 
Stadt,  und  von  hier  ah  stimmt  Z  im  Wesentlichen  zum  Märchen  Nr.  60, 
bis  auf  den  Schluß,  s.    Grimm. 

Als  er  die  Flasche  erblickte,  versuchte  er  auf  den  Finger  zu 
gießen,  um  zu  erfahren,  was  darin  sei;  sowie  er  [aber]  auf  den  Finger 
goß,  da  überzog  sich  der  Finger  mit  dem  Ol,  und  der  Finger 
ward  wie  Hörn,  und  er  konnte  weder  mit  dem  Messer  noch  mit 
dem  Säbel  das  Hörn  abschneiden  (abschaben).  Darauf  nahm  (goß,  eme) 
er  das  Ol  aus  der  Flasche  und  wusch  mit  demselben  seinen 
ganzen  Leib,  und  er  ward  am  ganzen  Leibe  wie  Hörn.  Und 
darauf  nahm  er  Flasche,  Flinte  und  Säbel  (zusammen)  und  gieng  in 
eine  Stadt,  die  war  ganz  mit  schwarzem  Tuch  (scharlach,  szerlokas) 
ausgeschlagen  [y^mit  schioarzem  Flor  überzogen''''  heißt  es  im  Märchen 
p.  247]. 

El'  geht  hinein,  fragt  nach  dem  Grunde  und  erfährt,  es  sei  de ß halb 
geschehen,  loeil  der  König  jedes  Jahr  eine  seiner  Töchter  einem  Drachen 
geben  müsse  und  jetzt  werde  der  Drache  wieder  eine  Tochter  erhalten. 
Sie  ist  schon  gebunden  und  soll  ihm  am  Morgen  zugeführt  iverden.  Der 
Hörnene  erbietet  sich,  dem  Könige  seilte  Tochter  vom  Drachen  zu  befreien  j 
der  König  verspricht  in  diesem  Falle  sie  ihm  zur  Gattin  zu  geben*). 

Darauf  gieng  er  auf  den  Berg,  wohin  der  Drache  zu  kommen 
pflegte  (ateidavo);  dort  war  aber  ein  großer  Stein;  den  Stein  bestrich 
er  mit  dem  Öle.  Wenn  aber  der  Drache  heranflog,  pflegte  er  sich  auf 
den  Stein  zu  setzen  und  des  Wagens  zu  warten,  auf  dem  des  Königs 


*)  „Der  König  hat  dem,  der  den  Drachen  besiegt,  seine  Tochter  zur  Frau  ver- 
sprochen" Grimm,  p.  247. 


EIN  LITAUISCHES  SIGFRIDSMÄRCHEN.  319 

Tochter  heranfuhr.  Und  als  dießmal  der  Wagen  heranfulir  und  schon 
nicht  fern  von  ihm  war,  da  konnte  er  nicht  aufstehn,  sondern  hob 
den  ganzen  Stein  mit  in  die  Höhe. 

Zornig  athmet  der  Drache  Feuer  (wie  im  Märchen,  im  Lit.  zioölf 
klafterlange  Flammen).  Der  Hörnene  schlägt  ihm  mit  vier  Hieben  alle 
zwölf  Köpfe  ah.*). 

Darauf  band  der  Mann  das  Fräulein  los  und  fuhr  heim;  aber  auf 
der  Fahrt  schlief  er  ein,  denn  er  war  sehr  müde  geworden  von  der 
großen  Anstrengung. 

Als  er  eingeschlafen,  loill  der  Kutscher  ihn  tödten  und  droht  dem 
Fräulein,  loelches  schreien  will,  mit  dem  Sähel.  Er  loirft  den  Hörnenen 
aus  dem  Wagen,  vergräbt  ihn  und  droht  das  Fräulein  zu  tödten,  wenn 
sie  nicht  schwöre,  daß  er  sie  befreit  habe.  Da  schwört  sie  es.  {=  Grimm 
60,  p.  250;  nur  schläft  dort  der  Jäger  auf  dem  Berge  ein  und  der  Mar- 
schall tödtet  dort  den  Schlafenden.  Offenbar  liegt  in  der  litauischen 
Überlieferung  an  dieser  Stelle  eine  Vergröberung  vor.)  Durch  die  Hunde 
aufmerksam  gemacht**),  gräbt  ein  Mensch  den  Vergrabenen  wieder  aus  und 
findet  ihn  schlafend.  Und  er  wusste  da  nicht,  wo  er  war.  [Ähnlich 
Grimm  60,  p.  251] 

Er  geht  in  die  Stadt  und  schickt  einen  Brief  in  einem  Schnupf- 
tu  che  (szniiptuks)  ***) ,  durch  einen  der  Hunde,  welchem  er  dasselbe  um 
den  Hals  bindet,  zum  Könige.  Da  hält  gerade  der  Kutscher  Hochzeit  mit 
der  Königstochter.   [Bei  Grimm  ist  inzwischen  ein  Jahr  vergangen.) 

Der  Hund  gieng  hinein  zum  Fräulein  und  legte  (uzsideda)  den 
Kopf  auf  ihr  Knief),  und  sogleich  erkannte  sie  ihr  Schnupftuch  und 
fand  den  Brief,  und  so  erfuhr  sie,  daß  jener  Mensch  noch  lebte. 

Sie  schickt  auf  demselben  Wege  einen  Brief  zurück.  {Be>  Grimm 
werden  die  verschiedenen  Thiere  einzeln  geschickt.)  Der  Hörnene  bemerkt, 
daß  die  Stadt  nun  mit  rothem  Scharlach  ausgeschlagen  ist  ff),  erfragt 
den  Grund,  geht  zum  Könige  und  fragt   das   Fräulein'.    „Wer   hat    dich 


*)  Mit  den  beiden  ersten  Hieben  je  fünf.  Bei  Grimm  hat  der  Drache  sieben 
Köpfe;  mit  den  beiden  ersten  Hieben  werden  je  drei  Köpfe,  mit  dem  dritten  der 
Schweif  abgehauen.  (Letzteres  ist  ein  echter  Zug.) 

**)  Auch  bei  Grimm  wird  der  Getödtete  durch  die  Hülfe  seiner  Thiere  wieder 
lebendig.    Im  Litauischen  ist  nicht  ausdrüklich  gesagt,  daß  er  getödtet  sei. 

*'■■*)  Hierin  findet  sich  der  Zug  des  Grimm'schen  Märchens  wieder,  daß  die  Königs- 
tochter ihr  Taschentuch  mit  dem  Namenszuge  dem  Jäger  schenkt,  der  die  Drachen- 
zungen in   dasselbe   wickelt  (p.  249).   Daran  wird  er   später   als  ihr    Befreier  erkannt. 

t)  Hübscher  und  wohl  älter  als  „kratzte  sie  am  Fuße"  bei  Grimm. 

tt)  Ebenso  bei  Grimm  p.  251  unten. 


320  A.  EDZARDI 

befreit,  ich  oder  der  Kutscher?"  Sie  antwortete:  „Du"  und  erzählte 
ihm  alles  etc.  Die  Königstochter  geht  hinein  2ind  sagt:  ^^Ich  verlor  ein- 
mal von  meinem  Schreibschranke  (kontora)  den  Schlüssel  und  ließ 
einen  neuen  machen,  da  aber  fand  ich  den  alten  Schlüssel  wieder. 
Welcher  wird  der  bessere  sein,  der  alte  oder  der  neue?"  Da  sagten 
alle:  „Der  alte  ist  besser",  und  so  sagte  auch  der  Kutscher.  Darauf 
führt  sie  den  Hörnenen  hinein  und  sagt:  „Das  ist  mein  alter  Schlüssel, 
den  ich  verloren  hatte."  Der  Kutscher  wird  getödtet  [ivie  hei  Grimm 
p.  257]. 

So  das  litauische  Märchen.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  hier  eine 
in  vielen  Punkten  ältere  Gestalt  des  Märchenstoflfes  vorliegt.  Nament- 
lich ist  aber  das  von  der  Erwerbung  der  Hornhaut  Gesagte  wichtig 
und  die  Übereinstimmung  mit  der  Sigfridsage  in  diesem  Punkte  am 
auffallendsten.  Die  drei  Hunde  sind,  wie  mir  scheinen  will,  ursprüng- 
licher*) als  die  verschiedenen  Thiere,  die  wohl  eine  märchenhafte  Aus- 
schmückung sind.  Überhaupt  fehlen  die  besonders  märchenhaften  Züge 
—  das  Sprechen  der  Thiere,  das  Anheilen  des  abgehauenen  Kopfes 
durch  ein  Zauberkraut  und  damit  die  Wiederbelebung  des  Todten  u.  a.  — 
im  Litauischen.  Die  Benachrichtigung  durch  den  Brief  und  Taschentuch 
überbringenden  Hund  ist  viel  natürlicher  und  hübscher  als  die  Spaltung 
in  die  einzelnen  Abenteuer  der  verschiedenen  Thiere.  Und  so  kann  auch 
das  Gleichniss  vom  wiedergefundenen  Schlüssel  dem  Märchen  ursprüng- 
lich angehört  haben.  A.  EDZARDI. 


NACHTRÄGLICHES  ZUM  JUNGEREN  HILDE- 
BRANDSLIEDE. 

Vgl.   diese  Zeitschr.  XIX,  315  flf. 


Die    wörtliche   Übereinstimmung   des  jüngeren  Hildebrandsliedes 
mit  andern  mhd.  Gedichten  an  zwei  Stellen  ist  wohl  erwähnenswerth : 
1)  Hbl.  14,  1  (bei  Uhland) : 
Du  sagst  mir  vil  von  ivolfen,       die  laufen  in  dem  holz. 
Ich  bin  ein  edler  degen       auß  Kriechenlanden  stolz. 


*)  Zunächst  war  es  wohl  nur  ^in  Hund,  nämlich  der,  welchen  bei  Grimm  p.  245 
der  Jäger  dem  Ausziehenden  mitgiobt.  Auch  wird  ja  nur  ^in  Hund  zur  Königstochter 
geschickt. 


NACHTRÄGLICHES  ZUM  JÜNGEREN  HILDEBRANDSLIEDE.  321 

Wolfd.  B  279,  1 
Waz  saget  ir  mir  von  wolven  die  loufen  da  ze  holz? 
er  ist  ein  degen  küene       und  ouch  ein  ritter  stolz. 
Die  Übereinstimmung,    die   übrigens   in  Jänicke's  Anmerkungen 
nicht   erwähnt  wird,   ist   so   auffallend,    daß  Entlehnung    angenommen 
werden  muß.    Betrachtet   man  an  beiden  Stellen   den  Zusammenhang 
unbefangen,   so  wird  man  sicher  finden,  daß  die  Verse  im  Hildebrands- 
liede  an  der  ursprünglichen  Stelle  stehn  und  im  Wolfd.  daraus  entlehnt 
sind.  Da,  wie  ich  an  oben  citierter  Stelle  nachgewiesen  habe,  das  Hbl. 
dem  Verfasser  der  ridrekssaga  schon  im  Wesentlichen  in  der  heutigen 
Gestalt  vorgelegen  haben  muß,  ist  auch  in  dieser  Beziehung  die  Priorität 
des  Hbl. 's  wahrscheinlicher.  Hat  es  hiermit   seine  Richtigkeit,  so  wird 
an  dieser  Stelle  die  Lesart  H-ND-W  durch  den  Wolfd.  bestätigt,  gegen 
AK,  denn  die  Strophe  beginnt 

in  A:  Wolven  dat  sijn  wolven 
in  K:  Wülffin  das  sein  wolffe. 
2.  Hbl  11,4: 

und  was  ich  nicht  gelernet  hab,  daz  lern  ich  aber  noch. 
Oswalt,  Ettm.  994. 

swaz  ich  hiute  niht  kan,  daz  lerne  ich  morgen. 
Hier  kann  die  sprichwörtliche  Wendung  in  beiden  unabhängig 
von  einander  Verwendung  gefunden  haben.  Sollte  indessen  Entlehnung 
vorliegen,  so  wäre  auch  hier  die  Priorität  auf  Seiten  des  Hbl. 's,  da 
die  IMS  zu  Grunde  liegende  Recension  des  Oswalt  wahrscheinlich 
erst  im  XIH/XIV  Jh.  entstanden  ist. 


Es  sei  schließlich  noch  die  Entlehnung  im  Volksliede  Uhland  Nr. 
104  erwähnt,  wo  es  heißt: 

Vers  2  Wat  bejegende  em  up  der  beide?  (Hbl.  2,  2) 
Vers  4  He  nara  se  in  der  midde, 

he  schwank  se  liinder  sick  torügge 

wol  in  dat  gröne  gras  (=  Hbl.  12,  1  und  2) 

A.  EDZARDI.  • 


ÜERMANIA.  Neue  Reihe.  VIII.  (X.\.  Jahrg.  21 


322  RECH 


ALLERLEI  AUS  ZEITZER  HANDSCHRIFTEN. 


I. 

Ein  Naumburger  Nachlaßverzeichniss  aus  dem  Jahre  1453. 

(fol.  238')  Dis  sint  myn  schulde  czüsprach  vnde  gerechtickeit, 
die  ich  Steffän  HondorfF  burger  czu  Nüenborg  habe  secze  vnde  thü 
kegen  vnde  wider  Hans  Vogel    vnde  Telen  sin  swester  vnde  Ber- 
told  Sleifen  iren  rechten  Vormunden  u.  s.  w. 
5  (fol.  239**)  Ich   schuldige   sie    semptlichen    vnde    sunderlichen 

vnde  gebe  en  schult,  daß  sie  mir  gar  mit  grossem  vnrecht  vor- 
halden  sulch  erbe  vnde  gute,  daß  Niclauß  Ilondorff  eczwan  richter 
czu  Nüenborg  seliger  myn  liber  vettir  noch  em  gelossen  vnde  uff 
mich  sinen  nesten  erben  geerbit  hat.  Nemlichen  hat  her  noch  em 
10  gelassen  vnde  yn  siner  gewere  vnder  em  verstorben  ist  hüß  vnde 
hoff  vnde  euch  eyn  forwergk,  daß  do  vor  Nickel  Kils  gewest  ist, 
allis  bynnen  der  stad  Nüenborg  gelegen. 

Item  XXin  art  ackers   erpgüt  ym  wichbilde  vmbe   die  stad 
Nüenborg  gelegen. 
15  Item  krütgarten  vnde  hoppenberge. 

Item  VII  vngarische  gülden  ringe,   die   ich  achte  uff  LXXX 
gülden,  vnder  den  waß   eyn  ringk,  der  waß  Merten  von  Heringen 
gewest,   der  do   eynen   (fol.  240")  steyn  hatte,  den  man  uff  XXX 
gülden  achtet. 
20  Item  XXII  leffil  mit  silber  beslän. 

Item  tüsent  gülden  gereitschafft,  czweie  hundert  schog  getreidis, 
drissig  mallir  getreidis  weiße  vade  körn,  sechczig  mallir  hafir,  die  her 
uff  den  bodemen  noch  sinem  tode  liß,  gekoufft  vnde  gewachssen. 

Item  eyn  bire  vnde  drie  virteil  biris,  virczen  vaß  wins,  XXVI 
25  siten  fleysch,  czwene  bachen. 

Her  hat  euch  nach  em  gelassen  hüßgerethe,  daß  her  mit  syner 
eigen  band  angeczeichent  hat,  die  ich  bitte  vor  czu  legen,  ap  vnde 
wanne  sichs  geboret  im  rechten,  bie  namen 

XII  pflümen  fedirbette, 
30  LI  gemeyne  bette, 

XXV  heubtpfole, 

XXX  genäte  kossen, 

LXX  wiße  kossen, 


ALLERLEI  AUS  ZEITZER  HANDSCHRIFTEN.  323 

LX  kleyne  lilachen, 
35  XX  grobe  lilachen, 

XXVI  tuschlachen,  czwelich  vnde  eynlich,  obir  eckechte  tische, 
VI  tischelachen  obir  lange  tusche, 

VI  gesinde  tislachen, 

XXVII  hantquelen, 

40  VII  hantquelen  vor  daß  gesinde, 

XIII  eren  tigel,  der  sint  drie  slefin,  ein  schertichen, 
XV  eren  toppe  cleyn  vnde  groß,  vir  messingen  becken,  eynen 
groß  margkkessil, 

V  grosse  czenene  bechen, 

45  VIII  czenene  becken  nest  den  großen, 

drie  flach  czenene  becken, 
vir  ebenmessige  czenene  becken, 

V  czenen  becken,  do  man  alle  tage  üß  aß, 
VIII  czenen  becken  vor  den  senffschusselin, 

50  Item  IX  czenen  ingeberschusselin,  XX  czenen  teler, 

Item  drie  stobichen  czenen  kanne, 
Item  siben  halpstobgenkanne,  der  ist  eyne  sleyffen, 
Item  XI  czenen  nossil  kanne, 

Item  XII  virtel  czenen  kannen,  der  ist  czwu  sleyffen, 
55  Item  III  czenen  tisehkanne, 

Item  III  halpnosselkanne. 

Sulchobingeschribenhüßgerethehat  myn  vetter  seliger  mit  syner 

eigen  hant  yn  eyne  czedel  geschriben,  die  bitte  ich  vor  czu  legen, 

ap  vnde  wanne  sichs   geboret  im  rechten^  daß  sie  mir  danne  allis 

60  vorhalden  mit  grossem  vnrecht;  vnde  dorczü   allirleye  rechtbüchir, 

die  ich  achte  uff  11  hundert  gülden. 

Her  hat  euch  nach  sich  gelassen  eynen  fochssen  mantel  vnde 

eynen  swarczen  mechelisschen  mantel  vnde  eynen  swarczen  buckiss 

chen  nüwe  vnder  geschuben,  eynen  roten  harrisrock,  eynen  swarczen 

65  rock  mit  lemmer  gefutert,  eynen  langen  pelcz,  11  grosse  kistenyn  syner 

kammern  vnde  1 1  kleyne,  VII  eckichte  tissche  vnde  vir  lange  tissche. 

Ouch   hat   her    noch   em  gelassen    küfen   vnde   eichene   vnde 

thennene  ledige  vaß,  uff  XL   gülden    geachtet,  vnde  vir  waynpfert 

vnde  geschirre  waß  dorczü  gehöret,  daß  ich  allis  achte  uff  11  hun- 

70  dert  gülden; 

Item  XXXIII  lebende   swine,  IUI  küe,  II  eren  lüehter,  der 
eyne  hingk  yn  der  kemenäd,  der  ander  yn  der  dorncze; 

Item  11  enczele  eren  lüehter,  kessele,  banekpfoln,  küssen; 

21* 


324  l^ECH 

Item  hulczen  schussel,  benck,  stüle,  gleser,  dien,  haw  viide 
75  yngethüme  mehr,  daß  ich  achte  uff  XXX  gülden;  taschen,  neser, 
messer,  swcrt,  panczer  vnde  andern  hämische,  dali  ich  achte  uff  XL 
gülden.  Sulche  oben  geschriben  erpgüter,  varnde  vnde  vnvarnde, 
bewegelich  vnde  vnbewegelich,  vnde  sust  dorczü  alle  ander  guter, 
cleyne  ader  groß,  wie  die  namen  gehaben  mögen,  die  myn  obge- 
80  nanter  vetter  seliger  noch  em  gelassen  hat,  halden  sie  mir  vor  an 
mynen  willen  czu  sunderlichem  hone  smäheit  vnde  trefflichem  scha- 
den, so  ich  den  schaden  obir  die  heubtsumme  achte  vnde  wirder 
uff  XIII  hundert  rtnische  gute  gülden  u.  s.  w. 

IL 

Ein  Streit  um  die  Gerade  vor  dem  Bischof  von  Merseburg 

um  das  Jahr  1455. 
(fol.  62'')  Gnediger  herre  von  Merßeborg,  ewer  gnade  mercket 
wol,  daß  sich  fraw  Agnes,  Ciriax  von  Czweim  eliche  husfraw,  czü 
mir  notiget  wider  recht,  wan  sie  von  mir  czü  der  gerade  vordert 
gelt,  nemlichen  XXX  gülden;  item  radkasten,  tegel  vnde  schaffen, 
5  morsir^  ern  topfe,  funff  czinen  kanne,  schussil,  ledige  vnde  vnbe- 
selte  pfert,  küe  vnde  kelber,  hunre^  swinsmutter,  vaß  vnde  tröge, 
brechen  vnde  reffein,  stüle  vnde  bencke,  eynen  hälrincken^  lich(?) 
butter  vnde  kese,  brätspiß,  drifüß,  rost  vnde  kornsecke  noch  lüte 
der  czedeln  die  sie  ewern  gnaden  hat  geantwert. 

10  Nu  ist  daß  wissentlich,    das   sulche  varnde  habe  czü  der  ge- 

rade nicht  enthoret;  daß  ist  wol  war,  daß  eyne  kanne  vnde  eyn 
tusche  vnde  eyn  stüle  gehöret  czü  der  gerade,  alßo  das  wol  stehit 
geschriben  Wichb.  ar.  XXIII  in  gl.;  das  gibt  der  man  der  nifftel 
von  sunderlicher  beheilickeit.  Do  muß  j6  ye  ouch  eczwas  yn  dem 

]5  büß  pliben.  Küe,  kelber  vnde  pfert  vnde  alle  ander  habe  obene 
benant  gehören  ouch  nicht  czü  der  habe  Wichb.  ar.  XXIII;  vnde 
dörvmbe,  ap  ich  myn  wip  hette  sulche  habe  noch  ir  geslagen,  den- 
noch muchte  sie  sulche  habe  nicht  gevordern,  alßö  ich  mich  laß 
beduncken. 

20  Gnediger  herre,  sie  macht  ouch  mancherley  stucke  namhafftig 

yn  irer  czedeln,  dy  dö  czü  der  gerade  gehören.  Sunder  myn  wip 
hat  sulche  gerade  in  sulchir  czal  alßö  sie  seczet  noch  ir  nicht  ge- 
lassen. Sunder  alßö  vil  alßö  sie  gelassen  hat.  das  habe  ich  der 
selbigen  Ilsen  gereyt  gegeben.  Ich  habe  ir  geantwert  alle  ir  cleyder; 

25  sie  hat  den  silbern  gortil  von  czwen  margk  silber  vnde  ouch  die 
XVIII  gülden  vnde  silberin  ringe  uff  dem  crancz  vnde    czwen  sil- 


ALLERLEI  AUS  ZEITZER  HANDSCHRIFTEN.  325 

bern  senckel,  die  an  dem  crancz  sulden  gewest  sin,  ader  eyu  koreln 
paternoster,  das  funfF  gülden  wert  were^  spangen  von  zweien  margk 
Silbers  noch  ir  nicht  gelassen.   Was  sie  von  sleyern,  baren^  lilachen, 

30  pfoln,  küssen,  thuschtücher,  hanttücher,  bangkpfoln  (fol.  63*)  vnde 
pusten,  badecappeu  vnde  badetücher,  liwant,  garne,  kessel,  hant- 
becken,  sehoff,  gense,  flachs,  lyn  vnde  hanff  deckelachen  noch  ir  ge- 
lässin  hat,  das  hat  sie  gar  weg,  üß  geslossen  czwei  boß  tußtücher 
vnde   eyn   boß   knechtbette,  daß  hat  sie  mir  selbir  gerne  gelassen. 

35  Item  so    lihet   dor   noch  eyn   böse   banckpfoel  vnde  eyn  boß 

puste.  Ouch  habe  ich  acht  elen  liwant  gefunden  yn  dem  casten 
vnde  nicht  mehr,  die  habe  ich  vorthän.  Do  wären  ouch  acht  czal 
gesotten  garn.  Do  ist  eyn  kessel,  der  ist  myns  vattirs  gcAvest.  Ich 
habe  eynen  schapfen  dornoch  selbir  gekaufFt.  Dor  wären  XV  schaff, 

40  dor  von  habe  ich  ir  XII  beczalt  vnde  habe  ir  gegeben  io  vor  eyn 
schaff  VI  grl. ;  dy  andern  wären  menliche  tyr,  dy  gehören  czü  der 
gerade  nicht.  Do  ist  och  noch  eyn  cleyn  büchelin,  vnde  mich 
duncket  is  sie  sente  Marien  büchelin.  Do  was  eyn  halb  hempzen 
lyn  vnde  eyn  clobe  gebrechts  hanffis.  Dor  obir  ist  mir  keynis  mehr 

45  wider  wissentlich,  das  sage  ich  bie  mynen  wären  trowen.  Wolde  sie 
mir  abir  das  nicht  glauben,  so  kan  ich  mich  wider  daß  recht  nicht  ge- 
secze.  Wurde  dann  ewer  gnäd ,  gnediger  herre ,  im  rechten  ir- 
kennen,  daß  ich  eyn  sulchs  begriffen  sulle  mit  mym  eide,  so  schemc 
ich  mich  des  nicht  czu  thün  vnde    seczc  daß  mit  ir  gancz  an  das 

50  recht  was  hirumbe  recht  ist. 

III. 

Ein    Segen    wider    die    Mäuse,    von   Georgius    Law,    Laien- 
priester   zu  Prössdorf   bei   Zeitz,    um    1471    aufgezeichnet. 

(fol.  218^)  Item  czum  ersten  secze  denn  rechten  fuss  uf  dy 
swelle  vn  sprich:  ich  setcze  mynen  fuss  uf  dyße  swelle  vnd  myne 
rechte  band  bie  gote  dem  üben  heylant. 

Vnd  ich  finde  vngetvme  yn  dießem  huße.  das  ist  vngenant 
5  koning  vnd  konigynn  vnd  alles  das  boss  von  meysin  hynne  finde. 

Zo  beswere  ich  ich  ore  orn  fuße,  das  sy  nynder  keyne  na- 
runge  hynne  sullen  spyße  sullen  finden  (so!). 

Ich  beswere  ore  ougen  bie  vnsir  liben  frawen,  das  sy  nynder 
keyne  narunge  hynne  geschawen,  das  helfe  mir  got  vnd  vnse  libe  fraw. 
10  Ich    beswere    or    hercz    bie    gote    vnd    syner    groschen    (so!) 

schmerczen. 


326  BECK 

Ich  beswere  or  czunge  bie  gote  vnd  bie  synen  heyligcn  fünf 
wunden. 

Ich  beswere  ore  leber,  alzo  war  alzo  got  an  dem  fronen  crutz 
15  hat  genomcn  seyn  ende. 

Ich  beswere  ore  leber,  als  war    als  got  an  dem  fronen  crutz 
starp  vn  wart  an  dem  drytten  tage  widder  lebendig. 

Ich  beswere  ore  oren,  alzo  war  alzo  got  ist  von  eyner  reynen 
raait  geboren. 
20  Ich  beswere  on  or  har  bie  der  sonnen  by  dem  monden,  das 

sy  nynder  mehir  yn  diss  hawsz  wesens  komen. 

Ich    beswere    oren    leib  vnd    or    leben,    das    wir    on   nynder 
trincken   dorffen  geben,    das   helff  mir  der  vater  der   son  vn  der 
heilige  geist. 
25  Alzo  gut  sy  der  seyn  hüte,  alzo  dy  lawna  di  stunde  was  do, 

do  vnß  liber  herre  also  got  ynne  geborn  wart. 

Sy  sint  gross  adder  cleyn,  zo  beswere  ich  or  gebeyne. 
Alzo  vor  war  wil  ich  alle  dyße  rayse  usz  diessen  gebewde  mit 
dieszem  seyne  spreche. 
30  Alzo  vor  war  als  got  mit  synen  XII  boten  jüngeren  an  dem 

grünen  dornstage  hat  das  abentessen  gesson  vn  hat  sie  alle  gespeyst 
vn  hat  on  seynen    heyligin  waren    lichnam   gegebin    vn  gewyst  vn 
hat  sy  geest  mi   synem   fleische  vnde    getrencket  mit  synem  blute. 
Alzo  vor  war  als  ir  esset  myn  fleisch  vnde  trincket  myn  blut, 
35  alzo  vor  war  sey  der  seyn  vor  dy  bosin  mewse  gut. 

Mit  dyszem  seyn  ich  sy  vorspreche,  das  sy  liy  hynne  nynder 
keyne  spysze  essin  nach  trincken, 

Das  sy   müssen   vorswinden,    das    helfe   mir  Maria   mit   orem 
liben  kinde, 
40  Alzo  der  man  vorswant^  der  den   ersten  nagel  smitte  vnd  dy  wyt 
want,  do  man  got  mit  fing  vn  bant. 

Der  seyn  den  ich  hewte  hab  gesprochen,   got  gebe   das  ich 
nicht  habe  geofi'ent   syne   heiligen  V  wunden  vn  hab  sy   om  nicht 
vorsprechen. 
45  Do  mit  gee  der  seyu  uß.  Nw  steh(?)  do  vros(?)  uf  vnd  gang 

mit  czu  dem  huss  vs,   eyn  was  es  sey  eyn  sie  addir  eyn  her,  das 
nynder  keyn  schade  rausze  gescheen. 

Nw  hat   disser   seyn  eyn  ende,   got  gebe    das   nynder  keyne 
mawss  kome  yn  dysze  vir  wende,    yn  dem  namen  des  vaters  des 
50  sons  vnd  des  heiligen  geistes  amen. 


ALLERLEI  AUS  ZEITZEE  HANDSCHRIFTEN.  327 

IV. 
Eine  Predigt  auf  das  Fest  Aller  Heiligen  um  1400. 

(fol.  269*")  Ländern  dicite  deo  nostro  et  non  simulacris  den 
aptgoten,  omnes  sancti  eins,  qui  timetis  deum^  pussilli  et  magni, 
quia  regnabit  dominus  deus  noster  omnipotens.  Gaudeamus  et  ex- 
ultemus  cett.  Alle  heiligen  vnde  alle  die  god  suchen,  die  cleynen 
5  mit  den  groszen,  ir  sollet  vnß[eme]  gote  lob  sprechin,  quia  regna- 
bit, darumme  daz  vnß  herre  mechticlich  herschet  obir  die  aptgote 
der  bösen  geiste.  De  hoc  gaudeamus  et  exultemus,  wir  soln  vns 
dez  frowen  vnd  vorhebe  vnd  vnßme  gote  die  ehere  gebin  vnde 
irbiten,  darumme    daß  vnß    loen   grocz  ist  in  den  hymmeln.    Diße 

10  wort  beschribet  Johannes  in  den  büohe  der  heymlichkeit,  die  gli- 
chin  sich  deßm  keynwerdigin  tage  hüthe,  alz  wir  begehin  den  tag 
der  hochczit  allir  heyligin,  die  vnßen  god  an  vnderlaß  yn  den 
hymmeln  loben,  Daz  ist  nicht  wundir,  wan  sie  yn  sehin  von  ant- 
litzce  czu  antlitze,  vnde  sie  von  der  gewalt  dez  bösen  geistis  irlost 

15  hat  vnde  sie  ufgenomen  von  deme  betrüpnisze  deszir  keynwerdigin 
werlde  vnde  sie  gecronet  yn  der  wonunge  dez  ewigin  riches.  Sed 
hodie  canitur:  Sancti  estis  sancti  dei  cett.  In  der  lobelichin  stad 
dez  herrn  lüthen  die  orgeln  ewiglich.  Do  ist  der  allir  sueßste  beste 
geroch  dez  balsamus  zinamomen,    daz  sint  die  kunste   der  heiligin 

20  vnde  die  schrifte  der  Engele  mit  den  Erzengeln.  Sie  singen  noch 
den  noten  vor  gotes  throne  den  lobesang  alleluia.  Alsus  haben  die 
heiligin  in  gotis  riche  alle  froyde  yn  eyner  gnüge.  Do  ist  lebin 
äne  tod,  tag  äne  nacht,  wysheit  äne  czwifel,  froyde  äne  jämir, 
stillikeit  äne  storin,  schonde  äne  missestalt,  stergke  äne  crangheit, 

25  recht  äne  vorkerunge,  liebe  äne  hacz,  soliche  froyde  die  dyne  oygin 

nye  gesehin  haben,  dyne  oren  nicht  verhört  noch  dyn  mund  nicht 

volsprechen  kan,   noch  dyn  herzce  nicht  voldengkin  noch  geachtin 

kan.  Westü  da  nicht  enwilt,  dez  bistü  vorhabin,  allir  sorge  bistü  änig. 

(fol.  270*)  Fulgencius.    Die  heiligin  beschouwen  die  gotlichin 

30  clärheit  in  drierleye  wise,  alßo  vns  der  spigel  dynet,  mit  drin  an- 
gesichten,  daz  do  kegin  ist.  Wir  sehin  got,  vns  selbir  vnde  vnße 
war  andächt.  Alßo  ist  daz  vmme  den  spigel  gotlichir  clärheit.  Keyn 
spigel  ist  so  clär  alzo  daz  froydinriche  antlitzce  gotes.  Wan  yn 
cyme  spigel  sehit  man  daz  keynwerdig  ist,  abir  yn  deme  antlitzce 

35  gotis  sehit  man  nicht  alleyne  das  keynwerdige,  sundern  ouch  die 
dinge  die  von  fernne  sint.  0  wye  lobeliche  wertschaft!  O  wye 
edele  trugseßin!  die  Engel  mit  den  Erczengiln  dynen  czu  tysche, 
die   Seraphin    seezen    die    tabeln    addir    tysche     vnde    breytin    die 


328  BKCii 

tüchir,  Potentes    die   furstin    gewaldigin   vortnbin    die    fynstirnisze, 

40  Virtütes  die  wandiln  daz  bröd  yn  fleysch  dez  lammes,  sundirn  die 
Seraphin  wandiln  daz  blued  dez  hymmelztrübil  yn  den  allir  kifiri- 
sten  wyn,  da  vone  alle,  die  czu  der  wertschaft  sint,  werdin  ge- 
setiget  vnd  nait  froydin  geti'ungken.  Ilen  wir,  lieben  brüdere,  daz 
wir  an  die    sichir    stad  kommen,    an    den   fruchtigin   agkir,  in  die 

45  süßen  weyde,  do  wir  äne  forchte  leben,  da  vns  genüg  wert  äne  ge- 
brechin  vnd  nymmer  müde  werdin. 

Zcu  dem  erstin  mael  sehin  die  heiligin  daz  antlitzce  gotis 
clerlich,  daz  vol  gnädin  ist,  daz  yre  begerunge  irfrowit.  Dez  sehins 
werdin   sie   nummer  müde,    sundirn   sie   frowin    sich   därvone    äne 

50  vndirläcz,  daz  so  gar  lustig  ist,  daz  sie  nummer  gehungirt,  gedurst, 
gefrüst,  getrüren,  crang  werdin  noch  nummer  von  gote  gescheidin 
werdin.  O  mensche,  wiltü  do  heue  komme  von  deme  betrüpnisze 
deßir  werlde,  do  du  gesehen  magist  daz  cläre  antlitzce  gotis,  so 
reynige  hüthe  din  herzce  von  allen   sundin.  Math.  V.  beati   mundo 

55  corde,  quum  ipsi  deum  videbunt  contra  luxuriam.  Die  heiligin  sehin 
in  der  clärheit  gotis  alle  güde  wergke,  die  eyn  iglicli  mensche  yn 
hie  uf  ertriche  zcu  eren  tued  vnd  irbüted  mit  almüsen  [vnd]  an- 
dirn  wergkin.  Die  schinen  in  deme  antlitzce  gotis  also  in  eyme 
spigel,  also  betin   sie   daune   got   vor   dich.    Johannis  XVII,   pater, 

60  quos  dedisti  mihi.  O  vatir,  ich  wel  wo  ich  ben  dastö  euch  sint  myne 
dyner. 

Zcu  deme  andern  mael  lobin  die  heiligin  god  inniclichin. 
Ysaia  LH,  levaverunt  vocem  simul.  Sie  hüben  alle  met  eynander 
an  eyne  stymme:  Ach  waz   froyde   der   schepphir  yn  hymmelriche 

65  hat!  schowin  wir,  wie  die  süße  vnßs  herrin  ist!  so  wir  die  zcirde 
syner  ehere  sehin,  die  gewalt  syner  koninglichin  ewigkeit,  wer  ir- 
kennit  da  die  gew^alt  dez  vatirs,  des  sones  wislieit,  die  güthe  dez 
heiligin  geistis!  Alsus  irkennen  wir  die  hoe  der  heiligiu  dryvaldi- 
keit.  Eyn  iglicher   herschit   mit   syner   ordenunge.  Alßö  die  seyten 

70  an  der  harffen  iglich  noch  eime  done  ist  geczogin,  die  langen  mit 
den  körten  gebin  glichin  süßen  don,  alßö  habin  sie  in  gotisriche 
alle  froyde  yn  eyner  gnüge.  Die  stad  endarf  der  sonnen  noch  dez 
mänden  addir  gesternis  nicht,  wan  die  irlüchtit  wirt  von  gotis  clär- 
heit. Wann  do  vz  deme   grundelosin   obirfloßigin   borne    schepphin 

75  iille  wisheit,  daz  sie  alle  ding  irkennen,  die  vorgangin  keynwerdi- 
gin  vnd  czükunftigin  sache  wieszen.  Sie  irkennen  die  zcael  des 
gesternis,  dez  meris  die  tropphen  die  daz  graiz  fruchtigin,  die  wythe 
die  brcyte  die  lenge  dez  hymmelz  des  meris  vn  der  erdin  aptgrunde, 


ALLERLEI  AUS  ZEITZER  HANDSCHRIFTEN.  329 

sie  wißen  ouch  alle  kuuste  vnd  schrift.  Do  endarf  nymand  noch 
80  dem  andern  frägin,  kose  noch  rede.  Sie  swigen  nummer,  sie  lobin  god 
von  grundelosir  liebe  mit  deme  gesange  sanctus  sanctus.  Ouch 
sehit  eyn  igliclier  syne  vyende  lyden  in  der  helle,  die  en  betrübet 
hän  ufF  dem  ertriche.  Die  seligin  sehin  die  vorthüraeten  yn  der 
helle,  därurame  daz  sie  sich  daste  mer  gefrowen,  daz  sie  der  pyne 
85  sint  entgangin.  Die  vorthümetin  in  der  helle  sehin  die  seligen  in 
der  froyde,  daz  yre  pyne  deste  mer  zcü  neme. 

(fol.  270'')  Zcu  dem  dirtten  mael  lobin  sie  got  vollin  koninc- 
lich.  Ysaia  LI:  sie  soln  kommen  czu  Syon  mit  lobe  vnde  die  ewi- 
giu  fi'oyde  üß  yrme  houpte  haben;  sie  sullen  den  süffzcen  flihen; 
90  ich  wel  sie  selbir  trösten.  0  wie  große  froyde  dö  ist,  do  got  sel- 
bir  tröstet  syne  heiligin!  dö  ist  volkommen  froyde^  keyn  vngemach. 
O  mensche,  wez  machstü  dich  vmme  dyne  crangheit  betrübin,  die 
dich  in  deßir  werlde  aneficht,  die  korcz  vnde  vorgenlich  ist!  Sun- 
dern du  Salt  geduldiglichen  liden  die  anefechtunge ,  darume  dastu 
95  daz  ewige  leben  irwerbist. 

Wir   begehin   allir   heiligen   tag,   wan  wir   von   vnßn    herzein 

üzwerfin  den  aptgot  der    sunde  vnd   daz  gestelteniße  der  eynfeldi- 

keyt  der  demüt  do  hene  malen,  do  vormälcz  gewest  ist  der  aptgot 

der  höchfart.  Dö  gestandin  hat  daz  gestelteniße  dez  bösen  geistes, 

100  dö   hene   soln   wir    setzcen   daz    gestelteniße    dez    heiligin   crücis, 

vnde  vor  den  haes  sollen  wir  habin  die  demutikeit.  Ibi  beati  mites, 

quum  ibi  possidebunt  terram.    Bist  (so !)  demütig   yn  der  wande- 

runge,  schemede  hab  in  den  worteu,  czuchtig  yn  den  seten.  Eyn 

philosophus  lärte  sin  son  vnd  sprach:    sich,  daz  die  ameisze  icht 

105  wiser  sie  dan  du;,  daz  der  hane  icht  wachinder   sie    dan    du,  daz 

der  hund  icht  getrüwir  sie  dan  du.  Also  lerne  togind  bi  den  crea- 

türen  vnd   bist  (so !)  vorsichtig  vor   allin   dingen.   Wan    also    sich 

daz  tier  vnd  der  boum  von  den  fruchten  neygin,  alßö  neygit  sich 

der  demütige  mensche,  wan   her  vol   toginde   ist.  Vor  den    zcorn 

110  saltü    haben    die    fredsamkeit.    Ibi    beati    pacifici,    quum   lilii  dei 

vocabuntur.  Vor  die  anefechtunge  die   innykeit.    Ibi  beati,    quum 

persecucionem  patiuntur  propterjusticiam,  quum  ipsorum  est  regnum 

celorum.    Vor  die  gyrheit   soln  wir  haben  den  hunger  vnde  dorst 

nach  der   gerechtikeit  yn    den  worteu.    Ibi  beati,   qui    esuriuut  et 

115  siciunt   justiciam,     quum    ipsi    saturabuntur.    Ir   solt   barmherzcig 

sin  yn  den  wergken.  Ibi  beati  misericordes,  quum  ipsi  misericor- 

diam  consequentur,  contra  luxuriam  castitatem.  Ibi  beati  pauperes 

spiritu,  quum  ipsorum  est  regnum  celorum,  Hirmete  soln  wir  obir- 


330  BECH 

winde  alle  vnße  vycnde    der    bösen   geiste  vnd  soln   uffrichtin  die 
120  phanen  allir  heiligin. 

Die  Handschrift,  welcher  die  unter  I  und  II  gegebenen  Stücke 
angehören,  ist  ein  altes  Copialbuch  der  Zeitzer  Capitularbibliothek, 
563  Bl.  in  folio  enthaltend,  in  welchem  theils  Anklage-  und  Vertheidi- 
gungsschriften,  theils  Rechtsgutachten  von  Leipziger  Juristen  und  Ur- 
theile  von  Schiedsrichtern  {scheidisrichteren)  eingetragen  sind.  Die  dort 
mitgetheilten  Rechtsfälle  fallen  alle  in  die  Zeit  von  1449  bis  1459  und 
beschränken  sich  nicht  bloß  auf  die  nächste  Umgebung  von  Zeitz,  wie 
Naumburg,  Pegau,  Merseburg,  Halle,  Querfurt,  Gera,  Altenburg,  Plauen, 
sondern  beziehen  sich  auch  auf  Meißen,  die  Niederlausitz,  auf  Barby, 
Magdeburg,  Halberstadt,  Quedlinburg,  Schwarzburg  u.  s.  w.  Für  die 
Geschichte  gewisser  Adelsfamilien,  noch  mehr  für  die  Culturgeschichte 
überhaupt  sind  die  zahlreichen  hier  gelegentlich  fallenden  Mittheilungen 
von  nicht  geringem  Werthe. 

I,  Z.  1  die  Worte  schulde  czüsprack  (oder  auch  czüsprache)  unde 
gerechtickeit  kehren  in  den  Anklagen  formelhaft  wieder,  ebenso  oft  wie 
schtdde  clage  unde  g.  oder  clage  seh.  it.  g.\  nicht  minder  formelhaft  be- 
ginnen die  meisten  Vertheidigungen  mit  dis  sint  myn  were  schucz.  vnde 
antiüort.  Unter  schulde  ist,  wie  der  Zusammenhang  lehrt,  hier  accusatio 
criminatio  Anschuldigung  Anklage  zu  verstehen.  Statt  czüsprach  oder 
szüsprache  erwartete  man  czüsproch  oder  czüsproche,  entsprechend  dem 
auf  den  ersten  Seiten  einige  Male  vorkommenden  czüspruch,  czüspruche, 
welches  hier  den  rechtlichen  Anspruch,  die  Forderung  ausdrückt.  Ob 
der  Schreiber  czüspräche  gemeint  habe,  oder  ob  eine  Form  czüsprack 
anzunehmen  sei,  die  sich  dialectisch  aus  czüsproch  -=  zcüspruch  ent- 
wickelt habe,  lässt  sich  schwer  entscheiden;  im  Volke  hört  man  hier 
allerdings  in  betonten  Silben  öfter  a  statt  des  hochdeutschen  zi,  wie  in 
hanger  (fames),  holanger  (samhucus),  janc  (juvenis),  ranger  {deorsum), 
stahe  (conclave),  zange  (lingua),  vergl.  namentlich  Schroeder  zur  Griseldis 
S.  LXXXI,  der  unter  anderm  auch  hadestahe  und  untagent  aus  dem 
15.  Jahrhundert  für  diesen  Dialect  nachweist.  —  Z.  21  gereitschaft, 
Baarschaft,  vergl.  mhd.  Wörterb.  IP,  672''.  — •  Z.  22  mallir  mhd.  malder] 
im  Dialect  heute  noch  so,  wie  der  alle  {aide),  halle  (balde),  gelle  (gelte), 
melle  (melde)  u.  s.  w.  —  Z.  23  gewachsen  hier  im  Gegensatze  von  ge- 
kouft,  so  viel  als:  selbst  erbaut.  —  Z.  24  hier  hier  =  gehrüivede  wie  in 
der  gleichzeitigen  Satzung  des  Bischofs  Petrus  von  Naumburg,  vergl. 
das  Programm  von  Zeitz  a.  1870,  II,  37;  Michelsens  Rechtsdenkm.  271 
und  272;  in  Erfurt  ehemals  =  200  Eimer  nach  der  Anmerkung  in 
Kirchhoffs    Weist,    von    Erfurt  S.   52 — 53.   —  Z.   29    pßümenfedirhette. 


ALLERLEI  AUS  ZEITZER  HANDSCHRIFTEN.  331 

vergl.  pflümvedernbette  in  der  Griseldis  ed.  Schroeder  6, 18;  in  des  Teufels 
Netz  4042.  —  31  Heuhfpfol,  so  in  den  Görlitzer  Annalen  392,  11  und  in 
dem  Rechtsb.  nach  Distiuct.  ed.  Ortloff  I,  8,  1.  —  Z.  34  Heyne,  fein. 
—  Z.  36  czioelich  vnde  eynlich,  dazu  vergl.  das  Stadtbuch  von  Augsburg 
hrsg.  von  Meyer  S.  315:  si  loellent  daz  man  zicilich  und  einlich  aines 
geicantstahes  brau  sol  machen  zwißachez]  si  tcellent  daz  man  zioüich  und 
einlich  vail  habe  mit  ainem  bände  üf  hern  Sibotes  banke;  316  man  sol 
mezzen  den  rohen  zicilich  und  einlich  vierflach.  —  Z.  39  hantquele,  vergl. 
Deut.  Wörtb.  IV,  411;  um  Zeitz  und  Naumburg  heute  noch  quele^ 
quaele  üblich.  —  Z.  41  slefin  ist  hier  wie  Z.  52  und  54  sleijfen  wohl 
dasselbe  Wort,  das  uns  in  dem  md.  schleifkanne  näher  bekannt  ist. 
Dieses  sleife  führt  Weigand  III,  592  gewiß  richtig  zurück  auf  das  alte 
sloufa,  sloufe,  sloife  (neben  der  slouf)  ^=  ansa,  ansula  und  versteht  unter 
Schleifkanne  eine  Kanne  mit  Handhaben  oder  oben  übergehendem 
Bügel,  vergl.  auch  Adelung  unter  d.  W.  In  unserer  Stelle  wird  man 
bei  sleife  demnach  an  einen  Tiegel  denken,  der  mit  Henkeln  oder 
vielmehr  mit  einem  Bügel  versehen  war,  an  dem  man  ihn  tragen  oder 
an  den  Kesselhaken  (hdlrinken)  hängen  konnte.  In  Z.  52  und  54  ist 
sleife  kaum  etwas  anderes  als  unser  Schleifkanne.  Dasselbe  Gefäß 
scheinen  gleichzeitige  Quellen  aus  Meißen  und  Düringen  mit  boymkanne 
oder  bomkanne  zu  bezeichDcn,  so  Schotts  Sammlungen  III,  295;  wo  es  von 
den  bendern  heißt:  icas  oicch  von  deinem  gefesse  loochelichen  her  in  die  stadt 

bracht  wirdet  czu  dem  margkte,  als  kübeln,  boymkannen ,  das  sullen  die 

bender  czu  geben  daryn  nicht  halden  nach  sprechen]  und  Michelsens  Rechts- 
denkmale aus  Thüringen  S.  122  (=  die  alte  Erfurtische  Wasserord- 
nung) :  der  probist  phliget  den  mollern  eyne  gude  soppen  czu  gebene  in 
den  graben,  dar  uffe  fleisch,  kese  unde  brot  und  eine  boumkannen  vol  ader 
cziou  ires  closterbirs ',  vorausgesetzt,  daß  bomkanne  verlesen,  verschrieben 
oder  durch  die  Aussprache  verderbt  ist  aus  boin-  oder  boienkanne  d.  i. 
bogenkanyie.  Der  Übergang  von  oge  in  oie  oder  oi  ist  in  dem  betreffen- 
den Dialect  nicht  selten,  vergl.  außer  andern  Beispielen  Schroeder 
zur  Griseldis  Einl.  S.  LXXXVI;  boie  für  böge  auch  schon  in  den  alten 
Gesetzen  von  Nordhausen  bei  Förstemann  N.  M.  III,  1,  65  (157): 
schiezin  mit  armbursten  oder  mit  boin.  Sonst  habe  ich  sleife  noch  ge- 
funden in  einer  Familienchronik  des  hiesigen  Osterlandes  aus  dem 
18.  Jahrb.,  in  der  Verbindung  schleißen  und  deeßen  (cfr.  Diefenb.  189'' 
s.  v.  dolium)  und  in  den  Weist.  V,  265  (a.  1740  aus  der  Wetterau) : 
bei  der  schläufkante  uf  des  schuldigen  kosten  im  icirthshaus  zehren;  vergl. 
auch  Corn.  Kil.  ed.  Hasselt  594*^  sleepken,  minoris  poculi  aut  mensurae 
gemts,    cyathus.  —  Z.  41  schertichen   ist   das  Deminutiv  von   scharte  = 


332  BECTT 

patella,  frixorium,  sieh  darüber  Lexer  Handwb.  II,  670  und  Adelung 
unter  scharte.  —  Z.  43  margkkessil,  dasselbe  Wort  in  Schmidts  Urkun- 
dcnb.  von  Göttingen  I,  241,  69 :  unum  caldarium  dictum  marketketel.  — 
Z.  49  senffschusselin,  bei  Lexer  Handwb.  II,  878  und  in  den  Fastnachtsp. 
1216:  senff  mid  salsenschusselein  dein.  —  Z.  51  ist  wohl  gemeint  d.rie 
czenen  stobichenkannen  ]  vergl.  die  ähnliche  Verbindung  in  Z.  53.  —  Z.  53 
zu  nossil  (=  nozil)  in  nossükanne  und  halpndsselkanne  Z.  56  vgl.  Conrad 
Stolle  Chron.  293"  ei/n  gancz  ald  noßeln  und  Urkundenb.  von  Leipzig 
I,  S.  341  nösjUl  (a.  1466)  und  S.  351  das  nossell  (a.  1469).  —  Z.  63 
mechelisch,  ebenso  im  Ofener  Stadtrecht  213  item  von  Mechlisch  unter 
1  tuch:,  mechenleich,  mechelensis  bei  Schmeller-Frommann  I,  1561;  0.  Ru- 
land  13;  mächlich  in  Westenrieders  Beitr.  III,  121:  ein  tuch  von  Mecliel 
in  dem.  -ßtadtrecht  von  Brunn  389  u.  405 ;  in  den  Chroniken  der  D.  St. 
IV,  31;  bei  Fahne  Forsch.  I,  2,  59.  —  Z.  63  hiickisch,  von  huckeramf 
vergl.  Schmeller-Frommann  I,  207  von  wyssen  hiiggenscliin ,  381  hisso. 
pocken.schin -^  C.  Stolle,  Chron.  211°  hockschin;  Urkundenb.  von  Leipzig 
S.  312  hucksin  (a.  1464).  —  Z.  64  under schieben^  füttern;,  vergl.  Renner 
4495  untriuioe  —  einhalb  mit  eiden,  einhalb  mit  lugen  hat  sie  ir  veteck 
underschoben  (:  loben);  Stadtbuch  von  Augsburg  ed.  Meyer  S.  200  ez 
sol  niemen  cheinen  rindespüch  mit  cheime  stro  minder  schieben.  —  Z.  64 
harrisrock,  Rock  von  arraz  oder  harris,  Rasch,  vergl.  Lexer  Handwb.  — 
Z.  73  enczelne  lüchter,  Leuchter,  welche  nur  ein  Licht  zu  tragen  bestimmt 
waren.  —  Z.  73  banckpfol,  mhd.  bankpfnltve,  a.  1525  bankpfühle  in  Schött- 
gen  und  Kreysig  Diplom.  Nachlese  I,  309  und  310.  —  Z.  75  yngethüme, 
Hausrath,  Lexer  Handwb.  I,  1434.  —  Z.  75  neser,  Speisesack  zum  Um- 
hängen =  eser,  Lexer  Handwb.  I,  711  und  Glossar  zu  J.  Rothes  Chron. 
S.  700.  —  Z.  82  loirdirn,  würdern,  schätzen,  oft  in  der  Handschrift,  im 
Sachsenspiegel  loerderen. 

H,  Z.  4  radkaste,  Räder-  oder  Rollenkasten?  sonst  nur  in  der 
Mühle  vorkommend,  vergleiche  Vilmar  Id.  s.  v.  glint]  noch  in  Zeitzer 
Haudelbüchern  a.  1603  bis  1609.  —  schaffe,  sonst  schape,  schapfe,  vgl. 
Diefenb.  s.  v.  lebes^  patella.  —  Z.  5  unbeselt,  wenn  vom  Copisten  richtig 
geschrieben,  bedeutet  nach  meiner  Aufassung:  noch  nicht  mit  seien 
d.  h.  sileUj  Zugriemen  oder  Silenzeug  (wie  es  heute  noch  hier  im 
Osterlande  genannt  wird)  versehen,  vergl.  Lexer  Handwb.  II,  921  s.  v. 
sil]  dazu  das  Verbum  in  der  Wiener  Handschr.  der  Heiligen  Magda- 
lena fol.  80'':  er  hat  dtir  got  üf  geben  Swert  sper  unde  schilt  Vnd  hat 
zu  Jesu  sich  gesilt.  Dem  Zusammenhange  nach  könnte  man  aber  auch 
an  unbeschelt,  equae  non  initae  denken,  vergl.  D.  Wörterb.  I,  1544  s.  v. 
beschälen.  —  Z.  6  simnsmnfter,  dasselbe  Avas  sonst  im  Mhd.  verhermuoter, 


ALLERLEI  AUS  ZEITZER  HANDSCHRIFTEN.  333 

varhmtioter,  zuchtmuoter  heißt.  —  Z.  7  breche,  Flachsbreche,  findet  sich 
in  dem  Nordhäuser  Zollrodel  (aus  dem  Anfange  des  14.  Jhrh.)  in 
Förstemanns  N.  M.  III,  1,  23  =  Senkenbergs  Visiones  319.  —  reffel, 
mhd.  riffel,  vif  et,  die  Reffe  oder  der  Reffkamm,  vergl.  Weigand  s.  v. 
reffen  und  reffel.  —  hälrincke,  cremacula,  Kesselhaken-  oder  Ketteurink, 
vergl.  hälrinc  bei  Lexer  Handvvb.  I,  1154  =  hähelrinc^  dazu  das  Eiseu- 

achische  Rechtsbuch   bei  Ortloff  I,  S.  676 :  czu  erbe  gehört kessele, 

hooringen,  hoivestocke  u.  s.  w. ;  ebenso  in  dem  Rechtsb.  nach  Distinct. 
I,  7,  1 ;  II,  1,  19 :  sulde  dy  hdlringe  ( Var.  hokinge)  czu  deme  huse  gehoryi, 
so  muste  der  kessel  ouch  dorczü  gehorn,  unde  des  ist  nicht;  wen  dy  hdl- 
ringe ist  deme  kessele  gehangen  czu  notdorff  unde  nicht  deme  hüse.  — 
Z.  17  ich  oft  in  der  Handschr.  =  icht,  wie  nich  ■=  nicht\  so  auch  in 
den  osterländischen  Novellen  bei  Haupt  Altd.  ßl.  I,  354,  Z.  9  daz  ich 
=  ne  forte  und  nicht  minder  in  dem  md.  Schachbuch  ed.  Sievers 
260,29  (nach  der  Handschr.);  338,  4;  339,  25;  370,  30  (nach  der 
Handschr.)  und  sonst  in  osterländischen  Quellen  nicht  selten.  —  Z.  17 
noch  ir  geslagen  sieht  fast  aus  als  hätte  der  Schreiber  in  seiner  Vor- 
lage noch  ir  gelän  gehabt  und  dieses  für  noch  ir  geslan  angesehen ; 
slahen  scheint  hier  aber  nicht  passend;  ohnehin  steht  das  richtigere 
in  Z.  23  und  28.  —  Z.  27  koreln,  adj.,  vergl.  Hildebrand  im  D.  Wort. 
V,  1795;  ferner  Urkundenbuch  v.  Leipzig  I,  S.  293  (a.  1463):  die  hure 
unde  wilde  frauwe  uff  dem  fryhen  hüße  sollen  nicht  tragen  korellen  snüre 

auch  kein  korellen  paternoster.  —  Z.  29  baren  jedenfalls  wieder 

vom  Abschreiber  verlesen  für  harten  =  borten ;  diese  Form  bei  Diefenb. 
6P  s.  V.  aureola,  barten  und  62"  auriphrygium,  goltbart^  goltbarde-  ferner 
in  einer  Urkunde  von  Speyer  (a.  1365)  im  Anzeiger  f.  K.  Neue  Folge 
III,  201 :  dehein  gtddin    oder   silberin    barte  und  175  keinen  barthenrock. 

—  Z.  30    piisfe   (ebenso  Z.  36),    vergl.   Diefenb.  473'  imluinus,   puste. 

—  Z.  35  lihet,  liegt,  wie  liet  in  der  Griseldis  ed.  Schroeder  41,  28  und 
lul  (:  cz7d)  in  Rothes  RSpiegel  1376.  —  Z.  38  gesotten  garn,  vergl.  das 
Sachs.  Weichbildrecht  ed.  Daniels  und  Gruben  97,  47  Iren  unde  ßachz, 
garn^  roe  und  gesoten  =  linum,  filum  omne  nervatum  (Hs.  nereatuni), 
sive  sit  dealbatum  sive  non-^  Schöttgen  u.  Kr.  Diplom.  Nachlese  I,  308 
garn  gesotten  und  ungesotteM\  Weist.  III,  630;  IV,  274.  —  Z.  43  hempze, 
ein  Getreidemaß,  vergl.  Dreyhaupt  Beschr.  des  Saalkreyses  I,  815: 
sex  mensurae  tritici  et  totidem  ordei,  quae  heymetzen  Hallenses  vulgariter 
appellantiir  (a.  1272);  in  einem  Lehnbuche  des  ehemaligen  Zeitzer 
„Jungfrauenklosters"  (16.  Jahrh).  128":  er  gibt  dem  hirten  1  heynitzen 
körn;  136'':  vier  heymitzen  vharhaffer  und  2  heymitzen  scherhaffer;  138* 
2  heymitzen  feit;  140''  ein  gehaufft  heimitzen  feit;  drey  heimbzen  hopffen 


334        BECH,  ALLERLEI  AUS  ZEITZER  HANDSCHRIFTEN. 

in  einer  osterländischen  Urk.  von  1616;  einen  heimßen  czxoihheln  hört 
man  heute  noch;  im  Mnd.  lautete  es  hemete,  vergl.  Ernst  von  Kirch- 
berg 724:  von  yeder  hiifeii  dy  gesworne  gäbin  da  ses  mäz  von  körne  und 
achte  mäz  von  havergelde,  daz  mäz  yn  dütschem  ich  hy  melde,  hemeie  ist 
daz  mäz  genant\  dazu  Diefenb.  201''  emina,  hempte  und  Adelung  s.  v. 
heimzen  und  himten,  Lübben  Mnd.  Wort.  II,  238".  —  Z.  44  über  brechen 
swv.  vergl.  Grimm  D.  W.  II,  351. 

Der  dritte  und  der  vierte  der  oben  mitgetheilten  Abschnitte 
stammen  ebenfalls  aus  einer  Handschrift  der  hiesigen  Capitularbiblio- 
thek.  Ihrem  Hauptinhalte  nach  bildet  dieselbe  eine  Sammlung  latei- 
nischer Sermonen  auf  die  verschiedenen  Sonn-  und  Festtage  des  Jahres ; 
hie  und  da  sind  längere  oder  kürzere  deutsche  Stellen  eingeflochten. 
Die  ältesten  Bestandtheile  scheinen  gegen  1400  geschrieben.  Der 
frühere  Besitzer  derselben,  der  sich  als  Laienpriester  zu  „Prestorf"  bei 
Zeitz,  Namens  Georgius  Law,  wiederholt  darin  verewigt  hat,  nicht  nur 
durch  Einschreibung  seines  Namens,  sondern  auch  durch  lateinische 
Randbemerkungen  und  durch  mehrere  theils  lat.  theils  deutsche  Zu- 
sätze^ besaß  sie  ungefähr  vom  Jahre  1470  ab.  Zu  den  Zuthaten  von 
Law's  eigener  Hand  gehört  auch  der  oben  mitgetheilte  Segen  wider 
die  Mäuse,  während  die  Predigt  auf  das  Allerheiligenfest  nach  Schrift 
und  Sprache  noch  zu  den  älteren  Theilen  zu  zählen  ist.  Die  Stelle, 
welche  dem  ersteren  dieser  Stücke  mitten  unter  den  Sermonen  ein- 
geräumt ward,  lässt  vermuthen,  daß  dasselbe  gleich  den  Predigten  zu 
geistlichen  Zwecken  von  Law  verwendet  wurde,  wahrscheinlich  also 
zum  Besten  der  Parochianen,  so  oft  sie  in  ihren  Vorrathskammern  oder 
Scheunen  von  leidigen  Gästen  heimgesucht  wurden  und  zur  Besprechung 
derselben  sich  an  ihren  geistlichen  Hirten  wandten.  Mit  Rücksicht 
auf  diese  Bestimmung  ist  es  wohl  gekommen,  daß  der  Segensspruch 
im  Munde  des  Geistlichen  vieles  von  seiner  ursprünglich  unkirchlichen 
Form  eingebüßt  hat,  namentlich  durch  die  Einstreuung  biblischer 
Ausdrücke  in  seinen  Reimverbindungen  gestört  worden  ist,  abgesehen 
davon,  daß  seine  Aufzeichnung  auch  sonst  eine  sehr  flüchtige  und  iu- 
correcte  war. 

III,  Z.  4 — 5  sind  offenbar  verderbt;  vielleicht  alles  was  von  mey 
sin  hinne  (:  koniginne)  oder  alles  icas  man  meyse  hinne  finde,  statt  alles- 
das  hoss  von  meysin  hynne  finde.  —  Merkwürdig  sind  die  Ausdrücke 
zmgenant,  koning  u.  konigynn,  mit  denen  sicherlich  verschiedene  Unge- 
ziefer bezeichnet  werden;  über  ungenant  lese  man  nach,  was  die  Ver- 
fasser des  Mhd.  Wörterb.  IP,  312  und  Schmeller-Frommann  I,  1747 
darüber  zusammengestellt   haben;   über    koning  oder  könig   findet   sich 


BÄCHTOLD,  DEUTSCHE  HANDSCHRIFTEN  IN  PARIS.  335 

einiges  bei  Hildebrand  im  D.  W.  V,  1700,  das  hierher  gehört.  —  Z.  6 
muß  es  heißen  on  ore  fuße  für  ore  om  fuße',  auch  das  Folgende  ist 
entstellt,  etwa :  das  sy  nynder  keyne  narunge  hynne  sullen  finden  noch 
spyße.  —  Z.  14  ist  leher  auffällig,  da  es  in  dem  gleich  darauf  folgenden 
Abschnitte  Z.  16  noch  einmal  vorkömmt.  An  der  einen  oder  der  andern 
Stelle  muß  ursprünglich  ein  anderes  Wort  gestanden  haben.  Auffallend 
ist  ohnehin,  daß  der  zagel  oder  ztl,  der  köpf,  die  zende  der  Mäuse  un- 
erwähnt geblieben  sind.  Oder  war  vielleicht  das  letzte,  die  zende,  der 
hier  übersehene  Ausdruck?  Dieß  würde  wenigstens  passen  als  Reim 
zu  ende,  mit  dem  die  Periode  schließt. 

IV,  Z.  10  hüch  der  heymlicheit ,  vergl.  Diefenb.  40"^  opocalypsis. 
—  Z.  24  missestalt,  deformitas,  fehlt  bis  jetzt  im  mhd.  Wörterbuche.  — 
Z.  41  hymmelstrübil  ist  bis  jetzt  unbelegt  gewesen.  —  Z.  51  gefrüst,  md. 
Form  —  mhd.  gefritiset,  friert,  Mhd.  Wörterb.  III,  413'. 

ZEITZ,  Januar  1875.  FEDOR  BECH. 


DEUTSCHE  HANDSCHRIFTEN  IN  PARIS. 


Es  dürfte  nicht  ohne  Interesse  sein,  eine  kurze  Nachricht  über 
die  deutschen  Handschriften  der  Pariser  National-Bibliothek  zu 
vernehmen,  zumal  der  von  Michelant  verfasste  Katalog  nicht  gedruckt 
ist.  Derselbe  enthält  24^  Nummern,  zu  denen  übrigens  noch  andere 
hinzugekommen  sein  mögen.  Im  Winter  1872  legte  ich  mir  die  folgen- 
den Notizen  an  über  diejenigen  Manuscripte,  die  ich  für  bemerkens- 
werth  hielt,  aber  nur  flüchtig  gesehen  habe*). 

Ms.  all.  33.  (7832*^)  Legende  von  den  hl.  drei  Königen. 
Pphs.  aus  dem  Ende  des  XV.  Jh.  Wohl  nach  dem  Lateinischen  des 
Johann  von  Hildesheim.  Andere  Prosaverdeutschungen  derselben  Le- 
gende: in  Heidelberg  und  Basel.  Vgl.  Wackernagel^  die  altd.  Hss. 
der  Basler  Un.  Bibl.  p.  58,  und  eine  Probe  im  Lesebuch  1.  Aufl.  Sp.  727. 
In  München:  cgm  5134  f.  90—160,  von  latin  zu  tutsche  braht  1405; 
in  der  Stiftsbibl.  St.  Gallen  sind  nicht  weniger  als  vier  Hss.  Nr.  594, 
628,  985  und  987. 


*)  Die  Handschriften  tragen  neue  Signaturen,  so  muß  man  Ms.  7266,  den 
Minnesingercodex,  als  Ms.  all.  32  verlangen.  Das  Vergnügen ,  das  sein  Anblick  er- 
wecket, ist  immer  noch  wie  zu  Bodmer's  und  Breitingers  Tagen  „von  den  empfind- 
lichsten". 


336  BÄCHTOLD 

Ms.  all.  35.  (2947)  Heiligenlegenden,  niederdeutsch. 

Ms.  all.  108(7834)  Seh  ächz  abelbuch  des  Konrad  v.  Ammen- 
hausen. Schöne  Pphs.  (Schluß  daraus  mitgetheilt  in  Graffs  Diutiska 
III,  450  fF.)  Die  vielen  Hss.  dieses  Reimwerkes  zum  Theil  in  v.  d. 
Hagens  Grundriß  p.  426  verzeichnet.  Auch  die  Arsenalbibl.  besitzt  es 
und  das  Brit.  Mus.  in  add.  ms.  16616.  (Bilderhs.) 

Ms.  all.  113.  (5551)  Das  gegenwürttig  Püechel  wird  genant 
splendor  solis  oder  sonnenglanntz,  Tayltt  sich  Inn  siben  Tractat,  Durch 
wellich  beschrieben  würdt  die  künstlich  Würckhung  des  Verporgenen 
Steins  der  altten  Weysen  etc.  Pghs.  mit  schönen  Miniaturen. 

Ms.  all.  114.  (7267)  Chronica  antiqua  rhythmis  germanicis, 
quam  auctor  dicit  se  ex  libro  latino  Gotfridi  Bitterniensis  (sie!)  deprom- 
sisse;  ab  orbe  condito  usque  ad  tempora  Josuae,  in  versus  germ.  trans- 
lata  jussu  Henrici  Lantgrauii  Thuring.  Pphs.  153  Bl.  in  fol.  Es  ist  dieß 
eine  unvollendete  Abschrift  der  Weltchronik  von  Rudolf  von  Ems  nach 
Gottfried  von  Viterbo.  (Siehe  Graff  Diutiska  I,  75.) 

Ms.  all.  115.  (1060^)  Hartmanns  Iwein,  der  Ritter  mit  dem 
Löwen  187  Bl.  in  gr.  Quart.  Pphs.  des  XV.  Jh.  Das  erste  Blatt  zer- 
rissen. Schluß:  Hie  hat- der  ritter  mit  dem  lewen  eyn  ende  |  Gott  uns 
sinen  gnade  sende.  Diese  leider  nur  oberflächlich  gesehene  Hs.  ist 
von  Benecke-Lachmann  nicht  benutzt  worden  und  scheint  unbekannt, 
wenigstens  ist  sie  bei  Schade,  Altd.  Lesebuch  p.  196  nicht  verzeichnet. 

Ms.  all.  116.  (1198)  Der  Renner  des  Hugo  von  Trimberg; 
beendigt  den  7.  April  1439.  Auch  im  Brit.  Mus.  add.  Ms.  Nr.  24280 
(15.  Jh.  Pphs.)  vorhanden. 

Ms.  all.  118.  Fragmente  deutscher  Hss.  des  XHI.  u.  XIV.  Jh. 
gesammelt  von  Ob  erlin.  a)  2  Perg.  Bl.  in  gr.  Oct.  Anf. :  Er  bot  den 
snabel  an  das  gevider  |  Da  ane  was  daz  spengelin  |  Er  sprach  vil  liebe 
frowen  min  |  Nu  sist  der  warheit  ermant  etc. 

h)  2  Pg.  Bl.  des  XIV  Jh.  Stücke  aus  Megenbergs  Buch  der  Natur 
enthaltend,  sie  beginnen  mit  39,  9  Pfeiffer. 

c)  4  Pg.  Bl.  aus  Strickers  Karl  v.  2525  B.  an: 
Und  sollen  uf  uns  ritten 
Genelun  sprach  ich  wil  iuch  bitten. 

Ms.  all.  134.  Güldenes  Tugendtbuch  und  Trutznachtigal 
von  Friedrich  Spee.  Schöne  Pphs. ;  geschrieben  1640  von  Leonardus 
Gülichius  Benedictinus  Bi*auAveilerensis.  Die  erste  Ausgabe  der  bd. 
Sammlungen  erschien  erst  Cöln  1649. 

Ms.  all.  135.  Das  Manuscript  von  Fulda-Reinwald-Zahns  Aus- 
gabe des  Ulfila  1805. 


DEUTSCHE  HANDSCHRIFTEN  IN  PARIS.  337 

Ms.  all.  140.  Schwabenspiegel.  Anmerkung  Oberlins:  „Diesen 
Schw.  Sp.  hab  ich  im  Jahre  1783  in  einer  Kiste  voll  alten  Pergaments 
gefunden,  welches  wirklich  sollte  zu  Leim  gekocht  werden  xind  also 
vom  Tode  gerettet."  Die  Hs.  gedr.  bei  Schilter  Thes.  IL  (Eine  andere 
Pariser  Hs.  bei  Graff  Diut.  IIL  454  u.  ff.) 

Ms.  all.  155.  Cölner  Chronik  in  Versen. 

Ms.  all.  192 — 204.  Die  literar.  Correspondenz  Oberlins,  die  wahr- 
scheinlich des  Interessanten  noch  viel  enthält. 

Ms.  all.  206.  Bruder  Philipps  Marienleben.  Pghs.  des 
XIV.  Jh.  80  Bl.,  jede  Seite  zu  2  Colonnen  mit  abgesetzten  Versen.  Ohne 
Titel.  Vor  dem  Anfang  des  Gedichtes:  Dye  gnade  des  heilgin  geistis 
si  mit  vns  amen. 

Maria  müder  kuueginneu 
Aller  der  werlde  loserinnen 
Verlieh  mir  solicbe  synne 
Daz  ich  dissis  buchelinis  beginne  etc. 
Schluß :  Alle  die  an  diseme  buche 

Lesent  der  gnade  ich  suche 
Daz  si  wellen  haldin  stedo 
Durch  got  mich  an  irrae  gebede 
Vn  biedin  Jhesum   daz  er  sich 
Welle  erbarmen  über  mich. 
Peder  sch'ber  bin  ich  genant 
Got  ist  mir  leider  vnbekant. 
Geschriben  han  ich  iz  mit  minre  haut 
Dez  habe  got  vii  sin  lie(be)  müder  da(nc) 
Daz  er  mir  die  sinne  hat  uerluwen 
Dez  danke  ich  yn  myt  truwen 
Nu  sat  diz  selbe  büchelin 
Sante  iosep  was  maner  myn 
Der  marien  hüder  was 
Die  ihs.  godis  sun  genas 
Der  selbe  ihesus  müz  vns  gebin 
Trost  durch  sin  müder  lebin 
Marien  lebin  get  hie  vz 
Nu  helfe  vns  ir  kint  Jhesus.  Amen. 
Qui  schripsit  scribat  et  longo  tpe  viuat.  Amen. 
Dieser  Epilog  ist  deÜwegen  nicht   uninteressant,   weil  sich  darin 
der  Abschreiber  Peter  Schreiber  an  Stelle  des  Dichters :  brader  Philipp 
bin  ich  genant,  verewigt.    Zu  diesem  Zweck  mussten  dann  einige  un- 

GERMANIÄ.  Neue  Keihe  VIII.   (XX.  Jalirg.)  22 


338  BACHTOLl) 

geschickte  Verse  eingeschoben  und  V.  10126  (bei  Rücksrt):  ze  Seitz 
ditz  selbe  büechelin  in  das  unverständliche:  nu  sat  etc.  geändert 
werden.  —  Hier  sei  noch  auf  eine  Londoner  Hs.  desselben  Gedichts 
add.  Ms.  10,  432  (XIV.  Jh.)  hingewiesen.  Anfang  und  Schluß  fehlen.  Die 
Hs.  beginnt  mit  v.  1242  und  schließt  mit  v.  9632. 

Ms.  all.  214 — 18.  Sammlung  von  204  deutschen  Urkunden 
des  XHI.  bis  XVIII.  Jahrh.  v.  Oberlin. 

Ms.  all.  219.  Correspondenz  v.  Faulhaber. 

Daneben  liegen  unter  den  deutschen  Hss.  der  Nat.  Bibl.  die 
Papiere  von  Winkelmann,  (Nr.  56 — 76.  Darunter  eine  Sammlung 
italienischer  sprichwörtl.  Redensarten  und  Idiotismen  etc.  etc.),  die 
wohl  schon  benützt  sind,  und  —  um  mit  einem  noch  moderneren 
Manuscript  abzuschließen  —  der  Kosmos  v.  Humboldt  (siehe  Allg. 
Ztg.  Jahrg.  1872,  Nr.  182). 

In  Graffs  Diutiska  III,  450  u.  ff.  sind  12  deutsche  Handschriften 
aus  der  jetzigen  Nat.  Bibl.  verzeichnet. 

In  der  Arsenalbibliothek  zu  Paris  befinden  sich  ebenfalls 
deutsche  Handschriften,  aber  nur  in  kleiner  Zahl;  sie  tragen  noch  die 
Nummer  von  Haenel's  Katalog.  Unter  denselben  wäre  Ms.  allem.  7 
der  große  Prosaroraan  von  Lanzelot  hervorzuheben: 

Historien  und  Beschicht-Buch  des  hoch-  und  Weytberüembten 
Ritters  Herren  Lannzelots  vom  Lac.  Darinnen  vermeldet  wirdet,  was 
Er  inn  Zeytt  seins  Lebenns  beueben  andernn  Ritterlicher  Thaten  und 
Abenthewernn  geendet  und  vollbracht  hat.  4  Bde.  in  gr.  Fol.  Pphs.  Im 
ganzen  925  Bl.  Am  Schluß:  scriptum  et  finitum  per  me  Christophorum 
Crispinum  12  Sept.  ann.  sal.  1576. 

Daselbst  befindet  sich  als  Ms.  all.  6  eine  Pphs.  aus  dem  Anfang 
des  XV.  Jh.,  das  so  häufig  vorkommende  Schachzabelbuch  des 
K.  V.  Ammenhausen.  Der  Schreiber  des  Gedichts,  Michel  Scberer  von 
Straßburg^  erlaubt  sich^  von  seiner  Arbeit  mit  Recht  gelangweilt,  zahl- 
reiche Randglossen,  die  oft  recht  ergötzlich  sind,  er  flicht  Volksreime 
ein,  übt  sich  mitunter  wohl  selbst  in  der  Poeterei.  Manches,  wie  z.  B. 
die  Bemerkungen  über  den  Raubzug  der  Armagnaken  unter  dem 
Dauphin  Ludwig,  wurde  erst  später  eingetragen.  Eine  Blumenlese  möge 
hier  folgen: 

Michel  Scherer  schreip  dis  buch  noch  gottes  geburt  1418,  bittent  got 
für  in,  gesessen  uf  sant  stefl'ens  plen  zu  Strosburg. 

0  Mensch  höre  diese  wort!  Hette  ich  die  Wissheit  Salomonis,  und  die 
Sterke  Samsonis,  und  die  schöne  Absolonis,  und  daz  lange  leben  Enoch,  und 
den  richtiim   Cresy,  und   die  frumkeit  Alexanders:   Was  hilffe  mich  das  nu  alles, 


DEUTSCHE  HANDSCHRIFTEN  IN  PARIS.  339 

60  myn  sele  würde  gepinget  in  der  hellen  von  den  tüfeln  vnde  der  lip  wurde 
den  wurmen  geben? 

We,  we,  we  allen  den  menschen,  die  durch  einen  kurzen  gelust  des  libes 
verlierend  verlierend  die  ewige  fröude !  —  Sprüche  aus  Salomon,  Chrysostomus, 
Paulus,   St.  Bernhard   etc. 


Wer  zehen  wurste  wol  bereit 

Und  zu  jeder  wurst  ein  wecken  gekeit,^) 

Und  darzü  eine  flesche  mit  win: 

Do  mohte  daz  kuntzilium  zu  Kostanz  sin. 


Mir  ist  nach  der  zarten  we, 

Das  machet  f.  v.  t.  (d.  h.  fut,  cunnus). 


So  liep  zu  liebe  nit  mag  kommen, 
Do  wurt  fröideu  vil  benomen. 


0  hl.  Sant  Sebastianus,   bit  für  mich  den  allmehtigen  got  für  den  jemer- 
lichen  gepresten  der  bülen  vnd  der  bleter  durh  diner  big.   martel  cre. 


Unmvit  düt  we, 
Armut  noch  vil  me. 
Doch  geselle  nit  verzage: 
Glücke  kumet  alle  tage! 


Ich  hat  einen   bülen,   daz   wente  ich. 
Die  hat  ein  andern,  daz  weis  ich : 
Nu  hüt  der  selbe  geselle  sich^ 
Daz  si  in  nit  beschisse   also  mich**). 


Die  ich  in  meinem   hertzen  trage, 
Die  sehe  ich  gerne   alle  tage. 

Den  besten  friunt,   den   iemant  bat 
Daz  ist  der  pfenning  an  früudes  stat. 


Ein  gut  geselle  ist  ein  slitte  an  dem   woge. 


I 


Menger  lachet  den  andern  an, 
Er  wolt  sin  herze  gessen   hau. 

0  edele  maria,  gottes  müter  vnd  reine  maget  vber  alle  megede,  vnd  ein 
gebererin  des  lebenden  gottes  sun  vnd  ein  trost  aller  armen  menschen!  bit  für 
mich   armen  schriber  dis  buches,    edele  maget  maria,  durch   diues  lieben  suues 


L 


*)  Wühl  zu  allemanniseh:  §cheien,  werfen. 
**)  Dieser  Spruch  auch  im  Liedersaal  111.   205. 

22* 


340  BÄCTITOLD.  DEUTSCHE  HANDSCHRIFTEN  IN  PAUIft. 

willen,  mynes  pottes  und  mynes  berren  Jesu  Chiisli  willon  und  bis  mir  helffcnde 
an  mynem  ende,  so  min  sele  von  myne'm  libe  scheiden  sol.  Daz  bitte  ich  dich, 
zarte,    edele  und  reine  Maria.  —  Im  herbeste.   M.   Scherer. 


Es  wil   nit  her 

Daz  ich  beger; 

Und  was  ich  nit  mag , 

Daz  begegent  mir  allen  tag. 

Ich  wollte,    daz    der    telffin    mit    sinen    gesellen  wei-e    in  der    hellen  und 
ouch   der  küng  von  frankrich! 


Salomon  sprichet:  Es  ist  besser  wonende  mit  dem  löwen  vnde  mit  dem 
seherpione  und  mit  den  slangen  vnde  mit  den  vei-gifFtigen  wurmen,  dan  mit 
einem  bösen  wibe. 


"Wer  mit  eren  wil  wesen,   der  sol  mit  sinen  nachgeburen  in  friden  wesen. 


Klein  ist  min  gut, 
Hoch  ist  mir  der  müt; 
Klein  ist  min   gewin , 
Krank   sint  min    sin ; 
Von  wem  ich   niht  enhan. 
Der  sol  mich  vngehrt  lan. 

Küng  Karl  von  frankreich  vnd  din  sun  Ludewig,   daz  iuch   der  tüfel  neme, 
wie  hant  ir  so   vil  lütes  verderbet  an  libe  und  an  gute! 


Da  man  zalte  von  gottes  geburte  1443  jor  in  dem  ogeste,  do  kam  der 
telfin,  der  snöde  man,  in  erlsaz  mit  grossem  volk  der  mörder  und  der  Schacher 
vnwiderseit. 

Letztes  Blatt  zerrissen.   Am  Schluß; 

Das  volk  das  schrey, 

Der  pfafFe  sang, 

Man  begrup  den  man. 

Die  glocke  klang. 
SOLOTHURN.  J.  BÄCHTOLD. 


MAETENÖ,  NIEDEESÄCHSISCHE  FASTENANDACHT.  341 


NIEDERSÄCHSISCHE  FASTENANDACHT. 


Das  liier  zum  theilweisen  Abdruck  gebrachte  niedersächsische 
Schriftwerk  findet  sich  in  einem  Gebet-  und  Andachtsbuche  aus  dem 
Ende  des  14.  oder  Anfang  des  15.  Jahrhunderts.  Es  hat  Sedezformat, 
besteht  aus  270  Blättern  und  ist  von  mehreren  Händen  geschrieben. 
Es  enthält  Gebete  an  Gott,  Christus  und  den  heil.  Geist,  an  die  Jung- 
frau Maria,  auch  „en  gud  bed  jegen  de  pestilencien",  in  welchem  „de 
hilghe  ridder  simte  Jürgen",  dann  Sebastianus,  Antonius,  Christophorus 
und  Rochus  zur  „bescharminghe  vor  den  hastigen  snellen  doth"  an- 
gerufen werden,  und  Gebete  an  St.  Mauritius  und  Maria  Magdalena. 
Neben  diesen  Gebeten  enthält  es  zunächst  von  p.  56 — 234  eine  Fasten- 
andacht, dann  die  Passiousgeschichte  nach  dem  Evangelium  Johannis 
und  eine  Anzahl  geistlicher  Betrachtungen,  in  denen  namentlich  „sunte 
Augustinus,  de  sote  lerer  sunte  Bernardus"  und  „byscop  Albert,  de 
wise  meyster"  genannt  werden.  Unter  diesen  Betrachtungen  kommt 
p.  447 — 450  auch  die  Beschreibung  der  Person  Christi  vor,  welche  ich 
in  der  Germania  XII,  103  veröffentlicht  habe. 

Die  schwarze  Schrift  ist  vielfach  mit  rother  unterbrochen.  Die 
Initialen  sind  sämmtlicli  roth. 

Das  Buch  ist  für  ein  Nonnenkloster  geschrieben  worden. 

Was  die  Fastenandacht  selbst  betrifft,  so  bemerke  ich  nur  kurz, 
daß  sie  vollständig  die  Zeit  vom  Sonntage  Septuagesimae  bis  zum 
stillen  Freitage  incl.  umfasst.  Betrachtungen,  die  an  die  Pericopen  oder 
an  Institutionen  der  Kirche  sich  anschließen,  wechseln  mit  Gebeten. 
Das  ganze  Werk  kann  in  dieser  Zeitschrift  nicht  wohl  mitgetheilt 
werden;  es  sind  deßhalb  drei  Stücke  ausgewählt,  die  als  Proben  dienen 
mögen. 

Die  Abschrift  stimmt  genau  mit  dem  Originale.  Die  Interpunction 
habe  ich  eingefügt. 

Pag.  59-63: 

AUeluia ! 

Dat  is  de  alder  soteste  vu  vrolikeste  sangh 
Vn  alle  des  hemmeis  seyden  klangh. 

Des  ersten  sondaghes*),  wan  dat  Alleluia  locht  is,  so  bedenke, 
leue  mynske,    dat  in    desscr  tyd  de   hilghe  korke  begheyt^  wo  Adam 

'i  Scptuag^esim.ie. 


342  MARXENS 

vth  dem  paradyse  worpen  wart,  darvmme  singhet  me  nu  nicht  mer 
dat  Allcluia  vn  Gloria  in  excelsis  vn  allen  vroliken  sangk.  Ok  leth 
me  de  orgelen  stan,  dat  dar  nicht  mer  vp  ghespelet  wert;  men  wy 
scholt  vns  bedrouen  vn  bewenen  vnse  elende.  Wente  alle,  dat  wy  dat 
ghansc  jar  vorsumet  hebben,  schole  wy  an  dessen  daghen  bcriiwen  vn 
bewenen,  dat  wy  an  dem  vrolyken  Paschendaghe  vns  myt  gode  moghen 
vrouwen  vn  dat  vrolyke  Alleluia  sotlyken  singhen  vü  moten  vnse  vader- 
lanth  vroliken  anghan.  Darvmme  ghif  dy  tho  gode  an  desser  hilghen 
tyd  vii  nim  tho  sinne  de  wort,  de  ghelesen  werden  in  dem  hilghen 
Ewangelio,  dar  gheesket  werden  tho  gande  in  den  wingarden,  de  dar 
leddich  stan.  O  leue  mynsche,  hestu  dy  vorsumet  an  der  ersten  eskinghe, 
dat  is  an  dyner  kyntheyt  in  dyner  dope  vn  vermynghe,  do  du  den 
cristenlouen  entfenghest,  edder  in  der  anderen  eskynghe  an  dyner 
joghet,  do  du  myt  gode  vorenyghet  wordest  in  der  entfanghinghe  des 
hilghen  sacramentes,  effte  in  der  drudden  eschinghe,  do  du  tredest  in  den 
ghestlyken  orden:  Hestu*)  an  alle  dessen  vorsumich  ghewesen  wenta 
an  dessen  dach,  so  gha  nu  snelliken  in  den  wyngarden,  dar  du  hüte 
in  gheladen  werst.  God  de  vorsmadet  nemende,  wente  de  lesten  ent- 
fanghet  van  eme  lyke  Ion  alse  de  ersten.  Darvmme  snelle  dy  in  den 
kor,  wan  du  hörst,  dat  me  myssen  luth,  alse  effte  du  tho  der  stuat 
hörest  de  stempne  godes,  de  dy  segghe:  Gha  in  mynen  wyngharden, 
vn  wad  recht  is,  dat  wyl  ik  dy  gheuen.  Wau  du  in  den  kor  kumpst, 
so  rop  an  den  hilghen  ghest,  dat  he  dyn  herte  vorluchte  myt  syner 
gnade  vn  lis:  Veui,  sce  sps.  vn  dyt  naghescreuen  beth  myd  innycheyt 
dynes  herten: 

(Hier  folgt  ein  Gebet). 

Pag.  110—118: 

An  dem  sondaghe  tho  mytvasten**)  scholtu  dy  openbarlyken 
vrouwen,  wente  de  vasten  is  ouer  de  helfte  vii  id  nalet  sick  dem 
vroliken  Paschen,  alse  me  list  in  dem  Ewangelio:  Erat  proximura 
Pascha.  Dar  vmme  sprik  jeghen  dy  sulues :  Lat  vns  werdelken  snellen, 
tho  beghande  de  Paschelken  vroude. 

To  der  vroliken  missen:  Letare  iherusalem,  lichte  vp  de  oghen 
dynes  herten  in  den  hemmel  tho  der  ouersten  stad  iherusalem  vn  sprik 
in  groter  vrolicheyt:  0  du  ouerste  iherusalem,  du  segheuechtelke  kerke, 
alle  ghi  vterkoren  der  hemmelschen  stad  iherusalem,  de  gy  juwen 
vacht  hebbet  vullenbrocht,  vrouwet  jw   nu  vn   denket  vnser  in  juwer 


*)  Hier  setzt   der  Schreiber  mit   einem   großen  Anfangsbuchstaben  wieder  ein. 
**)  Laetare. 


NIEDEESÄCHSISCHE  FASTENANDACHT.  343 

vroude  vn  helpet  vns  vn  alle  der  cristenhevt  myt  juwem  bede,  dat 
wy  vnsen  vacht  ok  tho  enem  salighen  ende  bringhen.  Tho  hant  wert 
dy  en  atitwart  van  em  vn  segghet:  Gy  loueghen  mynsken,  de  gy 
vormiddelst  guden  werken  wandert  tho  der  ouersten  stad  iherusalem, 
maket  ene  samelinghe  alle  gy  de  de  stad  lef  hebben  vü  dar  begheret 
in  tho  kamende,  vrouwet  jw  myt  groter  vroude  vü  blideschup,  de  gy 
wesen  hebbet  in  groter  drofnisse  der  waren  ruwe  edder  juwer  eghen 
swarraodicheyt,  de  de  god  allene  bekant  is,  vppe  dat  gy  jw  noch  mer 
moghen  vrouwen  vii  gbesadighet  werden  van  den  brüsten  syner  trostinghe; 
legghet  jw  tho  syuen  rosenvaren  wunden  vn  sughet  dar  vth  honnich 
vn  melk,  dar  gy  van  ghetrostet  vn  sterket  werden. 

Wan  du  desse  trostliken  wort  hörst,  so  mochstu  segghen  in  groter 
vroude  de  wort,  de  me  singhet  an  dem  vreske*)  tho  der  missen: 
Letatus  sum,  dat  is  so  vele:  Ik  byn  ghevrouwet  in  den  worden,  de 
my  secht  syn.  In  dat  hus  des  heren  wil  wy  ghan. 

Dat  Ewangelium  in  der  missen  bescriflft  sunte  Johannes  vn  secht: 
Id  nalet  sik  deme  vroliken  Paschen,  vii  secht  ok  vordan,  wo  god  sede: 
Ik  wil  my  vorbarmen  ouer  de  schare. 

O  leue  mynsche,  hefstu  sus  langhe  wesen  in  bittercheyt  dyner 
eghenen  samwitticheyt,  nym  nu  trost  tho  dy.  Höre,  wo  mylde  dyn  vader 
is,  deme  du  denest,  he  enbeydet  dar  nicht  na,  dat  du  de  vasten  vor- 
vullet  hebbest,  men  he  kumpt  an  deme  middele  der  vasten  vn  wil  dy 
trösten  vn  lauen  vn  secht :  Ik  vorbarme  my  auer  de  schare,  de  myner 
gnade  dre  weken  ouer  beydet  hebben,  eft  ik  se  nu  hungherigh  ghan 
late  sunder  myne  gnade,  so  vorwerdet  se  in  dem  weghe.  So  bidde 
god  vmme  syne  gnade  vü  sprik  dit  beth: 

(Gebet). 

Desse  dach  wert  gheheten  en  dach  des  brodes  vmme  des  groten 
wundertekens ,  dat  god  dede  myt  den  vif  broden,  dar  he  vif  dusent 
lüde  mede  sadede,  so  dat  Ewangelium  vtwiset,  dat  hüte  lesen  wert. 
Ok  wert  desse  dach  gheheten  de  dach  der  rosen**),  wente  an  desseme 
daghe  dricht  de  Pawes  dor  de  stad  tho  Rome  twe  rosen***)  van  desem 
vH  balseme,  vii  darna  offert  he  de  enen  der  hemmelschen  koninghinne, 
den  juncvrowen  marien,  de  andere  ghift  he  enem  landes  heren,  de  dar 
jeghenwardich  is.  Offer  du  ok  dyne  rosen,  dat  is  dyn  innighe  beth, 
der  juncvrowen  Marien  vii  sprik: 

*)  =  verske. 
**)  Laetare,  Kosensonntag. 
***)  Die  Einführung  der  Rosenweihe  wird  dem  Papste  Urban  V.  zugeschrieben. 
Derselbe  soll  sie  zuerst  1360  vollzogen  haben. 


344  MARTKNS 

(Gebet). 

Pag.  129-135: 

An  deme  heylsameghen  sondaghe*)  wan  dat  lydent  godes  be- 
ghunt  wert,  so  steyt  moyses,  de  dener  godes,  vp  deme  stillen  der  nacht 
vn  ladet  myt  syner  bassunen  alle  eristenheyt  tho  samende  in  gheyst- 
licher  vroude  vü  secht  de  wort,  de  me  tho  der  motten  singhet:  Isti 
sunt  dies.  Dit  sint  de  daghe,  de  gy  holden  seholt  tho  ewighen  tyden. 
An  deme  verteynden  daghe**)  des  ersten  manen,  de  myt  vns  de  Oster- 
mane  wert  gheheten,  tho  deme  auende  is  de  hochtyd  de  de  Pasche 
wert  gheheten,  vn  in  deme  vofteynden  daghe***)  desses  manen  schole 
gy  beghan  de  hochtyd  des  alder  hoghesten  heren,  efte  he  segghen 
schole:  Nu  steyt  vns  an  de  begherlike  hochtyd,  de  god  an  der  figuren 
der  olden  ee  des  Paschelammes  heft  ghebaden  tho  beghande  tho  ewy- 
ghen  tyden  in  groter  werdicheyt,  vn  nu  bauen  alle  de  dechtnisse  syner 
vrolyken  vpstandinghe  der  eristenheyt  heft  ghebaden  tho  virende  vn 
tho  erende.  Wente  xpc  vnse  wäre  Paschelam,  de  sick  vor  vns  in  deme 
ghalghen  des  cruces  gheoffert  heft  vn  vns  vorloset  heft  vth  dem  hei- 
schen egyptenlande  vn  heft  vns  gheopenet  an  syner  segheuechtelken 
vpstandinghe  den  wech '  des  ewighen  leuendes  vn  heft  vns  ghebrocht 
au  dat  loue  laut,  dar  de  melk  syner  hilghen  mynscheyt  vn  dat  sote 
honnich  syner  godheyt  vlut,  dar  alle  vterkoren  van  ghesadighet  werden. 
Dar  vmme  vorhardet  nicht  juwe  herte,  men  beredet  jw  desse  verteyn 
daghe  vii  beghat  nu  de  tyd  synes  hilghen  bitteren  lydendes  in  groter 
innicheyt  vn  danknamicheyt,  dat  gy  dar  na  den  hochghelaueden  vro- 
lyken Paschen  in  groter  vroude  moghen  beghan. 

Tho  der  myssen  wert  ghelesen  de  Epistolen:  Xpc  assistens  pon- 
tifex.  Dessen  hoghen  werden  bischop  sette  vor  de  oghen  dynes  horten, 
eft  du  jw  thom  sestf),  wo  he  sta  an  enem  schonen  Roden  gharwe 
vor  deme  altare,  dat  is  vor  deme  angesichte  synes  hemmelschen  vaders, 
sik  suluen  tho  offernde  vor  vns,  myt  synem  duren  eddelen  blöde  vor 
vnse  sunde.  Tho  dessem  groten  bischope  trid  sekerken  vn  ofifere  eme 
dat  bernende  offer  des  loues  vii   der  dancksegginghe;   klage  eme  alle 


*)  Judica. 

**)  Der  14.  Nisan,  der  Abend  vor  den  jüdischen  Ostern,  ist  geraeint,  die,  wie 
die  christlichen  Ostern,  meistens  in  den  April  fallen,  der  daher  der  Ostermonat 
genannt  wird.  Die  ganze  Stelle  ist  in  Betreff  der  Zeitbestimmung  übrigens  sehr 
wenig  präcis. 

***)  Der  15.  Nisan.  der  erste  Tag  der  jüdischen  Ostern, 
t)  Diese  jedenfalls  fehlerhafte  Stelle  ist  mir  unverständlich. 


NIEDERSÄCHSTSCHE  FASTENANDACHT.  345 

dyne  noth,  he  is  wol  vorsocht  myt  lydende,  dar  vmme  kan  he  dy 
vorlichten  vn  sote  raaken  alle,  dat  dy  swar  wert.  He  steyt  myt  vt- 
reckeden  armen  vli  secht  lefliken:  Kämet  tlio  my  alle,  de  de  arbey- 
det  vn  beswaret  sin  myt  sunden,  vü  ik  wil  jw  vorquicken  vn  van 
jwwen  Sunden  losen.  Höre  ok,  wo  sotliken  he  vns  an  der  communien 
desser  missen  tho  syner  werschop*)  ladet  vn  secht:  Hoc  corpus,  dyt 
is  myn  lycham,  de  vor  jw  vorraden  werden  schal  vn  eues  smeliken 
dodes  steruen.  Dyt  is  de  kelk  des  nyen  testamentes  in  mynem  blöde. 
Dyt  dot  in  myne  dechtnisse.  So  sprik  myt  innicheyt  dynes  herten: 

(Gebet). 

Aus  den  übrigen  Stücken  der  „Fastenandacht"  sind  einige  be- 
merkenswerthe  Wörter  ausgewählt  und  zusammengestellt,  die  hier  noch 
einen  Platz  finden  mögen.  Nicht  meine  ich,  damit  das  mittelnieder- 
deutsche Wörterbuch  in  seinem  Wortschatze  zu  vervollständigen.  Aber 
das  vorliegende  Schriftstück  gehört  zu  den  älteren  seiner  Art;  eben 
deßhalb  erhält  das  folgende  Verzeichniss  einigen  Werth,  und  dürften 
die  ausgehobenen  Citate  als  ein  Beitrag  zum  Wörterbuche  erscheinen. 

Auname,  angenehm.  Ecce,  nunc  tempus  acceptabile.  Seth,  nu 
is  de  anname  tyd,  p.  85. 

arstedie,  Arzenei.  Vasten,  ...  der  menen  cristenheyt  tho  ar- 
stedye  der  sele  ghesettet,  p.  80.  Myn  vastent  sy  dy  anname  vii  myner 
sele  nutte  arstedye  jeghen  alle  suke  myner  sunde,  p.  83. 

behaluet,  umgeben.  He  was  behaluet  van  synen  vyenden,  p.  222. 

beruet,  barfuss.  Sine  leuen  jungheren,  ...  myt  berueden  voten 
volghet  se  eme,  p.  146. 

beuinghe.  Beben.  Killinghe  vn  beuinghe  dyner  hilghen  lede, 
p.  218. 

bigraft,  Begräbniss.  AI  dyne  leuen  vrunde  bewenden  dyne  alder- 
hilghesten  bygrafFt,  p,  232. 

bisproke,  Gleichniss.  Des  sondaghes  vor  vastelauende  so  wert 
ghelesen  in  dem  hilghen  'ewangelio  de  bvsproke:  Exiit,  qui  seminat, 
p.  68. 

boren,  gebühren.  Nos  autem  gloriari  oportet  in  cruce  domini 
nostri  etc,  Vns  boret  to  beghende  in  deme  cruce  vnses  heren  etc.,  p.  171. 

dunkelgude,  Pharisäer,  Heuchler.  Alle  dult  vn  sachtmodycheyt, 
de  du  had  best  in  allen  honspraken,  de  dy  de  quaden  joden  vü  de 
dunkelguden  tholeden  p.  107. 


')  Cf.  werschuppen,  in   dem  folgend'en  Verzeichniss. 


346  MARTENS 

Egenboren,  eigengeboren.  Hute  heft  de  hemmelsche  vader 
synen  eghcnboren  sone  nicht  geschont,|p.  231. 

enenboren,  eingeboren.  Du  willest  anseen  dynen  enenbornen 
sone,  p.  195. 

eutwiden,  erhören.  An  ropet  my,  vn  ik  wil  juv  entwyden,  p.  79. 

(F)  Vaken,  oft.  Ik  hebbe  vaken  jeghen  dyne  bode  vn  myne 
ouersten  ghebellet  alse  en  hunt,  p.  101.  Dit  is  m}  n  blot,  wo  vaken  gy 
dyt  entfangen,  so  dot  dat  in  myne  dechtnisse,  p.  173. 

vastelauend,  Fastnacht.  Des  sondaghes  tho  groten  vastelauende 
(=:  Sonntag  Esto  mihi  oder  Quinquagesimae)  desse  dach  wert  ghe- 
heten  de  veftigheste  dach,  wente  van  dessem  daghe  an  beth  an  den 
hogheloueden  Paschedach  rekenstu  veftich  daghe,  p.  72. 

vegevür,  Fegfeuer.  Myn  naturlike  dot  mote  wesen  myn  veghe- 
vür,  p.  234. 

vetticheit,  Fettigkeit.  So  behouestu  de  bitte  der  sunne,  de 
vetticheyt  vn  de  vruchtbaricheyt  des  ertrikes  van  binnen,  den  reghen 
vü  den  hemmelschen  dow  van  bouen,  p.  76. 

vordere  hant,  rechte  Hand.  Dextera  domini  fecit  etc.  De  vor- 
dere hant  des  heren  heft  ge werket  etc.,  p.  179. 

vordomenissc  Verdammniss.  Nu  sint  de  daghe  des  heyles,  we 
de  vorsumet,  de  moth  na  dessem  leuende  hebben  de  daghe  der  vor- 
domenissc, dar  god  vor  sy,  p.  85. 

vordunckern,  verdunkeln,  zu  sehen  aufhören.  Syne  oghen  vor- 
dunckert,  p.  225. 

vorhenge,  Vorhang.  Des  sunnauendes  *),  wan  de  hilghe  korke 
begint  tho  beghande  dat  lydent  godes,  so  behenghet  me  de  altare  myt 
rodem  vorhenghe,  p.  125. 

vorsaken,  verleugnen.  Sunte  Peter,  de  dy  vorsaket  hadde,  p.  93, 
We  na  my  kamen  wil,  de  vorsake  sik  suluest,  p.  190. 

vorsoren,  verdorren.  Dat  ik  nich  envalle  vppe  den  sten  vn 
vorsore,  p.  70. 

vor  spei,  Vorspiel.  Du  seult  dy  en  vorspel  maken  der  vroude, 
de  du  an  deme  thokumpstighen  veftighesten  daghe  hebben  schult, 
p.  73.  —  S.  Paschendag. 

vorstornisse,  Störung.  Sunder  vorstornisse  an  der  gnade  des 
hilghen  ghestes,  p.  58. 

vridach,  de  stille  =  stiller  Freitag,  Charfreitag.  De  allerbedrof- 
likeste  nacht  des  stillen  vrichdaghes,  p.  204. 


*)  Sonnabend  vor  Judica. 


I 


NIEDERSÄCHSISCHE  FASTENASDACHT.  347 

vrowesname,  Frau.  Du  hordest  ene  van  dem  cruce  to  dy 
sprekende :  vrowesname,  see  dyn  sone,  p.  230.  —  0,  vruwesname,  dyn 
loue  is  grot,  dy  sehe  alse  du  wult,  p.  103. 

Geiseln,  geissein.  Du  di'ogliest  an  dynem  vorwundeden  thoghey- 
selden  rugghen  dyn  sware  cruce,  p.  126. 

halsslagen,  an  den  Hals  schlagen.  Do  du  tho  der  sexten  tyd 
bist  halsslaghet,  gestot  vn  slagen,  p.  223. 

ho  misse,  Hochamt.  Dyt  naghescreuen  beth  lys  vnder  der  ho- 
myssen,  p.  155. 

honsprake,  Hohnrede.  S.  dunkelgude. 

honspreken,  verhöhnen.  Syne  vyende,  de  quaden  joden,  (de) 
ene  honsprakeden  vn  eme  vele  vnere  boden,  p.  220.  He  wart  ghe- 
brocht  van  enem  richtere  to  dem  anderen,  bespottet  vn  bespiget  vii 
honspraket,  p.  203. 

Jammerdal,  Jammerthal.  Dat  wy  in  dessem  jammerdale  ichtes 
wat  smecken  mochten  van  deme  trostliken  wort  vn  der  hemmelschen 
vroude,  p.  57. 

jum  =  iis.  VorgifF  id  jum,  wente  se  en  weten  nicht,  wat  se  don, 
p.  222. 

Killinge,  anhaltender  Schmerz.  S.  beuinge. 
klenad,  Kleinod.  Merke,  wo  groten  klenade  de  moder  der  hilghen 
kerken  vphud,  p.  56. 

krepen,  kriechen.  De  klenen  wormeken  des  ertrikes  krepet 
dar  in,  p.  76. 

kromeken,  Krümchen.  Men  ik  bidde,  dat  ik  mote  wolpes  wyse, 
vii  alse  en  klene  hundeken  vplesen  de  kromeken,  de  dar  vallen  van 
der  tafelen  dyner  gnade,  so  dat  ik  arme  wolpeken,  ik  vnwerdighe 
creature,  dor  wäre  ruwe  vii  othmodicheyt  van  den  kromeken  dyner 
gnade  wedder  werde  dyn  dochter  vii  dyn  kynt,  p.  102. 

leueken,  Liebchen.  Myt  dynem    leueken  xp5  jhü  in  siner  vro- 
liken  vpstandinghe,  de  beter  is  wen  ienich  vastelauendes  leueken,  p.  73. 
leggen,  beilegen,  d.h.  aufhören  lassen.  An  dem  sunnauende *), 
wan  me  dat  Alleluia  locht,  p.  56. 

luchtere  hant,  linke  Hand.  De  wunde  der  luchteren  band,  des 
luchteren  votes,  p.  92.  94. 

Mancket,  zwischen,  unter.  Dat  valt  by  den  wech,  mancket  de 
dorne,  p.  68. 


*)  Sonnabend  vor  Septuagesimae. 


348  MAKTENS,  NIEDEKSÄCIiSISCHE  FASTENANDACHT. 

Nachtsang,  der  klösterliche  cantus  nocturnus.  To  dem  nacht- 
sangli  betrachte  nu  de  bedroffnisse  jhü  x,  p.  189. 

Palm  entw ig,  Palmenzweig.  De  joden,  de  eme  thomote  ghinghen 
myt  denrgronen  palmentwyghen,  p.  141. 

Paschen  dach,  de  lutke  =:  Sonntag  Palmarum.  Desse  dach  wert 
ok  gheheten  de  lutke  Paschendach,  wente  he  is  en  vorspel  des  groten 
Paschedaghes,  p.  149, 

percessien,  Procession.  Gha  de  percessyen  myt  groter  innicheyt, 
p.   147.  De  percessyen  kumpt  wedder  in  den  kor,  p.  150. 

predekinge,  Predigt.  Kader  predekinghe  des  propheten,  p.  89. 

porteken,  Pförtchen.  Tho  iherusalem  is  en  dick,  vmmedan 
myt  vifF  porteken,  p.  90. 

Ranke,  Ranke.  Ik  byn  de  wäre  wynrauen  vü  gy  synt  myne 
ranken,  p.  190. 

Salichmaker,  Seligmacher.  Denke,  wo  dyn  salichmaker  in  deme 
cruce  ghehanghen  heft  myt  vtreckeden  armen,  lop  sekerken  tho  eme, 
p.   151. 

sekerken,  Adv.  sicher.  S.  salichmaker.  — Opene  nu  xpö  dyn 
herte,  trit  sekerken  to,  p.  170. 

Staltenisse,  Gestalt.  He  hefft  de  staltenisse  enes  knechtes  tho 
sik  ghenamen,  p.  152. 

Twigeken,  Zweiglein.  Dat  lemmeken  speiet  entjeghen  deme, 
de  id  dodeu  wil,    wan   he   eme    de   gronen   tvvygheken   wyset,  p.  141. 

Ummekring,  Umkreis,  Umfang.  An  deme  vmmekringhe  des 
dysches,  p.  164. 

vphuden,  aufbewahren.  Alleluia,  dat  in  der  hilghen  korken  nu 
wert  beslaten  vn  vpgehud,  p.  50.  —  S.  klenad. 

Wer  sc  huppen,  wirthschaften,  walten.  Myt  dy  werschuppen  an 
dyner  Paschelken  vroude,  p.  82.  Du  moghest  myt  my  werschuppen  vn 
ik  myt  dy,  p.  84.  —  Ik  bidde  dy,  dat  du  willest  myt  myner  sele  wer- 
schuppen, p.  163.  Werschuppe  du  \n  sprik  mit  dynen  vrunden,  p.  164. 

winpersen,  Weinpresse.  Do  du  vp  dynen  vorwundeden  schul- 
deren dyn  sware  cruce  droghest  vn  de  wynpersen  allene  tredest,  p.  126. 

winraue,  Weinrebe,  Weinstock.  S.  ranken. 

wolp,  wolpeken,  junger  Hund.  S.  kromeken. 

BREMEN,  im  März  1875.  H.  MARTENS. 


BLAAS,  VOLKSTHÜMLICHES  AUS  NIEDEKÖSTERREICH  ÜBER  TIIIEKE.     349 


VOLKSTHÜMLICHES  AUS  NIEDERÖSTERREICH 

ÜBER  THIERE. 

VON 

C.  M.  BLAAS. 

1.  Wenn  ein  Hund  heult,  geschieht  ein  UngUick*)  (Wien). 
2.  Wenn  der  Haushund  heult,  so  stirbt  Jemand  aus  dem  Hause '^) 
(Göllersdorf).  3.  Wenn  ein  Hund  heult  und  schaut  nach  oben,  so  bricht 
ein  Feuer  in  dem  Hause  aus,  wo  er  ist;  sieht  er  aber  nach  ui^ten,  so 
stirbt  Jemand  aus  demselben^}  (Stockerau).  4.  Wenn  die  Hunde  Gras 
fressen,  so  regnet  es  bald**).  5.  Hundeschmalz  hilft  gegen  die  Aus- 
zehrung (Sierndorf  bei  Stockerau). 

6.  Wenn  sich  die  Katze  putzt,  so  wird  schönes  Wetter  oder 
es  kommt  ein  seltener  Gast^)  (Stockerau).  7.  Wenn  die  Katze  Gras 
frisst,  so  wird  es  bald  regnen  ^)  (Stockerau).  8.  Wenn  in  einem  Hause 
eine  dreifarbige  Katze  ist,  so  bewahrt  sie  dasselbe  vor  Feuersgefahr  ') 
(Stockerau).  9.  Im  Hause  soll  man  keine  Katze  umbringen,  sonst  ist 
kein  Glück  in  demselben^)  (Höbersdorf).  10.  Wenn  ein  Mädchen  keine 
Katze  leiden  kann,  so  kann  sie  auch  keinen  Mann  leiden  (Göllers- 
dorf) 11.  Die  schwarzen  Katzen  können  kein  heiliges  Lied  singen 
hören  (Deinzendorf).  12.  Aus  einer  schwarzen  Katze  wird,  sobald  sie 
älter  wird,  eine  Hexe^)  (Deinzendoi-f).  13.  Wenn  eine  Katze  neun  Jahre 
alt  ist,  so  wird  sie  eine  Hexe  ^")  (Höbersdorf).  14.  Katzenschmalz  hilft 
gegen  die  Auszehrung  (Sierndorf  bei  Stockerau). 

15.  Damit  ein  Kind  leicht  zahne,  soll  eines  der  Angehörigen  des 
Kindes  einer  lebendigen  Maus  den  Kopf  abbeissen,  und  dieser  muß 
dann  dem  Kinde  um  den  Hals  gehängt  werden*^)  (Wien).  16.  Indem 
die  Kinder  einen  ihnen  ausgebrochenen  Zahn  nach  rückwärts  über 
den  Kopf  werfen,  sagen  sie :  „Maus,  Maus,  i  schenk  da  an  banan  Zahn, 
schenk  ma  an  eisan  Zahn!"  "^)  (Stockerau). 


»)  Vgl.    Grimm,    Myth.  I.  Ausg.,  Anhg.  LXXIV.  ')  Vgl.  Lütolf,  Sagen  der 

fünf  Orte  553.  ^)  Vgl.  Grimm,    Myth.  I.  Ausg.,    Anhg.  CLV.  ")  Vgl.  Wolf, 

Beitr.  z.  deut.  Myth.  I,  231.  *)  Vgl.  Schönwerth,  Aus  der  Oberpfalz  I,  358. 

*)  Vgl.  Birlinger,  Volksth.  a.  Schvv.  I,  117.  ')  Vgl.  Grohmann,  Abergl.  a.  Böhmen  55. 

*)  Vgl.  Grimm,  Myth.  I.  Ausg.,  Anhg.  LXX.  »)  Vgl.  Zingerle,  Tirol.  Sitt.  94. 

'")  Vgl.  Schönwerth,    Aus  der  Oberpfalz  I,  357.  ")  Vgl.  Grimm,  Myth.  I.  Ausg., 

Anhg.  XC.  ")  Vgl.  Simrock,  Deut.  Myth.  445. 


350  BLAAS 

17.  Wenn  man  ausgeht  und  es  läuft  einem  ein  Hase  über  den 
Weg,  so  hat  man  UngUick  ^). 

18.  Man  glaubt,  wenn  man  unter  das  Bett  eines  Gichtkranken 
ein  Meerfadl  gebe,  so  ziehe  dasselbe  die  Gicht  an  sich  und  der 
Kranke  genese*^)  (Sierndorf  bei  Stockerau). 

19.  Wenn  man  Schweinen  begegnet,  so  hat  man  Unglück^) 
(Stockerau).  20.  Wenn  einem  auf  dem  Wege  zu  einem  Besuche  Schweine 
begegnen,  so  ist  dieß  ein  Zeichen,  daß  man  dort  nicht  gerne  gesehen 
wird"*)  (Sierndorf  bei  Stockerau).  21.  Isst  man  am  Neujahrstage  einen 
Schweinsrüssel,  so  hat  man  das  ganze  Jahr  Glück")  (Wien). 

22.  Bei  festlichen  Gelagen,  z.  B.  nach  Jagden,  durfte  in  Litschau 
(Wald viertel)  ein  Wilds chweinkopf  nicht  fehlen,  welcher  mit  Ros- 
marin, Bändern  und  Blumen  geschmückt  auf  die  Tafel  gestellt  wurde  •*). 

23.  In  dem  Hause,  vor  welchem  ein  Pferd  wiehert,  ist  eine  Braut 
(Wien).  24.  Ein  gefundenes  Hufeisen  bedeutet  Glück')  (Wien). 

25.  Wenn  einem  Schafe  begegnen,  so  hat  man  Glück®)  (Siern- 
dorf bei  Stockerau).  26.  Wenn  man  Jemanden  besuchen  will  und  es 
begegnen  einem  Schafe,  so  ist  man  dort  gerne  gesehen^)  (Sierndorf 
bei  Stockerau). 

27.  Wenn  ein  junger  Stier  zum  ersten  Male  auf  die  Weide  ge- 
führt wird,  so  bekommt  er  einen  Kranz  zwischen  die  Hörner.  (Strous- 
dorf  bei  Ernstbrunn).  28.  Zum  Stier  sagen  die  Kinder: 

„Stiarjodl  bum,  bum, 

steß's  Hefarl  ued  um, 

steß's  aufi,  steß's  abi, 

steß's  nur  ned  in  Brunn!" 

[steß's  rundumadum!]  (Spillern). 
29.  Wenn  eine  Kuh  oder  Kalbin  aus  dem  Hause  gegeben  wird, 
so  reicht  man  derselben  Brod,  mit  Weihwasser  besprengt,  zum  fressen^"); 
zuweilen  erhält  sie  außerdem  zugleich  drei  geweihte  „Palmkatzln" 
(Sierndorf  bei  Stockerau).  30.  Wenn  das  Kalbl  von  der  Kuh  verkauft 
wird,  so  bekommt  die  alte  Brod  mit  Weihwasser  besprengt  zum  fressen 
(Sierndorf  bei  Stockerau).  31.  Die  erste  Milch  von  einer  Kuh,  welcher  ihr 
Kalbl  verkauft  wurde,  heißt  die  „Blazmilch",  und  wird,  nachdem  sie 
vorher  mit  Weihwasser  besprengt  wurde,  den  Armen  gegeben  (Siem- 


*)  Vgl.  Grimm,  Myth.  1079—1080.         ^)  Vgl.  Grohmann,  Abergl.  a.  Böhm.  58. 
^)  Vgl.  Schönwerth,   Aus   der   Oberpfalz  III,  273.  ")  Vgl.  Grimm,   Myth.  1081. 

^)  Vgl.  Vernaleken,  Alpcnsag.  343.  «)  Vgl,  Grimm  Myth.  195.  ')  Vgl.  Grimm, 

Myth..,  I.  Ausg.,  Anh.  LXXII.  «)  Vgl.  Kuhn,  Mark.  Sag.  387.  ')  Vgl.  Glimm, 

Myth.  1081.  '")  Vgl,  Birlinger,  Aus  Schwaben,  Neue  Sammig.  I,  403. 


VOLKSTHÜMLICHES  AUS  NIEDERÖSTERREICH  t'TBER  THIERE.        351 

dorf  bei  Stockerau).  32.  Wenn  eine  Kuh  aufhört  Milch  zu  geben  oder 
rothe  Milch  giebt,  so  sagt  man^  sie  sei  „verhext"  und  man  soll  im 
ersten  Falle  die  paar  Tropfen,  die  sie  noch  giebt,  im  zweiten  Falle 
die  rothe  Milch  in  einem  Rein  dl  aufs  Feuer  stellen  und  mit  einer 
Doadistl  peitschen;  das  gspürt  die  Hex  und  muß  kommen,  bittet  ab 
und  macht,  daß  die  Kuh  wieder  Milch  giebt,  wie  früher^)  (Deinzendo;f). 

33.  Wenn  man  ein  Rothschwanzl  fängt  oder  umbringt,  oder 
ihm  das  Nest  ausnimmt,  so  schlägt  der  Blitz  ein*^)  (Spillern).  34.  Wenn 
man  einem  Rothschwanzl  das  Nest  ausnimmt,  so  bricht  Feuer  aus 
(Spillern)  oder  es  wird  eine  Kuh  hin^)  (Pfösing).  35.  Wenn  man  ein 
Rothschwafl  umbringt,  so  geben  die  Kühe  Blut  statt  Milch  *)  (Döllers- 
heim). 

36.  Die  Schwalben  sind  heilige  Thiere^),  und  man  darf  weder 
ihnen  noch  ihren  Nestern  etwas  authun^).  37.  Wo  eine  Schwalbe 
nistet,  ist  Segen  Gottes'^)  (Wien).  38.  Wo  Schwalben  zufliegen,  ist 
Glück  ^)  (Stockerau).  39.  Man  soll  die  Schwalben  nicht  verjagen,  weil 
sie  einem  das  Glück  ins  Haus  bringen  (Langenlois).  40.  Im  Hause  wo 
Schwalben  sind,  schlägt's  nicht  ein^)  (Wald viertel).  41.  Das  Haus  wo 
Schwalben  ihr  Nest  bauen,  ist  vor  Feuer  sicher^")  (Waldviertel). 
42.  Wenn  in  einem  Hause  eine  Gotteslästerung  oder  eine  andere 
Frevelthat  geschieht,  so  kommen  die  Schw^alben  nicht  mehr,  um  zu 
nisten^')  (Wien).  43.  Die  Schwalben  sind  Muttergottesvögerln,  daher 
darf  man  sie  nicht  umbringen^-)  (Hippersdorf).  44.  Wenn  Jemand  eine 
Schwalbe  umbringt,  so  weint  Unsere  liebe  Frau,  weil  das  ihre  Vögel 
sind  (Stockerau).  45.  Wenn  man  eine  Schwalbe  umbringt,  so  kommt 
Unglück  über  das  Haus  ^•'^)  (Wolkersdorf  im  Gerichtsbez.  Wolkersdorf). 
46.  Wenn  man  ein  Schwalbennest  ausnimmt  oder  eine  Schwalbe  um- 
bringt, so  bricht  Feuer  aus  '*)  (Spillern).  47.  Wenn  man  ein  Schwalben- 
nest zerstört  oder  eine  Schwalbe  umbringt^  so  geben  die  Kühe  Blut 
statt  Milch  '^)  (Döllersheim).  48.  Wenn  man  im  Frühjahre  die  ersten 
Schwalben  einzeln  sieht,  so  verlässt  man  den  Ort,  wo  man  ist;  sieht 
man  aber  mehrex'e  zugleich,  so  bleibt  man  dort  (Hadersdorf  am  Kamp). 
49.  Sieht  man  im  Frühjahre   die   ersten  Schwalben  paarweise,  so  hei- 


')  Vgl.  Grimm,    Myth.   1026.  ^)  Vgl.  V7olf,   Beilr.  z.  d.  M.  I,  232. 

')  Vgl.  Zingerle,  Tirol.  Sitt.  77  u.  78.  '')  Vgl.  Ebenda  78.  ^)  Vgl.  Meier, 

Scliwäb.  Sag.  221.  «)  Vgl.  Grimm,  Mytli.  638.  ')  Vgl.  Zingerie,  Tirol.  Sitten  88. 

^}  Vgl.  Grimm,  Myth.   1087.  '■>)  Vgl.  Birlinger,  Volksth.  a.  Schwab.  I,  194. 

")  Vgl.  Kuhn,  Westfäl.  Sagen.  I,  72.  ^')  Vgl.  Grohmann,  Abergl.  a.  Böhm.  70. 

'*)  Vgl.  Zingerie,  Tirol.  Sitten  88.         ")  Vgl.  Grimm,  Myth.  638.         >*)  Vgl.  Zingerie, 
Tirol.  Sitten  88.  ^'')  Vgl.  Grimm,  Myth.,  I.  Ausg.,  Anhg.  XCVIII. 


352  BT- AAS 

rathet  man  in  demselben  Jahre  ^)  (Waldviertel).  50.  Wenn  man  die 
ersten  Schwalben  sielit,  so  soll  man  sich  am  Boden  „kugeln"  (wälzen), 
dann  bekommt  man  kein  Kreuzweh  (Unter- Zögersdorf).  51.  AVenn  die 
Schwalben  niedrig  fliegen,  so  nimmt  man  an,  daß  Regenwetter  eintritt  °) 
(Sierndorf  bei  Stockerau).  52.  Wenn  Jemand  sehr  stark  das  Abführen 
oder  eine  starke  Geschwulst  hat,  so  soll  man  von  einem  Schwalben- 
neste  etwas  nehmen,  auf  eine  Glut  legen  und  über  dem  Rauche  ein 
Tuch  abwärraen  und  dieses  dem  Kranken  auflegen,  so  hilft  es^)  (Höbers- 
dorf).  53.  Um  Maria  Geburt 

fliegen  die  Schwalben  fürt; 
um  Maria  Verkündigung 
kommen  die  Schwalben  wiederum"*). 
54.  Die  Schwalben  singen:  Vorigs  Jahr,  vorigs  Jahr 

Kidl  gflickt,  Kidl  gflickt, 
heuer  hab  i  koan  Fleck  (Spillern). 
oder:  Soll  i  Kidl  flicka, 
soll  i  Kidl  flicka, 
i  hab  koan  Fleck  ^)  (Ober-Zögersdorf). 

55.  Wenn  man  zu  einem  Menschen,  der  an  einem  bösartigen 
Rothlauf  leidet,  einen  Gimpel  in's  Krankenzimmer  giebt,  so  zieht 
derselbe  den  Rothlauf  an  sich,  der  Kranke  aber  genest*)  (Stockerau). 

56.  Wenn  man  einen  Kreuzschnabel  im  Käfige  zum  Bette 
eines  Gicht-  oder  Rothlaufkranken  hängt,  so  bekommt  der  Vogel  die 
Krankheit  und  stirbt,  der  Kranke  aber  wird  gesund'')  (Wien).  57.  Die 
Leute  halten  die  Kreuzschnäbel,  daß  die  Kinder  die  Zähne  leichter 
bekommen  (Vitis  und  Wien);  wenn  dieselben  dann  die  Zähne  haben, 
so  stirbt  der  Vogel  ^)  (Vitis).  58.  Man  soll  einem  Kinde  mit  dem  Wasser, 
aus  welchem  ein  Kreuzschnabel  getrunken  hat,  die  sog.  Zahnpillen 
einreiben,  damit  dasselbe  leichter  zahne  ^)  (Wien). 

59.  Wenn  sich  die  Elster  vor  einem  Hause  sehen  lässt,  so 
deutet  sie  kommendes  Unglück  an '")  (Groß-Eogersdorf).  60.  Wenn  sich 
die  Elster  auf  einem  Hause,  oder  in  dessen  Nähe  mehrere  Tage  zeigt, 
so  stirbt  daselbst  Jemand  *^)  (Wald viertel). 


')  Vgl.  Wuttke,  Volksabergl.  190.  ')  Vgl.  Zingerle,  Tirol.  Sitt.  89. 

5)  Vgl.    Geßner,   Vogelbuch,    Zürich  (Froschouer)  1557,  f.    CCXVII,  a.  ")  Vgl. 

Leoprechting,  Aus  dem  Lechrain  167  und  194.  *)  Vgl.  Landsteiner,  Programm  d. 

Josefstädter  Gymn.  in  Wien  (v.  J.  1872)  84.  ")  Vgl.  Zingerle,  Tirol.  Sitten  79. 

')  Vgl.  Zapf,  Sagenkreis  des  Fichtelgeb.  47.  «)  Vgl,  Alpenburg,  Tirol.  Myth.  387. 

*)  Vgl.  Vonbun,  Beitr.  z.  d.  Myth.  110.  '»)  Vgl.  Lütolf,  Sagen  der  fünf  Orte  357. 

")  Vgl.  Woeste,  Volksüberl.  a,  d.  Mark  54. 


VOLKSTHÜMLICHES  AUS  NIEDERÖSTERREICH  ÜBER  THIERE.       353 

61.  Die  Krähe  bringt  die  kleinen  Kinder  in  Reingers*). 

62.  Man  soll,  wenn  man  den  Kukuk  zum  ersten  Male  im  Früh- 
jahre vor  Georgi  schreien  hört,  denselben  zuerst  ausschreien  lassen 
und  dann  zu  ihm  dreimal  sagen:  „Kukuk,  wie  lang  leb'  ich?"  — 
So  oft  er  dann  schreit,  so  viele  Jahre  lebt  man  noch  2)  (Stockerau). 
Überdieß  fragen  ihn  die  Mädchen:  „Wie  lange  bleib'  ich  noch  ledig" V^) 
63.  Wenn  man  im  Frühjahre  den  Kukuk  das  erste  Mal  schreien  hört, 
soll  man  den  Geldbeutel  schütteln,  so  hat  man  das  ganze  Jahr  Geld*) 
(Sierndorf  bei  Stockerau).  64.  Hört  man  den  Kukuk  das  erste  Mal 
im  Frühjahre  vor  Georgi  schreien  und  hat  dabei  Geld  in  der  Tasche, 
so  hat  man  das  ganze  Jahr  keinen  Mangel  an  Geld^)  (Stockerau). 
65.  Hört  man  im  Frühjahre  den  Kukuk  das  erste  Mal  schreien  und  hat 
dabei  kein  Geld  im  Sacke,  so  hat  man  das  ganze  Jahr  keines^) 
(Stockerau).  66.  Wenn  man  den  Kukuk,  da  er  schreit,  nachspottet, 
so  bekommt  man  „Gugascheggn"   (Sommersprossen)  (Schiltern). 

67.  Wenn  das  Wichtl  sich  auf's  Dach  setzt  und  schreit,  so  stirbt 
Jemand")  (Ernstbrunn).  68.  Wenn  das  Wicht!  vor  das  Fenster  eines 
Kranken  geflogen  kommt,  so  muß  derselbe  sterben;  der  Ruf  des  Wichtls: 
„kliwitt!  kliwitt!"  heißt  bei    den  Leuten:  „komm  mit!  komm  mit!"*). 

69.  So  oft  man  das  erste  Mal  im  Frühjahre  die  Wachtel  schlagen 
hört,    so  viel  Gulden   kostet   der  Metzen   Korn^)  (Reingers).    70.  Die 
Wachtel  sagt:  „Wau-wau-wau!  findst  mi  ned, 
hintern  Stroh  bin  i  ned, 
hintern  Heu  a  no  ned, 
Wau-wau-wau!  findst  mi  ned".  (Hatzenbach.) 

71.  Wenn  der  Hahn  bei  regnerischem  Wetter  auf  der  Höhe, 
z.  B.  auf  dem  Dache  oder  Zaune,  kräht,  so  sagt  man:  es  wird  schönes 
Wetter;  wenn  er  aber  auf  der  Erde  kräht,  so  glaubt  man,  es  komme 
Regen  *").  72.  Wenn  der  Hahn  nach  dem  Mittagessen  kräht,  so  regnet 
es  noch  an  demselben  Tage  (Bromberg). 

73.  Kräht  eine  schwarze  Henne,  so  bedeutet  dieß  Tod  im  Hause  *') ; 
eine  gelbe:  Feuer;  eine  weiße:  Glück  (Reingers).  74  Wenn  eine  Henne 
kräht,  so  soll  man  sie  abstechen,  denn  sie  bringt  Unglück  "^)  (Göllers- 


^)  Vgl.    Feifalik,   in  Wolfs   Ztscbr.    f.    d.  Myth.  IV,  333.  ')  Vgl.    Grimm, 

Myth.  641.  3)  Vgl.  Ebenda  641.  ')  Vgl.  Grimm,  Myth.  I.  Ausg.,  Anh.  XCIV. 

^)  Vgl.  Grimm,  Myth.  643,  ^)  Vgl.  Ebenda  648.  ')  Vgl.  Wurth  in  Wolfs 

Ztschr.  f.  d.  Myth.  IV,  30.  *)  Vgl.  Rochholz,  Deutsch.  Glaube  und  Brauch  I,  155. 

'■')  Vgl.  Birlinger,  Volksth.  a.  Schwab,  t,  125.  '")  Vgl.  Birlinger,  Aus  Schwaben, 

Neue  Sammig.,  I,  402.         ^')  Vgl.  Landsteiner,  Kremser  Gymn.  Progr.  (v.  J.  1869)  30. 
■-)  Vgl.  Schönwerth,  Aus  der  Oberpfalz,  I,  345. 

GEEMANIA.  Neue  Reihe  VIII.  (XX.)  Jahrg.  26 


354  KLAAS 

dorf).  75.  Schwarze  Hühner  brinc;en  dem  Hause  kein  Glück  (Stockerau). 
76.  Jene  Eier,  welche  die  Hühner  am  sog.  Antlaßpfinztag  (grünen 
Donnerstag)  legen,  werden  von  der  Hausfrau  aufgesammelt,  am  Char- 
samstage  roth  gefärbt  und  Antlaü-  oder  Anlaßeier  genannt.  Diese  Eier 
lässt  die  Hausfrau  am  Ostersonntage  in  der  Kirche  weihen  und  nach 
einem  alten  Herkommen  werden  drei  derselben  nach  der  Weihe  zu 
einem  gemeinsamen  Mahle  hergerichtet,  und  zwar  in  so  viele  Theile 
der  Länge  nach  geschnitten,  als  Glieder  in  der  Familie  sind^).  Man 
glaubt:  Jenes  Familienglied,  welches  bei  diesem  Mahle  sich  nicht  ein- 
finde und  das  flir  dasselbe  bestimmte  Stückchen  nicht  verzehre,  gehe 
in  demselben  Jahre  für  die  Familie  verloren,  sei  es  durch  den  Tod, 
oder  eine  Heirath,  oder  daß  es  aus  was  immer  für  einer  Ursache  die 
Familie  verlasse  (Gerasdorf  im  Marchfeld).  77.  Isst  man  Eier,  möge 
man  die  Schalen  ja  eindrücken,  sonst  gerathen  die  Eier  im  nächsten 
Jahre  nicht")  (Wien).  78.  Wenn  man  Eierschalen  dort  hinlegt,  wo  die 
Dachtropfen  darauf  niederfallen  können,  werden  diejenigen,  welche 
darüber  hinwegschreiten,  krank  (Stockerau).  79.  Wer  gut  lügen  kann, 
der  kann  gut  Eier  sieden    (Ernstbrunn). 

80.  Zum  Indian  (Truthahn)  sagen  die  Kinder: 

„Roth  und  blau  is  ned  schön, 

pfui,  pfui,  pfui!  schneuz  da!"^)  (Ober-Zögersdorf). 

81.  Damit  die  Stubenvögel  nicht  „beschrieen"  werden,  hängt  man 
ihnen  ein  Stückchen  rothes  Tuch  in  den  Käfig. 

82.  Wenn  man  die  Haare,  die  einem  ausgehen,  wegwirft  und  es 
erwischt  sie  ein  Vogel  und  nimmt  sie  zum  Nestbaue,  so  bekommt  man 
Kopfweh  '*)  (Göllersdorf). 

83.  Die  Hausader  (Coluber  natrix)  bringt  dem  Hause  Segen  ^) 
(Bromberg).'  84.  So  lange  die  Hausader  im  Hause  ist,  bringt  sie  den 
Hausbewohnern  Glück  ^)  (Groß-Engersdorf).  85.  Wenn  dem  Hause 
ein  freudiges  Ereigniss,  z.  B.  eine  Taufe,  Hochzeit  oder  Erbschaft 
bevorsteht,  so  erscheint  die  Hausader  mit  einer  Krone  auf  dem  Kopfe '') 
(Groß-Engersdorf).  86.  Wenn  die  Hausadern  „schlagen",  so  stirbt 
Jemand  aus  der  Freundschaft,  oder  es  zeigt  dieß  Schlagen  an,  daß 
man  zu  Geld  kommt  ^)  (Stockerau). 


»)  Vgl.  Panzer,  Beitr.  z.  d.  Myth.  II,  211  u.  213.  ^)  Vgl.  Wolf,  Beitr.  z. 

d.  Myth.  I,  221.         ^)  Vgl.  Vernaleken  u.  Branky,  Spiele  u.  Reime   119.  ')  Vgl. 

Grimm,  Myth.  I.  Ausg.,  Auhg.  CLV.  ^)  Vgl.  Alpenburg,  Tirol.  Myth.  388. 

*)  Vgl.  Eisel,  Sagenbuch  d.  Voigtl.   149.  ')  Vgl.  Alpenburg,  Tirol.  Myth.  388. 

■)  Vgl.  Leoprechting,  Aus  dem  Lechrain  77  u.  89. 


VOLKSTHÜMLICHES  AUS  NIEDERÖSTERREICH  ÜBER  THIERE.       355 

87.  Die  Kinder  sagen,  wenn  sie  eine  Eidechse  sehen,  zu  der- 
selben: „Adraxl,  Adraxl,  wünsch  ma  a  Glück,  daß  i  heut  oder  morgn 
was  find!"   (Laa  an  der  Thaya). 

88.  Um  sich  das  Schwitzen  der  Hände  zu  vertreiben,  hält  man 
einen  lebendigen  Laubfrosch  so  lange  in  den  über  ihn  geschlossenen 
Händen,  bis  er  todt  ist^)  (Wien). 

89.  Aus  dem  Brunnen  oder  Keller  soll  man  die  Kröte  nicht  ver- 
treiben, denn  sie  zieht  die  Gifte  an  sich^)  (Groß-Engersdorf). 

90.  Wespennester  können  Geschwülste  bei  Menschen  und 
Thieren  vertreiben,  wenn  man  sie  anzündet  und  den  Rauch  auf  den 
geschwollenen  Theil  kommen  lässt  (Ober-Mallebern). 

91.  Es  ist  sowohl  unter  den  älteren  als  auch  unter  den  neueren 
Bienenzüchtern  die  Meinung,  daß,  wenn  nach  dem  Tode  eines  Bienen- 
vaters den  „Bienenvölkern"  der  Tod  desselben  nicht  angezeigt  wird 
—  durch's  Anklopfen  an  die  Bienenstöcke  mit  den  Worten:  „Der  Bein- 
vater ist  gstorbu!)"  —  dieselben  absterben^).  92.  In  den  drei  „Rauch- 
nächten", und  zwar  in  der  Nacht  vor  dem  Thomastage  (21.  December), 
sowie  in  den  Nächten  vor  Weihnachten  und  Dreikönig,  werden  die 
Bienenhütten  mit  geweihtem  Weihrauche  durchräuchert  und  mit  Weih- 
wasser besprengt  (Sierndorf  bei  Stockerau).  93.  Während  man  bei  den 
übrigen  Thieren,  wenn  dieselben  verenden,  sagt:  „sie  sind  hingeworden", 
sagt  man  von  den  Bienenstöcken,  wenn  sie  zu  Grunde  gegangen  sind: 
„sie  sind  abgestorben"^).  94.  Wenn  sich  Jemand  Bienen  einschaffen 
will,  so  soll  er  den  ersten  Bienenstock  nicht  kaufen,  sondern  trachten, 
daß  er  ihn  geschenkt  bekomme,  weil  er  dann  in  der  Bienenzucht  viel 
Glück  hat^);  und  jeder  Bienenvater  ist  gern  bereit,  einem  Bienenzucht- 
anfänger einen  „Bienenschwarm"  unentgeltlich  zu  überlassen  (Sierndorf 
bei  Stockerau). 

95.  Diejenige  Fliege,  welche  man  über  Neujahr  im  Zimmer  er- 
hält, bedeutet  Glück  (Litschau). 

96.  Wer  Spinnen  tödtet,  zerstört  sein  Glück;  findet  man  in  der 
Frühe  eine  Spinne^   so  i^t  es  von  übler  Vorbedeutung,  denn: 

Spinne  am  Morgen 
bringt  Kummer  und  Sorgen. 
Am  Abende  aber  deutet  es  auf  Freude^)  (Stockerau). 


^)  Vgl.   Geßner,  Thierbuch,  Zürich  (Froschower)  1563,  f.  CLXVIII,  b.         2)  Vgl. 
Leoprechting,  Aus  dem  Lechrain  83.  ^)  Vgl.  Simrock,   Deut.  Myth.  577. 

■*)  Vgl.  Rochholz,  Deut.   Glaube  und  Brauch  I,  1-17.  ^)  Vgl.  Schönwerth,  Aus  der 

Oberpfalz  I,  355.  ")  Vgl.  Lausitzer  Neues  Mag.  N.  F.  VIII,  334. 

23* 


356  MOLLEH 

07.  Spinnerill   am  ]\Iorj^en 

bringt  Kummer  und  Sorgen; 

Spinnerin  am  Abend 

bringt  Wohlstand  und  Gaben  *)  (Stockerau). 

98.  Wenn  über  dem  Bette  eines  Mädchens  ein  SpinnengeAvebe 
ist,  so  wird  dasselbe  bald  heirathen,  und  man  nennt  dieß  Spinnenge- 
webe den  „Heirathsbrief"  '^)  (Deinzendorf). 

99.  Man  soll  keiner  Kreuzspinne  etwas  zu  Leid  thun,  und  sie 
auch  nicht  aus  dem  Zimmer  geben,  weil  sie  in  dem  Gemache,  wo  sie 
sich  aufhält,  alle  Krankheitsstoffe  an  sich  zieht  ^)  (Deinzendorf). 

100.  Wenn  man  einen  lebendigen  Krebs  im  Hause  einmauert, 
so  ziehen  die  Wanzen  fort  (Wien). 

STOCKERAU  in  Niederösterreich,  Juni  1875. 


ZUM  FIÖLSVINNSMAL. 


In  der  Gestalt,  in  welcher  das  Fiölsvinnsmäl  vor  uns  liegt, 
begegnet  uns  an  zwei  Stellen  ein  auffallender  Sprung  des  Gedankens, 
während  an  einer  dritten  der  logische  Zusammenhang  arg  gestört  ist. 
Jenes  geschieht  in  den  Uebergäugen  von  v.  18  zu  19  und  von  v.  24 
zu  25,  dieses  ist  der  Fall  in  v.  23. 

Nachdem  in  v.  15 — 18  die  Frage  verhandelt  worden  ist,  wie  man 
den  Hunden  zum  Trotz  sich  den  Eingang  erwirken  könne,  wird  in 
V.  19  dieser  Gegenstand  ganz  abgebrochen  durch  die  wie  vom  Zaune 
gebrochene  Frage  des  Svipdagr,  wie  der  Baum  heiße,  der  seine  Zweige 
über  alle  Lande  ausbreitet.  Zur  Erklärung  dieses  Ueberganges  bieten 
sich  zwei  Annahmen  dar:  die  eine  die,  daß  eine  Ideenassociation  den 
Svipdagr  von  dem  in  v.  18  genannten  Hahn  Vidofnir,  den  Svipdagr 
also  kennen  muß,  auf  den  Baum  Mimameidr  bringt,  auf  dem  der 
Hahn  sich  befindet-,  die  andre  die,  daß  Fiölsvidr  in  v.  18  indem  er 
den  Vidofnir  nennt  zugleich  mit  der  Hand  auf  den  Hahn  hinweist,  so 
daß  Svipdagr  indem  er  den  Hahn  erblickt  zugleich  den  Baum  sieht, 
nach  dessen  Namen  er  dann  fi-agt.  —  Wie  vom  Zaun  gebrochen 
erscheint  ferner  im  Zusammenhang  der  Verse  von  23  an  die  Frage 
des  Svipdagr  in  v.  25,  ob  es  eine  Waffe  gebe,  den  Vidofnir  zur  Hei 


')  Vgl.  Lausitzer  Neues  Mag.  N.  F.  VIII,  3.34.  ^)  Vgl.  Grohmann,  Abergl. 

a.  Böhmen  85.  ^)  Vgl.  Birünger,  Aus  Schwaben,  Neue  Samml.  I,  400. 


ZUM  FIÖLSVINNSMÄL.  357 

ZU  schicken.  Im  Folgenden  bis  v.  30  dreht  sich  dann  alles  um  die 
Erlangung  dieser  Waffe.  Es  handelt  sich  aber  gar  nicht  um  die  Tödtung 
des  Vidofnir,  sondern  um  die  Erlangung  des  Eingangs  in  die  Burg 
der  Menglöd:  wir  erwarten  daher  diese  Frage  gleich  nach  v.   18. 

Zwischen  v.  18  und  19  kommt  der  logische  Zusammenhang  zu 
Stande  durch  einen  künstlich  angeknüpften  Faden,  in  v.  25  wird  der 
Faden  nachdem  er  einen  Kreis  beschrieben  wieder  an  derselben  Stelle 
angeknüpft,  wo  schon  der  Knoten  zwischen  18  und  19  sich  befindet. 
Die  beiden  Knoten  wären  zu  ertragen,  wenn  wir  ohne  sie  auf  allen 
Zusammenhang  verzichten  müssten,  unerträglich  aber  ist  der  Kreis- 
lauf, den  zwischen  ihnen  der  Gedanke  macht. 

Nachdem  Svipdagr  in  v.  19  vom  Vidofnir  auf  den  Baum  gekom- 
men und  in  v.  20 — 22  dessen  Namen  und  Eigenschaften  erfahren  hat, 
wird  er  in  v.  23  vom  Baume  wieder  zurück  auf  den  Hahn  geführt: 
er  fragt  nach  dem  Namen  des  Hahns  und  erfährt  ihn  in  v.  24,  nach- 
dem ihm  doch  schon  in  v.  18  der  Name  des  Hahns  genannt  worden 
ist.  Hieraus  ergibt  sich,  dass  beide  Annahmen,  durch  welche  wir  oben 
den  Gredankenspruug  von  v.  18  zu  19  zu  erklären  versuchten,  imrichtig 
Avaren:  Svipdagr  kann  weder  den  Vidofnir  schon  gekannt,  noch  ihn 
in  V.  18  kennen  gelernt  haben,  er  dürfte  sonst  nicht  in  v.  23  wieder 
nach  dessen  Namen  fragen.  —  Wie  der  Text  des  Fiölsvinnsmäl  uns 
vorliegt  versteht  Svipdagr  also  in  v.  18  nicht,  daß  Vidofnir  der  Hahn 
auf  dem  Mimameidr  sei,  statt  nun  aber  sich  näher  nach  dem  ihm 
wichtigen  Vidofnir  zu  erkundigen  bricht  er  in  nunmehr  ganz  unerklär- 
licher Weise  das  Gespräch  über  die  Möglichkeit  des  Eintritts  in  die 
Menglödsburg  ab  imd  kommt  auf  den  iMimameidr,  ganz  unabhängig 
von  der  Vorstellung  des  Vidofnir,  erfährt  aber  glücklicherweise  im 
Laufe  des  daran  sich  knüpfenden  Gesprächs  in  v.  24,  daß  der  Hahn 
auf  dem  Baum  eben  jener  Vidofnir  sei,  entsinnt  sich  nun,  daß  ihm 
nach  V.  18  die  Bezwingung  des  Vidofnir  erwünscht  sein  müsse,  und 
thut  endlich  in  v.  25  die  Frage,  die  er  schon  in  v.  19  hätte  thun  müssen, 
Avie  diese  Bezwingung  möglich  sei. 

Alle  Schwierigkeiten,  ja  Unmöglichkeiten,  die  der  Text  in  dieser 
Gestalt  bietet,  können  mit  einem  Schlage  beseitigt  werden  durch  eine 
sehr  einfache  Operation.  Das  oben  bezeichnete  Stück,  in  welchem  der 
Faden  zwischen  den  beiden  Knoten  einen  Kreis  beschreibt,  schneiden 
Avir  heraus  und  setzen  dasselbe  an  einer  andern  Stelle  wieder  an,  um 
so  einen  einfachen  und  ununterbrochenen  Faden  des  Gedankens  zu 
gewinnen.  —  Die  Verse  19 — 24  müssen  ursprünglich  an  einem  andern 
Oite  und  zwar  nothwendlg  vor  18  und  25  gestanden  haben,  da  Vidofnir, 


358  MÖLLER 

der  in  v.  24  zum  ersten  Male  genannt  werden  muß,  in  v.  18  und  25 
als  schon  bekannt  vorausgesetzt  wird.  Vor  v.  18  ist  nur  an  zwei 
Stellen  eine  Einfügung  der  Verse  möglich,  zwischen  v.  8  und  9  und 
zwischen  v.  12  und  13:  an  dem  letzteren  Orte  erscheint  sie  geeigneter. 
Die  Verse  19 — 24  sind  demnach  zwischen  die  Verse  12  und 
13  zu  setzen. 

Nachdem  Svipdagr  in  v.  9  nach  dem  Namen  der  grind,  in  v.  11 
nach  dem  des  gardr  gefragt,    erblickt  er  ^)  den  Baum  Mimameidr  und 
fragt  in  dem  auf  v.  12  folgenden   v.   19   nach   dessen   Namen.    Durch 
den  Baum   auf  den  Hahn   geführt,   den  er  auf  demselben  sieht,  fragt 
er  in  v.  23  nach  dessen  Namen  und  erfährt  in  v.  24  der  Hahn  heiße 
Vidofnir.    Dann    folgen   die   Verse   13 — 18:    Svipdagr   fragt   nach   den 
Hunden    und   erfährt,  daß  die  vaengbrädir  tvser  i  Vidofnis  lidum,  den 
Hunden  vorgelegt,  das  einzige  Mittel  seien,    das  den  Eingang  möglich 
mache.  Ganz  natürlich  schließen  sich  nun  hieran  die  Verse  25—30,  in 
welchen    Svipdagr    fragt  und    erfährt,    wie  Vidofnir  zu  bezwingen  sei. 
Wir   erlangen   auf  diese   Weise   in  v.  13 — 30  nach  Ausscheidung  von 
19 — 24   eine   schöne   ununterbrochene   Reihe   schwieriger,  ja,   wie    sich 
in  V.  30  herausstellt,    unmöglicher   Erfordernisse'^)    zur  Erlangung  des 
Eingangs.    In    v.   30,  der  für   die   Bezwingung  des  Vidofnir  eine  Vor- 
bedingung stellt,  welche  nur  nach  Bezwingung  des  Vidofnir  zu  erfüllen 
ist,    findet    die    Verhandlung    über    den    Eintritt    in  die  Menglödsburg 
ihren  naturgemässen  Abschluss,  und  Svipdagr  kann  in  v.  31   eine  neue 
Frage  aufwerfen. 

Daß  die  Besserung,  wie  ich  sie  vornehmen  will,  nothwendig  ist, 
kann,  glaube  ich,  nicht  zweifelhaft  sein,  es  fragt  sich  nur,  wie  wir 
das  Entstehen  des  Verderbnisses  uns  zu  denken  haben. 


*)  Denn  daß  Svipdagr  den  Baum  sieht  macht  die  dänische  Sveidalsvise  noth- 
wendig, deren  Zusammenhang,  wenn  nicht  mit  Grogaldr  (s.  E.  Kölbing,  Germ.  XIX,  359  ff.), 
obwohl  ich  g)aube,  daß  auch  an  diesem  festzuhalten  ist,  so  doch  mit  dem  Fiölsvinns- 
mäl  mir  unabweisbar  zu  sein  scheint. 

*)  Ähnlich  wie  sie,  doch  hier  in  sehr  ungeordneter  und  abgeschmackter  Weise 
(hier  außerdem  nicht  zur  Erlangung  desselben  Zweckes,  sondern  unmittelbar  zur  Er- 
reichung des  Zieles),  in  der  kymrischen  Erzählung  Kilhwch  und  Olwen  gestellt  werden. 
Von  dem  Zusammenhang  dieser  kymrischen  Erzählung  mit  dem  Grogaldr  und  Fiöls- 
vinnsmäl  und  der  Sveidalsvise  vermag  ich  mich  indessen  nicht  zu  überzeugen:  mit 
dieser  hat  sie  einige  ganz  untergeordnete  Züge,  wie  ich  glaube  ganz  zufällig,  gemein, 
mit  dem  Fiölsvinnsmä.1,  so  viel  ich  sehe,  nichts  weiter,  als  daß  in  beiden  der  Held 
das  Mädchen  schließlich  bekommt,  woraus,  da  so  bekanntlich  die  meisten  Erzählungen 
sehließen,  sich  gar  nichts  folgern  lässt.  Ist  dieses  richtig,  so  würde  damit  hinfällig 
werden,  was  (a.  a.  O.)  aus  der  Übereinstimmung  der  Sveidalsvise  mit  Kilhwch  und 
Olwen  im  Gegensatz  zu  Grogaldr  und  Fiölsvinusmäl  gefolgert  worden  ist. 


ZUM  FIÖLSVINNSMÄL.  359 

Das  Verderbniss  besteht  in  einer  Vertauschung  der  je  sechs 
Verse  13 — 18  und  19 — 24.  Diese  zwölf  Verse  folgen  unmittelbar  auf 
eben  so  viele  andere,  mit  denen  der  überlieferte  Text  des  Fiölsvinns- 
mäl  beginnt.  Dem,  der  diese  Bemerkung  gemacht  hat,  wird  sofort  als 
erster  Gedanke  der  aufsteigen,  ob  nicht  die  Membrane,  aus  welcher 
Grogaldr  und  Fiölsvinnsmäl  in  die  Papierhandschriften  übergiengen,  auf 
jeder  Seite  sechs  Verse  enthalten  haben  sollte:  auf  fol.  1  a  des  Fiölsvinnsmäl 
hätten  1—6,  auf  Ib  7—12,  auf  fol  2  a  19-24,  auf  2b  13-18  gestanden, 
das  Verderbniss  wäre  durch  die  verkehrte  Lage  des  fol.  2  geschehen. 
Dagegen  erhebt  sich  der  Einwand:  die  Membranen  kannten  keine 
Versabtheilung.  Aber  eine  solche  anzunehmen  ist  gar  nicht  nöthig: 
es  braucht  nur  auf  je  eine  Seite  im  Durchschnitt  der  Inhalt  von  je 
sechs  Versen  in  fortlaufenden  Zeilen  seine  Stelle  gehabt  zu  haben 
und  zufällig  haben  beide  Seiten  von  fol.  2  mit  demselben  Wort  aus 
der  jede  Frage  Svipdags  einleitenden  Vershälfte  begonnen,  z.  B.  mit 
„]3at  Fiölsvidr",  oder  auch  nur  die  eine  begann:  „]3at  F.",  die  andre: 
„raer  jjat  F.",  und  die  Schreiber,  denen  fol.  2  in  verkehrter  Lage 
vorlag,  schrieben  doch  den  ihnen  schon  geläufigen  Satz  richtig:  segdu 
mer  J)at  Fiölsvidr.  Doch  es  erhebt  sich  ein  zweiter  Einwand:  auf  der 
Seite  einer  Membrane  steht  unvergleichlich  viel  mehr^  als  der  Inhalt 
von  sechs  Liodahättr- Versen.  Dagegen  lässt  sich  nur  sagen,  daß  wir 
von  der  Beschaffenheit  der  Membrane,  die  Grogaldr  und  Fiölsvinns- 
mäl enthielt,  gar  nichts  mehr  wissen,  als  das,  was  wir  aus  der  Gestalt 
der  Ueberlieferung  dieser  Lieder  in  den  Papierhandschriften  erschließen 
können.  Die  Membrane  wird  nur  Grogaldr  und  Fiölsvinnsmäl,  jeden- 
falls kann  sie  außer  diesen  keine  Eddalieder  enthalten  haben,  denn 
sonst  wäre  der  von  Bugge  gelieferte  Beweis,  daß  alle  Papierhand- 
schriften der  Eddalieder  auf  keine  andern  als  die  uns  erhaltenen  Mem- 
branen zurückgehn,  falsch.  Es  wurden  manche  Lieder  einzeln  abge- 
schrieben: solche  Einzelabschriften  schrieb  man  gewiss  nicht  immer 
auf  ganzen  Foliobogen,  und  sicherlich  sorgfältiger  und  also  weniger 
enge.  —  Ist  die  oben  aufgestellte  Seitentheorie  haltbar,  so  würde  nicht 
allein  die  Vertauschung  der  Verse  13 — 18  und  19 — 24,  sondern  auch 
der  abgebrochene  Anfang  des  Fiölsvinnsmäl  eine  sehr  einfache  Erklä- 
rung finden:  vor  v.  1  würden  ein  oder  mehrere  Blätter  ausgefallen 
sein,  auf  denen  der  Anfang  des  Fiölsvinnsmäl  oder  die  Verbindung 
mit  Grogaldr  gestanden  hätte. 

Ist  sie  es  nicht,  so  müssen  wir  zur  Erkärung  des  Verderbnisses 
diesen  mechanischen  Weg  verlassen  und  einen  ganz  andern  ein- 
sehlaffen. 


360         LITTERATUR:  J.  ZUPITZA,  ALTENGLISCHES  ÜBUNGSBUCH. 

Die  Schreiber  der  Membranen  schrieben  aus  dem  Gedächtnisse, 
wie  die  Verschiedenheit  der  Gestalt,  Keiheufolge  und  Zahl  der  Verse 
bei  verschiedeneu  Aufzeichnuuii^en  beweist.  Daß  auch  in  unserm  Liede 
als  eine  Folge  dieser  Art  der  Aufzeichnung  Versetzungen  von  Versen 
und  Verstheiien  stattgefunden  liaben  können,  zeigt  die  von  Bugge  an 
ihren  richtigen  Ort  zurückversetzte  zweite  Hälfte  von  v.  2.  Die  oben 
vermuthete  Ideenassociation  ,  die  von  dem  Vidofnir  in  v.  18  zu  dem 
Baum  in  v.  19  führte,  gieng  also  nicht  in  dem  Svipdagr,  sondern  in  dem 
Schreiber  vor^  und  nicht  Svipdagr,  sondern  der  Schreiber  ward  durch 
die  Nennung  des  Vidofnir. in  v.  24  zur  logischen  Folge  der  Gedanken 
von  V.  25  an  zurückgeführt. 

BRESLAU,  den  13.  März   1875.  HERMANN  MÖLLER. 


LITTERATUR. 


Znpitza,  Julius,  Altenglisches  Übungsbuch  zum  Gebrauche  bei  Uni vei-sitäts Vor- 
lesungen.  Mit  einem   Wörterbucbe.   Wit-n    1874.   Braumüller. 

Wülcker,  Richard  Paul,  Altenglisches  Lesebuch.  Zum  Gebrauche  bei  Vor- 
lesungen und  zum  Selbstunterricht.  1.  Teil,  die  Zeit  von  1250 — 1350 
umfassend.  Halle  a./S.   Lippert'sche  Buchhandlung  (Max  Niemeyer).   1874. 

Das  Studium  der  älteren  englischen  Sprache  und  ihrer  Litteraturdeuk- 
mäler  hat  bis  vor  kurzer  Zeit  an  unseren  Universitäten  bei  weitem  nicht  die 
Beachtung  und  Pflege  gefunden,  wie  sie  z.  B.  dem  Altfranzösischen  und  Pro- 
venzalischen  zu  Theil  geworden  ist.  Nicht  dem  Mangel  an  Interesse  au  und 
für  sich  ist  die  Schuld  davon  beizumessen,  sondern  in  der  Hauptsache  äußeren 
Umständen,  zunächst  den  geringen  Ansprüchen,  die  man  betreff  des  Englischen 
au  Ciiudidaten  des  höheren  Schulamtes  stellte:  während  für  die  classischen 
Sprachen  Kenntnise  der  historischen  Grammatik  und  Übung  in  kritischer  Text- 
behandlung gefordert  wurde,  begnügte  man  sich  hier  mit  einer  ästhetischen 
Abhandlung,  bei  der  das  Hauptgewicht  auf  den  Stil  gelegt  wurde,  und  einigen 
Kenntnissen  in  neuenglischer  Litteratur  und  Grammatik.  Dazu  kam,  daß  man 
das  Englische  mit  den  romanischen  Sprachen  unter  den  Begriff:  „neuere  Sprachen" 
zusammenzufassen  und  dem  Vertreter  dieser  letzteren  an  der  Universität  zu- 
zutheilen  pflegte,  wodurch  eine  Kraft  unverhältnissmäßig  belastet  wurde.  Und 
endlich  fehlte  es  in  der  That  auch  an  geeigneten  und  leicht  zugänglichen  Hülfs- 
mitteln  für  Übung  von  Sprache  und  Textkritik,  wie  sie  z.  B.  für  Französisch 
und  Provenzalisch  durch  Bartschs  treffliche  Chrestomathien  geboten  sind,  deren 
Zweckmäßigkeit  durch  die  mehrfach  nöthig  gewordenen  neuen  Auflagen  zur 
Genüge  erwiesen  ist.  Für  das  Altengh"sche  existieren  nur  Mätzners  Alt- 
euglische  Sprachproben,    ein    zwar  werthvoUes,  aber  theures  und   umfängliches 


LITTERATUK:  J.  ZUPITZA,  ALTENGLISCHES  ÜBUNGSBUCH.         361 

Werk.  Mit  um  so  größerer  Freude  sind  also  die  Bücher  von  Zupitza  und 
Wülcker,  speciellen  Vertretern  der  englischen  Philologie  in  Wien  und  Leipzig, 
zu  begrüßen,  welche  diesem  Mangel  abhelfen  sollen.  Übrigens  finde  ich  ganz 
und  gar  nicht,  daß  die  beiden  Arbeiten  als  mit  einander  rivalisierend  anzusehen 
sind.   Sie  lassen  sich  vielmehr  sehr  wohl  neben   einander  gebrauchen. 

Zupitza  nennt  seine  Sammlung  ein  „Übungsbuch  zum  Gebrauche  bei 
Universitätsvorlesungen",  bei  dessen  Zusammenstellung  „überwiegend  sprach- 
liche Gründe  maßgebend  waren"  (Vorwort).  Man  darf  also  auch  nur  diesen 
Maßstab  an  dasselbe  legen,  nicht  verlangen,  daß  es  die  Stelle  eines  vollständigen 
Lesebuches  vertrete.  So  ist  z.  B.  wohl  nichts  aus  der  Ancren  riwle  aufgenommen, 
weil  in  Mortons  Ausgabe  leider  die  älteste  Cambridgerhandschrift  ganz  unbe- 
nutzt geblieben  ist.  Ebenso  ist  es  begreiflich,  daß  Robert  von  Gloucester  und 
Bobert  Manning  übergangen  wurden,  von  denen  nur  die  unzureichenden  Aus- 
gaben von  Hearne  vorliegen.  Warum  Layamon  nicht  vertreten  ist,  sieht  man 
weniger  ein.  Und  wird  man  wirklich  oft  dazu  kommen,  den  Piers  the  plowman 
in  einer  Vorlesung  zu  behandeln?  Ich  möchte  es  bezweifeln.  Im  Übrigen  ist 
das  Buch  für  akademische  Übungen  nach  sprachlicher  und  exegetischer  Seite 
hin  durchaus  praktisch  angelegt.  Je  mehr  dieß  der  Fall  ist,  um  so  weniger 
erschien  es  mir  überflüssig,  hier  alles  das  einzeln  aufzuführen,  was  mir  bei  ge- 
wissenhafter Leetüre  aufgefallen  war,  und  seien  es  auch  Kleinigkeiten :  vielleicht 
darf  ich  auch  hoffen,  daß  diese  oder  jene  Bemerkung  sich  der  Zustimmung 
des  durch  seinen  Antheil  an  der  Herausgabe  des  Heldenbuches  rühmlich  be- 
kannten Autors  erfreuen  und  so  einer  doch  gewiß  zu  erwartenden  zweiten  Auf- 
lage zu   Gute  kommen  wird. 

Eignet  sich,  wie  bemerkt,  Zupitza's  Buch  vorwiegend  für  akademische 
Zwecke,  so  dürfte  dagegen  Wülckers  altenglisches  Lesebuch,  von  welchem  bis 
jetzt  Theil  I  vorliegt,  sich  vorzüglich  für  das  Privatstudium  solcher  schicken, 
welche  ersteres  mit  Hülfe  eines  Lehrers  ausführlich  durchgenommen  haben.  Die 
reichhaltigen  Anmerkungen  werden  dem  Anfänger  über  manche  schwierige  Stelle 
weghelfen.  Für  den  Gebrauch  bei  Vorlesungen  dürfte  das  Werk ,  dessen  Er- 
gänzung nach  vorn  hin  uns  durch  den  Recensenten  im  Centralblatt  (Jahrg. 
1875  p.  148  ff.)  in  Aussicht  gestellt  ist,  doch  schon  etwas  zu  umfänglich  an- 
gelegt sein.  Ich  kann  mich  über  dasselbe  weiter  unten  um  so  eher  kurz  fassen, 
als  ich  meine  Anzeige  nur  als  eine  Nachlese  betrachte  zu  der  nach  meinem 
Urtheil,  was  das  Sachliche  angeht,  ganz  vortrefflichen  Recension  von  Zupitza: 
Zeitschr.  für  österr.  Gymnasien  1875,  p.  118 — 141,  die  manche  meiner  Be- 
merkungen schon  voraus  genommen  hat,  deren  Studium  ich  jedem  Leser  des 
Wülcker'schen  Buches  empfehle. 

Ehe  ich  aber  auf  Einzelnes  eingehe,  muß  ich  kurz  einen  Punkt  erwähnen, 
in  dem  die  Verfasser  beider  Bücher  differieren,  der  überhaupt  jetzt  zu  einer 
Art  von  Priucipienfrage  geworden  ist,  nämlich  die  Eintheilung  der  englischen 
Sprache.  Während  Wülcker  (vgl.  Beiträge  von  Paul  und  Braune  I  p.  57  ff.  und 
das  Vorwort  zum  Lesebuche)  bis  1250  den  Namen  angelsächsisch  festhält,  dieß 
wieder  in  alt-  und  neuangelsächsisch  theilt,  und  dann  mit  Entfernung  des  Aus- 
drucks ,, mittelenglisch"  die  Sprache  von  1250  — 1500  altenglisch  nennt,  be- 
zeichnet Zupitza,  wie  Sweet,  die  bisher  altangelsäcbsisch  genannte  Zeit  mit  dem 
Ausdruck  altenglisch  und  lässt  mit  der  sonst  neuangelsächsisch  oder  halbsäch- 
sisch genannten   das  Mitteleuglische  eintreten.   Diese  seine  Eintheilung  hat  Zup. 


3(32         LITTERATUK:  J.  ZUPITZA,  ALTENGLISCHES  ÜBUNGSBUCH, 

vertheidigt  kurz  im  Vorwort  zum  Übungsbuche,  ausführlicher  Ztschr.  f.  österr, 
Gymn.  a.  a.  0.  Seinen  Gründen  stimme  ich  vollständig  bei  und  habe  dieselbe 
Ansicht  schon  vor  dem  Ersciieinen  von  Zup.  Buche  mehrfach  in  meinen  Vor- 
lesungen vorgetragen.  Weder  Zup.  noch  Wülcker  wissen  übrigens  oder  halten 
es  der  Erwähnung  für  werth,  daß  Stephens,  der  Herausgeber  der  Oldnorthern 
runic  monuments,  der  erste  gewesen  ist,  der  in  Gentlemnn's  M;igazine  1852, 
April-  und  Maiheft,  gegen  den  Ausdruck:  angelsächsisch  auftrat.  Diesen  Auf- 
satz ins  Dänische  übersetzt  und  erweitert  veröffentlichte  G.  Brynjiilfsson  u.  d.  T. : 
Oldengelsk  og  Oldnordisk  in:  Antiq.  Tidskr.  1852  —  54,  p.  81  —143.  Trotz 
mancher  Sonderbarkeiten ,  z.  B.  seiner  wunderlichen  Theorie  über  die  nähere 
Verwandtschaft  der  Engländer  mit  den  skandinavischen  Stämmen  als  mit  den 
übrigen  niederdeutschen,  hat  Stephens  doch  hier  schon  schlagend  bewiesen, 
daß  die  Bezeichnung:  ,, angelsächsisch"  von  keinem  Gesichtspunkte  aus  gerecbt- 
fcMtigt  erscheint.  Seine  Eintheilung  unterscheidet  sich  nur  darin  von  derjenigen 
Zupitzas,  daß  er  Zupitzas  mittelenglisch  noch  in  zwei  Abtheilungen  zertrennt: 
gammelengelsk  bis    1350,   melleraengelsk  bis    1550*). 

Ich  wende  mich  jetzt  zu  Zupitzas  Übungsbuch  und  gehe  Lesestücke  und 
Glossar  der  Reihe  nach   durch. 

I.  Caedmons  hymnus.  ,,H  ier  mit  Benutzung  einer  neuen  Collation 
von  Prof.  Schipper".  Schon  genau  ebenso  gedruckt  bei  Boutei-wek,  Caedmons 
bibl.   Dichtungen  p.  CCXXIV. 

IV.  Die  Zeilen  der  Überschrift  sind  unpassender  Weise  wie  allitterierende 
Verszeilen  gedruckt,  wozu  höchstens  Zeile  2  einen  entfernten  Anlaß  bieten 
konnte.  Z.  24:  pä  he  pät  pä  sumeretide  dyde.  Im  Glossar  findet  sich 
p.  124":  sumretitl,  8umeretid,  me.  somertide,  st.  f.  Sommerszeit.  Da  dieß  Wort 
sonst  im  Übungsbuche  nicht  vorkommt,  so  muß  man  obigen  Artikel  des  Glossars 
doch  sicherlich  auf  diese  Stelle  beziehen.  Diese  Erklärung  ist  aber  aus  zwei 
Gründen  unrichtig;  erstens  müsste  Sommerszeit  ae.  sumor-  oder  sumertld  heißen^ 
ebenso  wie  sumorhät,  sumurhat,  oder  sumerseld  etc.  Woher  Zupitza  die  beiden 
andern  Formen  hat,  weiß  ich  nicht.  Zweitens  aber  lehrt  die  lat.  Vorlage  (The 
complete  works  of  Venerable  Bede,  edd.  Giles.  Vol.  III  p.  112),  daß  sumere 
tide  Übersetzung  von  quodam  tempore  ist  (quod  cum  tempore  quodam  faceret), 
vgl.  .  .  et  sume  time  XIV,  9.  on  sumum  däge  X,  65.  Es  ist  also  getrennt:  su- 
mere tide  zu  schreiben.  —  Das.  pä  hüs.  Hier  war  doch  wohl  ]iät  hüs  aus  BD 
aufzunehmen.  Vgl.  lat.  :  relicta  domo  convivii.  —  Das.  Z.  29  hiaäthwef/u.  Ich 
glaube  nicht,  daß  e  anzusetzen  ist,  obwohl  eine  befriedigende  Erklärung  des 
Suffixes  weder  bei  Grimm  Gr.  III  p.  30  noch  bei  Koch,  Gr.  III,  1.  §.  54  zu 
finden  ist.  —  Das.  Z.  70  ist  eodercende  aus  CD  für  oüerccfiule  in  A  aufzunehmen. 
d  ist  unmöglich.  Vielleicht  bei  Zup.^nur  Druckfehler? 


*)  Es  maty  mir  verstattet  sein,  als  Probe  den  ersten  Satz  von  Stephens  Aufsatz 
hier  anzufügen  /bei  Brynj.  p.  90):  Vi  spörge  et  tydsk  barn,  .,hvad  sprog  talte  dine 
ForfjEdre?"  „Oldtydsk"  lyder  svaret.  „Og  hvad  er  eders  gamle  Modersraaal?"  sige  vi 
til  en  Dansk,  en  Nordmand,  en  SvensUcr,  en  Fraiiskiiiand  eller  en  Spanier;  „Olddansk" 
„Oldnorsk",  „Oldsvensk",  ,,01dfran.sk",  „Oldspansk"  svarer  han.  Vi  spörcje  vort  eget 
Barn,  „og  hvilkct  Sprog  talte  dine  Forftcdrc,  min  Dreng'?''  og  mau  har  hört  liam  at 
svare:  Angel-Saiisk.  Var  der  nogensinde  noget  mcre  absurd,  mere  barbarisk  eller 
usan  dcre  ? 


LITTERATUR:  J.   ZUPITZA,  ALTENGLISCHES  ÜBUNGSBUCH.  363 

V,  2854  behält  Zup.,  wie  mir  scheint  mit  Recht,  das  hric(j  mit  der  Hdschr. 
und  Bout.  bei,  während  Grein  in  hrincg  ändert;  besonders  spricht  für  diese 
Beibehaltung  v.  2898:  pät  he  on  hröfe  gestoct  hedn  Landes,  wo  hrnf  diesem 
hricg  ganz  parallel  steht.  —  Das.  V.  2856  ist  das  Comma  nach  Ixelfi'/r  zu 
streichen  und  nach  pmum  einzusetzen.  —  Zu  v.  2861  konnte  die  Conjectur 
Bouterwek's :  hces  waldendes,  Caedm.  III,  317  in  den  Anm.  citiert  werden. 
V.  2906''  f.  ff/re  sencan  mceges  dreore.  Zup.  bemerkt  nichts  zu  dem  Verse.  Bout. 
s.  V.  sencan  schlägt  vor:  ff/r  dsencan-^  aber  III  p.  317:  fj)r  gesencan.  Grein 
bibl.  I  p.  75  weiß  keinen  andern  Rath.  Ich  glaube,  man  hat  eher  den  Sinn 
zu  erwarten:  in  das  Feuer  zu  tauchen,  zu  senken  des  Sohnes  Blut; 
also  etwa:  on  ff/re  sencan  mceges  dreor-  vgl.  Beda  edd.  Smith  631,  22:  hine 
on  pam  stredme  sende.  Der  Versuch  Ettmüllers,  Lex.  Angl.  p.  639  f.,  die  über- 
lieferte Lesart  zu  erklären  durch :  voluit  filium  necare  manibus  s^iis  ignernque 
extinguere  consanguinei  sanguine,  geht  deßhalb  nicht  an,  weil  der  acc.  von  fijr 
nicht  fi)re  heißt. 

VII,  6:  Zup.  in  der  Anm.:  gyrn  die  herausgeber]  grenne.  Greins  Sprach- 
schatz s.  v.  grene  lehrt,  daß,  wie  es  auch  wahrscheinlich  war,  die  Hdschr.  grenne 
nicht  für  gyrn,  sondern  für  grene  liest. 

VIII,  105.  on  dinges  mere.  Zup.  gloss.  p.  86^  dinges  mere'?  Hier  hätte  es 
sich  doch  wohl  gelohnt,  Ettm.  Erklärung,  Lex.  Anglos.  p.  561  in  fimi  mare, 
i.  e.  in  mare  algosum  anzuführen.  Es  ist  wenigstens  die  einzige ,  die  jemand 
versucht  hat,   und   sprachlich   zu   rechtfertigen. 

IX,  13.  ]>ät  ic  macige  niete  pinum  fäder  pär  of,  and  he  ytt  lustltce  (vgl. 
Vulg. :  ut  faciam  ex  eis  escas  patri  tuo,  quibus  lihenter  vescitur)  scheint  mir 
ein  treflFendes  Beispiel  für  die  Vertretung  des  pron.  rel.  durch  and  zu  bieten 
(vgl.  Tobler:  KZ.  VI,  p.  353  ff.  Germ.  XIII,  p.  91  ff.,  wo  ich  ags.  Stellen  nicht 
angeführt  finde).  Gegen  eine  andere  Auffassung  spricht  schon  der  Wechsel  der 
modi,  vgl.  Wülcker  18,  3886  ft\:  Ther  nys  non  so  slow  loithinne  and  he  wiste 
to  have  muche  wynne,  that  he  no  wolde ,  for  gret  tresour  ,  don  him  seolf  in  an- 
ioure.  Das.  Z.  68  ist  mindestens  auffällig  die  Ausdrucksweise:  häfdest  pti  git 
tme  hletsunge'^.  gegenüber  dem  lat. :  Num  unam,  inquit,  tantum  benedictionem 
habes,  pater'i 

X,  39:  gif  hwä  pises  ne  gelijfd.  gelyfan  c.  gen.  Grimm  Gr.  IV  p.  661 
führt  kein  ags.  Beispiel  an.  —  Das.  Z.  43  ist  nach  hwät  kein  Comma, 
sondern  ein  Ausrufungszeichen  zu  setzen,  wie  es  auch  Grein  gethan  hat.  Das. 
ist  cernemergen,  wie  bei  Grein,  in  zwei  Worte  zu  trennen.  Ebenso  ist  das. 
Z.  68  aweg  nicht  in  einem  Worte  zu  schreiben,  trotz  des  ne.  away.  —  Warum 
das.  Z.  58  siva  swa  durch  Comma  getrennt  ist,  an  den  anderen  Stellen  (Z.  46, 
67,  69)   nicht,   sieht  man   nicht   ein:   aufzufassen  sind   sie   alle   gleich. 

XI,  68  netra.  Wie  der  gen.  plur.  von  net  netra  heißen  kann,  weiß  ich 
nicht.  Ist  etwa  schon  bei  Bout.  netna  zu  lesen? 

XII,  22.  Glossar  p.  81''  sagt  Zup.:  bryniges  übersetzt  Thorpe  mit 
fires:  ich  weiß  damit  nichts  rechtes  anzufangen.  Da  hätte  doch  wenig- 
stens die  Übersetzung  der  Stelle  durch  Ingram:  The  Saxon  Chronicle.  Lond. 
1823,  p.  366  mit  angeführt  werden  müssen,  der  bryniyes  durch  coats  of  mail  wieder- 
gibt. Ganz  befriedigend  ist  diese  Erklärung  freilich  auch  nicht:  aber  sie  kommt 
doch  dem  geforderten  Sinne  «eiserne  Gewichte"  am  nächsten.  Das.  Z.  34 
Anm.   rruvdes  bei  Thorpe  ist  wohl  Druckfehler.   Daß  diese  Veruiuthung 


364         LITTERATUR:  J.  ZUPITZA,  ALTENGLISCHES  ÜBUNGSBUCH. 

unrichtig  ist,  beweist  einfach  der  Umstand,  daß  Gibson  (Chron.  Sax.  Oxonii  1692) 
p.  239  und  Ingniin  p.  366  ebenso  lesen.  Auch  dem  Sinne  nach  passt  wundes 
ganz   leidlich. 

XIII.  Aus  dem  poema  morale.  Dieß  Stück  soll,  ebenso  wie  no.  VIII, 
Gelegenheit  bieten  zur  Übung  in  der  kritischen  Behandlung  eines  Textes  (Vor- 
wort). Unter  diesem  Gesichtspunkte  kann  ich  die  Ausgabe  dieses  Abschnittes 
nicht  für  genügend  halten.  Zup.  legt  die  bei  Morris:  Old  engl.  Hom.  I  p.  159  ff. 
abgedruckte  Fassung  (A)  zu  Grunde,  und  gibt  die  Lesarten  der  übrigen  Hs. 
in  den  Anmerkungen,  in  der  Kegel  nur  an  Stellen,  wo  A  unverständlich  ist 
oder  verderbt  scheint.  So  hat  also  im  Voraus  schon  der  Herausgeber  darüber 
entschieden,  wo  der  Text  der  Besserung  bedarf,  und  dem  Schüler  ist  dadurch 
ein  wesentlicher  Theil  eigener  Arbeit  entzogen.  Sollte  der  obige  Zweck  ei-füllt 
werden,  so  mussten  alle  Lesarten  aufgeführt  sein,  was  das  Buch  doch  auch 
nicht  ungebührlich  angeschwellt  haben  würde.  Wie  wichtig  das  gerade  hier  ge- 
wesen wäre,  will  ich  im  Folgenden  kurz  zu  begründen  suchen. 

Es  lässt  sich  vor  allem  aus  Zup.  Text  die  wichtige  Frage  gar  nicht  ent- 
scheiden —  eine  genauere  Prüfung  derselben  ist  mir  wenigstens  noch  nicht  zu 
Gesicht  gekommen  —  ob  wir  in  diesen  und  gleichzeitigen  Dichtungen,  die  den 
Übergang  vom  ae.  zum  me.  vermitteln,  eine  durchgehende  Vernachlässigung 
des  germ.  Wortaccentes  zu  constatieren  haben  oder  nicht.  Wenn  ein  oder 
mehrere  Hdschr.  an  allen  oder  den  meisten  Stellen ,  wo  wir  in  A  den  Wort- 
accent  verletzt  finden,  denselben  wahren,  so  spricht  das  offenbar  sehr  zu  Gunste» 
einer  Verderbniss  in  A.  Denn  der  umgekehrte  Fall,  daß  die  Abschreiber  überall 
geändert  haben  sollten,  um  den  germ.  Accent  mühsam  herzustellen,  während 
der  Dichter  das  Gefühl  dafür  schon  verloren  hatte,  ist  doch  unglaublich.  Der 
Grundcharakter  des  Metrums  ist  der  jamb.  catal.  tetrameter,  bestehend  aus 
zwei  Hälften,  deren  erste  vier,  deren  zweite  drei  Hebungen  hat.  Der  Auftact 
beider  Vershälften  darf  fehlen.  Die  erste  Hälfte  pflegt  männlichen  Ausgang  zu 
haben,  die  zweite  weiblichen.  Ob  Senkungen  fehlen  dürfen ,  muß  vorerst  un- 
entschieden bleiben.  Das  Metrum  ist  also  im  Wesentlichen  dasselbe  wie  im 
Ormulum:  daß  Orm  nie  (vgl.  Koch  Gr.  I  §.  204),  der  Dichter  des  poema  morale 
wenigstens  meist  auf  den  Wortaccent  Rücksicht  genommen  hat,  lehrt  ein  flüch- 
tiger Blick,  woraus  wieder  wenigstens  zu  schließen  ist,  daß  Orm  sich  seinem 
Vorbilde,   der  lat.  Hymnenpoesie,   sklavisch  angeschlossen   hat,  der  andere  freier. 

Ich  wende  mich  nun  zu  einzelnen  Stellen  des  Gedichtes,  um  sie  nach 
dieser  und  anderer  Seite  hin  zu  besprechen.*) 

V.  S**:  mi  loit  ahti  hon  märe  AC  mi  icit  ah  tö  ben  moi-e  BE.  ogJite  to  D. 
Die  Lesart  von  D  wohl  die  richtige;  e  von  oght  ist  stumm.  V.  7''  bifealt  to 
childhade  A.  Es  fehlt  eine  Senkung.  Die  andern  Texte  weichen  hier  ganz  ab, 
aber  A  ist  sehr  leicht  zu  bessern ,  ja  verlangt  dieß  geradezu,  bifealt  nämlich 
wäre  formell  nur  richtig,  wenn  es  auf  bifealde])  zurückgienge,  also  wenn  der 
Stamm  mit  einer  Dentale  auslautete  (vgl.  Koch,  Gr.  I  p.  338  f.),  was  dem  Sinne 
nach  unmöglich  ist.  Von  hifeallan  aber  muß  die  Foi-m  bifeaUep  lauten.  Dadurch 
wird  aber  auch  die  fehlende  Senkung  gewonnen:  bifedllep  tö  childhade.  V.  15''. 
dr  ich  hü  wiste  A.   Es  fehlt    eine   Senkung,   er    ich    hit  a.    itnisie   B.    er  jian   ich 


*)  Der  Abdruck  von  E  bei  Monis  Old  engl.  Hom.  U.  1873,  p.  'J20  ff.  stand  mir 
für  das  Folgende  leider  niclit  zu  Gebote. 


' 


LITTERATUK:  J.  ZUPITZA,  ALTENGLISCHES  ÜBUNGSBUCH.  3G5 

hit  wiste  C.  V.  1  9"  ist  uacU  A  lesbar,  wenn  man  ]}ä  vor  ho  elidiert,  wie  öfters ; 
ebenso  ist  19''  mit  fehlendem  Auftacte  zu  lesen,  doch  wird  hier  ein  Dativ  ver- 
misst,  wir  hätten  also,  da  die  erste  Vershälfte  im  plur.  steht,  kern  zu  ergänzen. 
BC  lesen:  pe  hioile  he  mei  und  setzen  dann  him  ein.  In  V.  20*"  fehlt  nach  A 
und  C  eine  Senkung;  per  pe  hi  cer  seoioen  B.  V.  21''  ist  mit  BC  pet  zu  streichen. 
V.  23  pd  him  sölve  föi'get  ABC \  sehr  hartes  Fehlen  einer  Senkung;  etwa:  Jie 
mon  pe  solve  him  forgetf  vgl.  V.  39.  V.  25''  pe  hwile  pet  ye  mugen,  fo  hovene-^ 
sicherlich  verderbt,  pet  ist  mit  C  zu  streichen  wie  V.  21"^"  und  das  Schluß-e  von 
hovene  und  sovene  für  stumm  anzusehen.  B  weicht  ganz  ab.  V.  32*  lies  mit 
B  cefrech  für  eck.  V.  32*'  ist  ]>et  zu  streichen  wie  21,  25.  V.  36:  monies  monnes 
sare  iswinc  habbect  oft  unholde.  Morris  übersetzt  0.  E.  Hom.  I  p.  160:  Many 
kincls  of  sore  trouhle  have  often  the  infirm.  unholde  soll  =  unhale  sein.  Aber 
monnes  =  Jcinds'^  Dag.  p.  315  schlägt  M.  vor,  nach  ivalde  ein  Comma  zu  setzen 
und  beide  Zeilen  so  zu  verbinden:  He  who  does  not  well  while  he  may ,  shall 
not  be  able,  lohen  he  would ,  for  many  a  mans  hard  äff  lief  ion  [i.  e.  grievous 
sickness]  hath  [been]  often  iifavourahle.  [i.  e.  has  prevented  him  from  amending 
Ms  evil  life].  Daß  hahbed  sich  sprachlich  so  auffassen  lässt,  kann  ich  unmög- 
lich glauben.  Die  einfachste  und  ungezwungenste  Auslegung  scheint  Zup. 
im  Glossar  vor  Augen  gehabt  zu  haben,  p.  97":  iswink,  Arbeit,  Erarbeitetes, 
Gewinn,  Der  Zusammenhang  ist  demnach:  Weise  ist  der,  welcher,  so 
lange  er  lebt,  an  sich  selbst  denkt  (V.  33)  [d.  h.  sich  Schätze  im  Himmel 
sammelt  (V.  39  ff.)]:  Fremde  und  Verwandte  werden  ihn  bald  vergessen.  Wer 
nicht  zur  rechten  Zeit  wohlthut,  hat  später  nicht  mehr  Gelegenheit:  so  ge- 
schieht es,  daß  manches  Mannes  mühsam  zusammengescharrtes 
Gut  schließlich  nur  seinen  Feinden  [d.  h.  den  lachenden  Erben,  die 
auf  seinen  Tod  gelauert  haben]  zu  Theil  wird.  V.  37"  scal  A.  sohle  BC. 
Der  Betonung  wegen  ist  letzteres  besser.  V.  40  hvile  pät  he  mai  A.  pe  hicile  BC; 
vgl.  V.  32  etc.  V.  41''  pes  riche  men  wendet  bon  seker  AB.  peos  Hohe  mdn  wenep 
tö  beon  si/ker.  Ich  halte  für  die  ursprüngliche  Stellung:  pes  riche  men  wened 
siker  bon,  wie  in  V.  39.  V.  46''  and  solf  bered  AC.  B  abweichend  suuel  and 
bred.  Ich  möchte  danach  in  A  lesen :  solf  and,  bered.  Noch  besser  wäre :  ?ider 
he  sent  and  bered  solf.  V.  53  f.  wechselt  sing,  und  plur.  in  A;  ebenso  C.  B: 
pe  pe  her  det  ani  god.  Das  ist  doch  wohl  das  richtige,  und  hier  hätte  Zup., 
abgesehen  von  der  Accentfrage,  dieVaiianten  angeben  müssen,  wenn  er  seinem 
Principe  folgen  wollte.  V.  54"  in  A  richtig,  dl  hd  schal  vynde  pdr  C  verderbt. 
54"'  hundredfald  mare  A.  Es  fehlt  eine  Senkung,  hundred  felde  B.  hundred- 
folde  C.  V.  55''  hwlle  pe  A.  petoile  BC.  Metrisch  geht  beides  an;  aber  für  hwile 
pe  weiß  ich  keine  Parallelstellen.  V.  63''  biforan  pe  hevenking  A.  hevenekinge  BC. 
Letzteres  ist  das  richtige,  da  stumpfer  Versausgang  gefordert  wird.  V.  65"  Ech 
man  mid  ])et,  he  hdvet  A.\  es  fehlt  eine  Senkung;  eure  ilc  B.  everuych  C,  euwich  D. 
awich  E.  Also  alle  übiigen  Hdschr.  gegen  A,  V.  69  f.  Zup.  Anm.  do  hit\  bute  B, 
fehlt  E,  ded  hitf  Ich  halte  eine  Änderung  für  unnöthig.  Der  Sinn  ist:  Jeder 
soll  nach  seinen  Kräften  für  das  Himmelreich  thun  (V.  65).  Der,  welcher  nicht 
mehr  thun  kann,  thue  das  wenigstens  mit  aufrichtigem  Herzen,  so  gut  wie  das 
der  Reiche  nöthig  hat  [auf  die  Gesinnung  kommt  es  bei  beiden  an] ;  denn  oft 
weiß  Gott  dem  mehr  Dank,  der  ihm  weniger  gibt.  Zup.  verlangt  den  Sinn:  der, 
welcher  nicht  mehr  thun  kann,  thut  mit  seiner  guten  Gesinnung  ebenso  wohl, 
als   wie  der  Reiche   [der  viel  gibt].   Das  wäre  an  sich  auch  nicht  verkehrt,  aber 


3G6         LITTERATUR:  J    ZUPITZA,  Af.TENGLISCHES  ÜßUNGSBUCH. 

einmal  erwartete  mau  dann  einfach  deff,  nicht  deä  hit,  und  ferner  würde  dann 
V.  73  f.  nur  eine  Wiederholung  von  demselben  Gedanken  sein.  —  82":  pet  his 
wil  is  A  fehlt  eine  Senknnfj.  loilles  B.  wille  C.  V.  85*  hord  hüten  horde  A  fehlt 
eine  Senkung;  ahnten  BE.  Sollte  Zup.  an  dieser  Form  Anstoß  nehmen  (vergl. 
Ztschr.  für  österr.  Gymn.  a.  a.  0.  p.  139  f.),  so  kann  man  mit  D  albufen  lesen. 
AI  dient  dann  zur  Verstärkung  der  präp.,  wie  nach  Zup.  richtiger  Erklärung 
a.  a.  O.  p.  130  vor  wit,  Wülcker  VII,  7.  V.  88"  >e  ]je  dU  godes  loilU  K.  ]>€ 
pe  godes  wille  de  BE.  ]>(.  pat  —  dod  C.  pe  man  pe  —  ded  D.  Auch  hier  steht 
betreffs  der  Wortstellung  die  Autorität  aller  Hdschr.  gegen  A.  V.  93''  lif  leden 
die  Hdschr.  fehlt  die  letzte  Senkung,  ileden'^  vgl.  V.  5.  Zu  V.  93  f.  führt  Zup. 
einige  Varianten  an  wegen  des  unreinen  Reimes:  leden  —  ofdred  in  A;  warum 
nicht  die  Lesart  von  D?  ^Se  man  neure  nele  don  god\  ne  neure  god  lif  leden  \ 
Kf  ded  and  dorn  come  fo  his  dure  |  he  mal  Mm  sore  adreden.  V.  97:  pei-  seiden 
hön  dovle  swa  föle  A.  BC  haben  dieselbe  Wortstellung.  Etwa:  ])er  sculen  dovle 
ben  swa  fole.  V.  103*  Hw^t  seiden  ordlinges  don  ABC.  Hwet  ordlinghes  sculen  don'i 

Aus  der  Betrachtung  dieser  Stellen  geht  hervor,  daß,  wo  A  den  Wort- 
accent  verletzt,  dieß  oft  gegen  alle  andern  Hdschr.  geschieht,  häufig  gegen 
eine  oder  zwei.  Ebenso  nun,  wie,  wenn  eine  der  andern  Hdschr.  im  Gegensatz 
zu  A  den  Wortaccent  verletzt,  wir  sie  für  verderbt  halten  werden,  wie  Zup. 
für  eine  ganze  Anzahl  von  Stellen  selbst  jenen  vor  A  den  Vorrang  eingeräumt 
hat,  so  werden  wir  hier  dasselbe  Princip  befolgen  dürfen.  Diese  Untersuchung, 
sowie  die  über  die  Möglichkeit  des  Fehlens  der  Senkungen  würde  uns  hier  zu 
weit  führen.  Vielleicht  nimmt  Zup.  selbst  bei  der  neuerdings  versprochenen  Aus- 
gabe von  D  Gelegenheit,  auf  diese  Fragen  genauer  einzugeben.  Die  Richtigkeit 
meiner  obigen  Behauptung,  daß  der  von  ihm  hier  gegebene  Apparat  zur  Übung 
in   der   Textkritik    nicht  genügt,    dürften    meine   Bemerkungen    erwiesen    haben. 

XIV,  79  from  non  on  saterdei.  Zup.  Gloss.  p.  112''  erklärt  non  durch 
Mittag.  Wegen  des  speciell  kirchlichen  StotFes  glaube  ich  eher,  daß  hier  von 
der  hora  nachmittags  um   3   Uhr  die  Rede  ist. 

XVI,  37  f.:  per  blowed  inne  Misse  blostmen  hwite  and  reade,  |  per  harn 
never  ne  mei  snou  ne  vorst  ivreden.  Zup.  bemerkt  Gloss.  9.')'':  gefreian,  me.  if reden, 
ivreden,  wahrnehmen,  merken,  fühlen:  aber  XVI,  38  übersetzt  es 
Morris  ohne  Bemerkung  mit  hurt :  diese  Stelle  ist  wohl  verderbt. 
—  In  der  Anm.  z-  d.  St.  schlägt  er  deßhalb  vor,  für  ham,  non  zu  schreiben.  Zup. 
hat  offenbar  gar  nicht  verstanden,  welches  Wort  Morris  mit  hurt  übersetzt.  Die 
Hdschr.  hat  iureden;  das  u  steht  hier  nicht  für  v  ^ /,  sondern  für  w,  wie  in 
]>eoudom\  iwreden  steht  mit  Metathesis  (vgl.  vrim  =  vyrm)  für  iwerden  ■=  hurt. 
Einen  schlagenden  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Erklärung  liefert  der  Um- 
stand,  daß  gewerden  in  genau  demselben   Zusammenhang    schon  ae.   vorkommt; 

vgl.    Phönix   V.  14  0".:   Ne  mag  jxer  ren  ne  snäv,  ne  forstes  fncest vihte 

gevyrdan is  pät  adele  lond  blöstmum  geblöven.    V.  45  per  me  s^chal  ham 

steoren  mid  güldene  chelle.  Zup.  Gloss.  p.  123"  s.  v.  stcoren  bemerkt  im  Blick  auf 
diese  Stelle:  ob  me.  aussteuern,  versehen?  So  übersetzt  nämlich  Morris 
p.  192:  There  shall  they  he  presented  loith  golden  cups.  Diese  Bedeutung  von 
fteoran  ist  aber  sonst  nirgends  nachzuweisen.  Ders.  bemerkt  p.  322:  This  line 
might  be  mnre  literally  rendered  as  follows:  There  shall  one  stir  up  (mix)  for 
them  the  golden  cup.  Bei  dieser  Übersetzung  bekenne  ieli  mid  nicht  recht  zu 
verstehen.     Mir    scheint    die     ebendas.     citierte  Vermuthung    Stratmanns    (Dict. 


LITTERATUR:  J.  ZUPITZA,  ALTENGLISCHES  ÜBUNGSBUCH.  :-]ß7 

p.  469")  den  Vorzug  zu  verdienen,  der  steoreii  =  stcren  thurlficare,  von  stör 
thua  ansetzt;  vgl.  ahd.  raukhelle  (Graff  IV,  385).  Der  Einwand  von  Morris  a.  a.  0.: 
hut  schenchen  in  the  next  line  is  rather  against  tliis  view ,  ist  nicht  stichhaltig; 
vgl.  z.  B.  Gen.  und  Exod.  V.  321  ff.:  [der  Satan]  wente  in  to  a  tvirme,  and 
tolde  eue  a  iale,  and  senkede  hire  hure  aldre  bale ,  und  schenkte  ihr  unser 
aller  Übel  ein,  wo  auch  vorher  nicht  von  einem  Becher  die  Rede  war.  — 
V.  82  ist  wohl  zu  lesen:  pauh  he  habbe  swude  agult  and  de  id^^eaved  sore\ 
Metrum  und  Satzconstruction  empfehlen  diese  Umstellung,  denn  de  gehört  nur 
zu  idreaved. 

XVn.  Auch  hier  lässt  sieh  der  Vers  oft  sehr  leicht  glätten;  z.  B.  V.  1308 
lies  childe  für  child,  wie    1305.   V.    132G   lies:  holoeaustuyn,  wie  V.  1319. 

Ebenso  in  XVIII.  Z.  B.  V.  19  möchte  ich  lesen:  hwart  artu,  pat  me  drynke 
byst.  V.  25:  Loverd  po  pe  wymmon  seyde;  vgl.  V.  36,  wo  seyde  an  derselben 
Stelle  steht.  V.  43  ist  vielleicht  nach  pilke,  men  einzusetzen.  V.  47;  pat  ne 
never  beö  pe  mon.  V.  72:  and  urnen  of  the  bureuh  ut.  Wie  sehr  die  einzelneu 
Hdschr.  des  poema  morale  von  einander  abweichen,  sahen  wir  oben,  auch  hier, 
wo  wir  nur  eine  Hdschr.  haben,  ist  also  das  Vorhandensein  von  Fehlern  sehr 
wohl  möglich :  aber  ich  bin  natürlich  weit  entfernt,  meine  Anderungsvorschläge 
für  sichere  Emendatioiien  zu  halten.  —  Daß  nach  V.  69  ein  oder  mehrere 
Verse  ausgefallen  sein  müssen,  hat  Morris  wunderbarer  Weise  nicht  angemerkt ; 
Zup.   notiert  es  richtig. 

XX.  Aus  der  Sage  von  Gregorius.  Eine  interessante,  bis  jetzt,  wenn  auch 
in  den  Legendae  catholicae  Edinb.  1840  gedruckt,  fast  unbekannte  Fassung 
der  Gregoriuslegende,  deren  Veihältniss  zu  Hartmanns  Gregor  und  zum  franz. 
Text  noch  niemand  genauer  geprüft  hat.  Lippold:  Über  die  Quelle  des  Gre- 
gorius etc.  kennt  sie  nur  aus  einer  Anführung  in  Scotts  Tristrem*),  und  Paul 
(Greg,  von  Hartm.  v.  Aue.  Halle  1873)  erwähnt  sie  gar  nicht.  Die  hier  gt-druckten 
60  Verse  hat  Zup.  neu  mit  dem  Mscr.  verglichen.  V.  11  lies  des  Metrums 
wegen:  walde  für  wald.  V.  33"*  lies:  wijp  gode  hert.  V.  34^  lies:  goven  hast 
and  lent.  V.  36^:  Zup.  Gloss.  p.  86*  sagt:  de7it  Gregor  (XX)  36  ist  mir 
unverständlich.  Jedenfalls  von  dunten,  dinten,  denten  =  ferire  abzuleiten  := 
altn.  dynta:  das  ne.  dint  erklärt  Lucas  mit:  durch  einen  Schlag  oder 
Druck  einzeichnen,  eine  Spur  auf  einen  festen  Körper  machen. 
Diese  Bedeutung  passt  hier  vortrefflich:  Der  Abt  wollte  sehen,  was  in  den 
Elfenbeintafeln  geschrieben  und  eingegraben  war.  —  Das  Gedicht  ist  in  vier- 
zeiligen  Stiophen  abgefasst,  die  durch  geraeinsamen  Reim  gebunden  sind  und 
mit  denen  stets  der  Satz  schließt.  Zup.  hat  dieselben  durch  große  Anfangs- 
buchstaben markiert.  Bis  V.  42  ist  alles  in  Ordnung;  dann  aber  scheinen  zwei 
Zeilen  ausgefallen  zu  sein,  die  mit  sfon  und  non  reimten  ;  dem  Sinne  nach  wird 
die  ausdrückliche  Erwähnung  zu  ergänzen  sein,  daß  der  Abt  dem  Armen  den 
Findling  mitgibt  (vgl.  Hartm.  V.  899  ff.);  so  gehören  dann  zusammen  V.  43 
bis  46,  47 — 50,  51 — 54,  55  —  58.  Zup.  hat  diesen  Ausfall  übersehen  und  lässt 
deßhalb  erstens  bei  V.  45  mitten  im  Satze  eine  neue  Strophe  beginnen.  Dadurch 
gerathen  aber  auch  alle  folgenden  Reime  in  Unordnung  und  der  Abschnitt 
schließt  mitten  in  der  Strophe.  —  V.  50*  ist  nach  ladde  wegen  Vers  und  Sinn 


*)  Ebenso  Bieling:   Ein   Beitrag  zur  Überlieferung   der  Gregoriuslegende.   Berl. 
1874,  p.  7. 


3G8  L1TTKI?ATUR:  J.  ZUPITZA,  ALTENGLISCIIES  ÜnUNGSBUCIT. 

her  einzusetzen.  V.  5G":  prest  and  clerk  jier  stode  hi?  V.  59'':  J)e  cloj)  he  wele 
tok  to  hokn 

XXI,  75:  fn  pe  faderles  wan  he  rath.  Zup.  Gloss.  p.  116'':  rath  beraterf 
Das  müsste  rüd  heißen,  rath  ist  vielmehr  =  hrad,  ae.  hrced,  isl.  hrddr  schnell, 
mit  Wegfall  des  A.  Der  Sinn  ist  also:  Zu  den  Vaterlosen  war  er  schnell, 
sc.  ihnen  zu  helfen;  vgl.  V.  78:  he  dede  hem  sone  to  haven  ricth.  V.  163: 
and  aveden  the  king  igrefi 

XXIV,  8 1  f.  jns  is  a  mervayl  message  a  man  for  to  preche  amonge  enmyg. 
"Wie  Zup.  diesen  Vers  aufgefasst  hat,  ist  nicht  ersichtlich.  Er  gibt  im  Gioss. 
für  mervayl  die  Bedeutung:  Wunder,  für  message:  Botschaft.  Morris  er- 
klärt im  Glossarial  index  mervayl  für  diese  Stelle  durch  mervellous,  also  als 
adj.,  übersetzt  also  doch  wohl:  das  ist  eine  wunderbare  Sendung  für  einen  Mann, 
zu  predigen:  aber  müsste  das  nicht  heißen:  for  a  man  to  preche"^  Auch  ist 
marvel  als  adj.  sonst  nicht  nachgewiesen.  Es  gibt  nur  zwei  Möglichkeiten :  ent- 
weder man  fasst  mervayl  als  suhst.  und  message  als  Verbum  (wofür  ich  freilich 
auch  nicht  eine  Parallelstelle  beibringen  kann)  und  übersetzt:  Das  ist  ein  Wunder, 
einen  Mann  zum  Predigen  abzuordnen,  oder  man  fasst  mervayl-mesÄage  als  Com- 
positum und  nimmt  die  oben  angedeutete  Umstellung  vor.  Das  letztere  möchte 
ich  vorziehen.  V.  92  ])ay  pe  fader ^  pat  hym  formed,  were  fale  of  his  hele.  Das 
Versfändniss  dieser  Zeile  erscheint  nicht  ohne  Schwierigkeit,  fale  erklärt  Zup. 
Gloss.  p.  90":  treu,  lieb,  gut.  Morris:  good.  Soll  das  etwa  heißen:  wenn 
auch    der  Vater,   der  ihn   schuf,   für  seine   Sicherheit   gut  sagte  ? 

XXV*),  4.  Nach  end  ist  der  Punkt  zu  streichen,  denn  off  aunters  ist  direct 
von  Jns  werke  abhängig.  Dag.  möchte  ich  nach  V.  10  statt  des  Commas  einen 
Punkt  setzen,  denn  mit  V.  11  beginnt  ein  ganz  neuer  Satz.  V.  18  scheint  mir 
Zup.  mit  Recht  o  fere  zu  übersetzen  durch:  mit  Geschick;  vgl.  Orm.  V.  1251  : 
ay  affer  pine  fere.  ==  isl.  foeri.  Die  Herausgeber  übersetzen:  ovt  and  out,  com- 
pletely  (Index  p.  532'').  V.  35  pau  hom  maister  loere.  In  der  Ausgabe  p.  463 
wird  übersetzt:  than  they  had  authority  for  :  maister  has  here  the  same  meaning 
as  in  the  phrase  :  he  tvas  master  of  his  subject.  Gegen  diese  Erklärung  scheint 
mir  das  in  diesem  Falle  reflexiv  zu  fassende  hom  zu  sprechen.  Mit  Znp.  werden 
wir  maister  hiermit:  Noth  wen  digk  eit  übersetzen,  in  welchem  Sinne  es  auch 
V.  11815  vorkommt.  V.  61.  Im  Glossar  der  engl.  Ausgabe  wird  dew  für  diese 
Stelle  erklärt  durch :  related,  hound,  allied.  Bei  dieser  Erklärung  ist  aber  die 
Beziehung  von  füll  dere  zu  vag.  Zup.  trifft  das  richtige,  wenn  er  p.  86"'  deio 
als  adv.  fasst  =  didy  :  gebührender  Weise.  Dag.  ist  es  gewiß  falscli  V.  98 
shene  für  das  adj.  „schön"  zu  halten  (Zup.  p.  118'');  es  ist  part.  prät.  von 
sehen:  was  für  Schiffe  da  gesehen  wurden. 

XXVII,    17.   Nach  personis  ist  ein   Comma  zu  setzen. 

Ich  wende  mich  nun  zum  Wörterbuche ,  indem  ich  im  voraus  bemerke, 
daß  ich  an  ein  solches  zumal  bei  so  geringem  Umfang  der  Texte,  die  Forde- 
rung stelle,  daß  es  nicht  nur  alle  in  den  Lesestücken  enthaltenen  Worte  und 
zwar  mit  der  geforderten  Bedeutung  aufweise,  sondern  auch  alle  grammatischen 
Formationen  jedes  Wortes,   soweit  sie  sich   dort  finden,  falls  sich  nicht   die  be- 


*)  Bei  Zup.  wird  die  Ausgabe  von:  The  Gast  Mystoriale  als  1809  erichieuen 
angegeben.  Mir  ist  nur  die  von  1874  bekannt,  die  sich  nicht  als  zweiter  Abdruck 
bekundet. 


LITTERATUR:  J.  ZUPITZA,  ALTENGLISCHES  ÜBUNGSBUCH.         369 

stimmte  Tendenz  kund  gibt,  die  etwa  aus  dem  ne.  oder  frz.  leicht  erschließ- 
baren Worte  wegzulassen.  Das  ist  aber  bei  Zup.  nicht  der  Fall. 

p.  75"  fehlt  zu  an  die  me.  Form  o  XVIII,  14,  XX,  41.  Das.  fehlt:  an- 
Tiondredvald  ein  hundertfältig  XXIIT,  69.  p.  Tö*"  fehlt:  ceräcemde  bevor 
III,  30.  Das.  fehlt  zu  arest  die  Bedeutung  bleiben.  XXIV,  144:  pe  wawes 
—  durst  nowhere  for  roy  arest  at  ihe  bothem:  die  Wogen  wagten  nicht 
auf  dem  Grund  zu  bleiben,  p.  76*:  zu  äf  fehlt:  at  pet  bis  XIV,  76  f. 
p.  77*:  bärsynnig  :sehr  sündig;  vielmehr  '.publice  peccans:,  vgl.  publicanus. 
p.  79"  fehlt  berrhles  :  Rettung  XV  A  V.  103.  p.  79^  zu  biddan  :  auch  refl. 
gebraucht  XVIII,  42.  Das.  fehlt  bileuynge  Lebensunterhalt  XVIII,  9. 
p.  82*  fehlt  byrth  Geburt  XXVII,  23.  Das.  fehlt  zu  bysig  die  Form  besye, 
XXVII,  37.  Das.  fehlt  canceler  XII,  8.  p,  82''  fehlt  zu  ceorfan  die  Bed.  kappen. 
XXIV,  153  :  yet  corven  pay  pe  cordes:  sie  kappten  die  Taue.  Das.  fehlt 
ke^je  halten  XXII,  6.  p.  84"  fehlt  creopan,  me.  crepen,  kriechen  XXI,  68. 
p.  84''  fehlt  christeneman ,  christeman  XIX,  33,  35.  Das.  fehlt  bei  cuma7i  die 
nordh.  Form  cyma  XI,  20;  ebenso  das  Verbalsubst.   eumming  XXVI,  92.  cumyne 

XXVII,  36.  p.  85''  fehlt  ciricend  ecclesiasticus  XI,  97.  Das.  fehlt  zu  däg:  to 
df:y  heute  XIX,  3.  p.  86''  fehlt  zu  dragan  die  me.  sehr  gewöhnliche  Bedeutung 
„foltern".  XXIII,  93.  p.  88*  fehlt  eallniwe  ganz  neu  X,  60.  Das.  fehlt  bei 
ealswä  me.  alse-se  so  wie  XIII,  70.  p.  88''  fehlt  efnegewyrcan  condere  XI,  41. 
p.    91*  fehlt  zu  fin  die  Form  fyn  XXI,  22.  p.  91''  fehlt  zu  flcesc  die  Form  vle^sh. 

XXVIII,  64,  7.  Das.  fehlt  zu  folc  die  Bedeutung:  Menschen  XXV,  45  im 
Gegensatz  zu  goddes.  p.  92''  zu  forgrowan  fehlt  die  Bed.  sich  entstellen, 
verstellen  XXVIII,  63,  2.  Das.  fehlt  zu  forgyltan  die  Bed.  schuldig  wer- 
den XIV,  23  f.  p.  93"  fehlt  zu  fyllan  die  Bed.  erfüllen  X,  39.  p.  94''  gear- 
wian,  me.  gere.  „Ebenso  nordh.  II,  1,  a":  p.  95''  fehlt  zu  gehealdan  die  Bed. 
zurückbehalten  XIX,  26.  Das.  geläccan,  me.  ilacchen,  prät.  geUihte,  schw. 
V.  Ib,  fassen,  ergreifen,  fangen.  Ich  glaube  trotz  Ettm.  a.  a.  O.  p.  157 
und  184,  daß  für  dieß  Verbum  langer  Vocal  anzusetzen  ist,  also:  gelcecan,  und 
daß  es  durchaus  zu  trennen  ist  von  läccan,  oläccan,  ludere,  /allere,  p.  96''  fehlt 
zu  geong  jung  die  Bed.  jugendlich,  kindisch.  XIII,  10:  yunge  dede.  Das. 
fehlt  zu  geryman  die  Bed.  ausbreiten  III,  8  f.,  wo  nicht  etwa  von  einem 
Verlassen  der  früheren  Wohnsitze,  sondern  von  der  Ausbreitung  der  Herrschaft 
die  Rede  ist.  Sweet:  enlarged.  p.  97*  fehlt  zu  gestrienan  die  Bed.  gewinnen 
III,  92:  er  gewann  einen  großen  Theil  des  Menschengeschlechtes  dem  Walter 
der  Himmel,  p.  99'' fehlt  zu  gylpan:  auch  refl.  gebraucht  XXIII,  55.  p.  lOO'' 
fehlen  zu  heäh  die  Formen:  helh  XVI,  25:  hei  70.  p.  101*  fehlt  hehangel  Erz- 
engel XIV,  49.  Das.  fehlt:  heofenelcwene,  Himmelskönigin  XVI,  83.  p.  lOl'' 
heow,  hiw,  me.  heow,  hew ,  ne.  hue  st.  n.  me.  ist  es  femin.  XIV,  18:  of  seol- 
cudre  keowe.  Ähnl.  p.  109'^ :  meaht  .  .  .  me.  mihte  .  .  .  ne.  might.  st.  f.;  me.  auch 
neutr.  XIV,  101:  det  forme  mihte.  Ebenso  p.  124*  f.:  sunnan  däg,  me.  sunne 
dei,  ne.  sunday  st.  m.  me.  auch  fem.  XIV,  95.  Hätte  Znp.  nur  das  ae.  Genus 
angeben  wollen,  so  hätte  er  diese  Angabe  nicht  an  den  Schluß  setzen  dürfen. 
p.  101''  fehlt  heircummyng  Ankunft  XXVI,  82.  p.  102"  fehlt  die  Form  holo- 
caustum  XVII,  1319.  p.  103"  fehlt  wat  in  der  Bed.  bis  XIX,  26:  wat  nu. 
Das.  fehlt  zu  hwU  die  Form  hwylem  XIX,  43.  p.  104''  fehlt  inngelcedan  intro- 
ducere  XI,  23.  p.  105"  lafian'i  m.  lave,  schw.  v.  Ib.  laben,  erleichtern, 
über  Bord  werfen.     Ich    glaube    nicht,    daß    diese  Bedeutuugsentwickelung 

GERMANIA.  Neue  Reihe  YIII.  (XX.)  Jahrg.  24 


370         LITTERATL'R:  J.  ZCPITZA,  ALTENGLISCHES  ÜBUNGSBUCH. 

richtig  ist.     Erstens    findet    sich  das  Wort  schon   ae.   Beöv.  V.  2722:  Hyne  Jid 

mid  handa —  vinedryhten    his    vätere   gelafede.    Ebenso   wie    diese  hissen 

sich   alle  bei  Stratmann  p.  307*  für  me.   lave    angeführten  Stellen  so  erklären, 
daß    schütten,    gießen,    benetzen    die  Grundbedeutung    des  Wortes    ist. 
Auch    mhd.    lap  (Lexer  I   p.   1833)    kommt    als:    Spülicht    vor.     Vielleicht 
ist  schon  ae.  lafian  mit    lavare  verwandt,   oder  wenigstens  ist  ein  urspr.   germ. 
lafian  =  laben    mit    dem    aus    lavare    entstandenen    lave    zusammengeflossen, 
so  aber,   daß  das  letztere  überwog.   XXIV,  154  passt  die  Bedeutung:  schütten 
ganz  gut.  p.  107"  fehlt  Uhting    Dämmerung  XIV,  79.  p.  110*  fehlt  zu   mon 
die  Pluralform  mene  XXII,  9.   p.  HS*"  oferreccan  übersetzen.  Das  Wort  heißt 
nur  durchsehen,   re-examine  XXV,  69;  von    dem    eigentlichen  übersetzen  ist 
erst  das.  V.  71   die  Rede.  Das.   fehlt  oferseon  übersehen  XlII,  75.   Das.   fehlt 
offpufyng,  das  Ablegen  XXVII,  18.  Das.  fehlt  zu  oft  die  Form  o//e  XXVIII, 
60,  5.   Das.  fehlt  oläcung  hlandimentum  X,  54.  Das.  fehlt  zu  on  die  Form  anupp- 
on  XIV,  51.   p.  114*  fehlt  zu  ond  die  Form  ande  XXVII,  6,  14,  21.   Das.  fehlt 
zu  ongegn  das  Wort:  agaiiecumynge  das  Entgegenkommen  XXVII,  20.  p.  114'' 
fehlt    ongemavg    ungeachtet  III,  68.    Das.  fehlt  anweald  potestas  X,  15;  18. 
p.    115"  fehlt  zu  paye  die  Bed.  Bezahlung  XXIV,  99.  p.  115''  iohM  zvl  peral 
die    Form   peryl  XXIV,   85.    p.  117*    fehlt    zu  riU    die    Form    rith  XXI,   123. 
p.   117''  rudnyng  Blitz?  wohl  schwerlich    erweisbar;  vielleicht    gleich  isl.  rud- 
ning,  dän.  rodninj  wühlen  XXIV,  139.  p.    118*^  sceädan,  me.  schede,  ne.  shed 
etc.   ae.  ftcheiden,  me.  (auch,  zuletzt  nur)  ausscheiden,  auswerfen,  ver- 
gießen.  Schon  ae.  ist  sceädan  scheiden,   von  sceddan  vergießen,  zu  tren- 
nen; vgl.  Ettm.  p.  674;  Müller,   Etym.    engl.   Wtb.   s.  v.   shed.     Das.    fehlt  zu 
sceäwian  die  Form  schewen  XXII,  9.  p.  119*^.   Die  unter  se  aufgezählten  Formen 
sind  ganz  unvollständig,  z.    B.  fehlt  nom.  pe  py   nordh.  me.    dat.   plur.    thaym 
XXII,  9.  paim  XXVI,  102.  pame  das.,  12   etc.   Oims  Formen  und  die  übrigen 
nordenglischen  fehlen  ganz.  p.  120''  fehlen  zu  sütäan  die  Formen  soädenXlll,  9. 
siden  XVII,   1295.  p.  122*    fehlt    zu    sona  die  Form    soyn  XXVI,  90.   p.   122" 
fehlt  zu    spedan:    auch  refl.    gebraucht  XXVI,   27.    Das.    fehlt    zu    stondan  die 
Bed.   bestehen,  instare,  incumhere  XIII,    18.  p.    126*"  fehlt    tobiddan    adorare 
XI,  86.  Das.   tocyma  venire  XI,  94.   p.    127*  trahtere  Übersetzer.    Vielmehr: 
Ausleger,  interpres  XI,   34.   Das.   fehlt  zu  traine  die  Form  trayne  XXV,  94. 
p.    127^  tulke  mann  Ritter.   Wie  tulke  =   altn.   tullcr  Dolmetscher  zu  der 
Bed.   Ritter    kommen  soll,    verstehe  ich  nicht,  p.  128*  fehlt  undercyma  succe- 
dere  XI,  33.  p.  129*  fehlt  üteornan  discurrere  XI,  83.   Das.   fehlt  zu  vilanye  die 
Form  vileynye  XXIII,  3.  p.    130*  fehlt    zu  walle    die    Bezeichnung    des  Genus. 
Es  ist  fem.  XVIII,  12.  p.  130"  fehlt  wylle,  ivelleXXIV,  130.  p.    131"  fehlt  zu 
widuwe    die  Form    widue  XXII,  79.   p.  132''    fehlt    zu    wtsian    die  Form    vnjsshe 
XXV,  4.  p.  133*.  tüown  heißt  nicht  „dunkel",    sondern  bleich,  farblos    (oft 
in  Verbindung  mit  pale  gebraucht),   was  XXIV,    141  sehr  wohl  vom  Meere  ge- 
sagt werden  kann.  p.  135*  fehlt  parfore,  perfore,  Jjarfor  XXVII,  22;  3.  XIV,  82. 
perfram,  perefrom  XXI,  55,  parof  XXVI,  84.  parout  XXVI,  48.  porwif  XXI,  100. 
tharwyth  XXVII,  29.  perwithXXY,   97.  p.  135''  fehlt  pohhivedere  at    tarnen  XV, 
15623.  p.  136' fehlt  zu  thing  der  Ausdruck  sum  ping  somwhat  XVIII,  7.  p.  136" 
p7-otu,   rae.  prote,  ne.  throat  st.   f.  Hals.   Vielmehr  bedeutet  das  Wort  ae.  und 
ne.  Kehle.   So  natürlich  auch  XII,  31,  wo  es  auch  noch  dazu  neben   „Hals" 
steht,   p.    137*  fehlt  zu  ]mrh  die  Form  pverrt  ut  Prorsus  XV,    105,   Das.   fehlt 
zu  pyncan  die  Form  (hynkqn  XXII,   8. 


LITTEEATUR:  R.  WÜLCKER,  ALTENGLISCHES  LESEBUCH.  371 

Endlicli  folge  noch  die  Verbesserung  einiger  Druckfehler.  I,  9  streiche 
das  Comma  nach  firum.  III,  93  rodra,  lies  rödra.  IV,  6  sceopgereorde,  lies  sceöp- 
gereorde.  VI,  192  bord,  lies  bord.  X,  37  pät,  lies  pät.  XI,  39  de,  lies  de. 
p.  353  mid  B,  lies  C.  XVI,  111  ])ine,  lies  pine.  XVIII,  37  hwart,  lies  hwat. 
XIX,  17  iwe,  lies  ine.  XXII,  33  streiche  das  Comma  nach  and.  XXIIl,  54 
norryssep,  lies  noryssep.  XXIV,  97  passse,    lies  passes.  XXV,  50  dampred,  lies 

Da  die  Besprechung  von  Zupitzas  Sammlung  schon  ungebührlich  lang 
geworden  ist,  so  begnüge  ich  mich,  was  Wülckers  Lesebuch  anlangt,  mit  einigen 
kürzeren  Nachträgen  zu  der  oben  besprochenen  ausführlichen  Anzeige  in  der 
Ztschr.  für  österr.  Gymn.  Auch  lässt  sich  ja  wohl  die  eine  oder  andere  Be- 
merkung noch  bei  einer  Besprechung  des  hoffentlich  bald  nachfolgenden  zweiten 
Theiles  leicht  nachholen.  Hier  also  nur  folgendes  wenige.  —  1,  60  üi  iverld  ivid. 
iverldel  vgl.  on  icerlde  V.  38.  Ferner  ist  gewiß  das.  V.  75  wegen  des  Metrums 
und  der  Parallelstellen  V.  113,  156  etc.  zu  lesen:  Ford  glod  äat  firme  dais 
ligt.  Daß  Morris  GE.  p.  XXXIX  schon  diese  Änderung  vorschlug,  scheint 
Wülcker  übersehen  zu  haben.  Daß  W.  nur  mit  Vorsicht  Änderungen  in  den 
Text  selbst  aufnimmt,  wird  man  nur  billigen,  aber  zuweilen  wird  darin  doch 
etwas  zu  weit  gegangen;  so  war  V.  167  cam  in  den  Text  einzusetzen:  aus  der 
Anm.  z.  d.  St.  erhellt  nicht,  ob  man  das  darf  oder  ob  man  cam  nur  in  Ge- 
danken ergänzen  soll.  Das.  V.  295  ff.  heißt  es;  hu  mal  it  ben,  Adain  beii  king 
and  Eue  ben  quuen,  Of  alle  de  dinge  in  icerlde  ben.  Dazu  wird  p.  124  bemerkt: 
Morris  fügt  hier  nach  dinge  ein  de  ein,  doch  ist  dieß  unnöthig, 
wenn  wir  verbinden:  Adam  ben  king  and  Eue  ben  quuen  of  alle  de  ding e 
in  werlde.  Erstens  ist  bei  dieser  Auffassung  Wülckers  Comma  nach  V.  29  6 
sinnlos,  wenn  beide  ben  sich  parallel  stehen.  Zweitens  aber  ist  dieß  doppelte 
ben,  wenn  auch  sprachlich  erträglich,  so  durchaus  nicht  schön.  Morris  hat  bei 
seiner  Einfügung  von  de  dieß  zweite  ben  meiner  Überzeugung  nach  ganz  richtig 
bezogen;  er  würde  übersetzen:  von  allen  Dingen,  welche  in  der  Welt 
sind,  de  in  den  Text  zu  setzen,  war  aber  trotzdem  überflüßig.  Es  ist  vielmehr 
hier  einfach  Ausfall  des  Relativpronomens  zu  constatieren.  Das  ist  um  so 
glaubhafter,  als  das  Subst.  im  Hauptsatze  auf  welches  der  rel.  Satz  sich  be- 
zieht, durch  alle  verstärkt  ist  (vgl.  meine  Untersuchungen  über  den  Ausfall 
des  Relativpr.  Straßb.  1872).  Die  ganz  analoge  Satzfügung  gleich  darauf  V.  300: 
of  alle  dinge,  de  wunen  her  bestätigt  es.  Dazu  kommt,  daß  Ausfall  des  Relativ- 
pron.  sich  in  GE.  sich  auch  sonst  noch,  wenn  auch  vereinzelt,  findet.  Ich  führe 
die  Stellen  hier  auf.  Zweifelhaft  ist  V.  737  f.:  Abram  du  fare  ut  of  land  and 
kin  I  to  a  lond  ic  de  sal  bringen  hin,  V.  738  lässt  sich  allenfalls  übersetzen: 
zu  einem  Lande  werde  ich  dich  hinbringen.  Dem  Sinne  entspricht 
weit  besser:  in  ein  Land,  wo  ich  dich  hinbringen  werde.  Ebenso 
V.  1289  f.:  and  dor  du  sali  him  offren  me\on  a  Ml,  dor  ic  sal  taunen  de. 
Das  zweite  dor  lässt  sich  relativisch  auffassen:  auf  einem  Hügel,  den  ich  dir 
zeigen  werde.  Aber  auch  hier  ist  wohl  zu  übersetzen:  auf  einem  Hügel, 
den  ich  dir  dort  zeigen  werde.  Sicher  sind  folgende  Stellen:  V.  751  wird  vom 
todten  Meere  gesagt :  Ilc  ding  deied  dorinne  is  driuen.  Jedes  Ding  stirbt, 
welches  da  hinein  getrieben  wird.  (Vgl.  GE.  p  135.)  V.  2187:  Xu  bi 
de  feid  ic  ag  to  king  pharaonl  bei  der  Treue,  die  ich  König  Pharao 
schulde.  Vgl.  Wülcker  3,  203;   endl.   V.  3672:    and    dies    do    men  'god  made 

24* 


372  LITTKKATl'U:  U.  Wi'LCKEK,  ALTENGLISCHES  LESEBUCH. 

wis:  und  las  da  Leute  aus,  welche  Gott  weise  gemacht  hatte.  Auch 
hier  setzt  Morris  ohne  Noth  vor  god,  de  ein.  Sonst  vgl.  man  noch:  W,  6,  48.00; 
12,  .388;  das.  V.  437  f.;   17,  2090;   18,  3603. 

12,  341  ist  nicht  nach  salle,   sondern  nach  traytcure  das  Comma  zu  setzen, 
so  daß  also  salle  ye  witen  zusammengehört;  vgl.  V.  460:  ye  may  witen. 
18,  3935   ist  nach  serjauns  das  Comma  zu  streichen. 

Anm.  zu  12,  87  yole.  Unter  jidfest  ist  hier  das  Winter julf est 
gemeint:  la  seynte  feste  de  nowel.  Hat  man  in  England  jemals  den  24.  Juni 
Sommerjulfest  genannt? 

Anm.  zu  18,  3678.  Daß  lepen  nicht  reiten  heißt,  sondern  an  Stellen 
wie  hier:  leopon  apon  stedis  durch:  „sie  sprangen  auf  die  Pferde"  zu 
übersetzen  ist,  hat  schon  Zup.  a.  a.  0.  p.  140  bemerkt.  Hinzufügen  will  ich, 
daß  sich  der  ganz  analoge  Sprachgebrauch  im  Altnordischen  findet:  hjölpu  peir 
pd  ä  hesta  sina.   Njälss    p.  263  u.  oft. 

Anm.  zu  19,  6704.  Manchmal  geht  irjnen  geradezu  in  den  Be- 
griff des  Verlierens  über  etc.  Hier  lag  es  sehr  nahe,  das  altn.  tyna  zu 
vergleichen,   dessen  Hauptbedeutung:  verlieren  ist. 

Anm.  zu  19,  6815.  Wie  im  Niederdeutschen  wird  auch  im  Eng- 
lischen oft  lere  statt  Urnen  gebraucht.  Hier  konnte  auch  der  analoge 
Gebrauch  im  Schwedischen  und  Dänischen  erwähnt  werden.  Isl.  findet  sich  loera 
erst  vom    15.   Jahrh.   an   so   gebraucht. 

In  den  Anmerkungen  wird  Einzelnes  vermisst.  Während  z.  B.  zwar  über 
den  Kent-Dialect  eingehend  gehandelt  wird,  erfährt  der  Leser  gleich  zu  Stück  1 
nicht,  was  es  mit  dem  qu  für  engl,  wh  auf  sich  hat;  vgl.  Mätzner  zu  GE. 
V.  1908. 

Zu  12,455:  chanon,  monk  and  frere  wünschte  man  den  Unterschied 
zwischen  monlc  und  frere  angegeben,  der  ja  u.  a.  auch  für  Chaucers  Prolog  zu 
den  C.  T.  zu  wissen  nöthig  ist.  (Vgl.  Herzberg:  GeoiFrey  Chaucer's  Canterbmy- 
geschichten.   Hildburgh.  1866.  p.  581  f.) 

Auf  die  Anmerkungen  folgt  p.  181  f.  eine  Erklärung  der  in  denselben 
gebrauchten  Abkürzungen,  die  jedoch  nicht  ganz  vollständig  ist.  So  weiß  man 
z.  B.  nicht,  welches  Werk  W.  in  der  Anm.  zu  17,  2184  durch  By.  abkürzt, 
oder  in  der  Anm.    zu   4,  14   durch  Somn. 

Weiter  füge  ich  eine  Anzahl  Bemerkungen  zum  Wörterbuche  bei,  übergehe 
aber  auch  hier  natürlich  alles,  was  sich  schon  bei  Zup.  a.  a.  0.  notiert  findet, 
p.  185*  fehlt  afta^e  ni  ederschlagen  6,  5011.  p.  18 6"^  fehlt  an^'er  Z  or  n 
19,  6855.  p.  188'  fehlt  baldehed,  boldehed  Kühnheit  12,  474.  p.  188"  fehlt 
eri  en  ,  bere,  strike  19,  7056.  p.  189*^  fehlt  bite.n,  byte  beissen  12,  348; 
19,  6918.  p.  191"  fehlt  zu  buk  Bauch  die  Form  bouk  18,  3946.  Das.  fehlt 
bücke  Bock  20,  10.  Das.  fehlt  bulluc  Böckchen  20,  9.  Das,  fehlt  castellet 
19,  7010.  p.  192b  fehlt  conten  count  6,  4908.  p.  193"  fehlt  crislenmen  11, 
I,  162.  Das.  fehlt  zu  dmle  die  Form  dal  1,  142.  p.  193"  fehlt  eure  ob  acht 
18,  4016.  Das.  fehlt  bei  dede ,  daß  dieß  Wort  auch  direct  für  misdede  stehen 
kann  11,  464,  466;  vgl.  dedbote  Stratm.  p.  118'.  p.  195"  fehlt  zu  drenchen  die 
Bed,  ertränken,  in  loater  drenche  aqua  mergere  18,  3721,  Das.  fehlt  zu  egre 
heftig  die  Form  egyr  19,  6840,  p.  196"  fehlt  zu  endyng  die  Form  eyndyng 
18,  4033.  p,  197"  fehlt  zu  feith  Treue  die  Form  fei  3,  203.  p.  197"  fehlt 
fest  tb.  fest   12,  393.  Das,   fehlt  fikel    dolosus   12,   82.  p,  201"  fehlt   grisUche 


LITTEKATUR:  L.  SCtLMID,  HARTMANN  VON  AUE.  373 

hovribile  II,  II,  193.  p.  201*  fehlt  hamelet  Dörfchen  12,  494.  p.  204"  fehlt 
zu  kepen  die  Bed.  erwarten  6,  5029;  31;  vgl.  mete  V.  5051.  So  sehr  oft 
gebraucht  in  Verbindung  mit  copnien,  vgl.  Stratm.  s.  v.  copnien  und  s.  v.  kepen. 
p.  205"  lec7:our  sb.  Wollüstling.  Daß  lecJiour  auch  die  allgemeinere  Bedeutung 
Schurke  haben  kann,  zeigt  18,  3916.  So  findet  sich  lecheor  auch  afrz.  zu- 
weilen, p.  205"  fehlt  les  falsch  19,  6895;  vgl.  Lay.  V.  28150.  [Zu  V.  6940 
Anm.  vgl.  Zup.  a.  a.  0.  p.  136.]  p.  206"  fehlt  zu  ligtli,  lictly  die  Form  lygt- 
liche  Jl,  II,  285.  p.  208"  fehlt  zu  meke  die  Form  meoke  10,  15.  p.  208"  fehlt 
m?/?'e  Sumpf  19,  6942.  Das.  fehlt  mysbileued  falschgläubig  11,  II,  44. 
p.  210"  fehlt  offring  Opfer  5,  339.  p.  211"  fehlt  zu  oste  Heer  die  Form 
hoost  19,  6791.  Das.  heißt  es  s.  v.  other:  auch  findet  sich  ein  unoi-- 
ganischea  t  eingeschoben:  pe  toper.  Diese  Form  ist  vielmehr  entstanden 
aus  pet  oder,  vgl.  Mätzner  Gr.  l"  p.  338''.  p.  211"  fehlt  ouerhie  zu  hoch  12, 
228.  Das.  fehlt  zu  pm-t  sb.  die  Form  party  12,  506.  p.  213"  fehlt  prouince 
Provinz  12,  268,  p.  216"  fehlt  scheme  =  schamel  12,  362.  p.  218"  fehlt  zu 
slagen  die  Form  sie  3,  287;  18,  3937.  p.  219"  fehlt  zu  stiren,  daß  es  auch 
refl.  gebraucht  wird  11,  II,  284;  dem  entsprechend  activ:  bewegen  6,  4710. 
Das.  fehlt  streitly  12,  405.  Das.  fehlt  sireo?i  Gewinn,  Nachkomme,  Sohn 
18,  3750.  p.  220"  somerstide  lies:  somerestide  12^  1.  p.  220"  sioere  s.  sivire] 
letzteres  ^  cervix  fehlt.  Das.  fehlt  suyn,  kent.  zuyn  Schwein  27,  11.  p.  221" 
fehlt  zu  peofpe  die  Form  theft  12,  449.  p.  222"  fehlt  zu  prote  Kehle  die  Form 
protte  28,  17.  Das.  fehlt  Urning  Erfolg  1,  31.  Das.  fehlt  timlich  zeitlieh 
27,  65.  p.  223"  fehlt  towUle  zuweilen  12,  373.  p.  225"  fehlt  waterside 
Wasserseite  18,  3702:  they  beon  byset  on  waterside  d.h.  sie  werden  an- 
gesichts des  Wassers  umringt  [so  daß  auf  der  einen  Seite  das  Wasser 
sie  bedroht,  auf  der  andern  die  Feinde].  Das.  fehlt  loaterward  nach  dem 
Wasser  zu  18,  3686.  p.  226"  fehlt  zu  werre  sb.  die  Form  weorre  18,  3851. 
p.  226"  fehlt  lohoso  whoever  19,  6925.  p.  228"  fehlt  ivretch  elend  27,  183. 
Das.  fehlt  zu  wrethe  Zorn  die  Form  wrappe  3,  242.  —  Dabei  habe  ich  noch 
die  Worte  unerwähnt  gelassen,  die  W.  in  den  Anm.  erklärt  und  vielleicht  deß- 
halb   im   Glossar  übergangen   hat. 

Ich  schließe  wie  oben  mit  den  Druckfehlern.  6,  5305  ist  das  Comma  nach 
sliew  zu  streichen.  11,  I,  161  pynkep  lies  pynkep.  Das.  II,  135  ist  nach  ywis 
statt  des  Commas  ein  Punkt  zu  setzen.  Anm.  zu  2,  ps.  VII,  28  rihtwlse  lies 
rihtivise.  Anm.  zu  5,  26  also  lies  als.  Anm.  zu  6,  4798  ergänze  e  nach  „ob". 
Anm.  zu  7^:  pag.  97—99  lies  197  —  99.  p.  148^  V.  108  lies  118.  Anm.  zu 
12,  2  zwischen  V.  2  und  Es  ist  wild  zu  ergänzen.  Gloss.  p.  208"  mihtig  lies 
mihting. 

BRESLAU,  den  17.  März  1875.  EUGEN  KÖLBING. 


Dr.  Ludwig  Schmid,  des  Minnesängers  Hartmann  von  Aue  Stand,  Heimat 
und  Geschlecht.  Eine  kritisch-historische  Untersuchung.  Mit  einem  Wappen- 
bilde. Tübingen,   Fues,    1874.  —  XII,  200  S.  8". 

„Wir  wissen  von  Hartmanns  äußerem  Leben  überhaupt  fast  nichts,  als 
was  er  uns  in  seinen  Kreuzliedern  mittheilt, "  sagt  H.  Paul  nicht  lange  vor  dem 
Erscheinen  dieses   Buches  (Paul-Braune,  Bcitr.   I   539),   und  es   zeigt  sich   auch 


374  LITTERATUE:  L.  SCHMID,  HÄRTMANN  VON  AUE. 

in  Schmids  gründlicher  Monographie  deutlich,  wie  alles,  was  darüber  vermuthet 
werden  kann ,  als  mehr  oder  minder  sichere  Hypothese  auf  ein  paar  Stellen 
des  Dichters  basiert.  Soweit  aber  überhaupt  mit  annähernder  Wahrscheinlich- 
keit etwas  conjiciert  werden  kann,  dürfen  wir  nicht  anstehen,  Schmids  Werke 
das  volle  Lob  gründlicher  und  nüchterner  Forschung,  redlicher  Abwägung  aller 
gegnerischen  Einwände  und  genauer  Benutzung  aller  etwaigen  Hilfsbeweise  zu 
geben ;  und  auch  eine  breite  Weitschweifigkeit  und  Umständlichkeit  dieses 
Buches  —  soweit  dieselbe  nicht  überhaupt  gefoi-dert  war  —  darf  uns  darin 
nicht  irre  machen,  obwohl  sie  dem  Fachmanne  den  Genuß  des  Werkes  stören 
könnte.  So  möchte  es  sich  lohnen,  von  der  auch  typographisch  gut  ausgestatteten 
und  mit  den  diplomatischen  Belegen  (in  einem  Anhang)  versehenen  Schrift  hier 
einen  kurzen  Auszug  zu  geben,  an  den  sich  dieser  oder  jeuer  beiläufige  Ein- 
wurf anschließen  kann. 

Von  den  drei  Abschnitten,  in  welche  die  Schrift  zerfällt,  gibt  der  erste 
eine  ausführliche  Darstellung  des  Ministerialenwesens  nach  seiner  geschichtlichen 
Entwicklung  und  nach  den  Eigenthümlichkeiten  der  Diestmannenpflichten  und 
Rechte.  Es  wird  diese  Darlegung,  klar  und  wohlgeordnet  wie  sie  ist,  gar 
Manchen,  der  größere  Werke  darüber  nicht  zu  Gesicht  zu  bekommen  vermag, 
recht  willkommen  sein.  In  engem  Zusammenhang  mit  dem  Hauptgegenstand  des 
Werkes  steht  allerdings  dieser  Theil  nicht,  und  es  ist  für  die  Frage  nach  Hart- 
manns Stande,  resp.  nach  dem  der  urkundlich  erweisbaren  Ower,  wesentlich 
nur  der  Nachweis  von  Wichtigkeit,  daß  schon  um  1250  die  Ministerialen  die 
Prädicate  nobilis  und  dominus  erhalten,  nicht  aber  das  Prädicat  über.  Wichtig 
ist  dieser  Punkt  deßhalb,  weil  nach  Schmids  weiterer  Auseinandersetzung  (s.  u.) 
von  allen  diplomatisch  belegten  Herrn  von  Ow  nach  dem  12,  Jahrhundert  keiner 
nothwendig  als  Freiherr  anzusehen  ist;  ein  Punkt,  welcher  die  Hauptsache 
an  Schmids  Opposition  gegen  H.  C.  v.  Ow's  Aufsatz  in  dieser  Zeitschrift 
XVI,  162  flf.  bildet.  Diese  Opposition  durchzieht  überhaupt  das  ganze  Buch, 
und  es  scheint  dasselbe  ihr  nicht  zum  kleinsten  Theile  seine  Entstehung  zu 
verdanken.  Persönlichen  Hader  zwischen  beiden  Parteien  zu  beurtheilen,  kann 
hier  nicht  die  Sache  des  Ref.  sein;  dagegen  ist  es,  um  dieß  zu  anticipieren, 
dem  Verf.  meist  gelungen  v.  Ows  auf  den  ersten  Blick  anziehende,  aber  kritisch 
wenig  gestützte  Ansichten  mit  Glück  zu  widerlegen. 

Im  zweiten  Abschnitt,  der  sich  ganz  mit  Hartmann  beschäftigt,  weist  der 
Verf.  zunächst  mit  Glück  nach,  daß  von  den  beiden  Behauptungen  v.  Ows: 
Hartmann  habe  zu  demselben  Geschlecht  gehört  wie  der  „arme"  Heinrich  von 
Aue,  sei  also  frei  gewesen,  und:  beide  haben  zu  den  Ahnen  der  heutigen 
V.  Ow  gehört,  die  erste  vollständig  grundlos  und  durch  positive  Beweise  wider- 
legbar ist.  In  der  That,  wer  wird  (Arm.  Heinr.  4/5)  die  Worte  dienstman  ivas 
er  ze  Ouwe*)  anders  auifassen,  als:  Hartmann  sei  Ministerial  eines  Herrn  von 
Aue  oder  doch  als  Ministerial  eines  andern  Herrn  auf  Aue  ansäßig  gewesen? 
Aber  mit  der  Construction  Schmids  a,  a.  0.  kann  sich  Ref.  nicht  einverstanden 
erklären,  umsowcniger,  als  sie  ganz  werthlos  ist.   Schmid  liest  nämlich  mit  Bech: 

der  was  Hartman  genant 

{dienstman  was  er)  ze  (von)   Ouive, 


*)  Wenn  v.  Ow  und  Schmid  sich  über  die  LA.  von  Ouwe  oder  ze  Ouice  streiten 
und  jeder  die  von  ihm  bevorzugte  als  Beweismittel  benutzen,  so  scheint  uns  diese 
ganze  Sache  ziemlich  banausisch  zu  sein. 


LITTERATUR:  L.  SCILMID,  HARTMANN  VON  AUE.  375 

eine  unnöthig  gewaltsame  Coustruction ,  welche  noch  härter  ist  als  die  unten 
zu  erwähnende:  unt  lebt  mm  herre,  Salatln  etc.;  während  aber  Bech  gewiß  so 
lesen  will:  „der  war  Hartnaann  von  Aue  genannt"  so  fügt  Schmid  zu  der  Härte 
der  angegebenen  Coustruction  noch  eine  Unmöglichkeit  hinzu,  indem  er  so  be- 
zieht: der  was  Hartman,  genant  (d.  w.  e.)  von  (ze)  Oiiwe.  Welcher  Leser  oder 
Hörer  des  A.  H.  konnte  v.  4  f.  so  verstehen?  Ref.  kann  es  nicht  über  sich 
gewinnen,  eine  andere  Coustruction  der  einfachen  Folge  der  Worte  nach  über- 
haupt für  möglich  zu  halten,  als  diese:  „er  war  Hartmann  genannt;  er  war 
Dienstmann  zu  (von)  Aue".  Wenn  Bech  (s.  Schmid  S.  36)  sagt,  eine  solche 
Parenthese,  wie  er  sie  annimmt,  sei  bei  Hartmann  häufig,  so  ist  zu  entgegnen, 
daß  hier  gar  kein  Anlaß  dazu  ist,  eine  Härte  anzunehmen,  die  Hartmann 
zu  Anfang  eines  Gedichts  vollends  gewiß  nicht  beabsichtigt  hat.  —  Daß,  was 
sonst  über  Hartmann  sich  in  seinen  Werken  findet,  mit  seinem  Stande  als 
Ministerial  durchaus  nicht  streitet,  hat  Schm.  hinlänglich  gezeigt.  Ob  A.  H. 
8 — 15,  Iw.  23 — 25,  II.  Büchl.  715  den  Schluß  auf  Hartmanns  Dienstbarkeit 
wesentlich  verstärken,  sei  dahingestellt.  Aber  vollständig  Recht  hat  Schm.,  wenn 
er  eben  aus  der  Nebeneinanderstellung  des  Dichters  und  des  Heinrich  von  Aue 
im  Armen  Heinrich  den  Schluß  zieht,  daß  die  ganz  verschiedene  Einführung 
und  Prädicierung  beider  jeden  Gedanken  an  Geschlechtsgemeinschaft  ausschließe, 
ja  daß  Hartmann  seine  Dienstbarkeit,  von  der  er  sonst  nicht  redet,  im  A.  H. 
gerade  deßhalb  erwähnt  habe,  um  sich  von  dem  freien  Herrn  von  Aue  zu  unter- 
scheiden. Weiter  wendet  sich  der  Verf.  gegen  die  Behaujjtung  v.  Ows ,  daß 
Hartmann  als  freiwilliger  Ministerial  im  Dienste  des  Herzogs  Konrad  von  Schwaben 
gestanden  habe,  welcher  1189  Herzog  von  Rothenburg  war.  v.  Ow  sucht  da- 
durch den  Aufenthalt  Hartmanns  in  Franken,  der  durch  MF.  218,  20  bezeugt 
ist,  zu  erklären.  Schmid  wendet  dagegen  mit  Recht  ein,  daß  diese  Annahme 
ganz  in  der  Luft  steht.  Daß  sie  gar  unmöglich  sei ,  sucht  er  dadurch  zu  er- 
weisen, daß  Hartmann,  der  Mann  voll  edlen,  keuschen  Sinns,  bei  dem  rohen 
AVüstling  Kourad  sicherlich  nicht  freiwillig  in  Dienst  getreten  sein  würde. 
Freiwillig  that  er's  ohnehin  nicht,  da  er  ein  geborner  Dienstmann  war;  es  dürfte 
aber  sehr  bedenklich  sein ,  an  unsere  Minnesinger  mit  solcher  Moral  heranzu- 
treten, und  dieser  Beweis  gegen  v.  Ows  Aufstellung  scheint  dem  Ref.  aller 
Kraft  zu  entbehren.  Dagegen  ist  ganz  richtig,  daß  jene  Aufstellung  überhaupt 
fundamentlos  ist,  und  wir  werden  sehen,  daß  Schm.  selbst  eine  wenigstens  besser 
begründete  Erklärung  für  Hartmanns  Aufenthalt  in  Franken  (wenn  wir  über- 
haupt eine  solche  brauchen)  vorgetragen  hat.  —  Jener  Anlaß  gibt  dem  Verfasser 
zugleich  Gelegenheit,  von  Hartmanns  Minnepoesie  eine  Darstellung  zu  geben. 
Den  Cardinalpunkt  der  ganzen  Untersuchung  über  Hartmanns  Dichtung 
bilden  seine  Kreuzlieder,  und  Schmid  hat  mit  viel  Fleiß  versucht,  in  das 
Labyrinth  von  Schwierigkeiten  und  Widersprüchen,  welche  die  Frage  über  den 
Kreuzzug  Hartmanns  verwirren,  Klarheit  und  Ordnung  zu  bringen.  Die  Haupt- 
punkte in  dieser  Frage  sind  ja  die  Erwähnung  des  Meeres  an  mehreren  Stellen 
des  Erec  und  des  ersten  Büchleins  und  die  Erwähnung  Saladins  als  eines  Ge- 
storbenen in  dem  Lied  ich  var  mit  iuwern  liulden.  Da  der  Erec  nicht  nach 
1197   geschrieben  sein  kann''},  so  wird  angenommen,  daß  Hartmann  das  Meer 


*)  S.  noch  zuletzt  Germ.  XIX,  372.  Wir  können  nicht  alle  erzählenden  Werke 
II. s  in  den  Zeitraum  zwischen  1198  und  1204  zusammendrängten, 


376  LITTEKATUJR:  L.  SCHMID,  HAKTMANN  VON  AUE. 

bei  dem  Kreuzzuge  von  1189  gesehen  habt;,  und  da  nun  nach  dem  angeführten 
Liede  Saladin  (1193)  gestorben  ist,  wie  Hartmann  sich  auf  die  Kreuzfahrt 
begibt,  so  werden  hinsichtlich  dieses  Liedes  von  den  Forschern  dreierlei  An- 
sichten aufgestellt:  entweder  ist  Hartmann  gar  nicht  Verfasser  desselben,  oder 
ist  (MF.  218,  19.  20)  zu  lesen: 

und  lebt  min  herre,  Salat'm  und  al  sin  her 
die  enbrcßhfen  mich  von    Vranken  niemer  einen  vuoz ; 
oder  endlich   hat  Hartmann  sowohl  den  Kreuzzug  von   1189    als  den  von  1197 
mitgemacht.  Das  Erste  wäre  doch  nur  bei  ganz  zwingenden  Gründen  und,  wenn 
sonst  gar  kein  Ausweg  übrig  bliebe,   anzunehmen.     Das  Zweite  ist  nicht  ganz 
unmöglich,   aber  hart  (s.  Germ.  XIX,  372).    Das  Dritte  ist  die  Ansicht,  zu  der 
sich   Schmid  bekennt.   Ref.   muß  gestehen,    daß  ihm   eine  zweimalige  Theilnahme 
an   einer   Kreuzfahrt    nicht  sehr  wahrscheinlich    aussieht   und  jedenfalls   nur   auf 
zwingende  Gründe  hin  angenommen  werden  sollte,  obwohl  von   einer  Unmöglich- 
keit hier  nicht  die  Rede    sein  kann.  Daher  wird  es  besser  sein,    mit  Schreyer 
anzunehmen,   daß  die  Beziehungen  auf  das  Meer  in  den  älteren  Werken  Hart- 
manns nicht  auf  die  Theilnahme  an    einem  Kreuzzuge  zurückzuführen  sind,  ja 
daß   H.   gar    nicht    einmal  das  Meer    gesehen  zu    haben  braucht.     Mit  Schillers 
Teil,   den   Sehr,   anführt,  verhält  es  sich   allerdings  anders;   Schiller  brauchte 
Localschilderungen ,   Hartmann    hat  jene  Stellen   (3.   Schmid  S.  55)    selbständig 
und  ohne  Nöthigung    eingefügt.     Allein  Erec    7790 — 7796   beweist  gar  nichts, 
es  ist  ja  daselbst  nicht  ausdrücklich  vom  Meere  die  Rede.   Erec   7062 — r7065 
ließ  sich   auch   ohne  Autopsie  sagen.    Es  bleiben  nur  die  Verse   351  —  366   im 
ersten  Büchlein;  zumal  der  t.  t.  selpwege  legt  hier  nahe,  an  Autopsie  zu  denken. 
Wir  wären   dazu  genöthigt,   wenn    selpwege    als  Übersetzung    eines  romanischen 
oder    griechischen   Wortes    anzusehen  wäre;    allein    auch    die    Xanter    Glossen 
(Graff  I  660)  haben  ein  selbwegi,   das  sie  mit  aquae  motus  übersetzen;  der  Aus- 
druck  ist   also   echt  deutsch,   und   so   wird  ihn  Hartmann   wohl   eher  in  Deutsch- 
lar.d  als  im  Mittelmeer  vernommen  haben.     Und  bietet  sich  für  den   Schwaben 
H.   nicht  der  Bodensee  als   Stätte  dar,  wo   er  solche  Anschauungen    gewonnen, 
solche  Ausdrücke  vernommen  haben  wii-d?  Denn  der  Bodensee  ist  ein  stürmisches 
Wasser,  wie  jeder  weiß,   der  ihn  beim  Föhn  gesehen  hat.  Hartmann  hat  Greg. 
987 — 1026,  worauf  auch  Schmid  S.  133  f.  hindeutet,  eine  Klosterschule  lebendig 
beschrieben,   und  es  steht  bei  ihm,   der  geleret  was,  nichts  im  Wege,   eine  klöster- 
liche  Schulbildung   anzunehmen,   die   er,   wie    Schmid  a.   a.  0.   wahrscheinlich   zu 
machen  sucht,  leicht  auf  der  Reichenau  genossen  haben  kann,  wo  er  den   See 
in  freundlichen    und    stürmischen   Tagen    zur  Genüge    kennen    lernen    mochte. 
Daß  er  seine  Anschauungen  davon   auf  das  Meer  übertrug,  ist  ganz  natürlich; 
denn  wer  wird  zum  Zweck  einer  ganz  allgemein  gehaltenen  Vergleichung  einen 
Binnensee    nennen?     Durch    diese    Erklärung    wurde    auch    deutlich,  warum  H. 
gerade  in  seinen  frühesten  Werken,  dieser  Erinnerungen  noch  voll,  jene  Gleich- 
nisse eingewoben  hat. 

Bleiben  wir  also  bei  der  Annahme  einer  einmaligen  Betheiligung  H.s  am 
Kreuzzuge,  natürlich  dem  von  1197  (denn  Pauls  Einwurf,  Beitr.  I  536,  daß 
dieser  weit  unbedeutender  gewesen  als  der  von  1189,  wiegt  nicht  schwer). 
Freilich  hat  Schmid  S.  66  ff.  darzulegen  gesucht,  daß-  die  Lieder  dem  kriuze 
zimt  etc.  und  ich  var  etc.  nicht  aus  derselben  Zeit  stammen  können ;  aber  seine 
Beweise    recurrieren    bloß  auf   Gefühlsmoniente,    deren   Beweiskraft  nicht  stark 


LITTERATUR:  L.    SCHMID,  HARTMANN  VON  AUE.  377 

ist.  Und  —  wenn  die  beiden  Lieder  sich  auf  zwei  verschiedene  Kreuzzüge  be- 
zögen, so  hätte  wohl  der  begeisterte  Kreuzfahrer  in  dem  späteren  Liede  die 
Hindeutung  auf  seine   erste  Fahrt  kaum  unterlassen. 

In  dem  zweiten  jener  Lieder  spricht  H.  von  Franken  als  seinem  Auf- 
enthaltsorte. Daß  dieser  deßhalb  nicht  seine  Heimat  zu  sein  braucht,  ist  klar 
und  ist  wiederholt  betont  worden.  Auch,  wie  H.  dorthin  gekommen  sein  mag, 
sucht  Schmid  S.  73  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  zu  erklären;  die  Grafen  von 
ZoUein-Hohenberg,  unter  denen  (s.  u.)  die  Ower  standen,  waren  Vasallen  vom 
Bamberg. 

Hartmann  selbst  aber  war  ein  Schwabe.  Dafür  gibt  es  zu  viele  Beweise 
als  daß  mau  daran  hätte  zweifeln  sollen,  und  Schmid  hat  dieselben  S.  74  £f. 
schön  und  überzeugend  dargelegt.  Fragt  man  aber,  welchem  schwäbischen  Aue 
Hartmann  angehört  habe,  so  ist  von  jeher  nur  an  das  jetzige  Obernau  bei 
Eottenburg  a/N.,  an  das  Zähringische  Aue  und  an  den  Thurgau  (an  das  Ge- 
schlecht derer  von  Wesperspül)  gedacht  worden.  Daß  an  das  zweite  nicht  zu 
denken  ist,  hat  F.  Bauer  Germ.  XVI,  155  ff.  dargethan.  Daß  man  auch  an 
den  Thurgau  nicht  zu  denken  hat,  zeigt  Schmid  (im  fünften  Abschnitt  seines 
Buches)  mit  großer  Wahrscheinlichkeit.  Dagegen  findet  sich  in  Obernau  im 
zwölften  Jahrhundert  eine  Freiherrschaft,  und  dieser  hat  wohl  der  herre  Hein- 
rich von  Ouwe  geborn  des  armen  Heinrich  angehört.  Daß  mit  diesem  Heinrich 
der  Dichter  von  demselben  Aue  stammt,  durfte  doch  wohl  der  Eingang  des 
Gedichts  unumgänglich  sicher  stellen;  wie  lächerlich  wäre  es,  hätte  Hartmann 
erst  sich  selbst  einen  Dienstmann  von  Aue  genannt,  und  dann  einen  Freiherrn 
von  Aue  eingeführt,  ohne  beidemale  dasselbe  Aue  zu  meinen!  Also  —  auch 
Hartmann  gehörte  als  Dienstmann  zu  Obernau;  und,  da  die  freien  Auer  daselbst 
im  13.  Jahrhundert  nicht  mehr  zu  finden  sind,  vielmehr  alle  folgenden  Obern- 
auer,  die  Ahnen  der  heutigen  v.  Ow,  Ministerialen  sind,  so  kann  Hartmann  ent- 
weder Dienstmann  des  letzten  Freiherrn  von  Aue  gewesen  sein  oder  nach  Aus- 
sterben der  Freiherrschaft  das  Gut  als  Ministerial  der  Grafen  von  ZoUern- 
Hohenberg,  denen  die  Auer  unterstanden,  besessen  haben.  Diese  Nachweise  und 
Belege  für  die  Verbreitung  und  Besitzungen  des  Geschlechtes  sowie  dessen  Zu- 
gehörigkeit zu  den  Zollern  bilden  bei  Schmid  den  vierten  Abschnitt,  dessen 
gründliche  Forschung  alle  uneingeschränkte  Anerkennung  verdient.  Der  fünfte 
Abschnitt  gibt  eine  Recapitulation  der  Resultate  nebst  Widerlegung  einiger  Ein- 
Tvände. 

Ref.  rausste  sich  versagen  auf  manche  disceptable  Einzelheit,  sowie  auf 
manche  schöne  Beweisführung  im  Einzelnen  näher  einzugehen ,  und  kann  das 
Buch  nur  der  genauen  Kenntnissnahme  und  W^ürdigung  aller  derer  warm 
empfehlen,  die  in  dem  Dunkel,  das  über  des  herrlichen  Sängers  Leben  ver- 
breitet ist,  sichere  Stützpunkte  zu  finden  wünschen. 

SRUTTGART,  im  Juni  1875.  HERMANN  FISCHER. 


378  LITTERATUR:  K.  WEINHOLD,  ISIDOR. 

Die  altdeutschen  Bruchstücke  des  Traclats  des  Bisehof  Isidorus  von  Sevilla 
de  fide  cathoiica  contra  Judaeos.  Nach  der  Pariser  und  Wiener  Hand- 
schrift mit  Abhandlung  und  Glossar  herausgegeben  von  Karl  Weinhold. 
A.  u.  d.  T. :  Bibliothek  der  ältesten  deutschen  Litteratur-Denkmäler.  VI.  Band. 
Paderborn.   F.   Schöningh    1874. 

Eine  bequeme  handliche  Ausgabe  der  althochdeutschen  Isidor-Fragmente 
war  ein  offenbares  Bedürfniss,  besonders  da  Holtzmanns  Text  anfieng  selten  zu 
werden  und  auch  Graflfs  Abdruck  in  v.  d.  Hagens  Germania  nicht  separat  er- 
schienen ist.  Ohne  die  Bescheidenheit  zu  verletzen,  die  der  Anfänger  einem  so 
bewährten  Meister  wie  K.  Weiuhold  gegenüber  stets  zu  beobachten  hat,  glaube 
ich  indessen  als  meine  Überzeugung  aussprechen  zu  dürfen,  daß  diese  neue 
Ausgabe  ohne  vorhergehende  Collation  der  Pariser  Handschrift  nicht  hätte  sollen 
unternommen  werden.  Man  wird  bei  der  Benutzung  eines  «olchen  Textes  aus 
den  dreißiger  Jahren  sich  nie  des  unbehaglichen  Gefühls  der  Unsicherheit  er- 
wehren können.  Daß  mein  Bedenken  nicht  ganz  unbegründet  war,  zeigte  mir 
eine  gelegentlich  eines  neulichen  Aufenthaltes  in  Paris  unternommene  Nach- 
collation,  deren  Resultate  ich  hier  kurz  mittheilen  will.  Anmerken  darf  ich  noch, 
daß  mir  von  Anzeigen  des  AVeinhold'schen  Buches  nur  diejenige  von  E.  Sievers 
Jen.  Literaturz.  1874  p.  382  f.  zu  Gesicht  gekommen  ist:  das  dort  über  Ab- 
weichungen von  Holtzmanns  Text  angeführte  übergehe  ich  im  Folgenden.  Er- 
schöpfend war  Sievers  Vergleichung  der  Drucke  übrigens  nicht*). 

Ich  beginne  mit  dem  deutschen  Texte,  p.  'S,  2.  Die  Worte  umhihringa  — 
erdha  sind  verblichen  und  mit  anderer  Tinte  später  aufgefrischt,  das.  mittin. 
Das  i  vor  w,  das  G.  bezweifelte,  ist  noch  wohl  erkennbar,  davor  ein  kleines 
Loch  im  Pergament  und  vor  demselben  der  Anfang  des  zweiten  t.  p.  3,  3.  Ich 
lese  liimilo.  Das.  zu  garauuida  bemerkte  H:  „inter  syllabas  gar  et  uui  littera 
a  fortasse  restituenda".  Die  Form  von  a  ist  als  dunklerer  Fleck  ganz  deutlich 
erhalten,  p.  3,  6.  „So  nach  R.  H.  undeutlich,  nach  G.  sicher".  Es  ist  ganz 
sicher,  nur  etwas  dunkler,  p.  3,  8.  Das  h  in  uuardh  ist  gänzlich  verschwunden, 
vielleicht  durch  die  Schuld  des  Stempels  der  Bibl.  regia,  welcher  auch  über 
den  unteren  Theil  des  d  geht.  p.  5,  1.  Zu  himües  bemerke  ich,  daß  es  über 
ü  geschrieben  und  wohl  zu  erkennen  ist.  p.  5,  18.  dliazs.  Das  schließende  s 
sehe  ich  nicht.  Was  man  bisher  wohl  als  den  Rest  davon  ansah,  ist  nur  ein 
kleines  Loch  im  Perg.  Doch  wäre  für  s  noch  Raum  auf  der  Zeile,  p.  7,  14. 
dhich  W.  Die  Hdschr.  hat  dhih-^  ebenso  Gr.,  was  in  den  Anmerkungen  fehlt. 
H  :=:  W.  p.  7,  26  zi  firstandanne  dhanne,  W.  mit  der  Anm.  danne  Hs.  dhanne 
steht  weder  in  der  Hs.,  noch  bei  Gr.  H.  Das  zu  ßrstan-  gehörende  danne  be- 
ginnt eine  neue  Zeile,  p.  9,  8  chiscuof.  i  ist  nicht  mehr  vorhanden,  p.  9,  21. 
himile  H.  W.  H.  bemerkt,  daß  hiniila  geschrieben  zu  sein  scheine.  Man  unter- 
scheidet wirklich  ganz  deutlich  zwei  Striche  nach  l  vor  dem  Anfang  des  nächsten 
Wortes,  p.  9,  24  dauid  mscr.  p.  9,  25:  Quhad  mscr.  Ebenso  Gr.  H  =  W: 
Qhuad.  p.  9,  30  1.  adhalsangheri  für  adlialsangerL  p.  9,  31.  Israhclö.  Das  o 
ist  verschwunden,  p.  9,  32  mina  ist  deutlich  zu  erkennen,  p.  11,  2  uuerodheoda 
druhtin  ist  mit  der  Handschrift   in  zwei  Worten  zu  drucken.    11,  5   dhem.    Das 


*)  Etwaige   Bemerkungen   in    Braunes   alid.   Lesebuclie   konnte   ich   hier    leider 
nicht  nachsehen. 


LITTEEATUR:  K.  WEINHOLD,  ISIDOE.  379 

«1  ist  ganz  deutlich,  p.  11,  7.  dheonodom  Gr.  Das  ni  ist  vielmehr  m.  p.  11,  20. 
dazs  nach  W.  die  Hdschr.  Diese  liest  aber  deutlich  dhazs.  p.  13,  1.  I.  7iuizs- 
sodes  für  icizssodes.  p.  13,  18  f.  Die  Worte:  endl  siin  uuort  ferit  dhurah  mih 
haben  weder  das  Mscr.  noch  Gr.  H.  p.  13,  32.  Ich  lese  dhei-a,  obwohl  die  Ge- 
stalt des  r  sich  hier  wie  oft  der  des  s  so  nähert,  daß  sie  sehr  schwer  zu  unter- 
scheiden sind.  p.  15,  5.  quhidhit  Mscr.  =  Gr.  H.  =  W:  quidhit.  p.  15,  6. 
Der  Punkt  an  der  Spitze  des  t  in  chiteda  kann  kauna  von  einer  beabsichtigten 
Correctur  herrühren,  p.  15,  7  uuazzerü  die  Hdschr.  p.  15,  8  nemine  las  H. 
Was  er  für  e  hielt,  steht  ganz  getrennt  von  nemin  und  scheint  nur  ein  Colon 
zu  sein.  p.  15,  13.  heüegan  sicher.  Ebenso  dkar,  was  H.  als  non  maxime  certum 
bezeichnet,  p.  15,  16  bauh\7iu7ic.  Vom  h.ist  am  Schluße  der  Zeile  gar  nichts 
zu  erkennen  und  das  tc  steht  so  nahe  am  Eande,  daß  es  fraglich  ist,  ob  h  je 
in  der  Hdschr.  gestanden  hat.  p.  15,  24  quhedhendi  Mscr.  =  Gr.  H  =  W. 
p.  15,  28  dher  selbo  Mscr.  :=  Gr.  H  =  W.  p.  17,  1  lies  quhedheridemu  = 
Mscr.  =  Gr.  H.  p.  17,  21  lies  aerdhuuasun.  a  und  e  sind  nicht  verschlungen. 
p.  17,  30  ajigüa  ist  sicher,  p.  17,  33  dhazs  Msc.  =  Gr.  H  =  W.  p.  21,  12 
dhes  Mscr.  =  Gr.  H.  p.  21,  15.  imu  ganz  deutlich  Mscr.  p.  23,  3  dheonondiu 
ganz  deutlich  Mscr.  p.  23,  6  lies  eouuihd.  p.  23,  7  lies  widhar  =  Mscr.  = 
Gr.  H.  p.  23,  9  langhe  Mscr.  =  Gr.  H  =  W.  p.  23,  14.  arzelidiu.  Was  H  für 
ae  hielt,  ist  nur  eine  besondere  Form  des  e.  p.  25,  21  mahtun.  u  ist  etwas  ab- 
geblasst,  aber  sicher,  p.  27,  3  uzs  Mscr.  p.  27,  14  drugidha  Mscr.  =  Gr.  H. 
=  W.  p.  27,  19  uuardh  Mscr.  =  Gr.  H  =  W.  p.  29,  10  gheha  Mscr.  =  Gr. 
H.  p.  29,  12.  lantscaf,  so  Mscr.,  denn  das  /  ist  deutlich  erkennbar,  p.  29^  14 
lies  uualacehti.  ce  verschlungen.  Ebenso  p.  29,  24  hehrceischin.  p.  31,  5.  himi' 
liscJiun.  Das  h  nach  c  ist  ziemlich  verlöscht,   aber  offenbar  vorhanden  gewesen. 

d  .  ' 

p.  33,  3  uzs  sonondem  Mscr.  p.  33,  6  Anm.  1.  tero  Hs.,  nicht  dero.  p.  33,  20 
chiforabodot.  do  ist  von  anderer  Hand  schlecht  darüber  geschrieben,  p.  33,  21 
lies  dauite  für  davite.  Das.  Von  dem  von  H.  vermutheten  fona  erkennt  man 
noch  na  und  die  zweite  Hälfte  des  o.  p.  33,  25  1.  ceuuin,  ce  verschlungen, 
p.  37,  6.  8.  39,  16  lies  dauides.  p.  39,  16  fona  ganz  deutlich  Mscr.  ^=  Gr. 
H  =  W. 

Ich  wende  mich  nun  zum  lateinischen  Texte,  der  bei  Gr.  H.  und  W.  so 
ungenau  abgedruckt  ist,  daß  man  öfters  in  Zweifel  geräth,  ob  die  Herausgeber 
wirklich  die  Lesarten  der  Pariser  Hdschr.  oder  irgend  einen  anderen  Text  haben 
wiedergeben  wollen.  Schon  H.  zeigt  sich  öfters  als  von  Graffs  Texte  abhängig, 
und  W.  hat,  ohne  es  anzugeben,  nicht  selten  die  Lesart  anderer  gedruckter 
Isidortexte  eingesetzt,  wie  meine  Aufzählung  ergeben  wird.  Und  doch  verdiente 
gerade  auch  der  lat.  Urtext  eine  sorgfältige  Behandlung,  da  er  an  vielen  Stellen 
zu  Rathe  gezogen  werden  muß,  um  das  Verhältniss  der  Übersetzung  zum  Ori- 
ginale festzustellen.  Auch  ist  selten  richtig  angegeben,  mit  welchem  Worte  eine 
Seite  der  Handschrift  schließt.  Auch  dieß  wird  unten  zu  berichtigen  sein. 

p.  2,  2  non  fecerat  et  flumina  hat  Mscr.  vor  Beginn  der  übersetzten  Worte. 
Fol.  l''  schließt  Z.  11  mit  scivit.  p.  4,  1  absconsa  Mscr-  abscondita  Gr.  H.  W. 
p.  4,  9  lies  filius  für  filium.  p.  4,  14  splendo  Mscr.  das.  e  lumine  Mscr.  =  Gr. 
a  W  :=:  A.  p.  4,  20  et  deus  Mscr.  p.  4,  21  scribturarum  Mscr.  p.  4,  24  sedis 
Mscr.  p.  4,  27  laetitiae  ^=-  A.  Gr.  H.  W.  justitiae.  Schon  der  Übersetzung:  freu- 
uuidJia  wegen  hätte  diese  scheinbare  Variante  angegeben  werden  sollen,  p.  6,  5 
subiciam    Mscr.  p.  6,  17.    Israel    Mscr.    Fol.  III*^    schließt    mit  et  p.  6,  20,    das 


380  LITTERATUR:  K.  WEINHOLD,  ISIDOR. 

am  Anfang  von  4"  wiederholt  ist.  Fol.  IV^  schließt  mit  creavit  p.  8,  2, 
p.  8,  14  fehlt  iijnem  im  Mscr.,  was  auch  Gr.  H.  ohne  Bemerkung  einsetzen. 
Fol.  IV''  schließt  das.  mit  domino.  p.  8,  16  suphur  Mscr.  p,  8,  26  ad  dextris 
Mscr.  p.  8,  31  psalta  Mscr.  psalmiota  H.  Gr.  W.  Die  Worte  Jsrahel  spiritus 
domini  sind  fast  unlesbar,  doch  glaube  ich  Israhel  doviini  spiritus  zu  erkennen, 
p.  10,  5  qui  enim  tetigerit  vos,  langet  Mscr.  Auch  H.  lässt  qui  —  vos  weg,  da. 
sie  übersetzt  sind,  mussten  sie  als  Var.  notiert  sein.  Mit  fanget  schließt  Fol.  V** 
p.  10,  13  obcediens  Mscr.  p.  10,  14  etiam  Mscr.  =  Mons.  Fr.,  nicht  et.  Gr. 
H  =  Mscr.  Fol.  VI*  schließt  p.  10,  16  mit  habitaho.  p.  10,  17  adplicahuntar 
Mscr.  p.  10,  19  scies.  W.  ist  hier  A  gefolgt,  das  zum  Mscr.  stimmt.  H.  Gr. 
schreiben  scient.  Im  übrigen  ist  Fol.  VI'',  was  die  ersten  1 1  Zeilen  angeht, 
sehr  verlöscht  im  Mscr.  Doch  glaube  ich  überall  sonst  dem  Drucke  entsprechend 
lesen  zu  dürfen,  p.  10,  28  dum.  du  Mscr.  p.  12,  6  dei  W  =  A  =  Mscr.  {di) 
domini  Gr.  H.  Fol.  VIP  schließt  mit  nomen  p.  12,  10.  p.  12,  13;  15  scribturis^ 
scribtum  Mscr.  p.  12,  20  dominator  fortis  Israhel  Mscr.  W  =  Gr.  H.  Fol.  VII** 
schließt  mit  psalmis  p.  12,  25.  p.  12,  30  intellegimus  Mscr.  p.  14,  2  mittit  Mscr. 
=  Gr.  H.  W  =  A  mittet,  p.  14,  3  flat  Mscr.  H.  Gr.  =  W.  p.  14,  6;  28  cehim 
Mscr.  p.  14,  8  intellegitur  Mscr.  p.  14,  11  das  erste  qui  fehlt  im  Mscr.  das. 
in  cum  Mscr.  für:  in  eo.  Fol.  VIII''  schHeßt  mit  unitatem  p.  14,  17.  p.  14,  30  f. 
cuique  persona  Mscr.  =  Gr.  H.  W  =  A.  Mit  persona  schließt  Bl.  IX*.  p.  16,  S' 
dextra  Mscr.  p.  lö,  8  persone  Mscr.  Fol.  IX''  schließt  mit  vocat,  p.  16,  13. 
p.  16,  18  predicat  Mscr.  p.  16,  19  celos  Mscr.  Fol.  X*  sehließt  mit  trinitatis 
p.  16,  27.  p.  16,  30  seraphin  Mscr.  Ebenso  p.  18,  7.  p.  18,  4  celesfis  Msci-.  das. 
ima  für  unam.  p.  18,  9  deitatem  Mscr.  p.  18,  12  Moysi  Mscr.  p.  18,  14  ds  =  deus 
Mscr.  dominus  G.  H.  W.  p.  18,  21  scrihtura.  Nach  diesem  Worte  beginnt  Fol.  XI**. 
das.  autoriiate  Mscr.  p.  18,  30  ejus  fehlt  im  Mscr.;  ebenso  bei  Gr.  H.  W.  hat 
es  nach  A  eingesetzt,  p.  20,  1  parvolus  Mscr.  p.  20,  2  est  fehlt  im  Mscr.  und 
bei  Gr.  H.  Fol.  XI''  schließt  nach  filius  p.  20,  4.  p.  20,  11  adsumptionem  Mscr. 
p.  20,  20  aduUscentie  Mscr.  Das.  nach  vulva  schließt  Fol.  Xir.  p.  20,  23  dici- 
tur  (dr)  Mscr.  dicitur  Gr.  H.  dicetur  A.  p.  20,  30  est  vor  iste  fehlt  im  Mscr. 
und  bei  Gr.  H;  von  W  nach  A  eingefügt,  p.  20,  32  celi  Mscr.  Fol.  XIIF  be- 
ginnt nach  prophetiam  p.  22,  5.  p.  22,  10  Danihelo  Mscr.  p.  22,  19  intellege 
Mscr.  p.  22,  20  ebdomadas  Mscr.  p.  22,  22  consummeiur  Mscr.  Gr.  A.  consu- 
meturü.  p.  22,  24  u'^guatur  Mscr.  p.  22,  26  numerentur  Mscr.  Gr.  H.  =  W. 
p.  22,  31  hebdomada  Mscr.  p.  22,  32  terminatur  Mscr.  =  A.  terminantur  Gr. 
II.  W.  p.  24,  3  Danihelis  Mscr.  Fol.  XIII''  schließt  nach  ebdomadae  p.  24,  5. 
Fol.  XIV*  schließt  nach  sacrificia  p.  24,  16.  p.  24,  26  adicitMscv.  p.  24,  30 
et  fehlt  im  Mscr.  p.  26,  11  mundus  Mscr.  Ebenso  Gr.  und  A.  mundanis  H. 
p.  26,  17  sicut  fehlt  im  Mscr.  p.  28,  3  Moysi  Mscr.  Das.  obtenuit  Mscr.  p.  28,  9 
gentibus  Mscr.  generibus  Gr.  H.  A.  W.  Fol.  XVI*'  beginnt  nach  vel  p.  28,  10. 
p.  28,  11  edentem  Mscr.  manantem  Gr.  H.  A.  W.  p.  28,  18  scribtum  est.  Die  Ab- 
kürzung für  est  steht  über  der  Zeile,  Gr.  H.  ließen  es  weg.  p.  28,  23  exultavit 
Mscr.  =  H.  p.  28,  30  tuam  fehlt  im  Mscr.  und  bei  Gr.  H.  W.  setzte  es  nach 
A.  und  der  Übersetzung  ein.  p.  30,  1  celi  Mscr.  p.  30,  2  dm  =  deum  Mscr. 
dominum  Gr.  H.  W.  p.  30,  3  intellegitur  Mscr.  p.  30,  4  Abrahe  .Mscr.  p.  30,  12 
inquid '^Iscv.  p.  30,  13  possedentem  Mscr.  p.  30,  18  expectandus.  Ebenso  p.  30,  22 
cxpectatio  und  p.  30,  20  cxpjectabant.  p.  30,  23  Judeoritm.  p.  32,  6  memlacio 
Mscr.   mendacium  Gr.  II.  W.  A.   Daß  p.  32.  10  f.  sine  principe  —  altari  in   der 


MISCELLEN.  381 

Pariser  Hs.  fehlen  soll,  ist  unrichtig,  p.  32,  12.  Zwischen  ?h<7!c  und  rp^is  ist 
in  einzusetzen  mit  Mscr.  Gr.  H.  A.  Fol.  XVIIl^  schließt  mit  ejus  p.  32,  24. 
p.  32,  26  celo  Mscr.  p.  34,  5  edificiaü  Mscr.  Fol.  XIX*  schließt  mit  fuit  p.  34,  9. 
p.  34,  13;  15  Salomine  Mscr.  p.  34,  15  injüeta.  p.  34,  15  intellegendum.  p.  34,  18 
iilius  Mscr.  =  A.  ejus  Gr.  H.  p.  34,  22  infellegitur.  p.  34,  22.  Daß  David  — 
ejus  die  Par.  Hs.  weglassen  soll,  ist  falsch ;  Gr.  hat  es  auch ;  H.  ist  vom  ersten 
mortem  auf  das  zweite  abgeirrt.  Fol.  XIX*"  schließt  das.  nach  quia.  p.  34,  29 
fehlt  ebenso  wenig  david,  es  ist  wie  gewöhnlich  durch  dd  gekürzt.  Das.  reg- 
fiavii  Mscr.  Ebenso  habifauit  p.  34,  32.  p.  36,  2  nach  etiam  ist  et  einzusetzen. 
p.  36,  4  ascendit  Mscr.  H.  Gr.  Fol.  XX*  schließt  nach  radice  p.  36,  6.  p.  36,  14 
€ideo  Mscr.  p.  36,  15  fehlt  ad  im  Mscr.  p.  36,  20  hahitat  Mscr.  Nach  diesem 
Worte  schließt  Fol.  XX^.  p.  36,  24  om7e  Mscr.  =  H.  Gr.  =  A.  =  W.  p.  38,  1 
'principes  Mscr.  =  A.  Gr.  H.  =  W.  Fol.  XXr  schließt  mit  ubere  p.  38,  5. 
p.  38,  16  c  sequentihus  Mscr.  =  A.  sequevtibus  Gr.  H.  p.  38,  19  sepulchium 
Mscr.   Das.   nach   gloriosum  schließt  Fol.   XXl'',   p.  38,  24  redempti  Mscr.  =:  Gr. 

Bis  auf  die  Vertretung  von  ce  durch  geschwänztes  e  hoffe  ich  auch  im 
lat.  Texte  alle  orthographischen  Abweichungen  genau  angegeben  zu  haben, 
namentlich  im  Blick  auf  eine  zweite  Auflage  der  praktisch  angelegten  Ausgabe, 
für  deren  übersichtliche  Grammatik  und  Glossar  wir  dem  Verfasser  sehr  dank- 
bar  sein  müssen. 

LONDON,  Mai  1875.  E.  KÖLBING. 


MISCELLEN. 


Germanistische  Vorlesungen 

an  den  Universitäten  Deutschlands,   Österreichs  und  der  Schweiz  so  wie  in  Dorpat 

im   Sommersemester   1875. 

Encykl  opädie:  Encyklopädie  und  Geschichte  der  germanischen  Philo- 
logie: Heidelberg-Bartsch-,  Einführung  in  das  Studium  der  deutschen  Philologie: 
Basel-üeyne. 

Vergleichende  Grammatik:  Einleitung  in  das  Studium  der  ver- 
gleichenden Sprachwissenschaft:  Göttingen- Bezzenberger ;  Encyklopädie  der  Sprach- 
wissenschaft:  Zürich-Tobler ;  Wortbildungslehre  der  indogermanischen  Sprachen: 
Marburg- Justi. 

Deutsche  Grammatik:  Berlin-MüllenhoflP;  Begemann  (Ak.  f.  m.  Ph. 
2.  Theil);  Gießen-Weigand ;  Göttingen- W.  Müller;  Leipzig-Braune;  Prag-Kelle; 
Laute  und  Flexionen  des  Gothischen  u.  Hochdeutschen:  Zürich-Schweizer-Sidler ; 
ausgewählte  Capitel:  Kiel- Weinhold;  Marburg-Lucae;  Syntax:  Breslau-Rückert; 
Kiel-Groth. 

Gothische  Grammatik:  Bonn-Birlinger;  Münster-Storck;  Zürich-Toblei'. 

Althochdeutsche   Grammatik:   Bonn-Diez. 

Mittelhochdeutsche  Grammatik:   Bonn-Andresen. 

Altsächsische  Grammatik:   Basel-Heyne;  Rostock-Bechstein. 

Angelsächsische  Grammatik:  Göttingen- Wilken ;  Jena-Sievers;  Kiel- 
Möbius. 


382  MISCELLEN. 

Englische  Grammatik:  Berlin  (Ak.  f.  m.  Ph.) -Schmidt;  Breslau-Köl- 
bing;   Münster-Suchier:   altenglische:   Göttingen-Th.   Müller. 

Altnordische  Grammatik:  Breslau-Pfeiffer;  Greifswald- Vogt ;  Leipzig- 
Braune;   Marburg- Grein. 

Deutsche  Mythologie:  Prag-Kelle;  vergleichende  Mythologie:  Heidel- 
berg-Lefmann. 

Deutsche  Alterthümer:  Staatsalterthümer  der  Germanen  in  der  mero- 
vingischen  Zeit:  Leipzig-Brandes;  Tacitus' Germania:  Basel-Maehly;  Innsbruck- 
A.   Zingerle;   Münster-Parmet ;  Rostock-Fritzsche. 

Deutsche  Rechtsq  uellen:  BaselHeusler;  Erlangen-Vogel ;  Freibui'g- 
Buß;  Göttingen-Frensdorff;  Lex  Salica:  Heidelberg- Scherrer;  Sachsenspiegel: 
Bonn-Lörsch;  Leipzig -Hock;  München-Amira. 

Deutsche  Litteraturgeschichte:  Tübingen-Keller;  im  Mittelalter: 
Bonn-Reifferscheid;  Freiburg- Paul;  Zürich-Stiefel;  mittelhochdeutsche:  Bern- 
Schöni ;  Prag-Kelle;  13. — 16.  Jahrb.:  Straßburg-Stcinmeyer;  13.,  14,,  15.,  Jahrb.: 
Wien-Heinzel;  Geschichte  der  Litteratur  und  Sprache:  Bonn-Birlinger;  Königs- 
berg-Schade;  bis  auf  Luther:  Zürich-PIonegger;  vom  Ende  des  15.  Jahrb.  bis  auf 
Opitz:  Breslau-Bobertag;  des  16.  Jahrb.:  Göttingen-Tittmann;  des  16.  und  17. 
Jahrb.:  Dorpat-Masing ;  der  neueren  Zeit:  Greifswald-Wilmanns;  seit  der  Refor- 
mation: Würzburg-Lexer;  des  18.  Jahrb.:  Gießen-Zimmermann;  München-Ber- 
nays;  seit  Gottsched:  Halle-Haym;  seit  Lessing:  Erlangen-Raumer;  in  der  Zeit 
Goethes  und  Schillers :  Wien-Toraaschek.  —  Deutsche  Heldensage :  Göttingen- 
Wilken;  Volkslied:  Leipzig--Hildebrand;  Lessing:  Bonn-Reifferscheid;  Göttingen- 
Goedeke;  Kiel-Groth;  Goethe:  Berlin-Grimm';  Tübingen-Köstlin;  Goethes  Faust: 
Freiburg -Sengler;  Heidelberg- Fischer;  Innsbruck  -  Zingerle ;  Tübingen-Keller; 
Schiller  und  Goethe  in  der  Zeit  ihres  gemeinsamen  Wirkens:  Straßburg- Scherer ; 
Schiller:  Bonn-Birlinger;  Schillers  Dramen:  Zürich- Stiefel;  Schillers  Teil :  Leipzig- 
Hildebrand;    die   deutschen    Tristandichtungen    der    Neuzeit:    Rostock-Bechstein. 

Englische  Litteratur:  Berlin  (Ak.  f.  m.  Ph.)-Boyle;  Halle-Gosche; 
Leipzig- Wülcker ;  Rostock-Lindner. 

Deutsche  Metrik:  Berlin-Müllenhoff;  Graz-Schönbach;  Halle-Zacher; 
Königsberg-Schade ;   Straßburg-Scherer. 

Sprachdenkmäler:  • 

Gothische:  Bonn-Birlinger;  Erlangen-Raumer;  Greifswald-Hoefer;  Inns- 
bruck-Zingerle  ;  Leipzig-Zarncke,  Braune;  Tübingen -Holland;  Würzburg  -  Lexer 
(goth.  ahd.  mhd). 

Althochdeutsche:  Basel-Meyer;  Breslau-Rückert;  Erlangen-Raumer; 
Freiburg-Paul;  Greifswald-Hoefer;  Heidelberg-Bartsch;  Innsbruck- Zingerle;  Jena- 
Sievers;  Leipzig-Zarncke;    Otfrid:  Bonn-Reifferscheid. 

Altdeutsche:   Greifswald-Wilmanns. 

Mittelhochdeutsche:   des   12.  Jabrhs.:  Leipzig-Zarncke. 
Gottfrieds  Tristan:  Freiburg-Paul;   Göttiugen-Wilken. 
Hartmanns   G  reg  orius:  Rostock-Bechstein;   armer  Heinrich  :  Straß- 
burg-Scherer; Iwein :    Berlin    (Ak.  f.  m.  Ph.)-Begemann. 
Helmbrecht:   Leipzig-Hildebrand. 
La  Urin:  Bonn  Reiöerscheid. 

Minnesänger:  Greifswald- Vogt ;  des   12.  Jahrhs.:  Berlin-Müllenhoff; 
Köniffsberff-Schade. 


J 


MISCELLEN.  383 

Nibelungenlied:  Bonn-Simrock;  Dorpat-Meyer;  Halle-Zaclier;  Jena- 
Sievers  ;  Kiel-Weinliold ;  Zürich- Vetter  (mit  Einleitung  in  die  deutsche  Helden- 
sage). 

Walthervonder  Vogelweide:  Basel-Meyer;  Berlin  (Ak.  f.  m.  Ph.)- 
Begemann;  Freiburg-Paul;  Gießen-Weigand;  Göttingen-Müller;  Graz-Schön- 
bach; Innsbruck-Zingerle ;  Leipzig-Zarncke;  Münster- Storck;  Prag-Martin; 
Straßburg-Scherer ;   Wien-Heinzel. 

Wolframs  Parzival:  Heidelberg-Bartsch;  Marburg-Lucae;  München- 
Hofmann;   Zürich-Ettmüller;   über   Wolfram:   Gießen-Zimmermann. 

Altsächsische:  Heliand:  Basel-Heyne;  Leipzig-Zarncke;  Marburg- Grein; 
Rostock-Bechstein ;    Zürich-Vettei'. 

Mittelniederländische:  Reinaert:    Breslau-Kölbing;   Zürich-Ettmüller. 
Angelsächsische:  Berlin  (Ak.  f.  m.  Ph.)-Zernial;   Beowulf:   Göttingen- 
Wilken;   Greifswald-Hoefer;  Jena-Sievers;   Kiel-Möbius. 

Altenglische:  Marburg- Grein;  Chaucer's  Cauterbury  Tales:  Göttingen- 
Th.  Müller;  Prag-Martin;  Straßburg-ten  Brink ;  Einleitung  in  das  Studium 
Chaucers:   Berlin    (Ak.  f.   m.  Ph.)-Vatke. 

Altnordische:  Kiel-Möbius;  Leipzig-Braune;  Wien-Zupitza;  Hrafnagaldr 
Odins:   Straßburg-Bergmann. 

Germanistische  Übungen  in  Semiuarien,  Gesellschaften,  Societäten,  Kränz- 
chen wurden  gehalten  in  Basel,  Berlin,  Bonn,  Breslau,  Freiburg,  Gießen,  Göttingen, 
Graz,  Halle,  Heidelberg,  Kiel,  Leipzig,  Marburg,  Prag,  Rostock,  Straßburg, 
Tübingen,   Wien,  Würzburg  und  Zürich. 


X  für  TJ. 

Zu  F.  Latendorfs  Anfrage  oben  S.  8  verweise  ich  auf  eine  Stelle  in  dem 
1435  verfassten  Namenbuch  von  Konrad  Dankrotsheim  (A.  W.  Strobel,  Beiträge 
zur  deutschen  Literatur  und  Literärgeschichte,  Paris  und  Straßburg  1827, 
S.    124): 

do  mache  ein  ickis  für  ein  v  [:  su]  — 
und  auf  eine  in  Nikodemus  Frischlins  St.  ChristofFel  (Frischlins  Deutsche  Dich- 
tungen.   Hga:-    von  D.  F.    Strauß   —   Bibliothek    des    litterarischen  Vereins    in 
Stuttgart.   XLI  (1857)  —  S.  184): 

Schreibs  alles  seinem  Herren  zu 

Oft  zwey  X  für  ein  einigs  v. 
WEIMAR,  Juni  1875.  R.  KÖHLER. 


Johann  von  Morßheim,  der  Dichter  des  Spiegels  des  Regiments. 

Christoph  von  Thein  berichtet  in  seiner  Selbstbiographie  *),  daß  im 
Jahre  1509  auf  Simonis  und  Judä  sein  herr  pfalzgraf'  —  oder,  wie  es  ein  paar 
Zeilen  vorher  heißt:  mein  gnediger  herr  pfalzgraf  Ludwig  churfürst  —  wegen 
Streitigkeiten    mit    der    Krone   Böhmen    seinen    "^hoffmeister    herrn   Johann    von 


*)  Die  Selbstbiographie  Christophs  von  Thein  1453  —  1516.  Herausgegeben  von 
Adam  Wolf.  Wien  1875,  in  Commission  bei  K.  Gerold's  Sohn.  [Aus  dem  Archive  für 
österreichische  Geschichte,  (LUX.  Bd.  I,  Hälfte,  S.  103)   besonders   abgedruckt]  S.  17. 


384  MISCELLEN. 

Morßheimb  *)  mit  ihm  und  anderen  nach  Prag  gesendet  habe.  Wir  haben  hier 
zweifelsohne  den  Ritter  Johann  von  Morßheim,  den  Dichter  des  im  Jahre  149  7 
verfassten  Spiegels  des  Regiments,  vor  uns,  den  Johann  Agricola  in  seinen 
Sprichwörtern  zweimal  hofmeister  in  der  Pfalz'  nennt  (s.  Gödekes  Ausgabe 
des  'Spiegels',   S.  40),   über    dessen  Leben    aber    sonst    gar    nichts  bekannt  ist. 

Beiläufig  sei  bemerkt,  daß  Morßheim  wohl  das  heutige  Morschheim,  Dorf 
im  Bezirksamt  Kirchheimbslanden  in  der  Rheinpfalz,   ist. 

WEIMAR,  August  1876.  REINIIOLD  KÖHLER. 


Zu  „lütbrechic'^  (XIX,  433). 

Wenn  es  heißt  vil  stet  lauthrechig  lourden,  so  ist  das :  viele  Städte  wurden 
berühmt,  kamen  in  der  Leute  Mund  (wegen  ihres  Unglücks).  Lauthrechig  ist 
gleich  mhd.  lutmcere,  lüthcere.  kundbar,  famosus.  So  ist  das  Wort  gewiß  nicht 
aufzufassen,  wie  J.  meint,  daß  —  viele  Städte  mächtig  erdröhnten  und  in 
Trümmer  fielen,  sondern:  viele  Städte  wurden  vielgenannt  {lauthrechig),  weil 
sie  in  Trümmer  fielen.  Da  aber  die  Worte  prächig  wurden  und  ze  häufen 
fielen  (wie  es  eigentlich  im  Text  heißt)  so  trefflich  zusammenpassen ,  so  ist  zu 
erwägen,  ob  denn  laut  und  prilchig  zusammengehören  und  nicht  in  Hinblick  auf 
lauthrechig  nur  so  geschrieben  sind  ?  Es  hieße  dann  vil  stet  laut  (d.  i.  tumultuose) 
prüchig  wurden,   d.   i.   fielen  in  Trümmer.  SCHRÖER. 


Personalnotizen. 

Dr.  V.  Amira  in  München  geht  Michaelis  1875  als  ordentl.  Professor 
nach  Freiburg  in   Br. 

Prof.  Joseph  Strobl  in  Mödling  ist  als  außerord.  Professor  der  deutschen 
Sprache    und  Litteratur    an    die    neugegründete  Universität    Czernowitz    berufen. 

Der  außerordentl.  Professor  Dr.  H.  Suchier  in  Münster  ist  zum  ordentl. 
Professor  daselbst  ernannt  worden. 


Der  Verein  für  niederdeutsche  Sprachforschung,  welcher  am  24,  Sept.  1874 
in  Hamburg  sich  gebildet,  hat  in  einer  am  20.  Mai  1875  daselbst  abgehaltenen 
Versammlung  folgende  Statuten  aufgestellt:  §.  1.  Der  Verein  setzt  sich  zum  Ziel 
die  Erforschung  der  niederdeutschen  Sprache  in  Litteratur  und  Dialect.  §.  2. 
Der  Verein  sucht  seinen  Zweck  zu  erreichen:  1.  durch  Herausgabe  einer  Zeit- 
schrift; 2.  durch  Veröffentlichung  von  niederd.  Sprachdenkmälern.  §.  3.  Der 
Sitz  des  Vereins  ist  vorläufig  in  Hamburg.  §.  4.  Den  Vorstand  bilden  7  Mit- 
glieder. • —  Als  solche  wurden  erwählt:  Dr.  Koppmann  in  Hamburg,  Senator 
Kulemann  in  Hannover,  Bürgermeister  Francke  in  Stralsund,  Dr.  Lübben  in 
Oldenburg,  Dr.  Meyer  in  Bremen,  Dr.  Mielck  in  Hamburg,  Dr.  Nerger  in 
Rostock. 


*)  Der  unmittelbar  hinter  Johann  von  Morßheimb  —  oftenbar  nur  aus  Ver- 
sehen ohne  durch  ein  Comma  getrennt  zu  sein  —  genannte  'Turinger  ritter  und  stadt- 
halter'  ist  doch  wohl   dieselbe  JPersou  wie   der  S.   18   <renaniite    herr  Adam  Turinger'. 


BEITRÄGE  ZUR  KENNTNISS  DER  F^RÖISCHEN 

POESIE. 


I. 

In  Folge  der  Auflösung  von  „det  nordiske  Literatur-Samfund" 
in  Kopenhagen  ist  außer  anderen  wichtigen  litterarischeu  Unter- 
nehmungen*) auch  die  von  Hammershaimb  herausgegebene  Samrahmg 
faeröischer  Lieder  nach  Erscheinen  des  zweiten  Heftes  unvollendet 
liegen  geblieben,  zum  großen  Bedauern  aller  derer,  die  dieser  in  ihrer 
Art  so  originellen  Volkspoesie  ein  warmes  Interesse  entgegengebracht 
hatten.  Und  ein  solches  verdient  sie  in  der  That  nach  verschiedenen 
Seiten  hin,  obwohl  wir  nicht  verkennen  dürfen,  daß  viele  dieser  Lieder 
in  ihrer  jetzigen  Gestalt  nicht  vor  Mitte  des  16.  Jahrh.  entstanden  sein 
können,  z.  Th.  sogar  in  noch  spätere  Zeit  fallen.  Ob  die  merkwürdigen 
Inseln  nach  dieser  Seite  hin  vollständig  abgesucht  sind,  oder  ob  eines 
oder  das  andere  Lied  sich  etwa  jetzt  noch  im  Volksmunde  treuer  be- 
wahrt hat,  als  in  Hammershaimbs  Druck  oder  den  Niederschriften  aus 
dem  letzten  Viertel  des  vorigen  Jahrhunderts,  lässt  sich  natürlich  aus 
der  Entfernung  gar  nicht  sagen.  Ich  beschränke  mich  im  Folgenden 
auf  das  Material,  welches  die  Aufzeichnungen  von  Svabo:  Fseroeske 
kveair  eller  gamle  kjempe-sange  samt  Rujmur,  samlede  og  optegnede 
i  aarene  1781  og  1782  af  Jens  Chr.  Svabo.  Heft  I— III**)  und  Hentze: 
Fseroeske  sänge  1783  bieten,  das  aber  bis  jetzt  durchaus  nicht  hin- 
reichend ausgenutzt  war.  Schröters  Hdschr.  (ny  kgl.  saml.  346.  8".) 
lag  mir  nicht  vor.  Am  meisten  Beachtung  haben,  wie  leicht  zu  be- 
greifen, die  sog.  Sjiirdar  kvsedi,  die  Stoffe  der  Siegfriedssage  be- 
handeln, gefunden;  über  Runsivals  struj  handelt  Gustav  Storm:  Sagn- 
kredsene    om  Karl    den    Store    og  Didrik  af  Bern    hos    de    nordiske 


*)  Z.  B.  der  trefflichen  Oldnordisk  Formisere  von  K.  Gislason,  die  nicht  über 
das  erste  Heft  von  9G  Seiten  hinaus  gediehen  ist. 

**)  Der  Inhalt  findet  sich  km-z  angegeben  beiLyngbye:  Faer^iske  Qvseder  etc. 
Randers  1822,  p.  10  f. 

GERMANIA.  Neue  Reihe.  VIU.  (XX.  Jahrg).  25 


386  KÖLBING 

Folk.  Krist.  1874.  p.  218  ff. ;  die  übrigen  dem  Karlssagenkreise  ange- 
hörigen:  Geipa  tdttur,  Emunds  rima,  Odvalds  rima,  sowie  Tiriks  kappar 
habe  ich  Germ.  XX  p.  236  ff.  zum  ersten  Male  besprochen.  Trotzdem 
bleiben  außer  den  im  zweiten  Theile  der  Fserceske  kvseder  mitgetheilten 
Liedern  noch  eine  große  Anzahl  übrig,  deren  Einführung  in  die  Litte- 
raturgeschichte  sich  sehr  wohl  lohnen  dürfte*).  Indem  ich  von  den 
Dichtungen  modernen  Inhaltes,  welche  meist  auf  Verspottung  einzelner 
Fälle  von  Dummheit  oder  Feigheit  hinauslaufen,  ganz  absehe,  will 
ich  im  Folgenden  auf  die  romantischen  Lieder,  soweit  ihr  Stofif  ander- 
weitig bekannt  und  von  Interesse  ist,  etwas  specieller  eingehen.  Ich 
zerlege  sie  in  zwei  Gruppen: 

A.  solche  Lieder,  welche  direct  oder  indirect  auf  eine  noch  vor- 
handene altnordische  Prosasaga  zurückgehen.  An  ihnen  interessiert 
uns  nur,  zu  sehen,  welche  Gestalt  der  Stoflf  nach  und  nach  im  Volks- 
munde gewonnen  hat;  zur  kritischen  Herstellung  eines  etwa  schlecht 
überlieferten  Sagatextes  werden  sie  sich  schon  darum  viel  weniger 
eignen,  als  z.  B,  die  isländischen  Rimur  [wohl  zu  unterscheiden  von 
den  sog.  Fornkvsedi],  weil  die  letzteren,  viel  früher  aufgezeichnet, 
treuer  ihre  ursprüngliche  Fassung  gewahrt  haben. 

B.  solche  Lieder,  welche  dem  Stoffe  nach  verwandt  sind  mit  nor- 
wegischen Folkevisern,  herausgeg.  von  Landstad:  Norske  Folkeviser, 
samlede  og  udgivne.  Christiania  1853,  oder  mit  isländischen  Fornkvsedi, 
herausgeg.  von  Sv.  Grundtvig  und  J.  Sigurdsson.  1.  2.  Kjöbenh.  1854 
bis  1858.  Hier  steht  Volksüberlieferung  gegen  Volksüberlieferung,  und 
es  wird  deßhalb,  wo  sich  Unterschiede  herausstellen,  in  jedem  einzelnen 
Falle  zu  prüfen  sein,  auf  welcher  Seite  die  ursprüngliche  Fassung  liegt. 

Vorerst  aber  sei  der  Verwaltung  der  königl.  Bibliothek  zu  Kopen- 
hagen, welche  mit  bekannter  Liberalität  mir  die  Benutzung  von  Svabo's 
und  Hentze's  Handschriften  auf  hiesiger  Universitätsbibliothek  erlaubt 
hat,  dafür  der  wärmste  Dank  abgestattet. 

A. 

Die  mit  noch  vorhandenen  Prosasagas  verwandten  Lieder. 
1.  Snjölfs  kvsedi,  verwandt  mit  der  Asmunda  saga  kappabana, 
herausgeg.  in  FAS.  II  p.  463 — 87 ;  Inhaltsangabe  in  P.  E.  Müllers  Saga- 
bibliothek II  p.  596  ff.  Es  folgt  hier  der  Inhalt  des  fseröischen  Liedes: 


*)  Man  vergleiche  über  die  fseröischen  und  isländischen  Volkslieder  die  in- 
teressanten Bemerkungen  Maurers  Germ.  XIV  p.  97  ff.,  wo  man  auch  die  sonstige, 
einschlägige  Litteratur  angeführt  findet. 


BEITRÄGE  ZUR  KENNTNISS  DER  F^RÖISCHEN  POESIE.  387 

Hildibrand,  König  von  Gantarvik,  will  nm  Silkieik,  die  Tochter 
Olafs,  des  Hochlandskönigs  und  der  Königin  Ingebjörg,  werben.  Rani 
aus  Isansland,  ein  als  sehr  häßlich,  aber  übermenschlich  stark  ge- 
schildeter  Recke,  kommt  ihm  zuvor  und  hält  um  die  Jungfrau  an. 
Selbst  um  ihre  Meinung  gefragt,  lehnt  sie  die  Werbung  ab,  und  bittet 
ihren  Bruder  Snjolfur,  gegen  den  lästigen  Freier  zu  kämpfen. 

Am  nächsten  Morgen  langt  Hildibrand  an,  und  ihm  wird  nun 
dieser  Kampf  zunächst  aufgegeben.  Als  er  diesen  besiegt  und  erschlagen, 
und  sich  auch  Snjolf  gegentiber  als  tüchtiger  Held  bewährt  hat, 
nimmt  ihn  Silkieik  als  Gemahl  an  und  zieht  mit  ihm  nach  Gantarvik. 

Hild.  ladet  drei  Nonnen  zum  Julschmause  ein.  Die  zwei  ersten 
prophezeien^  er  werde  einen  Sohn  bekommen,  der  alle  Altersgenossen 
übertreffe  an  Kraft  und  Muth;  die  dritte  jedoch  fügt  hinzu,  derselbe 
werde  durch  Hild.  seines  Vaters  Schwert  fallen.  Dann  entfernen  sie 
sich.  Hild.  erschrickt.  Silk.  räth  ihm,  das  Schwert  zu  vernichten;  er 
kann  sich  dazu  nicht  entschließen,  weil  es  ihn  schon  in  so  viele  Kämpfe 
begleitet  habe,  schleudert  es  aber  in  das  Meer.  Bald  darauf  schenkt 
ihm  seine  Gemahlin  einen  Sohn,  den  er  Grim  nennt  und  der  früh- 
zeitig ein  tüchtiger  Held  wird. 

Eine  Jungfrau  sagt  einem  Ritter,  Namens  Asmund,  von  Hilde- 
brands versenktem  Schwerte,  Er  kehrt  in  Gantarvik  bei  einem  Herzog, 
Namens  Golmar,  ein,  entfernt  ihn  mit  Waffengewalt  aus  der  Halle  und 
entehrt  seine  Frau  Ingebjörg.  Dann  zwingt  er  Golmar  mit  ihm  auf  das 
Meer  hinaus  zu  fahren  und  ihm  die  Stelle  zu  zeigen,  wo  Hild.  Schwert 
versenkt  worden  sei.  Hierauf  taucht  er  unter  und  bringt  dasselbe  glück- 
lich herauf,  tödtet  dann  aber  doch  noch  Golmar  und  nimmt  Ingebjörg 
mit  sich  in  sein  Land. 

Snjölf  in  den  Upplanden  hält  um  Adalin  (H.  Adalos),  Tochter 
des  Herzogs  von  Braunschweig,  an,  und  erhält  sie,  die  ihn  schon  ge- 
liebt hat,  ohne  ihn  zu  kennen.  Eines  Nachts  träumt  ihr^  ein  Ritter  habe 
ihren  Gemahl  zu  Boden  geschlagen.  Jener  meint  aber,  als  sie  ihm  den 
Traum  erzählt,  sie  möge  nichts  fürchten :  es  finde  sich  nirgends  auf  der 
Welt  Seinesgleichen.  Adalin  warnt  ihn. 

Asmund  bricht  in  den  Upplanden  ein,  tödtet  100  von  Snjolfs 
Leuten  und  will  Adalin  entehren.  Da  bietet  ihm  Snjolf  den  Kampf 
an.  Nachdem  derselbe  lange  unentschieden  geblieben,  fällt  endlich  Snjolf. 
Asm.  bindet  sein  Haupt  an  seinen  Sattelbogen  und  rühmt  sich  gegen 
Frau  Adalin,  die  außen  vor  der  Halle  ihren  Gemahl  erwartet,  seiner 
Heldenthat.  Jene  versetzt,  er  könne  nur  durch  Zauberkünste  gesiegt 
haben.  Er  will  sie  zu  seiner  Geliebten  machen:  da  auf  einmal  erblickt 

25* 


388  KÖLBING 

sie  Snjülfs  Haupt:    da    riß    ihr  Gürtel    und    ihr   Herz    zersprang   vor 
Schmerz  über  ihres  Gatten  Tod. 

Asmund  verrichtet  weitere  Heidenthaten  auf  Vikingerzügen  und 
wird  deßhalb  Kappabani  genannt.  Er  erfährt  von  einem  Ritter,  Namens 
Grim,  der  in  der  Nähe  haust.  Dieser  weist  Asmunds  Aufforderung 
zum  Kampfe  aus  dem  Grunde  zurück,  weil  jener  schon  seinen  Oheim, 
Snjolf,  durch  Zauberkünste  besiegt  habe.  Asmund  solle  aber  fünf  seiner 
Leute  gegen  ihn  schicken.  Es  geschieht  und  er  tödtet  sie  alle.  Asm. 
lässt  Odd  von  Isansland  holen  und  Ivint,  den  Starken,  um  gegen 
Grim  zu  kämpfen.  Aber  beide  fallen.  Da  begibt  sich  Asm.  zu  Hilde- 
brand. Dieser  ist  eben  erwacht  und  hat  geträumt,  sein  Schwert  sei 
wieder  aus  der  Meerestiefe  herauf  geholt  worden,  und  er  sei  dann 
seinem  Sohne  Grim  begegnet  und  habe  ihn  erschlagen.  Silkieik  beruhigt 
ihn.  [Nach  H.  hat  sie  den  Traum.] 

Es  erscheint  ein  fremder  Ritter  mit  Hildebrands  Schwerte  in  der 
Halle,  der  diesen  bittet,  gegen  Grim  [dessen  Namen  er  jedoch  nicht 
nennt]  für  ihn  zu  kämpfen,  da  jener  seine  Herausforderung  nicht  an- 
nehmen wolle.  Da  leiht  sich  Hild.  Asmunds  Schwert,  das  er  nicht  wieder- 
erkennt, und  reitet  zu  Grim  hinaus,  den  ebenfalls  böse  Träume  be- 
unruhigt haben ;  nachdem  sie  eine  Weile  gestritten,  spaltet  Hild.  Griras 
Haupt  mit  seinem  Schwerte.  Nun  erst  fragt  er  nach  des  Getödteteu 
Namen,  und  erfährt,  daß  er  seinen  eigenen  Sohn  getödtet  hat.  Bei 
dieser  Nachricht  zerspringt  Hild.  vor  Kummer.  Damit  schließt  das 
Gedicht. 

Vergleicht  man  den  Inhalt  des  Liedes  mit  dem  Auszug  der  As- 
mundarsaga  Kappabana  bei  Müller  —  der  übrigens  sonderbarer  Weise 
den  wichtigen  Zug  von  der  Wiedergewinnung  des  Schwertes  durch 
Asmund  (Saga  p.  472)  ganz  übergeht  —  so  ergibt  sich  unzweifelhaft 
eine  nahe  Verwandtschaft  zwischen  beiden  Erzählungen.  Freilich  fehlt 
es  auch  nicht  an  Unterschieden,  deren  auffälligster  der  ist,  daß  in  der 
Saga  Asmund  seinen  Halbbruder  Hildibrand,  im  Liede  Hild.  seinen 
Sohn  Grim  tödtet.  Ganz  selbständig  ist  in  F,  was  von  Snjülf  und  Adaliu 
berichtet  wird,  sowie  Hild.  Kampf  mit  Rani.  Auch  die  auf  das  Schwert 
bezügliche  Prophezeiung  ist  wesentlich  anders  angelegt.  Trotz  alledem 
werden  wir  die  Saga  als  Quelle  des  Liedes  annehmen,  und  schon  deß- 
halb ihre  Fassung  als  die  ursprüngliche  anerkennen  müssen,  weil  zu 
ihr  eine  bekannte  Erzählung  bei  Saxo  bis  auf  die  Namen  recht  wohl 
stimmt.  Originalwerth  hat  also  das  Lied  durchaus  nicht:  dagegen 
bietet  es  ein  interessantes  Beispiel  dafür,  wie  aus  dem  alten  Sagenstoffe 
sich  etwas  verhältnissmäßig  neues  entwickelt,  wie  das  alte  Thema  neu 


BEITKÄGE  ZUR  KENNTNISö  DER  P^RÖISCHEN  POESIE.  389 

und  selbständig  behandelt  worden  ist,  auch  nicht  ohne  Geschick,  zu- 
mal wenn  wir  dazu  nehmen,  daß  die  Dichtung  in  noch  früherer  Zeit, 
als  sie  aufgezeichnet  wurde,  gewiß  in  sich  geschlossener  und  vollstän- 
diger im  Volksmunde  existiert  hat  und  gesungen  wurde. 

2.  Asmund  Adalson.  Die  Quelle  dieses  Liedes  ist  ohne  Zweifel 
die  noch  ungedruckte  Saga:  Sigurdar  saga  fotar  ok  Asmundar  Hüna- 
konungs,  von  mir  excerpiert  nach  Cod.  Holm.  perg.  7  fol.  Da  sieh  aber 
einzelne  Stellen  nicht  wohl  vergleichen  lassen,  so  gebe  ich  hier  zunächst 
den  Inhalt  der  Saga  kurz  an,  dann  den  des  Gedichtes. 

Der  Inhalt  der  Saga,  die  der  Verfasser  auf  einer  Steinmauer  in 
Cöln  aufgezeichnet  gefunden  haben  Avill,  ist  folgender: 

Asmund  ist  König  von  Hunnenland.  Von  Olaf,  seinem  ersten  Rath- 
geber  und  steten  Begleiter,  dazu  ermuntert,  reist  er  nach  Seeland,  um 
um  Signy,  die  Tochter  des  Königs  Knut,  zu  werben.  Knut  ist  auf  einem 
Vikingerzuge  abwesend,  Signy  will  nicht  allein  über  sich  verfügen,  und 
fordert  ihn  deßhalb  auf,  im  kommenden  Herbste  noch  einmal  anzufragen. 
Inzwischen  hat  Knut  auf  seinem  Zuge  den  König  Sigurd  von  Valland 
kennen  gelernt  und  ihm  seine  Tochter  verlobt.  Die  Hochzeit  wird  für 
den  Herbst  angesetzt,  und  Signy,  die  nach  seiner  Rückkehr  Asmunds 
Werbung  vorträgt  und  befürwortet,  wird  abgewiesen.  Asmund  jedoch 
hat  alles  erfahren,  erscheint  mit  Olaf  in  verhüllenden  großen  Mänteln 
im  Hochzeitssaale  und  schwingt  seinen  Speer  mehrmals  über  den 
ganzen  Saal,  worauf  ein  gewaltiger  W^indstoß  erfolgt  und  alle  Lichter 
erlöschen.  Ehe  man  sie  wieder  anzünden  kann,  verschwinden  die 
beiden  Fremden  und  mit  ihnen  die  Braut,  die  man  nun  überall  ver- 
gebens  «sucht.  Asm.  segelt  mit  der  Jungfrau  nach  Hunaland  zurück, 
schickt  aber  dann  Olaf  zu  dem  inzwischen  nach  Valland  zurück  ge- 
kehrten Sigurd  und  lässt  ihm  die  Wahl  zwischen  dreierlei  Anbieten: 
entweder  er  (sc.  Asm.)  behalte  Signy  und  entschädige  Sig.  in  Geld, 
oder  zweitens,  er  tiberlasse  ihm  dafür  jJi« 'Herrschaft  über  Hünaland, 
oder  endlich  Sig,  trete  Valland  ab,  erhalte  aber  dafür  die  Prinzessin. 
Sig.  ist  aber  mit  keinem  dieser  Vorschläge  einverstanden,  sondern  dringt 
auf  Entscheidung  durch  Kampf  und  erscheint  auch  bald  mit  einem 
Heere  in  Hünaland.  Asmund  besiegt  ihn  nun  im  Zweikampfe,  ist  aber 
großmüthig  genug,  ihm  trotzdem  die  Signy  zu  verloben.  Sie  schließen 
darauf  Waffenbrüderschaft. 

Hrolf,  der  König  von  Irland,  hat  eine  schöne  Tochter,  Namens 
Helena.  Asm.  wirbt  um  sie,  wird  aber  schnöde  abgewiesen.  Auch  im 
Kampfe  muß  er  der  Übermacht  weichen,  sein  Heer  wird  vei'nichtet, 
er  und  Olaf  gefangen. 


390 


KÖLBING 


Signy  träumt  schwer:  Äsm.  sei  von  einer  Heerde  Wölfe  über- 
wältigt und  bei  ihnen  festgehalten;  und  veranlasst  Sig.  ihm  zu  helfen. 
Es  folgt  ein  Kampf  zwischen  Sigurd  und  Hrolf,  letzterer,  besiegt  und 
gefangen,  soll  hingerichtet  werden,  erhält  jedoch  auf  Helenas  Bitten, 
die  schon  vor  Sigurds  Eintreffen  die  Gefangenen  befreit  hatte,  sein 
Reich  wieder.  Äsm.  vermählt  sich  mit  Helena;  ihr  Sohn  Hrolfr;  dessen 
Söhne  Asmund  und  Hildibrand. 

Der  Inhalt  des  faeroischen  Liedes:  ^ 

Asmund  herrscht  über  Hünaland.  Olaf  sein  Knappe.  Asm.  reitet 
eines  Morgens  aus.  Die  Prinzessin  lugebjörg  steht  am  Fenster,  der 
Ritter  gefällt  ihr  und  sie  erklärt  ihrer  Mama,  ihn  und  keinen  anderen 
wolle  sie  als  Gemahl,  erhält  aber  dafür  eine  Ohrfeige  und  die  Notiz, 
daß  sie  für  Sigurd  Fot  bestimmt  sei.  Die  Hochzeit  wurd  zugerüstet, 
Äsm.  aber  nicht  eingeladen.  Trotzdem  will  er  hinreisen.  Ein  Geier 
[gammr,  etwa  wie  dreki,  vom  Schiffe  gebraucht?]  trägt  ihn  und  Olaf  über 
das  Meer.  Die  Scene  im  Hochzeitssaale  verläuft  wie  in  der  Saga. 
Mit  seinem  Herrn  nach  Hünaland  zurück  gekehrt,  fragt  Olaf  diesen, 
warum  er  von  der  geraubten  Jungfrau  nicht  Besitz  ergreife.  Jener 
versetzt,  er  werde  sich,  nie  die  Braut  eines  andern  aneignen,  und 
behandelt  Olaf,  der  ähnliche  Wünsche  kund  gibt,  sehr  schroff.  Sigurd, 
der  inzwischen  erfahren  hat,  wo  seine  Braut  sich  befindet,  eilt  ihr 
nach,  begleitet  von  einem  Riesen,  Namens  Rani.  Diesem  stellt  sich 
Olaf  zum  Zweikampfe,  wird  aber  endUch  von  ihm  überwältigt.  Da- 
gegen siegt  Asmund  jetzt  über  die  Feinde,  sucht  dann  den  schwer 
verwundeten  Sigurd  auf  und  lässt  ihn  heilen.  Er  heirathet  dann  Sigurds 
Schwester  Randarsol,  während  dieser  Ingebjörg  erhält  und  mit  ihr  in 
sein  Land  zurückkehrt. 

Diese  Analysen  dürften  genügen,  um  die  oben  behauptete  Iden- 
tität beider  Stoffe  zu  erweisen.  Auch  hier  hat  die  Tradition  einzelnes 
umgeformt,  zumal  nach  dem  Schlüsse  hin,  wo  F  ja  viel  kürzer  ist.  Ob 
freilich  die  Saga  als  directe  Quelle  für  das  Lied  anzusehen  ist,  muß 
imentschieden  bleiben:  es  wäre  wohl  denkbar,  daß  ein  entsprechendes 
isländisches  Reimgedicht  oder  eine  norwegische  Vise,  die  jetzt  verloren 
ist^  die  unmittelbare  Vorlage  war. 

3.  Mirmans  kvsedi.  Die  Erzählung  stimmt,  abgesehen  von  ein- 
zelnen Kürzungen,  genau  zu  der  von  mir  (Riddarasögur.  Straßburg 
1872,  S.  137  ff.)  zum  ersten  Male  herausgegebenen  Mirmans  saga.  Die 
Abweichungen  sind  gering.  So  bringt  Brita  (=  Brigida)  ihren  Sohn 
selbst  zu  Lotar  von  Frankreich  (=  Hlödver),  der  schon  mit  Katrin 
vermählt  ist.  Mirm.  erschlägt  seinen  Vater,  als  er  mit  ihm  über  Tische 


BEITRÄGE  ZUR  KENNTNISS  DER  F^RÖISCHEN  POESIE.  391 

sitzt.  Komisch  nimmt  es  sich  aus,  daß  die  Heidin  Brita  Gott  bittet, 
die  christliche  Seele  ihres  Mannes  bei  sich  aufzunehmen,  und  liefert 
zugleich  einen  Beweis  für  das  mangelhafte  Verständniss  der  Situation. 
Mirman  erhält  Sissala,  die  sicilische  Königstochter,  zur  Gemahlin,  ehe 
er  den  Kampf  mit  Lundar  (=  Ludarius)  besteht.  Interessant  ist  die 
Motivierung  seiner  Untreue  gegen  Sissala.  Katrin  hat,  um  ihn  für  sich 
zu  gewinnen,  ihm  einen  Vergessenheitstrank  eingegeben.  Diesen  Um- 
stand führt  er  dann  auch  Sissala  selbst  gegenüber  zur  Entschuldigung  an. 
Endlich  würden  noch  unter  diese  Rubrik  gehören:  5.  Koralds- 
kvaedi  (Svabo  III),  eine  stofflich  treue  Versificieruug  der  Kom-äds 
saga  Keisarasonar  (edd.  Gunnlaugr  f  ordarson.  Kaupmannahöfn  1859), 
über  die  ich  nichts  specielles  zu  bemerken  wüsste,  und  6.  Flövins  rima 
über  die  ich  an  anderer  Stelle  bei  nälierer  Besprechung  ihrer  Quelle 
der  Floventssaga  Frakkakonungs,  ausführlicher  handeln  werde. 

B. 

Die  mit  norwegischen  Folkevisern  oder  isl.  Fornkvaedi 
verwandten  Lieder. 

Diese  sind^  wenn  auch  nicht  zahh-eich,  so  doch  von  weit  größerem 
Interesse  als  die  obigen  Dichtungen,  und  müssen  deßhalb  auch  ein- 
gehender besprochen  werden. 

1.  Hermundur  illi  (bei  Svabo  II),  dem  Stoffe  nach  zu  ver- 
gleichen mit  der  norwegischen  Vise :  Hermod  Ille,  bei  Landstad  a.a.O. 
S.  196 — 222  in  zwei  verschiedenen  Fassungen  (A  und  B)  mitgetheilt. 
Der  Inhalt  des  letzteren  ist  kurz  folgender: 

Der  Jarl  Hjadde  hat  zwei  Söhne  Hermod  Ille  und  Holgeir  (B: 
Eirik).  Ersterer  wird  vom  König  von  Serkland,  dessen  Tochter  Haege 
er  liebt,  verbannt,  weil  er  durch  Raubzüge  seine  Unterthanen  schädigt. 
Als  Hsege  an  Holgeir  verheirathet  werden  soll,  zwingt  sie  durch  Zauber- 
runen einen  Schiffer,  Hermod  nach  Serkland  zu  bringen,  wo  er  an 
Hsege's  Hochzeitstage  eintrifft,  in  Verkleidung  dem  Festmahle  beiwohnt, 
im  Brautgemache  seinen  Bruder  und  Nebenbuhler  erschlägt  und  sich 
so  endlich  die  Hand  der  Prinzessin  erzwingt. 

Ich  gehe  nun  zur  Einzelvergleichung  über.  Nach  dem  fseröischen 
Liede  (F),  sind  Atli  und  Sigurd  zwei  Brüder,  die  über  Saxland  *)  herr- 
schen. Atli  unternimmt  Vikingerfahrten  auf  der  Ostsee  und  vermählt  sich 


*)  Sollte  Serkland  in  beiden  norwegischen  Fassungen  nicht  vielleicht  aus  Sai- 
land  entstellt  sein?  Da  auch  von  der  Ostsee  die  Rede  ist,  so  liegt  diese  Vermuthung 
sehr  nahe. 


392  KÖLBING 

mit  der  Tochter  des  Königs  von  Miklagard.  Ein  Jarl  hat  zwei  Söhne: 
Hermund  (=  Hermod)  und  Eirik,  was  zu  B  stimmt.  In  A  fehlt  die 
wichtige  Notiz  über  den  verschiedenen  Charakter  der  beiden  Brüder, 
der  B  V.  3  angedeutet  wird ;   viel   ausführlicher   darüber  ist  F  v.  4  ff. : 


tad  er  mdr  av  sanni  sagt : 
a  sundur  bar  teirra  lind. 

Eirikur  situr  i  hogalofti, 
örn  flygur  yvir  hans  eyga; 
hann  er  so  i  hjarta  raddur, 
torur  ei  siggja  mann  reidan. 

Han  er  so  i  hjarta  raddur, 
törur  ei  siggja  mann  bleyda; 
i  ti  vigi  vil  hann  ei  vera, 
sum  hjortur  verdur  skotin  til  deyda. 

Hermundur  vox  i  fadir  hans  gardi, 
vid  tad  for  hann  fram: 
honum  tökti  ei  tan  dag  vera  heilan, 
hann  blodgadi  ikki  mann. 
Die  Königstochter,  welche  Hermund  liebt,  während  er  ihren  Vater 
hasst,  heißt  in  F  Halga  =  Helga  =  Hcßge  in  AB. 

Herrn,  trifft  dreimal  im  Walde  Berserker,  erst  8,  dann  15,  dann  50, 
[ob  sie  der  König  direct  gegen  ihn  ausgeschickt  hat,  ist  nicht  er- 
sichtlich], und  tödtet  sie  jedesmal  alle.  (v.  9 — 13.)  Das  ist  in  A  bloß 
angedeutet  v.  3"  (vgl.  B  v.  6"^):  han  bite  folk  i  fotann,  offenbar  nur 
eine  Reminiscenz  an  den  ausführlicheren  Bericht  in  F.  B  hat  hier  un- 
richtig schon  den  Tod  Eiriks  hineingebracht  (v.  4  und  7,  vgl.  Laud- 
stad  z.  d.  St.). 

Von  einem  j^ing  (A  v.  3^)  ist  in  F  an  der  entsprechenden  Stelle 
nicht  die  Rede.  Aber  das  Gespräch  des  Königs  mit  dem  Jarl  und  dessen 
Unterredung  mit  seinem  Sohne  stimmen  zu  AB.  —  Mit  zwölf  Jahren 
verlangt  Herm.  ein  Schwert  und  ein  Schiff,  und  verheert  Atlis  Grenzen 
(F  V.  18  f.).  Das  Gespräch  des  letzteren  mit  seiner  Tochter,  das  in  A 
fehlt,  hat  F  v.  20  ff.,  stimmend  zu  B  v.  8  ff.,  z.  Th.  wörtlich;  man  vgl. : 

Bv.  8:  F.  V.  20: 

Ded  var  Serklands  kongin,  Hoyr  tad,  min  ssela  dottir, 

han  dömer  domen  den  verste:  gera  skal  vid  hann  tad  vesta: 

anten  skal  de  no  Hermod  hengje,      annathvort  a  galgan  foera, 
ella  slitc  med  beste.  ella  slita  millum  hestar. 


BEITRÄGE  ZUR  KENNTNISS  DER  F^RÖISCHEN  POESIE.  393 

Der  Rath  Helgas  ist  ebenfalls  derselbe  F  v.  23  =:  B  v.  9  f.  Nach 
F  beruft  nun  der  König  ein  J^ing,  durch  welches  Hermunds  Verban- 
nung beschlossen  wird.  Herrn,  ist  selbst  anwesend  und  antwortet  dem 
König  sehr  muthig,  er  werde  ihm  dieß  Urtheil  übel  lohnen.  So  aus- 
führlich ist  weder  A  noch  B. 

Daß  Herm.  nach  gesprochenem  Verbannungsurtheil  noch  eine 
Nacht  bei  Helga  zubringt  (so  B  v.  15),  erzählt  F  nicht;  das  passt  auch 
schlecht  zu  den  folgenden  abweisenden  Worten  Helgas,  die  beide  Texte 
ähnlich  bieten,  nur  A  deutlicher.  Man  vgl. 

F  V  29: 
Hermundur  gekk  i  salinn  inn, 
jumfrü  Halgu  ä  finna: 
Sitt  vel,  jumfrü  Halga, 
tu  mäst  vel  ä  mik  miunast. 
B  V.  17:  F  V.  30: 

Tjovanne  og  trselanne  Tad  er  bsedi  konur  og  trselur, 

dei  hava  i  lande  fred,  ikki  fär  frid  i  landi; 

feruttan  du  Ille  Hermod,  firi  hvat  skal  ek  minnast  a  ])ik, 

du  fser  inki  notte-gred.  er  ütlagdur  er  firi  sanni? 

Diese  sehr  passenden  Abweisungsworte  F  v.  30^  f.  werden  in  B 
vermisst.  In  Herm.  Drohung  gegen  Helga  treffen  beide  Texte  zusammen : 
B  V.  18  ff.  =  F  V.  31  f.  Der  lange  Abschied  am  Schiffe  B  v.  21  ff.  fehlt 
in  F.  Doch  vgl. 

B  V.  2P  f.  F  V.  33. 

No  gjorde  meg  Hgeges   ordi  verr,      Meiri  beit  honum  Halgu  ord, 
hell  alle  mine  löynde  sorgir.  enn  öll  hans  önnur  sorg. 

Selbständig  ist  in  F  v.  34: 

Jallinn  gar  for  sina  frü, 
tad  var  av  tungari  treit: 
Gud  nädi  mik,  min  ssela  sseta, 
nü  eru  vit  sonaleys. 
In   der   Schilderung    von   Herm.  Vikingerzügen   stimmt  B    zu  F. 
Nur  fehlt  hier  die  Erwähnung  des  Türken  oder  Deutschen  in  der  Ost- 
see (A  V.  13  f.  B  V.  30  f.),  was   gewiß   auch  als  späterer  Einschub  zu 
betrachten  ist.  Dagegen  dürfte  die  Notiz,  daß  Helga  verheirathet  werden 
soll  (A  v.  15,  B  V.  32)  * )  in  F  ausgefallen  sein.  Denn  erst  dieser  Um- 
stand motiviert  Helgas  Entschluß,  sich  an  den  Schiffer  zu  wenden. 

*)  Wie  kann  B  v.  32  und  45  von  Holgeir  die  Rede  sein,  als  Herrn.  Bnider, 
wie  in  A,  während  doch  v.  1  Eiiik  als  dessen  Name  angegeben  wurde?  Landstad  be- 
merkt kein  Wort  über  diesen  auffallenden  Widerspruch. 


394  KÖLBING 

Selbständig  erscheint  in  F  Helgas  Gespräch  mit  ihrer  Dienerin, 
V.  39  f.: 

Halga  talar  vid  sina  ternu: 

siga  skal  ti'i  mer  satt: 

hvat  vinnur  hann  Häki  jall, 

sum  minum  fadir  byr  naist? 
Häki  byr  firi  handan  a, 

eina  eigir  hann  kyg, 

litils  vert  tatl  vinnur  hann, 

hann  rHr  ser  üt  a  sjogv. 
Diese  f'ser.  Namenstbrm  Häki,  (auch  sonst  häufig  genug,  vgl.  den 
Index  zu  FAS.  HI)  beweist,  daß  Landstad's  Vermuthung  (Anni.  zu  A 
V.  16'):  „I  var.  B  kaldes  han  hava  kalleu,  hvilket  vistnok  er  det 
rette :  Havmanden"  unrichtig  ist.  Hagakallen  (A  v.  16)  steht  der  ur- 
sprünglichen, in  F  erhaltenen  Form  näher.  Übrigens  würde  für  jall 
F  v.  39^  natürlich  richtiger  kall  gelesen  werden. 

Die  Worte,  die  Helga  an  Häki  richtet,  und  seine  Antwort  (A 
v.  16  f.  B  V.  35  f.)  fehlen  in  F;  sicher  fanden  sie  sich  früher  auch  hier; 
das  Runenwerfeu  haben  alle  Texte,  aber  nur  F  motiviert  es  v.  42: 

Rämar  risti  hon  runurnar 

nidur  1  Häka  bat: 

„Aldri  kom  tu  til  landanar, 

firi  Hermundur  er  ä". 
Noch  sendet  Helga  nach  F  durch  ihre  Dienerin  Häki  ihren  Gold- 
ring, ohne  daß  dieser  weiß,  was  er  damit  anfangen  soll  (v.  44). 

Nach  A  v.  20  =  B  V.  41  sieht  Hermod  zuerst  Häki's  kleines  Boot, 
nach  F  umgekehrt  Häki  den  SchifFszug  Hermunds^  der  ihr  Furcht  ein- 
flößt (v.  48).  Im  folgenden  stimmen  die  Texte  in  der  Aufnahme  Häki's 
in  Herrn.  Schifi"  und  dessen  Frage  nach  Helga.  Die  Antwort  lautet 
(v.  58),  sie  sei  an  den  Herzog  Geirard  verlobt  worden:  der  Name  kann 
nicht  verschrieben  sein ,  denn  er  steht  im  Reim  v.  58 ;  ebenso  wenig 
ist  er  aber  mit  Hermunds  Bruder  identisch,  wie  der  weitere  Verlauf 
der  Erzählung  noch  deutlicher  zeigt.  Häki  fügt  hinzu  v.  59: 

Grätur  hon  jumfrü  Halga 

vid  so  mikla  villu: 

alla  sina  sefina 

sirgir  hon  Hermund  illa. 
Eigenthümlich    ist  F    auch    die    Furcht    Häki's,    der    in   Herrn. 
Schiffe  keinen  Wein  annimmt  und  sich  die  ganze  Nacht  nicht  schlafen 
legt  (v.  61  f.). 


BEITRÄGE  ZUR  KENNTNISS  DER  FiERÖISCHEN  POESIE.  395 

Als  Herrn.  landet,  wird  Geirard  gerade  mit  Helga  getraut:  alles 
ist  in  der  Kirche.  Auf  dem  Rückweg  sieht  Herrn,  seinen  Nebenbuhler 
und  schwört,  jener  solle  die  Jungfrau  nicht  genießen,  wenn  er  sein 
Leben  behalte  (F  v.  72).  Dieser  Zug  fehlt  in  A  und  B. 

Nach  allen  Fassungen  erscheint  Herrn,  in  Frauenkleidern  beim 
Hochzeitsmahl.  Der  Königstochter  Kari  (B  v.  61)  entspricht  in  F  Beja, 
die  hier  Geirards  Schwester  ist  (v.  79).  Nicht  Herrn,  ferner,  wie  in  B 
(v.  60),  sondern  Helga  (F  v.  77)  wirft  den  Ring  in  den  Becher.  Ich 
glaube,  daß  nur,  wenn  man  beide  Fassungen  zusammennimmt,  die  eigent- 
liche Bedeutung  des  Ringes  sich  feststellen  lässt.  Es  ist  nämlich  sicherlich 
ein  und  derselbe  Ring,  den  Helga  dem  Häki  gesandt  hat,  und  der,  den 
Hermund  jetzt  als  Erkennungszeichen  in  den  Becher  wirft.  Das  erste 
Moment  war  in  A  und  B  weggefallen,  die  Übergabe  des  Ringes  an 
Herrn,  in  A,  B  und  F,  während  der  letzte  Zug  in  F  verwischt  ist. 

In  B  fällt  Herrn,  durch  sein  vieles  Trinken  (v.  60  f.),  in  F  v.  78 
durch  seine  tiefe  Stimme  der  Prinzessin  Kari  (=  Beja)  auf.  Es  bedarf 
kaum  der  Erwähnung^  daß  wir  hier  es  mit  einem  ganz  ähnlichen  Motiv 
zu  thun  haben,  wie  in  Hamarsheimt.  Nur  F  hat  folgenden  Zug.  Helga 
ist  traurig  und  denkt  nicht  an  Essen  und  Trinken.  Da  heißt  es  v.  81  f.: 

Kongurinn  so  til  orda  t6k: 

hetta  er  mikil  villa: 

man  min  döttir  hugsa  a, 

at  sirgja  Hermund  illa. 

Hefdi  hann  Hermundur  sjät  seg, 

tad  siggi  ek  for  sann, 

einginn  madur  ä  Saxlandi 

hefdi  verit  hans  ovurmann. 

Hefdi  hann  Hermundur  sjat  seg, 

hefdi  hann  gjort  tad  svä, 

so  vel  var  hann  til  tess  borin, 

mina  döttir  at  fä. 
Kari  begleitet  Helga  in  das  Brautgemach ;  als  sie  geht,  schleicht 
sich  Herrn,  ein;  Geirardr  erkennt  ihn,  kommt  aber  (nach  F)  seiner 
Aufforderung,  aus  dem  Brautbette  zu  weichen,  nicht  nach;  Herrn,  er- 
sticht ihn.  Entsprechend  A  v.  47  ^  B  v.  74  bemerkt  Beja  auch  F  v.  95 
zuerst  den  Mord.  Von  nun  an  aber  entfernt  F  sich  ganz  von  A 
und  B.  Dort  liegt  erstens  kein  Brudermord  vor,  der  in  der  That  im 
norwegischen  Liede  das  Gefühl  verletzt  und  im  Ganzen  wenig  moti- 
viert erscheint,  sondern  der  eines  fremden,  dem  Gelegenheit  gegeben 
war,    sich  zu  retten.  Während  ferner  in  A  und  B  Herm.   den  König 


396  KÖLBING 

durch  Gewalt  zwingt,  ihm  Helga  zur  Gemahlin  zu  geben,  wird  hier 
die  Erzählung  viel  weiter  ausgesponnen.  Herrn,  muß,  als  der  Mord 
entdeckt  wird,  der  Übermacht  weichen  und  sich  gefangen  geben.  Auf 
Helgas  Rath  lässt  ihn  der  König  nicht  tödten,  sondern  ins  Gefängniss 
werfen.  Nun  schreibt  sie  heimlich  einen  Brief  an  den  Jarl,  Herm.  Vater: 
es  solle  ihm  übel  ergehen,  wenn  er  seinen  Sohn  nicht  befreie.  Da  geht 
dieser  zu  seinem  älteren  Sohne,  wirft  ihm  seine  Feigheit  vor  und  droht 
ihm  sein  Haus  in  Brand  zu  stecken,  wenn  er  seinen  Bruder  nicht  rette. 
Dieser  rafft  sich  auf,  greift  zu  seinem  Schwerte  und  befreit  den  Bruder 
aus  dem  Gefängniss.  Dieser  nimmt  Rache,  indem  er  den  König  erschlägt : 
Helga  achtet  ihres  Vaters  Tod  nicht,  wenn  nur  Herm.  lebt.  Auch  Eirik 
zeigt  sich  tapfer;  nach  geschlossenem  Frieden  wünscht  er  Beja  zur 
Braut;  sie  weigert  sich  dessen  anfänglich,  weil  Herm.  ihren  Bruder 
erschlagen  habe,  willigt  aber  doch  endlich  ein,  und  es  folgt  die  Doppel- 
hochzeit. 

Diese  Fassung  des  Schlusses  hat  vor  der  norwegischen  mehreres 
voraus.  Vor  allem  erscheint  hier  Herm.  Bruder  Eirik  viel  bestimmter 
charakterisiert.  Was  in  B  v.  3  die  Schilderung  seiner  Feigheit  soll, 
begreift  man  nicht;  hier  kommt  sie  wieder  zur  Sprache,  freilich 
nur  um  energisch  überwunden  zu  werden,  wo  es  die  Freiheit  des  Bruders 
gilt.  Ferner  wird  auch  durch  die  Vermählung  Bejas  die  Handlung  ab- 
gerundet. 

Aus  dieser  ganzen  Vergleichung  erhellt  erstens,  daß  B,  obwohl 
dem  Sammler  der  Lieder  nicht  einheitlich  mitgetheilt,  sondern  aus 
mehreren  Berichten  zusammengesetzt  (vgl.  die  Schlußbemerkungen 
Landstad's  S.  221),  von  den  norw.  Fassungen  die  ursprünglichste, 
vollständigste  Gestalt  am  treuesten  bewahrt  hat,  während  A  als  eine 
sehr  gekürzte  Redaction  anzusehen  ist.  Die  vollständigste  aller  Auf- 
zeichnungen dieses  Stoffes  ist  aber  F,  und  als  solche  verdiente  sie  wohl 
gedruckt  zu  werden. 

2.  Galians  kvaidi.  Dieß  Lied  ist  verwandt  mit  der  norwegischen 
Vise :  Ivan  Erningen  og  Galite  Riddarsonen  (bei  Landstad  a.  a.  O. 
p.  157  ff.).  Auch  hier  muß  eine  nähere  Vergleichung  vorgenommen 
werden.  Storm  bemerkt  (a.  a.  O.  p.  217)  zu  dem  Stoffe:  „en  nu  vistnok 
tabt  Saga,  hörende  til  Artuskred«en".  Diese  betreffs  der  norwegischen 
Fassung  durch  nichts  direct  gestützte  Vermuthung  —  denn  es  ist  in 
derselben  immer  vom  dänischen  König  die  Rede  (z.  B.  v.  16,  18),  wird 
schlagend  bestätigt  durch  die  fseröische  Gestaltung  des  Liedes,  die 
Storm  schwerlich  gekannt  und  deßhalb  auch  unerwähnt  gelassen  hat. 
Da  hebt  das  Lied  nämlich  so  an: 


BEITRÄGE  ZUK  KENNTNISS  DER  F^ERÖISCHEN  POESIE,  397 

Tä  var  sigur  i  rikinum, 

tä  Artans  dagar  väru: 

her  skuldi  einginn  genga  til  bords, 

ütan  sum  ny  tidindi  baru. 
Das  ist  auch  bekannthch  an  Artus  Hofe  die  stehende  Sitte,  vgl. 
Parcevalssaga,  Ridd.  p.  26^  flf. :  "Bann  (sc.  Ksei)  g^kk  fyrir  konung  ok 
mselti:  Ef  vili  ydvarr  vseri,  er  timi  til  bords.  Ksei,  sagdi  konungr,  |3at 
skal  at  eingum  kosti  fyrr  vera,  enn  nökkur  ny  tidindi  koma  til  var.  — 
Ich  schreibe  auch  die  folgenden  Verse  aus,  da  sie  in  der  norw.  Fassung 
(=  A)  fehlen  und  auch  sonst  von  Interesse  sind. 

Kongurinn  eigur  einn  nserskildan  frsenda, 

royndur  i  afreksverki , 

Vel  er  hann  af  attum  kominn, 

hann  heitur  Ivin  sterki. 

Einn  kom  madur  i  hallina  inn, 

vekur  teim  öllum  sorg: 

Ek  ser  eina  villa  bind 

spsela  ä  kongins  borg. 

Ti  svaradi  Artan  kongur, 

talar  til  drangir  teita: 

Tar  skulja  hindina  vid  höndum  taka, 

ikki  vid  hundum  beita. 

Teir  settu  sner  i  hvorn  taun  sti, 

hindin  skuldi  fram  genga, 

hon  var  sec  so  veidivan 

hon  vildi  ikki  lata  sec  fenga*). 
Ridu  teir  um  borgina, 

riddarar  og  so  jallar; 

tad  var  mer  af  sanni  sagt, 

hindin  festi  hallar. 
Ivin  sterki,  Herintson,  wie  er  später  genannt  wird,  ist  zweifels- 
ohne identisch  mit  dem  Iwein  der  Artus dichtungeu.  Die  Erzählung  von 
der  Jagd  auf  die  Hindin  erinnert  sehr  an  den  Anfang  von  Crestiens 
Erec,  wo  ebenfalls  ein  weißer  Hirsch  gejagt  werden  soll;  vgl.  v.  36  ff. 
Dem  entsprechend  heißt  es  in  der  Erexsaga:  Ydr  er  kunnigt,  at  h^r 
d  sköginum  er  einn  hjörtr  er  ver  fäum  aldri  veiddan.  (Vgl.  Germ.  XVI 
p.  384.) 


*)  Es  folgt  derselbe  Vers,  nur  daß  die  Reimworte  genga-fenga  in  renna — kenna 
verändert  siud,  eine  sehr  beliebte  Erweiterung  der  Lieder. 


398  KOLBING. 

Hier  setzt  nun  auch  das  norw.  Lied  ein.  Ein  Knappe,  der  später 
Gulbrand  öetisson  genannt  wird,  fragt  Ivin  am  Abend,  wo  er  sein 
Nachtquartier  nehmen  wolle.  Jener  versetzt,  bei  einer  reichen  Witwe, 
die  in  Artus  Lande  wohnt  und  15  Jahre  hindurch  keinen  Mann  bei 
sich  gehabt  hat. 

Der  Verlauf  der  Erzählung  ist  im  Folgenden  der  gleiche;  aber 
nach  A  V.  8  sind  gewiß  mehrere  Verse   ausgefallen:   aus  Sittlichkeits- 
rücksichten pflegen  diese  Viser  sonst  nicht  etwas  wegzulassen.  Zudem 
finden  sich  diese  Verse  noch  in  F:  v.  17  fi". : 
Tä  var  Ivint  Herintson, 
hann  f6r  ikki  vid  ti  hätt, 
h^r  svaf  hann  hjä  enkjini 
alla  hesa  nätt. 
Am  Morgen  steht  er  auf,  weckt  auch   seinen  Knappen,  und  will 
wieder  zu  Artus  Halle  reiten.  Da  heißt  es: 

Enkjan  stendur  d  hallar  golvi, 
klapper  undir  riddarans  kinn: 
Nser  skal  ek  tec  attur  vanta. 
Ivin  sceti  minn? 

Ek  fer  m^r  til  hallar  heim, 
sum  drangir  drekka  vin: 
skemta  t(5r  vid  gull  ok  fe, 
tu  t6rir  ikki  vanta  min. 
Dag.  vgl.: 

Av.  9f.  ^  Fv.  24f.: 

Du  skal  minnast  ded,  Ivar  Erlingen,     Ivint  tu  tokt  vid  neydum  mec 
at  du  meg  med  valde  tok,  tad  gekk  mer  vid  sprangd: 

du  skal  liggje  femten  är,  firi  tad  ligg  tii  fimtan  vetr, 

alt  i  sä,  Sterke  sott.  sjükur  ä  tinni  sang. 

Du  skal  liggje  femtan  är  Ivin  tu  tökt  vid  neydum  mec, 

alt  i  sä  Sterke  s6tt,  tad  gekk  mer  i  möti, 

der  skal  ingin  Isekjar  koma,  einginn  komi  tann  Isekjarinn, 

som  deg  kan  vita  bot.  sum  s^r  kann  räda  bot. 

Das  folgende  hat  F  wieder  allein,  v.  27  f.: 

Hon  bar  honum  reglur  tvser, 
allt  firiütan  ekka: 
Heyr  tä,  Ivint  Herintson, 
tu  skalt  af  bädum  drekka. 

Hann  drakk  af  teim  reglum  tveimun, 
tad  var  mikil  villa; 


BEITRÄGE  ZUR  KENNTNISS  DER  FJERÖISCHEN  POESIE.  399 

tä  hann  kom  d  borgar  arm, 
tä  tök  hans  hold  at  spilla. 

Beachtet  man,  daß  in  derselben  Weise^  wie  Ivin  hier  vergiftet 
ist ,  später  seine  Heilung  bewirkt  wird ,  nämlich  durch  einen  Trunk, 
daß  dazu  die  in  manchen  Punkten  ähnliche  Erzählung  von  Mirman 
(vgl.  oben  p.  391)  stimmt,  so  leuchtet  ein,  daß  dieser  Zug  acht,  in  A 
also  nach  v.  10  ausgefallen  ist. 

Daß  Ivint  seiner  Geliebten  sein  Schwert  gibt  und  es  für  seinen 
Sohn  bestimmt  (A  v.  12  ff.),  fehlt  in  F.  Weiterhin  stimmen  aber  beide 
Texte  z.  Th.  wörtlich  überein,  weßhalb  ich  das  Einzelne  nicht  spe- 
cieller  anführe;  nur  der  Zug,  wie  Galian  zu  seinem  Namen  kommt, 
sei  hervorgehoben: 

Av.  SO^ff.:  Fv.  493ff.: 

ded  kallar  eg  guten  galen  vera,         ek  kalli  tec  vera  einn  galinn  mann, 
som  slser  no  til  mödir  si.  vegir  tu  modir  tina, 

Ded  var  jönkar  riddarson,  Kallar  tu  mec  galinn  mann, 

han  var  snegge  til  herme.  nü  skal  navni  venda, 

No  ma  hine  garpeglipanne  riddarir  og  so  hceviskir  sveinar 

meg  fer  Galidr  nemne.  skulu  mec  Galian  nevna. 

Darauf  hin  gibt  ihm  seine  Mutter  nach  F  die  oben  besprochenen 
zwei  Becher,  nach  A  v.  36  ein  Hörn.  Der  Sinn  ist  derselbe.  Vor  Artus 
Halle  trifft  Galian  einen  Ritter,  Namens  Raudenn  (A  v.  41^  =  F  v.  60), 
den  er  besiegt  und  tödtet.  Diese  Figur  erinnert  an  den  rothen  Ritter 
in  der  Parcevalssaga  (Ridd.  p.  6^")  und  in  der  Blomst.  (p.  16®  etc;  vgl. 
Mob.  das.  p.  XI). 

Von  der  Heilung  Ivints  an  gehen  die  Traditionen  sehr  ausein- 
ander. Nach  A  kämpft  Ivint  mit  Galian,  endlich  gibt  sich  letzterer  zu 
erkennen  und  droht  seinem  Vater  mit  dem  Tode,  wenn  er  sich  nicht 
mit  seiner  [sc.  Gal.]  Mutter  vermähle.    Damit  bricht   das  Gedicht  ab. 

Anders  in  F.  König  Artus  hat  die  eigenthümliche  Gewohnheit, 
jeden  Julabend  einen  Ritter  nach  einem  Botten  auf  Abenteuer  zu 
schicken;  i  botaar  nordur,  heißt  es  v.  80.  Damit  wird  das  sonst  Hafs- 
botnar,  trollabotnar  genannte  Meer  gemeint  sein,  zwischen  Grönland  und 
Norwegen ;  vgl.  Cleasby-Vigf.  s.  v.  botn :  the  ancients  fancied  that  these 
bays  were  the  abode  of  the  giants.  —  Galian  erbietet  sich  zu  dieser 
Fahrt,  möge  er  nun  Aussicht  auf  Rückkehr  haben  oder  nicht.  An  dem 
ersten  Tage  seiner  Fahrt  fesselt  er  15  Trolle.  Am  zweiten  ebenso. 
Am  dritten  Tage  gelangt  er  in  einen  dichten  Wald  und  sieht,  wie  da 
ein  grimmer  Riese  des  Königs  Helden  knebelt.  Galian  bekämpft  ihn, 
raubt  dann  aus  einer  Halle  ein  schönes  Weib  (des  Riesen  Tochter?) 


400  KÖLBING 

und  übergibt  sie  seinem  vorher  übrigens  nicht  genannten  Knappen 
Harald  zur  Bewachung.  Er  selbst  kämpft  mit  einem  ungeheuren 
Drachen:  dieser  verschlingt  ihn  mit  Roß  und  Sattel;  doch  ist  ihm  der 
Bissen  zu  schwer,  Galian  gelingt  es  mit  seinem  Schwerte  den  Drachen 
zu  theilen;  er  ist  mit  Giftblut  bedeckt  und  nicht  im  Stande  sich  fort- 
zubewegen. Da  gedenkt  er  eines  Versprechens  seiner  Mutter,  vor  seiner 
Abreise  gegeben,  daß  sie  ihm  in  allen  Verlegenheiten  helfen  wolle: 
er  fleht  sie  um  Hülfe  an,  und  sogleich  erscheint  sie,  des  Drachen  Haupt 
in  der  Hand  tragend,  und  ein  Roß  mit  Zaum  und  Sattel  mit  sich 
führend.  Sie  fordert  ihn  auf,  heimzukehren:  noch  seien  seine  Mühen 
nicht  beendet.  Das  geschieht,  und  nun  erst  folgt  der  Zweikampf  Galians 
mit  seinem  Vater,  und  zwar  über  den  Besitz  der  Jungfrau,  die  Galian 
erbeutet  hat.  Letzterer,  absichtlich  laß  kämpfend,  wird  von  Ivint  ver- 
spottet. Da  gibt  er  sich  zu  erkennen  und  fügt  dieselbe  Drohung  bei, 
wie  oben,  welcher  Ivint  hier  nachgibt  und  sich  mit  Galians  Mutter  ver- 
söhnt, und  eine  fröhliche  Doppelhochzeit  beschließt  das  Gedicht. 

F  ist  also  wesentlich  ausführlicher  als  A.  Daß  um  die  zuletzt 
angeführten  Momente  A  zu  kurz  gekommen  ist,  bedarf  keines  Beweises. 
Ob  dagegen  der  abenteuerliche  Nordlandszug  integrierender  Theil  der 
Vise  ist,  oder  erst  später  eingeflochten,  ist  ebenso  schwer  zu  entscheiden, 
als  die  Heimat  des  Sageustoö'es  festzustellen  ist.  Zu  erwägen  ist  nur, 
daß  in  A  der  Kampf  Galians  mit  seinem  Vater,  den  er  eben  geheilt 
hat  (v.  54  ff.),  ganz  unmotiviert  erscheint,  während  es  in  F  an  einem 
Kampfobjecte  nicht  fehlt.  —  Vielleicht  gelingt  es  einem  Kundigeren, 
für  diesen  Stoß'  aus  dem  Artuskreise  eine  altfranzösische  Vorlage  oder 
wenigstens  Spuren  ihres  früheren  Vorhandenseins  ausfindig  zu  machen. 
Auf  nordischer  Erfindung  beruht  er,  mit  Ausnahme  vielleicht  der  oben 
gekennzeichneten  Episode,  gewiß  nicht. 

Sowohl  in  Betrefi"  des  vorigen  Liedes,  wie  des  Galianskvaedi  darf 
also  für  bewiesen  gelten,  daß  die  faeröische  Fassung  den  besten  Text 
bietet.  Die  Vermuthung  G.  Storms  (a.  a.  O.  p.  224),  daß  diese  und 
andere  Lieder  von  Norwegen  aus  nach  den  Fserör  übergewandert 
seien,  wird  also  durch  die  angestellte  Vergleichung  durchaus  nicht  als 
richtig  nachgewiesen,  es  erhellt  daraus  vielmehr,  daß  die  norw.  Viser 
in  den  auf  uns  gekommenen  und  von  Landstad  veröffentlichten  Ge- 
staltungen nicht  die  Quelle  jener  gewesen  sein  können,  ob  in  älterer 
Form,  diese  Frage  wird  man  vorläufig  offen  lassen  müssen.  Daß  jedoch 
beide  Formationen  unter  sich  eng  verwandt,  und  nicht  etwa  separate 
Bearbeitungen  einer  jetzt  verlorenen  Prosa  sind,  geht  aus  vielfacher 
wörtlicher  Übereinstimmung  zur  Genüge  hervor. 


BEITRÄGE  ZUR  KENNTNISS  DER  F^RÖISCHEN  POESIE.  401 

3.  Kvikils  bragct.  Verwandt  mit  der  norw.  Vise:  Kvikisprakk 
Herraodson,  bei  Laudstad  a.  a.  O.  p.  146  ff.  (=  A). 

Die  fser.  Vise  (=  F)  beginnt  damit,  daß  Kvikil  spraki  sich  in 
Gesellschaft  einer  Jungfrau  befindet.  Plötzlich  wird  er  von  hinten  aus 
dem  Sessel  gehoben  und  auf  den  Boden  geworfen.  Ein  Ritter  erscheint, 
mit  dem  er  kämpft.  Sein  Schwert  zerspringt  und  ihm  bleibt  nur  noch 
ein  kleines  Messer  zur  Vertheidigung.  50  seiner  Gegner  werden  schwer 
verwundet,  ehe  es  gelingt,  ihn  zu  fesseln  und  ins  Gefängniss  zu  schaffen. 
Es  fehlt  also  die  Werbung  (A  v.  1  ff.),  die  Tödtung  des  Löwen 
(v.  25),  die  Weinbetäubung,  in  Folge  deren  es  gilt  ihn  zu  überwältigen 
(v.  26  ff.).  Dag.  hat  F  den  Zug  selbständig,  daß  die  Jungfrau,  trotzdem 
daß  sie  selbst  Kvikil  so  übel  mitgespielt  hat,  vor  ihren  Vater  geht 
und  ihn  bittet,  ihr  den  Ritter  zur  Bewahrung  zu  geben.  Sie  wird  schnöde 
abgewiesen,  droht  aber,  nach  Ivint  sterki  Herintsson  zu  schicken,  der 
Kvikils  Bruder  ist,  und  führt  diese  Drohung  auch  aus.  Nach  A  schickt 
Kvikil  selbst,  der  hier  Hermodson  genannt  wird,  seinen  Knappen, 
um  seinen  Bruder  Eivind  zur  Hülfe  herbei  zu  holen.  In  der  einen 
Fassung  scheint  also  eine  Anknüpfung  an  Hermod  illi,  in  der  anderen 
an  Galians  kvsedi  beabsichtigt. 

Nach  beiden  Texten  befreit  Kvikils  Bruder  diesen ;  beide  kämpfen 
nun  gegen  den  König  [von  Griechenland  F,  wie  in  Ragnarlikkja  v.  90  ff.], 
bis  nach  F  dieser  endlich  um  Gnade  bittet  und  Kvikil  Rosina  (==  Rosen- 
lunde  in  A)  zur  Gemahlin  erhält  und  mit  ihr  das  halbe  Reich,  während 
nach  A  Kvikil  sämmtliche  Feinde  erschlagen  hat  (v.  60). 

Schon  aus  den  Namensformen  erhellt,  daß  trotz  einzelner  Ab- 
weichungen in  der  Behandlung  des  übrigens  sehr  einfachen  vmd  abge- 
brauchten Stoffes,  dieser  selbst  in  beiden  Dichtungen  identisch  ist. 
Dagegen  ist  die  Verwandtschaft  beider  mit  Ragnarlikkja,  die  Landstad 
p.  146  geltend  macht,  doch  sehr  oberflächlicher  Art. 

4.  Sveinn  i  Vallalid.  Von  diesem  Liede  finden  sich  außer 
der  fseröischen  (Svabo  p.  899  ff.)  noch  eine  isländische  (Isl.  Fornkv. 
p.  235  ff.)  und  dänische  (Udv.  danske  Viser.  edd.  Nyerup  og  Rahbek. 
III.  1.  p.  135  ff.)  Fassung;  die  schwedische  (Helleman  Unge:  Arwidsson: 
Fornsänger  I.  p.  132)  ist  zu  fragmentarisch,  um  in  Betracht  zu  kommen. 
Die  fseröische  steht  etwa  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  ersteren, 
schließt  sich  an  einzelnen  Stellen  fast  wörtlich  an  den  isl.  Text  an, 
an  anderen  an  den  dän.  fser.  Sveinn  i  Vallalid  =  schw. :  Svenn  uthi 
Wallanzö  =  dän.  Svend  af  Voldisbv  =  ish  Logi  i  Vallarhlid.  Also 
völlige  Übereinstimmung  nirgends,  fser.  Adalus  oder  Elin  =  isl.  Adal- 
list  =  dän.  Lisbet.  Der  Name  des  Helden  lautet  in  allen  Texten  Wilhelm. 

GEKMÄNIA.  Neue  Keihe  Vm.  (XX.)  Jahrg.  26 


402  K.  ZANGEMEISTKR,  ARD.  GLOSSEN  ZU  SALLUST. 

Im  ersten  Theile  der  Ballade  wird  in  F  ausführlicher  von  Sveins  durch 
die  Jungfrau  selbst  abgewiesener  Werbung  gehandelt;  ganz  eigenthüra- 
lich  ist  F  der  Umstand,  daß  Wilh.  außer  dem  Mörder  seines  Vaters 
auch  dessen  Schwestersohn  tödtet,  was  an  die  Besiegung  von  Herr 
Nielus,  Svends  Bruder  (dän.  v.  46  ff.)  erinnert.  Freilich  findet  auch  dieser 
zweite  Theil  der  dän.  Ballade,  der  der  isl.  Fassung  abhanden  gekommen 
ist,  eine  Parallele  in  F.  Während  Wilh.  dort  Svends  Schwester  Gjar- 
ti'ud  sich  mit  Gewalt  aneignet  (v.  45),  Herr  Nielus  besiegt,  sich  mit 
ihm  versöhnt  und  mit  jener  sich  verlobt,  reitet  er  in  F  nach  ge- 
wonnenem Siege  zu  Jungfrau  Hermintrü,  die  ihn  freundlich  empfängt 
und  ihm  ihre  Liebe  gewährt,  obwohl  er  offen  bekennt,  Svein  und  dessen 
Schwestersohn  erschlagen  zu  haben.  Daß  Hermintrü  mit  Sveinn  ver- 
wandt ist,  wird  nicht  ausdrücklich  gesagt,  geht  aber  aus  dem  Zusam- 
menhange hervor.  Beides  erfährt  der  König  von  Dänemark,  er  erscheint 
mit  15  Kriegsschiffen,  aber  Vilhj.  tödtet  alle  seine  Mannen :  der  König 
selbst  bittet  um  sein  Leben  und  bewilligt  Wilh.  Hermintrü's  Hand  und 
18  Burgen  als  Mitgift.  In  welchem  Verhältniss  der  König  zu  der  Jung- 
frau steht,  erfahren  wir  nicht. 

Der  dän.  Text  dürfte  also  der  verhältnissmäßig  beste  sein,  dann 
folgt  F,  wo  sich  freilich  noch  beide  Hälften  der  Ballade  wiederfinden, 
aber  nicht  ohne  einige  Trübung  der  Beziehungen;  im  isl.  Liede  end- 
lich ist  Theil  II  ganz  vergessen,  Theil  I  aber  dafür  sehr  sauber  er- 
halten und  ausführlicher  als  in  den  beiden  übrig-en  Versionen. 


Soweit  für  dießmal.  In  einem  zweiten  Abschnitte  gedenke  ich  im 
Laufe  der  Zeit  unter  Benutzung  von  Schröters  Hdschr.  über  die  noch 
ganz  unbekannten  fseröischen  Lieder,  zu  denen  wenigstens  in  den 
nordischen  Litteraturen  sich  keine  Parallelen  finden,  Auskunft  zu  geben. 
An  Material  dazu  würde  es  nicht  fehlen. 

BRESLAU,  im  März  1875.  EUGEN  KÖLBING. 


AHD.  GLOSSEN  ZU  SALLUST. 


In  dem  aus  Lorsch  stammenden  Sallust-Codex  der  Bibl.  Palatina 
im  Vatican  n.  889  finden  sich  auf  fol.  1 — 15  viele  Interlinearglossen 
und  darunter  auch  einige  deutsche.  Nach  Dr.  Heinrich  Dressel,  welcher 
die  Güte   hatte    diese   Handschrift    für   mich    zu    anderem   Zwecke   zu 


A.  EDZARDI,  ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER.  403 

untersuchen,  gehört  dieselbe  dem  Anfang  des  11.  Jahrhunderts,  die 
Glossen  theils  demselben  Jahrhundert,  theils  (so  sämmtliche  von  f.  15"" 
an)  späterer  Zeit  an.  Von  den  deutschen  Glossen  des  11.  Jahrh.  theilt 
er  mir  folgende  Proben  mit: 

insolens  malarü  artium,  darüber:  inpatiens  ungeuuon. 

ferox  grimmer. 

proximi  familiaresq;  holdun. 

hortabatur  schunta. 

uectigales  zolgodiga. 

familiärem  gesuasen. 

hortentur  schundan. 

confodere  erstechcan. 

domi  militiaeq ;  heime  und  in  here. 

HEIDELBERG,  Juni  1875.  KARL  ZANGEMEISTER. 


ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER. 

1.  Die  Heidelberger  Handschrift. 

Die  Heidelberger  Hs.  (Cod.  Vat.  390,  perg.  [XH  Jh.?J,  73  Bl.  8°.) 
des  „König  Rother"  ist  bekanntlich  außer  kleinen  Fragmenten  die 
einzige  uns  erhaltene  und  verdient  daher  wohl  eine  genaue  Beschrei- 
bung, die  sie  bisher  noch  nicht  gefunden  hat*).  Auch  Maßmanns  Ab- 
druck, auf  den  man  noch  immer  für  textkritische  Fragen  angewiesen 
ist,  so  sorgfältig  er  auch  im  Ganzen  ist,  weist  doch  im  Einzelnen 
manche  kleine  Versehen  auf,  die  wohl  verdienen  einmal  zusammenge- 
stellt zu  werden.  Da  ich  nun  im  October  1874  die  Hs.  in  Heidelberg 
sorgfältig  vergleichen  konnte,  theile  ich  meine  Resultate  an  dieser 
Stelle  mit. 

Die  Hs.  enthält  nur  den  Rother,  und  zwar  auf  73  Bl.  in  Lagen 
von  je  vier  Doppelblättern,  die  letzte  Lage  enthält  9  Blätter,  von  denen 
eines  eingeheftet  ist,  dergestalt,  daß  der  Falzstreifen  zwischen  67  und 
68  sich  findet;  ist  also  70  eingeheftet?  Der  Schluß  fehlt,  wie  das 
Hannoversche  Fragm.   zeigt,    wohl   nur  ein  Blatt,   welches   angeheftet 


*)  Zu  vgl.  sind  die  uns  jetzt  etwas  wunderlich  erscheinenden  Angaben  Adelungs, 
Nachrichten  von  altdeutschen  Gedichten  etc.  1796,  p.  212 — 215:  „Sie  scheint  durch 
Feuer  (!)  sehr  gelitten  zu  haben,  fast  alle  Blätter  sind  schwarz  [eigentlich  nur  das 
erste  und  letzte]  und  einige  Seiten  ganz  verlöscht"  [nur  die  erste  und  z.  T.  die  letzte]. 

26* 


404  A.  EDZAKDI 

gewesen  sein  muß  und  sicher  schon  lange  gefehlt  hat,  da  73''  dunkler 
als  die  andern  Seiten  und  mehrfach  abgegriffen  ist.  Weit  mehr  gilt 
dieß  aber  von  der  ersten  Seite*).  Diese  ist  übrigens  durch  angewen- 
dete Reagentien  noch  viel  unleserlicher  geworden**)  als  sie  offenbar 
früher  war.  So  ist  vieles  von  dem,  was  Maßmann  und  Hoffmann  noch 
gelesen  haben^  jetzt  total  unleserlich;  ebenso  natürlich  das,  was  schon 
jene  gar  nicht  mehr  oder  doch  nur  undeutlich  lesen  konnten. 

Die  Hs.  ist  liniiert;  die  Verse  sind  nicht  abgesetzt,  sondern  nur 
durch  Punkte  geschieden.  In  Bezug  auf  die  Schrift  sei  bemerkt,  daß 
c  und  t  oft  gar  nicht  von  einander  zu  unterscheiden  sind.  Dieß  kommt 
besonders  bei  den  Zahlen  auf  -zic  in  Betracht,  wo  Mm.  -zit  schreibt; 
auch  mögen  die  Formen  goch^  zieh  sich  auf  diese  Weise  erklären,  in- 
dem goth,  zith  zu  lesen  sein  wird.  Das  r  hat  die  von  Wattenbach  (Lat. 
Paläogr.  Anhg.  p.  13,  Z.  3  v.  u.)  angegebene  v-artige  Form***),  so  daß 
es  leicht  mit  diesem  verwechselt  werden  kann.  Andererseits  findet  sich 
aber  auch  die  ebenda  (p.  14,  Z.  3  v.  o.)  erwähnte  z-ähnliche  Gestalt, 
so  daß  in  diesen  Fällen  r  mit  z  verwechselt  werden  kann.  Ferner  sind 
t  und  i  oft  schwer  zu  unterscheiden,  v  und  e  sind  zuweilen  einander 
ähnlich,    so   steht  ein  v-ähnliches  e  z.  B.  161  vile,  216  gegeben  u.  ö. 

Abkürzungen  finden  sich  abgesehen  von  vü,  w  =  wu  und  einigen 
durch  Striche  angedeuteten  n  (und  m)  gar  nicht.  Im  Ganzen  ist  die 
Schrift  sauber  und  deutlich  f)^  aber  keineswegs  elegant.  Es  war  offen- 
bar kein  für  höfische  Ej-eise  bestimmtes  Exemplar,  sondern  mag  wohl 
im  Besitze  eines  Fahrenden  gewesen  sein.  Buchstaben,  die  nicht  gelten 
sollen,  sind  nie  durchstrichen  und  nur  vereinzelt  durch  untergesetzte 
Punkte  kenntlich  gemacht;  sie  sind  vielmehr  regelmäßig  radiert  und 
zwar  so,  daß  in  der  Regel  die  Formen  noch  deutlich  zu  erkennen 
sind.  Auch  sind  Buchstaben  in  die  schon  vorhandenen  hineincorrigiert, 
namenthch  e;  selten  sind  Buchstaben  oder  kleine  Wörtchen  überge- 
schrieben. Für  s  findet  sich  nur  die  Form  des  langen  f  (auch  am 
Schlüsse).  Dieß  lange  s  im  Drucke  beizubehalten  hatte  Schwierigkeiten, 
daher  ist  s  gesetzt  worden. 


*)  Die  Hs.  muß  also  lange  ohne  Einband  benutzt  worden  sein. 
**)  Nach  der  Notiz  von  Mm.  p.  157  muß  dieß   zwischen   seiner  ersten  (1820) 
und  zweiten  (1836)  Lesung  geschehen  sein,  wenn  nicht  nachher  noch  mehr  auf  diese 
Art  verdorben  ist. 

***)  Die  nach  Wattenbach  erst  im  XIII.  Jh.  erscheinen  soll, 
t)  Die  Schriftzüge  gehören  nach  meinem  hierin  freilich  sehr  wenig  maßgebenden 
Urtheile,   dem   aber   das   allgemeine  Urtheil   zur  Seite  steht,     eher  dem  XII.  als  dem 
XUI.  Jh.  an. 


ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER.  405 

Ist  von  einem  Werke  nur  dinc  Hs.  und  namentlich,  wie  in  diesem 
Falle^  eine  alte  erhalten,  so  ist  es  Pflicht,  auch  auf  sonst  unwichtige 
Kleinigkeiten  aufmerksam  zu  machen;  denn  einerseits  gewinnt  man 
dadurch  über  die  Sorgfalt  des  Schreibers  ein  Urtheil  —  und  dieses  ist 
im  vorliegenden  Falle  ein  recht  günstiges,  denn  wir  sehen  den  Schreiber 
sehr  häufig  nachträglich  bessern^  oft  in  geringfügigen  Dingen,  so  daß 
er  offenbar  niedergeschriebene  Worte  mit  der  Vorlage  verglich*): 
andererseits  erfahren  wir  aber  aus  einer  Zusammenstellung  der  Stellen, 
in  denen  der  Schreiber  die  Vorsilbe  ge-  und  die  Negation  ne  ausließ 
und  später  nachtrug,  daß  diese  dem  Schreiber  nicht  geläufig  waren 
(vgl.  Germ.  XIX,  387  Z.  5  f.).  Er  wird  sie  also  auch  an  anderen 
Stellen  ausgelassen  haben,  wo  er  es  nicht  bemerkte  und  sie 
daher  nicht  nachtrug,  ne  ist  ausgelassen  und  später  nachgetragen:  814. 
829.  879.  (vgl.  965.)  1005.  1397,  dsgl.  ge-  2055.  2183.  3152.  3531.  3600. 
3608.  4054.  4928.  5175(9).  —  Mehrfach  hat  der  Schreiber  z  nachträg- 
lich in  t  corrigiert  (2253.  2262.  2362.  3867.  4918),  wobei  die  Priorität 
des  z  nur  an  einer  Stelle  (4918)  fraglich  ist.  Nach  Analogie  der  vor- 
erwähnten Fälle  ist  anzunehmen,  daß  in  diesen  Fällen  in  der  Vorlage 
t  stand,  während  dem  Schreiber  z  geläufig  war.  Übrigens  bemerkte 
schon  Mm.,  daß  nach  der  Randbemerkung  bei  3420  die  Hs.  früher  am 
Niederrhein  gewesen  zu  sein  scheint. 

Der  Punkt  am  Ende  der  Verse  fehlt  in  seltenen  Fällen,  wo  Mm. 
ihn  setzt;  ich  gebe  diese  Fälle  nicht  an. 

Nunmehr  lasse  ich  die  Berichtigung  der  bei  Mm.  falsch  oder  un- 
genau angegebenen  Lesarten  folgen,  von  denen  übrigens  einige  augen- 
scheinlich nur  auf  Druckfehlern  beruhen.  H.  Rückert,  der  die  Hs.  für 
seine  Ausgabe  verglichen  hat,  hat  manche  Fehler  stillschweigend  be- 
richtigt. Da  er  dieß  aber  in  keinem  Falle  angegeben  hat,  wird  auch 
in  diesen  Fällen  eine  bestimmte  Angabe  wünschenswerth  sein. 

Auf  der  ersten  Seite  lese  ich  noch  folgendes**): 

westeren  mere  |  saz  ein  kuninc  der  heiz  ....  er  |  in  der  stat 

zu  bare  |  da  lebete  er  .  .    .are  |  mit  vil   grozin  erin***)  |  ime  dietin  an- 
de I  .  . .  ne  vnde   si .  . .  ciA    kuninge  |  biderve   ....    vV:  nige,  f )  | 


*)  Es  wird  also  von    den   vielen  verderbten  Lesarten    ein    großer  Theil  wohl 
auf  die  Vorlage  zurückgehen. 

**)  Undeutliche  Buchstaben  gebe  icli  durch  cursiveu  Druck.  Die  Punkte  deuten 
die  Zahl  der  Buchstaben  an,  die  Mm.  gelesen  hat;  die  Endpunkte  der  Verse  sind 
durch  I  wiedergegeben. 

***)  so,  nicht  eren. 

t)  Das  Wort  scheint  auf  radiertem  Grunde  zu  stehen,  so  daß  mi  fast  wie  an  aussieht. 


406  A.  EDZARDI 

die  war.  .  .  .e  al  vndei'  tan  |  .  .  was  der  aller  heriste  m. .  (.)  der  da  zv 
rome  {■)  ie  intfinc  die  eronen  |  (  )  vther  was  ein  h.re  |  sine  dinc  stvnden 

mit  erin  |  vü  mit  grozen  zuht en  hove  |    .  .  ne  haben  die  böche 

gilogew*)  I  .a.    ...    da htes  nege  brach  |  {Vers  18  ist  ganz 

unleserlich)  \  Do  rededen  die  iungen  ,  . .  .en  |  (Fe?'s  20  und  21  unleserlich 
doch  schien  mir  das  erste  Wort  von  20  suvax  zu  lauten,  ar  ist  deutlich)  \ 

22  .  .    .  rbe  s buwen  |  do  duchte  sie |  suvar  . .    .  ar 

ein  gut I wer tan  |  ynde 

(27)   ...    .    ein  wip  {dann  unleserlich)  (30)    . .   waweden  [se 

irsterben?]  | dan  d.   eronen  |  solden  geben  zo  röme  |  (     )lsus 

redete  **)  d . .  herre  (34)     .  .  v°r . .  .   uil  sere  | kv . .  wges  ....  er 

.  .  .  ige  I  unde  hiz  tan  uvele ge  |  Dat   .  er  e che   .  ne  mineu 

liph  ( . )  gerne  Äerich   . .  n   en  iciph  \  die  uan  alle :  adele  \  .  .  ze . . 

{Dann  folgt  Seite  P,  die  schon  vollständig  leserlich  ist). 

41.  urowen]  uroven.  —  45.  heter  verbunden.  —  82.  wände]  vande. 

—  94  wiphc]  oder  wiphe.  —  98,  Anm.  23  botbe]  in  dem  Bogen  des  zioeiten 
e  ein  Querstrich,  also  b  in  e  corrigiert,  {oder  umgekehrt).  —  120.  bode- 
scaft]  am  Ende  eher  st  als  ft.  —  124.  nu]  Druckfehler  statt  nu.  —  135. 
wrsten]  ivohl  vursten.  —  144.  swören]  '  nicht  zu  sehen,  scheint  aber  zwischen 
w  und  0  fortgekratzt.  —  147.  vor  golt  sind  zwei  Buchstaben  radiert.  — 
151  nam]  nicht  mehr  ganz  deutlich.  —  157  uazeten]  uazetln.  —  159  in- 
me]  eher  iiiiiie,  —  164  gevozzot]  gevazzot.  —  180  hohen]  hvhen.  — 
181.  woren.  —  190.  nemen]  niemen.  —  217.  triven]  oder  trwen?  —  227. 
manegerslahte  verbunden.  —  268  wunnenfliche.  —  297.  snellej  suelle  steht. 

—  303.  ir  lovben  getrennt.  —  309  su|az***).  —  willest]  willes.  —310. 
wetlicher]  oder  werlicher.  —  Nach  389  sind  durch  Abirren  zum  gleichen 
Beim  bei  Maßmann  6  Verse  ausgefallen;  v.  d.  Hagen  hat  sie,  ebenso 
RückeH ;  sie  lauten  in  der  Hs. : 

Do  giengen  die  iuncvrowin  f ). 
dirreff)  wnder  schowen. 
mit  in  zo  den  schiffen. 
da  sie  daz  got  wistin. 
nv  nekan  v  nichien  man  gesagen. 
die  wunder  die  inden  kielen  lagen. 
400.  uehe]  nehe.  —  408,  „von  [...]  ausgekratzt  silver?"  Mm.'\  Es  steht 


*)  So  steht  eher  als  gelogen. 
**)  So  eher  als  redte. 
***)  Im  Variantenverzeichniss  deutet  |  das  Ende  einer  Zeile  an. 

f )  cv  sieht  fast  aii-s  wie  w. 
ff)  Es  sieht  eher  aus  wie  diire,  doch  ist  der  letzte  Buchstabe  sicher  e  [nicht  c). 


ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER.  407 

auf  radiertem  Grunde  von  und  ein  undeutliches  Wort,  von  dem  sc.  .e 
deutlich  ist,  an  dritter  Stelle  scheint  ein  1  gestanden  zu  haben  ^  jetzt  toohl 
a,  an  vierter  Stelle  z  oder  t  (vgl.  590).  —  420  leben]  liben.  —  446. 
wene]  we'"';  der  Schreiber  hatte  wohl  das  we  des  folgenden  Verses  im 
Äuge.  —  468.  herlich]  herliA.  —  476.  godes]  dahinter  ist  t  und  noch  ein 
Buchstabe  (e  oder  i)  radiert.  —  478.  an  desse  getrennt.  —  492.  getriiwe] 
getruve.  —  495.  so  wer. 

523.  Anm.  73:  ^eingeschrieben'"'']  ühergeschrieben.  —  524.  dine]  loohi 
aus  die  gemacht.  —  528.  ka'n]  kin  deutlich. —  529.  ruv|vent.  —  535. 
wei]  wor?  —  dingin.  —  537.  schade |afin.  —  546  manigin.  —  553.  er 
solde]  er  fehlt  {Lücke  oder  ausgekratzt  ?).  —  554.  mere]  mer.  —  558.  ir 
wenden  getrennt.  —  581.  tvn  oder  ton?  So  ist  häufig  schioer  zu  entscheiden, 
ob  0  oder  v  steht,  namentlich  in  got,  gvt.  Da  aber  der  fragliche  Buch- 
stabe immer  oben  geschlossen  ist  und  in  derselben  Form  auch  in  got  (deus) 
erscheint  (1248.  1375),  tvird  doch  toohl  o  zu  lesen  sein.  —  584  wer  die 
kriechiu.  —  629.  zware]  zvare.  —  656.  düre]  dürt  (oaer  dürc?)  Dahinter 
ist  ein  Buchstabe  (h?)  ausradiert.  —  662.  si]  Si.  —  Q66.  vor  intwichet 
ist  ein  Buchstabe  (wohl  w  von  wichet)  ausradiert.  —  674.  muze]  eher 
moze.  —  677.  dir]  e  in  i  corrigiert;  dahinter  h  (von  helfe)  radiert.  — 
696.  scal]  an  dritter  Stelle  ist  a  aus  h  gemacht  oder  umgekehrt.  —  697. 
über  al  getrennt.  —  698.  storm/egierin  (das  cursive  ie  ist  radiert).  — 
700.  svle]  hinter  e  noch  der  Ansatz  zu  einem  Buchstaben  (n?).  —  703. 
vor  zo  ist  si  radiert.  —  706.  Wol]  Vol.  —  713.  vor  ich  ist  iz  radiert 
—  723.  cirete]  cirerte.  —  741.  tengelingen.  —  747.  turlichin. 

752.  helte]  hette.  —  756.  barn  auf  radiertem  Grunde  (vielleicht  stand 
erst  kint?).  —  767.  got]  s.  zu  581;  dsgl.  111.  —  814.  vor  ne  ist  ein 
Buchstabe  (w?)  ausgekratzt,  also  wohl  ne  zuerst  ausgelassen.  —  840.  vor 
teil  ist  etiuas  ausradiert;  dsgl.  841  ein  Buchstabe  (r?)  nach  de.  —  850. 
dar  ane  getrennt.  —  855.  plege]  statt  1  steht  eigentlich  s.  —  862.  giengen] 
urspr.  stand  gin  dann  e  hineincorrigiert.  —  866.  So  |  war.  —  873.  ge- 
schein]  atis  n  ist  t  gemacht  durch  radieren  des  letzten  Grundstriches.  — 
899  wille  kume  getrennt.  —  905.  heibe]  kaum  i,  der  Buchstabe  sieht  aus 
tcie  V,  kann  aber  auch  t  sein  (vielleicht  ist  es  ein  v,  welches  nicht  gelten 
soll,  so  daß  ursprünglich  heve  gestanden  hätte?).  —  910.  Rnten]  ich  lese 
deutlich  knien.  —  965.  en  uirsagete  auf  radiertem  Grunde,  darunter  ist 
deutlich  noch  v..s.g.  zu  lesen,  also  war  wieder  en  ausgelassen. — 972. 
did]  kaum  so,  eher  dit  oder  die  (div?).  —  980.  daz]  auf  radiertem  Grunde.  — 
992.  uirman  steht.  —  995.  unz  hi  getrennt.  —  996.  der  Punkt  nach  herren 
scheint  radiert  zu  sein. 


408  A.  EDZARDI 

1005.  vor  ne  ist  radiert-^  anscheinend  stand  zo,  also  tcar  en  ausge- 
lassen. —  1009  liich  hi]  hucli  hi,  —  1015.  Geantwarten]  Geainvarten. 
—  1018.  umbe]  unbe.  —  1022.  ir  gan  getrennt.  —  1039.  stribete]  kann 
ebensowohl  strebete  sei7i.  —  ande  verbunden.  —  1061.  voi'  leit  zwei  Buch- 
staben radiert,  auch  leit  auf  radiertem  Grunde.  —  1063.  ha^rre  gote  {oder 
gvte?).  —  1064  van]  v  aus  w  gemacht.  —  1067.  vorehtin]  vorchtiu.  — 
1074.  kumin.  —  1086.  In  e]  In  er.  —  1091.  wert]  eher  werc.  —  1099. 
sehen]  s  aus  einem  andeim  Buchstaben  corrigiert.  —  1108.  zwo]  e^-st  stand 
zowo.  —  1126.  V01-  Der  ist  De  und  noch  ein  Buchstabe  radiert.  —  was] 
vas.  —  1129.  zo]  ZV.  —  1142.  der  hant]  der  übergeschrieben.  —  1143. 
andes  verbunden.  —  1144.  vor  her  ist  d  radiert.  —  1149.  her]  hir.  — 
1150.  den]  d  auf  radiertem  Grunde,  —  1168.  hinter  erzogen  ist  t  weg- 
gekratzt. —  1170.  min  vor  min  schon  einmal  radiert.  —  1177.  vazzete] 
vazzede.  —  1193.  se  doppelt.  —  1196.  lebete  gen]  so  steht  deutlich'^).  — 
1198.  wnderis]  über  w  scheint  ein  °  ausgekratzt  zu  sein.  —  1205.  vvorit] 
w^rit.  —  1211  sic\  —  1214.  Siu]  so  steht  sicher  nicht-,  ich  lese  svie 
oder  svsi.  —  1227.  nechein  ne]  nechein  n  (radiert)  ne.  —  1242.  dinc]  dine. 

1280  aspriaiii.  —  1281  vor  iz  ist  te  (Anfang  von  tete)  radiert.  — 1285. 
Yerzennsicht  verbunden.  —  1299.  gerochteu  verbunden.  —  1313.  virstont] 
oder  virstvnt?  —  1321.  de  schenken  getrennt.  —  1329.  die  (auf  radiertem 
Grunde,  dicht  dahinter  noch  ein  radierter  Buchstabe  [n?])  herren.Gezam 
(sie).  —  1336.  n'e]  ne.  —  1344.  liere]  lieve.  —  1366.  gebare]  auf  radier- 
tem Grunde;  darunter  stand  ein  anderes  Wort,  dessen  erster  Buchstabe  h 
loar.  —  1376.  godis]  wohl  gvdis,  dahinter  ein  oder  zivei  radierte  Buch- 
staben. —  1/579.  vor  nestund  ist  st  radiert,  also  war  ne  ausgelassen.  — 
1380  .er]  Her,  H  aber  schwächer,  wohl  radiert.  —  1392.  trorande]  od^r 
trvrande.  —  1396.  vor  ie  ist  d  (von  dechein?)  radiert.  —  1397.  herren. 
wole.  —  1407.  idv  (w  radiert)  sonachit.  —  1422.  got]  s.  zu  581.  —  1437- 
geplegen.  —  1444.  iiinen]  sie!  —  1446.  vazen]  v  aus  w  gemacht.  —  1448. 
trvch.  —  1454.  lake]  laze.  —  1455.  zwischen  de  und  edile  ein  d  radiert 
(stand  urspr.  dedile?).  —  1461.  vrumichliche]  v  aus  w  gemacht.  —  1474. 
thietherches]  dietherches;  da^  i  ist  so  dicht  an  das  di  getreten,  daß  man 
fast  thet.    lesen  könnte,  aber  nie  thieth. 

1512,  trin]  der  letzte  Buchstabe  ist  loohl  ein  w,  dessen  letzter  Aufstrich 
zu  kurz  gerathen  ist,  vgl.  3336.  —  1527.  wezei]  so  sieht  es  aus,  vgl.  unten. 
—  1530  sie!  —  1537.  woldir  er]  sie,  statt  woldit  er.  —  1538.  pinke|ten. 


*)  Wo  ich  nichts  angebe,  habe  ich  allemal  Mm's.  Angaben  mit  der  Hs.  auch 
in  geringfügigen  Dingen  übereinstimmend  gefunden.  Nur  in  wenigen  Fällen  habe  ich 
dieß  speciell  angemerkt. 


ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER.  409 

1544.  helte]  hette   oder   heite  {ein  1  ist  der  fragliche   Buchstabe  nicht). 

—  1546.  sprach]  spach.  —  1547.  leris]  levis.  —  1548.  vor  den  ist  er 
radiert  —  1595.  gesidele]  statt  des  d  stand  zuerst  ein  anderer  Buchstabe 
(1?).  —  1601  sie!  —  1639  einin.  —  1649.  michilicher]  sie!  —  1663  vragit] 
Vragit.  —  1668.  dicht]  oder  dichc  {oder  dicho?).  —  1683.  vor  slan  schon 
einmal  s  radiert.  —  1693.  vor  herzogen  schon  einmal  he  radiert.  ■—  1694. 
crozitime]  crazitime.  —  1721.  vor  stont  zioei  Buchstaben  (so?)  radiert.  — 
1729.  dietherichis.kemerere.  —  1733.  mir]  mer.  —  1749.  wem  s,  getrennt. 

1759.  geclagit]  ebensoxoohl  ist  gedagit  zu  lesen^  loie  auch  1752,  vgl. 
3259.  —  1781.  hove]  höre,  r  deutlich,  nicht  v.  —  1812.  vor  lossam  ist 
ein  Buchstabe  {anscheinend  s)  radiert.  —  1830.  se  en]  dazwischen  ist  Raum, 
genug  für  ein  h.,  doch  nichts  radiert.  —  1847.  wole.  —  gelovit  {oder  ge- 
lovet)  steht  auf  radiertem  Grunde;  darunter  stand  m.  .^g,  dahinter  radiert 
lant  (manig  lant?).  —  1846.  virdructe]  sie!—  1848.  Obin  au]  Ob 
man.  —  1901.  hoftich]  loohl  Yioicioh.  —  1911.  vor  slachte  ein  Buchstabe 
radiert.  —  1916.  trübe]  ru  verioischt,  aber  noch  lesbar.  —  1927,  Anni.  194: 
(■mochte]  das  erste  e  scheint  nicht  gelten  zu  sollen,  da  es  halb  radiert  ist. 
Der  Schreiher  hatte  ivohl  schon  ein  geschrieben:  der  i- Alf  strich  ist  unten 
noch  sichtbar.  —  1949.  uruntshefte.  —  1959.  eilenden]  das  zioeite  1  aus  e 
corrigiert.  —  1960.  kemenatin. 

2028.  ir.  botin.  —  2051.  vndankis.  —  2055.  gesehen]  tinter  dem  g 
ist  noch  der  Ansatz  ziim.  s  {von  sehen)  zw  erkennen.  —  2062.  gine]  ginc. 

—  2065.  schocn]  mit  diesem  Worte  beginnt  eine  Zeile;  in  der  vorher- 
gehenden Zeile  steht  am  Rinde.!  anscheinend  von  derselben  Hand,  aber 
blasser  schone.  —  2070.  harte]  harde.  —  2088.  vromeliche]  vromieh- 
liche.  —  2101.  schonch]  sie!  —  2107.  Niesic]  Niesie.  —2119.  wolda] 
wolde.  —  2124.  getän[  a  ohne  Strich.  —  2135.  got]  s.  zu  581.  —  2137. 
den]  sie!  —  2142.  mere]  mare.  —  2155.  iungeline,  icie  2176  inginc,  s. 
die  einleitenden  Bemerkungen  oben.  —  2174.  vor  ginc  scheint  nicht  en, 
sondern  in  ausgekratzt  zu  sein.  —  2182.  Ich]  I  atis  H  gemacht.  —  2183. 
gesen]  g  wie  2055. —  2188.  vor  geruchit  ist  an  ausgekratzt.  —  2194. 
vrowe]  V  aus  w  gemacht.  —  2196.  wollis]  der  zweite  Buchstabe  verwischt, 
ich  lese  wellis.  —  2201.  sagit]  loohl  sagic.  —  2217.  einen  {aus  einin  ge- 
macht). —  gvt]  s.  zu  581.  —  2218.  in  diz  getrennt.  —  2219.  ligin.  — 
2225.  Diederich]  eher  Diederech.  —  2229.  nichein]  nieheiu.  —  2238. 
mir]  r  deutlich  {statt  c?).  —  2239.  iuncge]  eher  iunege.  —  2240.  vir- 
stanuch]  virstaniich. 

2253.  voze]  t  aus  z  corrigiert,  also  steht  vote.  —  2255  ir  scricte 
getrennt.  —  2257.  zo  übergeschrieben  {gleiche  Tinte  und  gleiche  Hand).  — 
2258.  beltliche]  sieht  aus  icie  boltliche.  —  2262.  sazte]  t  aus  z  gemacht, 


410  A.  EDZARDI 

aho  steht  satte.  —  2272.  getrünwen]  sie,  aber  kein  Strich  über  u.  — 
2290.  De]  Die.  -  2300.  se]  sie.  -  2307.  kemenatiii.  —  2327.  he  blasser. 

—  2329.  uatir.  —  2339.  mimir]  immir.  —  23G2.  moz]  z  in  t  corrigiert. 

—  2400.  Sinj  es  ist  vielleicht  Svi  zu  lesen,  wobei  der  untere  Bogen  des 
V  etioas  vericischt  wäre.  —  2430.  arm]  eigentlich  steht  arin.  —  2434.  vor 
svarz  sind  zivei  oder  drei  Buchstaben  ausradiert.  —  2461.  Siedu]  statt  d 
stand  ursp:  ein  anderer  Buchstabe. 

2535.  gegegin]  gegegin.  —  2550.  sanftin,  —  2555  hub]  hob,  o  ganz 
deutlich.  —  2560.  gerin]  verwischt,  soll  vielleicht  gar  nicht  gelten.  — 
2575.  dem]  deme.  —  2578.  svchte]  sochte  deutlich.  —  2596.  vor  sinin 
steht  wo  le  am  Bande  {an  richtiger  Stelle).  —  2668.  werdiu]  werdiii.  —  2706. 
Sprach,  Anm.  Isprach,  vor  s  ein  Zeichen,  ivelches  schicerlich  ein  I,  viel- 
leicht aber  ein  Ansatz  zu  D  ist.  —  2711.  riet]  reit.  —  2726.  Gevangin] 
Gewangin  {ivie  die  Hs.  in  diesem  Worte  mehrfach  w  hat).  —  Vor  2732 
ist  keine  Lücke  in  der  Hs.  —  2744.  au]  Drzickfehler  statt  an. 

2751.  Swas]  Swax.  —  2769.  untruwin.  —  2772.  irhancte]  ir  ist  nicht 
deutlich,  man  könnte  auch  n  {oder  u)  lesen.  —  2777.  ymelot]  e  aus  o 
corrigiert,  wie  3760.  —  2779.  mitir]  mittir.  —  2801.  mannin]  manliii.  — 
2822.  vor  der  zwei  Buchstaben  radiert  (de?  od,er  du?).  —  2911.  U^vol- 
Uwol,  innerhalb  des  U  steht  ein  v.  —  2944.  ri|che,  daztvischen  zwei  Buch[ 
Stäben  ausgekratzt.  —  2963.  gerithe]  oder  geriche.  —  2967.  gerech]  eher 
gereth  oder  gereih.  —  2969.  ingegin.  —  2970.  berge,  Anm.  bürge]  es 
steht  allerdings  so,  aber  unter  u  ist  ein  Punkt,  so  daß  also  nicht  u,  son- 
dern das  übergeschriebene  e  gelten  soll.  —  2988.  Ge  alt,  Baum  daztvischen, 
aber  nicht  radiert,  statt  alt  kann  man  ebensowohl  abt  {vielleicht  auch  abe) 
lesen.  —  2999.  rechte]  schwerlich  eh  j  es  ist  fast  dieselbe  Figur,  die  oben 
1474  bei  dietherches  besprochen  und  als  di  gedeutet  loard.  Es  steht  deut- 
lich redie,  allenfalls  redte. 

3007.  weimin]  weiiiiiii.  —  3049.  godin]  s.  zu  581.  —  3050.  recthin 
steht.  —  3070.  liehe]  eher  lithe.  —  3086.  hinter  Alse  ist  r  radiert.  — 
3132,  entrowen,  vgl.  unten  das  über  die  Buchstaben  am  Bande  gesagte.  — 
3141.  be|  strichin]  in  der  neuen  Zeile  be  noch  einmal,  radiert.  —  3147. 
disme]  oder  disine.  —  3148.  sie!  —  3152.  der  Schreiber  hatte  erst  ge- 
atisgelassen,  vgl.  2055  u.  s.  f.  —  3156.  Der]  De.  —  3219.  ue''sagen]  r  steht 
über  6.  —  3227.  ualandas.  —  3243.  der]  die.  —  3248.  mit]  trat. 

3259.  dagin]  es  ist  wohl  clagiii  zu  lesen,  vgl.  1759.  —  3319.  rocther? 

—  3332.  ouelle]  ouele^  das  letzte  e  ist  aus  1  corrigiert.  —  3333.  mit]  oder 
mic?  —  3336.  ungeuar]  der  zioeifelhafte  Buchstabe  ist  kein  u,  sondern 
ein  aus  v  corrigiertes  n,  richtiger  wohl  w,  dessen  letzter  Aufstrich  etwas 
kurz  gerathen    ist,  vgl.  1512.  —  3337.  vor  riter  ist  erlich  ausgekratzt.  — 


ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER.  411 

3350.  lace]  c  verwischt.  —  3367  gemeze]  sieht  wie  genieze  aus.  —  3372. 
MiniS.  —  3373-  got]  verhlasst,  nur  noch  g  leserlich.  —  gafej  der  letzte 
Buclistabe  sieht  eher  loie  c  oder  t  aus.  —  3376.  gote]  s.  zii  581.  —  Nach 
3377  ist  keine  Lücke  in  der  Hs.  —  3379.  herven]  so  sieht  es  aus.  — 
3384.  meden]  es  steht  rieden,  doch  ist  das  Wort  verwischt.  —  3389. 
willen]  villin.  —  3396.  michelen.  louf.  —  Die  Anm.  322  angeführte  Rand- 
bemerkung, von  ungeübter  Hand  und  mit  schwärzerer  Tinte  geschrieben, 
steht  nach  3419  (nicht  nach  3420).  In  derselben  ist  zu  lesen  rocger 
{eher  rotger)  leve  (v  sieht  eher  aus  wie  n)  frnt  {oder  frut)  got  sibich.  — 
3428.  daz]  so  steht  deutlich.  —  3429.  (D)ar]  w  am  Rande,  s.  u.  die  Bemer- 
kung über  die  Buchstaben  am  Rande.  —  3443.  dach]  tach,  —  3463.  lies 
(D)ie.  —  3477.  deme]   de  auf  radiertem  Grunde. 

3506.  Entfinc]  Entfienc  {das  ziceite  e  ist  hineincorrigiert).  —  3531. 
vor  getrue  sind  Buchstaben  ausgekratzt,  ivie  es  scheint  tru  {vgl.  3608  u. 
oben  3152  u.  s.  f.)  —  3544.  min]  diu.  —  3548.  nach  wole  am  Ende  der 
Zeile  ist  gv  ausgekratzt  {weil  gunnen  nicht  mehr  Platz  fand).  —  3555. 
luf  ten  getrennt.  —  3576.  Sirae,  Anm.  „Es  steht  sinue"]  nicht  deutlich.  — 
3600.  stestellit]  gestellit;  erst  war  zu  stellit  angesetzt,  ivie  der  Schreiber 
häufig  ge  ausließ  und  dann  corrigieren  musste.  Über  st  ist  g  geschrieben.  — 
3603.  Am  Ende  der  Seite  schon  einmal  tom  radiert.  —  3608.  vor  getra- 
uen ist  tru  radiert.  —  3651.  werde]  das  r  ist  dem  z  ähnlich  {s.  oben).  — 
3669.  here]  herre.  —  3670.  Behalden]  zwischen  e  und  h  scheint  ein 
halbradierter  Buchstabe  (c?)  zu  stehn,  vgl.  4356.  —  3671.  Dan]  sie!  — 
3703.  uare]  e  ist  radiert,  also  uar.  —  3712.  dir]  dfr.  —  3726.  vnde] 
darunter  stand  ande  {vgl.  Anm.  351;  ande  auch  sonst  in  der  Hs.).  — 
3745.  leret]  levet.  —  3750.  tisk,  Anm.  „tisz  sieht'"']  w^spr.  stand  z,  daraus 
ist   k  gemacht,  also  steht  tisk. 

3760.  ymelotin]  e  aus  o  gemacht,  ivie  2777.  —  3800.  stite]  sie!  — 
3803.  De]  e  oder  o.  —  3839.  constantanis  steht.  —  3839.  nach  bi  steht 
der  sun  {eher  sim).  —  3852.  war°^]  ne  über  war.  —  3854.  gestiche]  sie!  — 
3855.  heideniskin.  —  3864.  werde]  worcte?  s.  unten.  —  3867.  saz]  z  ist 
in  t  corrigiert.  —  3868.  Es  steht  vozscliemil.  —  3884.  gerorte]  wohl  ge- 
zorte  {auch  das  zweite  r  ist  z-ähnlich).  —  3929.  beide]  ei  verioischt.  — 
3930.  sin]  übergeschrieben.  —  3933.  theiz]  t  steht  nicht  vor  heiz.  —  3940. 
Svonner]  statt  r  eher  z.  —  3949.  dajdo.  —  3950.  hie]  deutlich  hir.  —  3959. 
uergist]  deutlich  ueiigist.  —  3962.  wilt]  wult.  —  3970.  dene]  deine.  — 
3973.  hefFen]  helfen.  —  3977.  Svowaz  verbunden.  —  3981.  dar]  dir,  ideutlicJi. 

4004.  liete]  licte.  —  4012.  uirwandelote.  —  Nach  4015  ist  keine 
Lücke  in  der  Hs.  —  4504.  gesagen]  ge  urspr.  weggelassen.  —  4057.  der] 
d  aus  b  corrigiert.  —  4059.   (  )rnarj  n  am  Rande,  vnar  in  der  Zeile,   also 


412  A.  EDZARDI 

Nvnar.  —  40G2.  himilriclic.  —  4084.  basilistiü.  —  4085.  Roctere]  siel  — 
4088.  vordin]  v  ans  w  qemacJit.  —  4119.  sin]  siiit.  — 4126.  daz]  oder 
dar  {eher  daz).  —  4127.  Dar]  r  deutlich.  —  4141.  uorze  deutlich.  —  4152. 
zeichen]  zerchen  steht.  —  4153.  zvoch]  sie!  —  suert,  Anm.  suret]  oder 
suvet  (eher  r).  —  4156.  breste.  —  4177  sie!  —  4188.  dalcj  c  deutlich.  — 
4207.  tengelere]  sie!  —  4245.  sprach]  ch  scheint  radiert  und  darüber  ck 
(tk  ?)  geschrieben  zu  sein. 

4256.  hande.  —  4258.  vor  orkunde  ist  der  erste  Strich  des  k  (von 
künde)  radiert.  —  4284.  ir  sclagin  getrennt.  —  4303.  geuet]  verwischt, 
aber  noch  leserlich.  —  4331.  ger  wnnin  getrennt.  —  4345.  (D)eginc]  o  steht 
deutlich  statt  e.  —  4356.  vor  h  ist  c  ausgekratzt,,  vgl.  3670.  —  4363.  vor 
he  ist  radiert^  toahrseheinlich  stand  Ge  (von  Geuort  4365?).  — 4402.  ge- 
biledot,  bei  Mm.  undeutlich.  —  4423.  geborn]  geborin.  —  4435.  Gesezzit 
den  unrechten.  —  4444.  allin.  —  4447.  sant]  hant  steht  deutlich  (Mm. 
hatte  wohl  ein  sog.  deutsches  'i)  gesehrieben,  und  dieses  später  als  f  gelesen), 
4478.  icht]  loohl  ichc.  —  4494.  ane]  das  fragliche  Wort  sieht  dem  4498 
stehenden  ime  sehr  ähnlich  und  überhaupt  erMären  die  Züge  der  Hs.  die 
Möglichlceit  des  Verlesens  eines  an  aus  im,  denn  loenn  der  Ansatzstrich 
des  m  etioas  loeit  von  links'  atcsholt,  so  daß  daninter  i  steht  (wie  4498), 
sieht  im  dem  an  sehr  ähnlich,  es  ist  also  wohl  unzxoeifelhaft  ime  zu  lesen. 
4501.  in  me]  es  stand  imme,  wovon  der  letzte  Sti^ich  des  ersten  m  radiert 
ist:  in:me.  —  4506.  urowe]  uroue.  —  4509.  ic]  oder  it.  —  4523.  we- 
dichet]  ich  lese  wetlichet  (oder  werlichet?).  —  4533.  werohaft]  der  frag- 
liehe Buchstabe  ist  doch  loohl  o  oder  v,  kaum  c.  —  4535.  ge  |  tan.  —  4539. 
koninge,  Ä7im.  „konine,  e  ausgekratzt"]  e  seheint  es  zu  sein,  darunter 
verblasst  ein  anderer  Buchstabe;  bis  zum  Punkte,  der  nicht  fehlt,  ist  Raum 
für  zioei  Buchstaben  (ge?).  —  4542.  du  in]  du  verwischt,  dahinter  ein 
brauner  Fleck,  unter  dem  ich  in  zu  erkennen  glaube,  dazwischen  scheint 
mir  s  zu  stehn;  es  ist  wohl  dvsin  zu  lesen.  —  4544.  dir  ze  nie]  sie!  — 
4543.  over]  o  durch  einen  kleinen  dunklen  Fleck  verdeckt.  —  4545.  uer- 
smadis.  —  4562.  giuer  is]  ziemlich  dicht  an  einander.  —  4567.  vor  thoter 
steht  schon  einmal  tho  radiert.  —  Von  hier  ab  ist  der  rechte  Theil  der 
Seite  bis  unten  hin,  nach  unten  sich  bis  zur  halben  Breite  der  Seite  er- 
iveiternd,  frei  gelassen;  tcarum,  ist  nicht  ersichtlich.  —  4594.  newart]  ne- 
warit.  —  4596.  Alciz]  oder  Aleiz.  —  4600.  intgegene]  schon  radiert,  aber 
noch  leserlich.  —  4600*.  Hier  sind  ein  und  eine  halbe  Zeile  so  stark  radiert, 
daß  nur  noch  weniges  undeutlich  durchscheint.  Daz  hieß  das  erste  Wort 
nicht,  es  scheint  Sv  und  noch  ein  Buchstabe  gestanden  zu  haben.  Was 
vor  ie  stand,  ist  nicht  zu  sehen,  ein  s  kann  ich  nicht  erkennen.  Es  steht: 
Sv. .  ic  dcme  |    es   .  .r-  (r  radiert)  Sie(?)',  das  loeitere  ist  gänzlich 


ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER.  413 

unleserlich.  —  4662.  hantwerke]  sie!  —  4673.  fuir]  uir  steht.  —  4677. 
weder  (fehlt  hei  Mm.)  luete  (so  eher  als  lucte).  —  4687.  maniger.  — 
4693.  irkerinis]  irkeiiilis  steht.  —  4721.  Iiide]  vericischt,  aber  leserlich.  — 
leuete.  —  4725.  eclich]  oder  edich.  —  4726.  Iz  ni]  Iz  in.  —  4728.  ecliche] 
oder  ediche.  —  4737.  vil]  vilo. 

4775.  Hie]  wie  Hie.  —  buuen]  sie!  — 4779.  quamen]  qua.  —  4805. 
vart]  der  erste  Sirich  des  v  ist  sehr  dick:  zusammengelaufenes  w?  —  4809. 
Hinter  Jenich  ist  ein  kleiner  sich  nach  unte7i  ziehender  Tintenfisch.  — 
4811.  wezgot]  z  deutlich.  —  4838.  dectte.  Anm.  fast  dedte"]  d eilte, 
der  dritte  Buchstabe  ist  eher  i  als  t.  —  4842.  Plisnm]  sie!  —  4849.  me- 
diet]  der  dritte  Buchstabe  könnte  d  gelesen  iverden,  ebensoivohl  aber  cl,  tl 
imd  selbst  rl  (s.  unten);  der  letzte  Buchstabe  ist  t.  —  4853.  richtere]  r 
deutlich.  —  4867.  Doue  gews  getrennt.  —  4883.  ime]  sie!  —  4886.  mit] 
it  at(f  radiertem  Grunde.  —  Nach  4908  tind  4925  ist  keine  Lücke  in 
der  Hs.  —  4913.  ne  übergeschrieben.  —  4918.  Daz]  z  m  t  corrigiert.  — 
biet]  liet.  —  4928.  geserwe]  ursj)r.  ge  ausgelassen.  —  4932.  edilime.  — 
4933.  zvo]  eigentl.  zro? — 4955.  claugestiau]  cl  könnte  auch  d  gelesen  tverden. 

5005.  lant  |  sprage.  —  5007.  urome]  oder  urvme.  —  5012.  Su|vert. 
—  5021.  frenkise]  e  deutlich.  —  5070.  lant,  Anm.  „es  steht  laur"]  sant 
steht!  —  5090.  horu]  horin.  —  5094.  der]  sieht  so  aus.  —  5132.  nichteiu] 
nichts  in.  —  5145.  got]  s.  zu  581.  —  wate]  es  sieht  aus  loie  wort,  ver- 
wischt und  durch  Reagentien  fast  unleserlich  geioorden;  dahinter  ist  loohl 
6  ausgekratzt  (Bückert  liest  auch  wort).  —  5152.  Du]  wohl  Nu,  icie  es 
eher  aussieht.  —  5175.   vor  gemochte  ist  etivas  ausgekratzt  (m?)*). 

Noch  ein  Punkt  ist  zu  besprechen,  die  Absätze  und  die  Buch- 
staben am  Rande.  Die  bei  Mm.  eingeklammerten  großen  Buchstaben 
fehlen,  obwohl  Raum  für  sie  gelassen  ist,  ohne  Absatz  in  der  Hs.  33. 
45.  116.  134.  u.  s.  f.  (auch  3521  fehlt  R),  mit  Absatz  100;  der  leere 
Raum  erstreckt  sich  über  zwei  Zeilen  100.  3005.  3229.  3371.  3485.  Offen- 
bar sollte  der  Rubricator  die  Initialen  eintragen,  was  aber  unterblieb. 
Von  342  ab  stehn  statt  dessen  folgende  Buchstaben  am  Rande**): 
342  d-  364  n-  408  w;  3005  c;  3035  a;  3077  G;  3101  d-  3109  d-  3132  e 
(Mm.  Introicen!)  vgl.  4389;  3155  d;  3177  d;  3207  N;  3229  d]  3241  d; 
3261  d;  3285  v;  3343  d-  3371  w;  3429  w  (Mm.  schrieb  (D)ar!)-  3463 


*)  Dieß    Verzeichniss   ist    bei    der    Correctur   noch    einmal    genau   mit    meiner 
Collation  verglichen  und  darf  daher  als  zuverlässig  bezeichnet  werden. 

**)  Ich  wage  nicht  zu  beurtheilen,  ob  von  derselben  Hand  oder  nicht.  Übrigens 
sind  lange  nicht  überall,  wo  die  Anfangsbuchstaben  fehlen,  diese  am  Rande  angegeben. 
Sie  können  vom  Schreiber  zur  Anweisung  für  den  Kubricator  an  den  Rand  ge- 
setzt sein. 


414  A.  EDZARDI 

d  (/ein  der  Zeile);  34S5  d;  3579  a;  3631  Zf?);  3653  a;  3737  R;  3765  cZ; 
3787  i?;  3879  f/;  3955  cZ;  4079  (?;  4107  (Z;  4135  cZ;  4183  cZ;  4199  ?ü; 
4241  d  (eine  Zeile  zu  tief);  4261  Ä;  4285  d;  4325  cZ;  4345  cZ;  4377  8; 
UId  d;  4493  d-  4579  ri;  4603  w  (zwei  Zeilen  zu  hoch);  4663  i^  (nicht 
wj);  4705  cZ;  4729  d-,  4829  cZ;  4921  i?;  4955  d;  5021  d  —  Kein  Absatz, 
aber  große  Initiale  findet  sich  442.  466.  492.  654.  u.  s.  f.,  wo  nichts 
bemerkt  ist;  dagegen  macht  die  Hs.  einen  Absatz  100.  788.  796.  1120. 
1347.  4921.  —  Kein  Absatz  noch  die  Andeutung  eines  solchen  findet 
sich  2017.  2803.  —  3319  is^  in  einer  Zeile  für  die  Majuskel  Raum  ge- 
lassen, es  ist  aber  nur  ein  kleines  »,  (?)  eingetragen. 

2.  Vorschläge  zur  Herstellung  und  Erklärung  des  Textes. 

Nachdem  im  ersten  Theil  für  viele  Stellen  die  Lesarten  der  Hs. 
festgestellt  sind,  sollen  jetzt  an  einige  dieser  Stellen  Bemerkungen  in 
Betreff  des  Ergebnisses  für  die  Textkritik  geknüpft  werden.  Auch  will 
ich  bei  dieser  Gelegenheit  einige  andere  Besserungs-  und  Erklärungs- 
versuche vorbringen,  die  mir  während  meiner  Beschäftigung  mit  dem 
Rother  einfielen*).  Den  Text  Rückerts  füge  ich  in  [     ]  bei. 

159.  iz  quam  in  nie  in  chein  [Hs.  cheim]  lant,  wobei  das  erste 
in  Rother  und  die  Seinen  meinen  muß :  „von  ihnen  wurde  nie  in  irgend 
ein  Land  geschickt.."   [quam  nie  in  nihein  R.]. 

389*^.  Ursprünglich  stand  doch  wohl  durch  [durc]  wunder,  vgl.  3022 
[durc  wunder  R.]. 

454  f.  Des  sune  waren  ir  sibene. 

der  ne  legitiz  ovh  nie[r]gin  nidere. 
Die  Vergleichung  mit  468  ff.  und  478  zeigt,   daß   hier   der  Text  ver- 
derbt ist.  Wahrscheinlich  ist  durch  Abirren  des  Schreibers  eine  Lücke 
entstanden.  Es  mag  gestanden  haben: 

Des  sune  waren  ir  [ziveleve. 

helede? 

zer  verte  {an  die  vart)  waren  ir\  sibene  etc.**) 
Wie  dem   auch  sei,    so   ist  zu   nider   legen   doch  wohl  nicht  rät  zu  er- 
gänzen [R  so:  „vernachlässigte],  sondern:  das  Klagen  um  seine  Söhne. 
Dieß  ist  an  sich  natürlicher  (vgl.  mhd.  Wb.  H^  334'',  wo  übrigens  Klage 
2727  ß  [meiner  Ausgabe]  nachzutragen  ist)  und,  weil  die  Erwähnung 


*)  Andere  sind  in  meiner  Dissertation  (Germ.  XVIII  429 — 446)  gelegentlich 
bemerkt,  nämlich  2973  riese]  reise.  —  .3671  Dan]  Den.  —  3648.  urovcht^  vorht.  —  4883 
ime\  in.  —  Vgl.  auch  den  Herstellungsversuch  von  4817 — 4878  p.  440  ff". 

**)  So  daß  wohl  grade  eine  Zeile  der  Vorlage  ausgefallen  sein  wird. 


ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER.  415 

der  Söhne  vorhergeht  wahrscheinlicher:  „nie  ruhte  auch  seine  Klage"; 
auch,  wie  Rothers,  wovon  eben  die  Rede  war. 

480.  von  scaze  {scate?)  vn  uan  golde;  dieselbe  Wendung  steht 
590:  golt  vnde  schaz.  Der  Schreiber  hatte  wohl  die  gewöhnlichere 
Wendung  silber  unde  golt  im  Sinne,  corrigierte  aber  später  nach  der 
Hs.  [van  silver  und  van  golde  R.]. 

656.  dürt,  urspr.  stand  wohl  durch,  daraus  ward  dort  gemach t^, 
indem  o  übergeschrieben  (vgl.  oben  2970)  und  h  radiert  ward,  [dort  R.] 

873.  gescheit  (aus  geschein  gemacht),  also  war  die  letztere  Form 
dem  Schreiber  geläufig,  und  er  corrigierte  sie  nach  der  Hs.  zu  gescheit. 
So  wurde  oben  gezeigt,  daß  er  in  satte,  mote,  vote,  dat  t  nach  der 
Vorlage  herstellte,  nachdem  er  zuvor  z  geschrieben  hatte. 

So  steht  ferner  2201  sagit,  aus  sagic  verlesen,  2238  muß  mir  aus 
mic  verlesen  sein ;  4245  scheint  sprach  in  sprach  corrigiert  zu  sein. 
Dieß  alles  scheint  mir  darauf  zu  deuten,  daß  die  Vorlage  ein  mehr 
niederdeutsches  Gepräge  trug,  welches  vom  Schreiber  herrühren,  aber 
auch  aus  dem  ursprünglichen  Gedichte  stammen  kann  (vgl.  Germ. 
XVin,  419  f.).  Es  würde  sich,  soweit  man  überhaupt  in  dieser  immer 
noch  dunkeln  Frage  urtheilen  kann,  etwa  folgendes  Verhältniss  der 
Überlieferungen  herausstellen: 

Original  (um  1130 — 1140  an  der  niederdeut- 
l  sehen  Grenze  entstanden). 

Umarbeitung  [in  Baiern?]  anscheinend  von  einem 
;  Nieder-  oder  Mitteldeutschen  verfasst. 


Vorlage  von  H  M 


H 

Ob  die  Bearbeitungen  A  und  B  auf  H,  auf  dessen  Vorlage,  oder 
direct  auf  die  erste  Umarbeitung  zurückgehen,  ist  schwer  zu  entscheiden. 

965.  en  uirsagete,  so  las  nach  dem  oben  gesagten  der  Schreiber 
in  der  Vorlage.  R.  erklärt  en  =  in,  d.  h,  doch  „meinen  Mannen",  also 
„hätten  sie  abgerathen,  wie  ungerne  hätte  ich  ihnen  versagt".  Con- 
stantin  will  aber  offenbar  im  Gegentheil  sagen:  „hätten  sie  mir  abge- 
rathen^ so  hätte  ich  es  bedauert  [eure  Bitte]  versagen  zu  müssen." 
Da  nun  in  der  Vorlage  oder  deren  Quelle  wohl  nicht  gut  ev  (=  iv) 
gestanden  haben  kann,  wird  en  wohl  aus  ez  verlesen  sein. 


4 IG  A.  EDZARDI 

1091  ff.  Silbe  trogen  sie  die  suert: 

vnder  in   ne   hette   nigen   werc    [wert  „We7'thschätzung, 

Bedeutunj^^  R.] 
der  unwizende  houe  man, 
noch  ne  dorfte  niergen  zo  in  gan. 
„Hatte  bei  ihnen  nichts  zu  schaffen  (nicht  die  Schwerter  zu  tragen?)" 
passt  offenbar  besser  in   den  Zusammenhang. 
Nach  1212   ist  etwa  zu  ergänzen 

Er  mochte  dich  [alles?]  biten  (:  mite), 
1213.  er  iz  dir  [der  Hs.]  ane  danc  were , 

svie  schiere  [schere  Hs.]  er  iz  verbere! 
„Er  würde  dich  um  alles  bitten  können,  ehe  du  etwas  dagegen  hättest, 
wie  bald  er  es  auch  unterließe!"  d.  h.  „Um  was  der  dich  auch  bitten 
möchte,  du  würdest  ihm  nichts  abschlagen,  er  brauchte  darum  gar 
nicht  lange  zu  bitten"  (vgl.  1066  f.  1077  ff.).  Das  Fehlen  des  Verses 
wäre  dann  durch  Abirren  von  e?-  zu  er  zu  erklären.  [1214  svi  R.]. 

1294.  vnde  andere  dietherichis  man.  Die  Wendung  erinnert  an  den 
Interpolator,  der  sie  4986  braucht.  Vielleicht  stand:  die  herren  taten 
ouch  alsam  (:  Aspriän)?   , 

1527.  ivezei,  d.  h.  ivez  et?  Doch  erwartet  man  nach  der  Negation 
ein  anderes  Verb:  Herlint  weiß  ja  grade  Rath  und  sagt  ihn  unmittel- 
bar darauf,  [loeiz  R.J. 

1599.  irlande  {Irlande  R.],  Elfenbein  aus  Irland?  Ist  vielleicht  ir 
lande  zu  lesen? 

1661  muß  Grimme's  Rede  schließen,  und  die  Verse  1662—1665 
schildern  die  Befolgung  des  Rathes  durch  Asprian.  Sollte  Gr.  wohl  zu 
A.  sagen:  Mit  listigeme  mote 

Vragit  dene  grimmigen  man  etc.? 
Dieß  sind   doch  wohl  Worte  des    erzählenden  Dichters;  es  ist  also 
Vragit  er  dene  etc.  zu  lesen.    Daß  Asprian  vorher  als  redend  genannt 
sein  muß,  folgt  aus  der  Antwort  Widolts  y^herre  min''^. 

1667.  Do  sprach  Hs.]  Do  ist  zu  streichen  [sprach  do  R.]. 
1759.  her  wurde  des  rovfens  gedagit  [gedegitR.,  s.  d.  Anm.]. 
1780  f  her  stiez  [sie]  mit  der  vust  nider, 

Daz  sie  indeme  höre*)  lagen  [hove  Mm.  R.]. 
Die  Überlieferung  der  Hs.  („im  Kote")  ist   augenscheinlich  passender. 
hör  findet  sich  noch  einmal  im  Rother,  übrigens  au  einer  Stelle  (5147), 
die  wahrscheinlich  dem  Bearbeiter  angehört. 


*)  nicht  hortve  wie  auch  gare,  vare  im   Reim  steht. 


i  ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER.  417 

2209.  der  dm  gegnoz  mochte  sin  [genoz  R.]',  ye  gnoz?  Dann  würde 
man  aber  dir  erwarten. 

2258.  holtUche  statt  hlotliche  oder  hlodiche  (vgl.  bioliche  1393); 
ähnliche  Umstellungen  des  l  und  r  sind  nicht  selten  in  der  Hs.  (vgl. 
Germ.  XVIII,  407  f.).  [R.  beltliche  „fast  in  der  heutigen  Bedeutung  des 
Wortes  bald,  eifrig,  rasch".]  Der  Zusammenhang  erfordert  die  Be- 
deutung „beschämt,  verlegen"  : 

Die  urowe  harte  ir  scricte, 
Den  uoz     sie  vf  züchte 
Vnde  sprach  zo  dietheriche 
Harde  blocliche: 
Nu  newart  ich  nee  so  ungezogin : 
mich  hat  min  vber  mot  bedrogen  etc. 
2400.  Sin  Mm.  \sint  R.];  Svi  giebt  auch  genügenden  Sinn. 
2560.  gerin]  Wenn  das  Wort  nicht  gelten  sollte,  würde  der  Vers 
allerdings  zu  kurz,  was  aber  auch  sonst  in  der  Hs.  sich  findet  (Germ. 
XVIII,  393);  geriten  stellt  R.  her,  eher  wäre  noch  an  ge\ya\rin  zu  denken. 
2953  ff.  Des  kvningis  amelgeres  sune; 

Iziie  quam  van  eineme  sinin  kunne 
Also  manich  ture  wigant. 
Iz  hequam   ist   natürlich    zu   lesen   (mhd.  Wb.  I,  904'');  R   liest:   izne 
quam. 

2999.  Her  hat  uns  redie  getan.  Diese  Lesart  der  Hs.  darf  nicht 
ohne  weiteres  durch  rechte  ersetzt  werden,  so  lange  die  Möglichkeit 
einer  Erklärung  sich  bietet.  Ein  Erklärungsversuch  soll  wenigstens 
gemacht  werden.  Es  ist  an  die  im  mhd.  Wb.  IV  594*  unter  b)  be- 
sprochenen beiden  Stellen  zu  erinnern,  in  denen  rede  noch  die  alte 
Bedeutung  „das  Gebührende,  was  sich  gehört  hat.  Im  mhd.  (auch  im 
mnd.?)  findet  sich  das  Ableitungs-z  (;')  nicht  mehr,  wohl  aber  im  ahd. 
Hätten  wir  hier  eine  alterthümliche  Form  des  Wortes  mit  alterthüm- 
licher  Bedeutung  erhalten,  so  stände  der  Fall  im  Rother  wenigstens 
nicht  allein.  Die  Bedeutung  fiele  mit  rechte  ziemlich  zusammen  {rechte  R.j. 
3105.    Vere  [R  vele\,  doch  wohl  =  viere. 

3255  ff.  Swaz  die  moder  redde, 
Die  tocheriz  alliz  dolete. 
Constantine  was  wil  lief; 
Her  inhatte  (?)  uf  ir  sprechen  nit: 
He  liez  si  svigin  unde  clagin, 
Biz  si  is  gnoh  [guoh  Hs.]  mohten  [mothe  Hs.]  hauiu. 

GERMANIA..  Neue  Reihe  Till.   (XX.  Jahrg.)  27 


418  A.  EDZARDI 

haben  Hf  =  „geben  auf,  sich  kümmern  um",  das  naheliegendste,  weiß 
ich  nicht  zu  belegen.  Mm. 's  Vermuthung  horte,  harte  ist  zu  beachten. 
R.'s  Erklärung:  „•??/  enthoben  c.  acc.  aufhalten:  er  hielt  ihre,  d.  h.  der 
Mutter  Rede  nicht  auf",  scheint  mir  gezwungener.  [Bartsch  vermuthet 
enahtte\.  svigin  (die  Tochter),  clagin  (die  Mutter),  daher  mohten  (in  der 
Vorlage  wohl  mohte).  [dagin  R.]. 

3864.  worcte  (Hs.  worde)  „täte"  [worte  statt  worhte  R.]. 

3884.  gezorte  statt  gezcnmte  [gezornte  R.]. 

3940.  Svonne^,  nämlich  ouil  unde  guot  [svannez  R.]. 

3981.  dir]  dar,   wie  Mm.   und  R.  schreiben,    scheint  nothw endig 
zu  sein;  doch  ist  zu  beachten,  daß  die  ganze  Stelle  bis  3985  (wenigstens 
3984)  verderbt  ist*).    Soll  3981  humin  conj.  sein,  so  ist  es  die  über- 
lieferte Form  haut  doch  nicht,  was  freilich  wenig  sagen  will. 
4493  f.  Des  koningis  gekose 
Was  ime  uals  lose. 
[R.  hat  noch  das  sinnlose  äne  vals   ldse\   vgl.  18   einis  zeines  her  ime 
gedachte'^  1145  loe  leide  ime  der  kuninc  do  saz  (Germ.  XVIII,  417). 

4523.  So  iz  allir  wetlichet  (werlichet?)  ist.  Jedenfalls  liegt  ein 
Superlativ  vor,  also  wohl  wetlichest  [so  R.  „kleidsam,  angemessen,  in 
sofern  auch  'wahrscheinlich',  und  in  dieser  Bedeutung  hier"]. 

4542.  tvaz  of  du  sin  noch  gevahis  [Fragezeichen  R.,  muß  wohl 
fortfallen,  denn  sin  nimmt  den  von  scaden**)  abhängigen  Grenetiv  vorweg.] 

4775.  Hie  buuen  capellane]   Sic  huuen  [=  R.]  ist  herzustellen. 

4779.  qua  der  Hs.  ist  aufzulösen  quam  (nicht  quamen)  vil  manich 
amme  [R.  quam]. 

4837  f.  Rother  saz  bit  voller  haut 

unde  deilte  widene  die  lant  [Mm.  dectte,  R.  decte]. 
Da    es   sich   hier   um   die   Ländervertheilung    handelt,    ist    deilte   wohl 
zweifellos. 

4849.  Da  ne  was  nehen  scaz  mer  (niet?)  liet.  Das  letzte  t  ist  wohl 
aus  /  verlesen  [mer  liep  R.]. 

5094.  sprach  der  koningin.  Kann  dev  in  der  Vorlage  gestanden 
haben,  wie  Mm.  vermuthet?  Vgl.  zu  965. 

5145.  Nu  covfe  dir  selve  got  wort.  Diese  Lesart  ist  wohl  herzu- 
stellen und  dafür  die  Erklärung  R.'s  zu  acceptieren. 


*)  Übrigens  stehen  die  Verse  3984  f.  genau  so  in  der  Hs. 
**)  Wie  doch  wohl  statt  scanden  der  Hs.   zu  lesen  ist. 


ZUR  TEXTKRITIK  DES  ROTHER.  419 

3.  Das  Badener  Fragment. 
Das  Badener  Frgra.  B,  jetzt  in  Nürnberg  auf  der  Bibliotliek  des 
Germ.  Mus.  (Nr.  27744),  hat  Mm.  anscheinend  nach  dem  Abdrucke 
Graffs  (Diut.  II,  376 — 378)  wieder  abdrucken  lassen,  aber  mit  argen 
Fehlern.  Doch  auch  Graffs  Abdruck  ist,  wie  mir  eine  Vergleichung 
des  Bruchstücks  in  Nürnberg  zeigte,  in  folgenden  Einzelheiten  zu  be- 
richtigen *) : 

995''.  h'ren.  —  999.  erwinden]  i  verlöscht^  sieht  aber  loie  e  aus.  — 
1000.  zu  vru  ist  nachgeschrieben {\)  (her  vor  entrunnen  Gr.,  fehlt  Mm.) 
—  1001.  wir  übergeschrieben,  aber  ausgekratzt.  —  w*den.  —  Punkt  vor 
nv(!).  —  1002.  d\  —  1004.  D\  —  1007.  ostantin.  —  1008.  h're.  —  zor- 
net]  zvrnet.  —  1014.  enchan  verbunden.  —  1017.  frvm\  —  1019.  entwelet- 
hat  (=  Gr.)  Ende  der  Seite.  —  1020.  wid*  iw's  h'ren.  —  1022.  Aspria- 
nes]  A  7'oth.  —  zorn  was]  zon  waz  steht.  —  1026.  kam*  man.  —  1035. 
vngeb^de.  —  1036.  37  in  einer  Zeile.  —  1037.  Imm\  —  1039.  d^  — 
1041.  d*.  —  (1042=^  giioten  =  Gr.).  —  1044.  wid*  saz.  —  1046.  vb*  Ivt. 
Auf  der  ersten  Seite  am  linken,  auf  der  zweiten  am  rechten 
Rande  ist  die  zweite  Spalte  scharf  abgeschnitten,  doch  sind  noch  einige 
Buchstaben  und  Buchstabentheile  stehen  geblieben; 

p.   1 ch  links  neben  1010, 

....ch      „  „       1011. 

Da  auf  jeder  Seite  28  Verszeilen  stehn  (1  :  994-1019,  2  :  1020  —  1045, 
indem,  wie  angegeben,  Vers  1036  f.  in  einer  Zeile  stehn),  so  ent- 
sprechen jene  .  .ch,  .  .ch  in  der  9.  und  10.  Zeile  von  unten  den  Versen 
984  f.,  welche  lauten : 

Den  hanich  ie  doch  bedwungin. 
sine  botin  sin  hiere  gebunden. 
Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  daß,  nach  Analogie  der  sonstigen 
Reimcorrecturen  in  B,  in  dieser  Hs.  stand: 

[Den  hanich  bedwungin]  doch 
[sine  boten  sin  hiere  gebunden]  noch 
Ferner  scheint  974  mit   .  .r  [H  grozj  geendigt  zu  haben,  weil  .  .r 
links  neben  1000  steht;  richtiger  ist  wohl    .   r  zu  975  zu  ziehen;  vgl. 
unten. 

p.  2.     neben  1046  steht  rechts  o  oder   der  untere  Theil  eines  d. 
„       1045     „  „      S 


*)  Da  es  bei  einem  so  kleinen  Bruchstücke   unter  umständen  auf  jeden  Buch- 
staben ankommen  kann,  so  gebe  ich  auch  die  dort  aufgelösten  Abkürzungen  an. 

27* 


420  A.  KUZARDI,  Zl'R  TEXTKRITIK  DKS  TvOTHRR. 

neben  1044  steht  rechts  ein    halber    Buclistabe;    es    kann 

der  vordere  Theil  des  H  sein. 
„        1043     „  „       d,  ziemlich  deutlich. 

Diese  Buchstaben  müssten  den  Versen   1074,  1073  u.  s.  f.  entsprechen, 
und  in  der  That  sind  deren  Anfangsbuchstaben  D,  8,  H,  D. 

Neben  1042"  steht  rechts  ein  Grundstrich,  der  zu  o,  h,  l,  vielleicht 
auch  zu  s  gehören  kann,  neben  1042'  steht  deutlich  d,  neben  1042 
nichts,  neben  1041  ein  Grundstrich,  der  zu  0  gehören  kann,  eher  wie 
J  aussieht,  aber  auch  zu  anderen  Buchstaben  gehören  kann;  neben 
1040  und  1039  steht  nichts;  neben  1038  scheint  der  obere  Ansatz  zu 
D  oder  der  untere  zu  N  zu  stehn.  Hieraus  ist  wenig  zu  gewinnen,  da 
die  Buchstabenreste  zu  vieldeutig  sind.  Immerhin  können  auch  hier 
die  Verszeilen  den  Versen  von  H  entsprochen  haben,  so  daß  neben 
1038  Nu  von  1064,  neben  1041  Daz  von  1067,  neben  1042^  d  (von 
daz?),  neben  1042*^  s  (von  so  oder  sie?)  gestanden  haben  mag.  Man 
könnte  annehmen,  daß  1069  f.  etwa  lauteten: 

d[az  sie   hetten  min  gemote]   )  „ 
s[ie   hiezen  etc.  ) 

Als  Resultat  scheint  mir  wenigstens  das  bezeichnet  werden  zu 
dürfen,  daß  auch  auf  den  beiden  abgeschnittenen  Spalten  der  Text 
B  mit  H  ziemlich  genau  tibereingestimmt  haben  muß.  Da  femer  an 
der  Stelle  der  langen  Verse  970.  971.  980  keine  Buchstaben  derselben 
auf  der  erhaltenen  Spalte  stehen,  ist  daraus  zu  folgern,  daß  970  f. 
kürzer  und  980  richtiger  in  zwei  Zeilen  geschrieben  war,  so  daß  das 
links  neben  1000  erhaltene  End-r  zu  975  gehört. 
Die  Vorlage  von  B  muß  gelautet  haben: 
1000  f.   Nu  sin  wir  her  entrunnen. 

Vn  suln  [wir]  werden  hie  gebunden, 
1024.  Zu  der  porten  nahen. 

Da  die  alle  sampt  waren  (?) 
1028  f.   vn  gewunnin  zwelf  wagene, 
die  siben  naht  ze  samene.  etc. 
Es  ist  möglich,    daß    diese  Hs.   besser  als  H  war.    Wenigstens 
scheint  B  1042: 

Daz  sie  gnaistoten 

Vil  wnderlichen  gnoten  (vgl.  2464:  Wunderen  note) 
H  gegenüber  das  echte  erhalten  zu  haben. 

Vielleicht  ist  anzunehmen,  daß  an  den  Stellen,  wo  H  und  *B') 
verschiedene  Assonanzen  haben,  ein  beiden  gemeinsames  Original  noch 


')   Älit  *li   bezoichno  ich   die  Voiln^re  xnu  R. 


MEISNER,  WIRNT  VON  GRA VENBERG.  421 

größere  Reimungenauigkeiten  hatte,  welche  H  und  *B  in  verschiedener 
Weise  beseitigten,  so 

1000  f.  H  handen  :  geuangin;  *B  entrvnnen  :  gebunden,  Original 
vielleicht   entrvnnen  :  geuangen. 
Auch  1028  f.  (H  wagine  :  geladene,  *B  wagene  :  samene)  kann  sich  die 
Abweichung   so    erklären.    Wahrscheinlicher  ist  aber,   daß  hier  H  das 
echte  hat,  während  *B  aus  metrischen  Gründen  änderte. 

4.  Das  Hannoverische  Fragment. 

Das  Fragment  A  befindet  sich  auf  der  Arnswaldischen  Bibliothek 
in  Hannover.  Auf  eine  Anfrage  wegen  etwaiger  Versendung  desselben 
erhielt  ich  vom  Freiherrn  Walter  von  Waltheim  die  gütige  Mittheilung 
daß  nach  Herrn  Dr.  AI.  Reifferscheids  Vergleichung  „der  Abdruck  des 
Fragments  bei  Maßmann  bis  auf  wenige  unbedeutende,  allein  die 
Wortschreibung  betreffende  Abweichungen,  ganz  genau  ist". 

ANKLAM,  im  Februar  1875.  A.  EDZARDI. 


WIRNTS  VON  GRAVENBERG  VERHÄLTNISS  ZU 
SEINEN  VORBILDERN. 


I. 

Überall,  wo  von  der  Stellung  Wirnts  in  der  mhd.  Litteratur  ge- 
sprochen wird,  finden  wir  auch  sein  Verhältniss  zu  den  Heroen  des 
höfischen  Epos  berührt.  Man  weist  im  Wigalois  Anklänge  an  den  Iwein 
und  Parzival  nach,  ja  man  stellt  sogar  die  Meinung  auf,  daß  Wirnt 
einzelne  Stellen  aus  Gottfrieds  Tristan  benutzt  habe.  —  Die  Sache 
verdient  eine  nähere  Untersuchung,  da  alle  diese  Urtheile  zwar,  wie 
wir  annehmen  müssen,  auf  eine  Vergleichung  beider  Theile  basiert  sind, 
jedoch  der  Weg,  auf  welchem  man  sie  fand,  sich  unserer  Verfolgung 
entzieht.  Ich  meine  damit,  daß  wir  noch  keine  speciellere  Auseinander- 
setzung haben,  in  welchem  Verhältnisse  Wirnt  zu  seinen  Vorbildern 
steht;  wenn  eine  solche  nun  in  dem  Nachfolgenden  gewagt  wird,  so 
verwahre  ich  mich  freilich  im  Voraus  dagegen,,  daß  ich  die  Untersuchung 
darüber  zum  Abschluß  bringen  will.  Es  soll  und  kann  nur  ein  Beitrag 
sein,  weil  die  Beurtheilung  der  Abhängigkeit  eines  Dichters  von  einem 
andern  nur  zu  sehr  Sache  der  subjectiven  Anschauung  ist;  denn  das 
eine  Element,    welches    bei    solcher  Beurtheilung  in  Betracht    kommt, 


422  MEISNER 

nämlich  dasjenige,  in  wie  weit  der  Ton  des  Ganzen  in  beiden  über- 
einstimmt, lie<,4  mehr  im  Gefühle,  als  in  anzuführenden  Thatsachen. 
Das  andere  Element  aber,  das  Auffinden  der  Abhängigkeit  des  einen 
vom  andern  in  Einzelheiten,  kann  Gegenstand  einer  streng  sachlichen 
Untersuchung  sein;  und  auf  dieses  habe  ich  mich  im  Nachfolgenden 
beschränkt. 

Man  hat  allgemein  erkannt,  daß  Wirnt  keinesfalls  Gottfrieds  Tristan 
benutzt  und  nicht  einmal  ihn  gelesen  hat;  ich  könnte  deßhalb  wohl 
hier  Vilmars  Urtheil  übergehn ,  der  eine  Copierang  einzelner  Gott- 
friedischer Stellen  im  Wigalois  gefunden  haben  will.  Allein,  weil  mich 
diese  hingeworfene  Äußerung  veranlasste,  den  Tristan  auf  diesen  Zweck 
hin  eigens  durchzusehen,  so  will  ich  auf  das  Resultat  dieser  Durch- 
sicht hier  zurückkommen.  —  Zwar  vermag  man  zu  einer  Anzahl  von 
Versen  des  Tristan  Parallelstellen  aus  dem  Wigalois  anzuführen,  allein 
es  sind  dieß  meistentheils  Ausdrücke  und  Wendungen,  welche  der 
Sprache  des  höfischen  Epos  überhaupt  angehören,  oft  sogar  Phrasen, 
welche,  wie  es  mir  scheint,  durch  allseitigen  Gebrauch  zur  Versaus- 
füllung, oder,  um  einen  Reim  zu  erlangen,  gleichsam  privilegiert  sind. 
Es  mögen  Beispiele  dafür  folgen.  Wig.  14,28  und  ähnlich  213,25: 
„do  tet  er  sam  die  wisen  tuont"  ist  parallel  mit  Tristan  17677,  doch 
ebenfalls  mit  Gregor  24.  Erec  8G32.  10084;  Wig.  16,  27:  „wä  nu  schilt 
unde  sper ,  harnasch  unde  ors  her"  mit  den  ähnlichen  Stellen  Wig. 
34,  34.  51,  1.  217,  34  parallel  Trist.  13388,  aber  besser  noch  mit  Iw.  4625. 
Die  bei  Wirnt  beliebte  Schilderung  Wig.  23,  31: 

wan  da  was  schoene  unde  jugent, 

gewizzen  unde  ganziu  tugent, 

geburt  unde  sinne, 
die  sich  Wig.  30,  9.  36,  20.  40,  8.  98,  30.  99,  25  variiert  findet,  treffen 
wir  auch  im  Trist.  1149;  sie  ist  jedoch  in  Hartraanns  Dichtungen  so 
zahlreich,  daß  Wirnt  sie  jedenfalls  von  ihm  entlehnt  hat.  Ich  merke 
sie  an  Iwein  339.  1925.  2089.  2423.  3137.  3517.  6465;  Erec  5899. 
Greg.  693.  Ebenso  geht  es  der  ähnlichen  Exposition  im  Wig.  77,  29: 

da  was  kunst  unde  kraft, 

sselde  unde  manheit 

diu  het  got  an  in  geleit, 
wozu  Trist.  9725,  aber  besonders  Erec  338.  2436.  Iw.  1385  zu  ver- 
gleichen ist.  Der  Lieblingsvergleich  Wirnts  „wie  ein  Spiegelglas"  (Wig. 
29,  5.  42,  20.  108,  31.  182,  8.  192,  2),  der  bei  Gottfried  (Trist.  1905. 
6617.  11008.  11730),  wie  bei  Hartmann  (Erec  2290.  4642.  AH.  61)  sich 
findet,  ist,  wie  Maßmann  (zu  Eracl.  p.  375)  nachweist,  so  allgemein  in 


WIRNTS  VON  GRAVENBERG  VERHÄLTNISS  ZU  SEINEN  VORBILDERN.     423 

mhd.  Gedichten,  daß  man  Wirnten  nicht  anschuldigen  kann,  ihn  von 
einem  Dichter  speciell  herübergenommen  zu  haben.  —  Im  weiteren 
finden  wir  zu  Wig.  110,  24  u.  148,  21:  „swaz  ir  weit,  daz  tuon  ich" 
Belege  im  Trist.  3372.  13938.  15960.  16251,  wie  im  Iwein  243.  2290. 
3622;  zu  Wig.  207,  30:  „nu  wil  ich  an  die  rede  min  wider  grifen  da 
ich  die  lie"  Trist.  7235  und  Erec  1837;  schließlich  dürfen  wir  Aus- 
drücke, wie  Wig.  146,  29:  „sol  daz  in  iuwern  hulden  sin"  oder  Wig. 
296,  36  „daz  ich  in  wise  uf  ir  zil"  u.  a.,  die  freilich  im  Tristan  (5118. 
378.  12460  u.  oft),  aber  auch  in  fast  allen  andern  höfischen  Dichtungen 
M'iederkehren,  nicht  als  Entlehnungen  betrachten.  —  Mehr  oder  weniger 
sind  alle  diese  angeführten  Ausdrücke  und  Verse  geradezu  dem  höfi- 
schen Ejios  conventionell ,  ebenso  wie  es  jene  zahlreichen  Berufungen 
auf  die  Quelle  oder  Vorlage  sind,  die  uns  in  den  mannigfachsten 
Variationen  in  allen  epischen  Dichtungen  jener  Zeit  entgegentreten. 
Man  ist  längst  schon  darüber  hinaus,  auf  solche  Verweisungen  Gewicht 
zu  legen  und  hat  sie  für  weiter  nichts  zu  halten,  als  für  eine  Art  Aus- 
hilfe, wo  ein  Reim  oder  ein  Versstück  fehlt.  Diese  Ansicht  ist  dadurch 
zu  belegen,  daß  man  in  besseren  Dichtungen,  so  besonders  also  im 
Iwein,  wenig  solche  Ausfüllungen  antrifft,  hingegen  bei  Gedichten 
zweiten  Ranges  sie  oft  unangenehm,  noch  öfter  aber  gradezu  naiv 
hervorti'eten.  Daraus  folgt  aber  nicht,  daß  man  den  Tristan,  in  welchem 
solche  Wendungen  verhältnissmäßig  nicht  selten  sind,  nicht  unter  die 
hervorragendsten  Dichtungen  zu  rechnen  habe;  denn  die  Vorzüge  dieses 
Werkes  liegen  nicht  in  einem  exacten  Stile.  Der  Wigalois  nähert  sich 
in  Anbetracht  solcher  aushelfenden  Berufungen  auf  die  Vorlage  mehr 
dem  Tristan,  als  dem  Iwein,  aber  Abhängigkeit  darin  von  ersterem 
zeigt  er  nicht.  —  Eine  Stelle  im  Wigalois  ist  es,  in  welcher  wir  Nach- 
ahmung Gottfrieds  anzunehmen  hätten,  wenn  wir  nicht  aus  einer  Parallel- 
stelle im  Iwein  ersähen,  daß  diese  Dichtung  an  dem  betreflfenden  Ort- 
gemeinschaftliche Quelle  für  Wirnt  und  Gottfried  gewesen;  das  Ver- 
hältniss  wird   sich   am   klarsten  durch   eine  Gegenüberstellung   zeigen. 

Iwein  1014:  Trist.  6863: 

ir  ietweder  sin  sper  daz  si  diu  sper  zestächen 

durch  des  andern  schilt  stach  daz  si  in  den  schilten  brächen 

üf  den  lip  daz  ez  zebrach  wol  ze  tüsent  stucken, 

wol  ze  hundert  stücken.  do  gieng  ez  an  ein  zucken 

do  muosen  si  beide  zücken  der  s werte  von  den  siten. 

diu  swert  von  den  siten;  si  giengen  z'orse  striten... 
hie  huop  sich  ein  striten . . . 


424  MEISNER 

Wigal.   19,  8: 

wan  ir  ietweders  scliaft 

brast  ze  raanegen  stücken. 

do  muosen  si  zücken 

diu  swert  von  den  siten: 

do  huop  sich  schoenez  striten 

enzwischen  in  beiden. 
Die  Verse  im  Wigalois  stehen  ersichtlich  denen  im  Iwein  viel 
näher,  als  denen  Gottfrieds;  man  mag  sogar  sagen,  daß  in  Bezug  auf 
rhythmische  Malerei  die  Wirntische  Stelle  den  Vorrang  vor  den  beiden 
andern  behauptet.  —  Es  wäre  möglich,  noch  andere  Vergleiche  zwischen 
einzelnen  Stellen  des  Tristan  und  des  Wigalois  anzustellen  und  Ab- 
hängigkeit des  einen  vom  andern  darin  nachzuweisen,  wie  beispiels- 
weise, daß  die  Beschreibung  des  Hündchens,  welches  Wigalois  für 
Nereja  fängt  (60,  24  ff.).  Anklänge  habe  an  die  des  Petitcriu  im  Tristan, 
daß  Wirnt  die  sprichwörtliche  Redensart  „mit  Karies  lote  wegen" 
(Wigal.  256,  13)  von  Gottfried  (Trist.  275)  entlehnt;  doch  auf  diese 
Möglichkeiten  hin  darf  man  einen  Einfluß  des  Tristan  auf  Wirnts  Ge- 
dicht nicht  annehmen.  —  So  ergiebt  sich  mir  kein  Zeugniss  für  Vilmars 
Ansicht,  und  ich  stehe  nicht  an,  sie  zu  verwerfen. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  dem  Verhältnisse  Wirnts  zu  den  Hart- 
raannischen  Dichtungen.  Es  ist  wohl  etwas  viel  gesagt,  wenn  Pfeiffer 
behauptet,  die,  wne  wir  sehen  werden,  gar  nicht  so  geringe  Anzahl 
von  Versen  des  Wigalois,  welche  solchen  aus  Erec  und  Iwein  nach- 
gebildet sind,  seien  „eine  unwillkürliche  Erinnerung"  oder  „eine 
Folge  des  mächtigen  Eindrucks"',  den  diese  Werke  beim  Lesen  auf 
ihn  machten.  Freilich  hatte  die  Leetüre  Hartmanns  auf  Wirnt  mächtig 
gewirkt,  allein  wir  dürfen  dieß  nicht  aus  den  herübergenommenen 
Stellen  schließen,  sondern  aus  der  Anlage  des  ganzen  Gedichtes,  aus 
dem  Sprachgebrauche  im  allgemeinen  darin  und,  wir  möchten  sagen, 
aus  dem  Leben  und  Treiben,  aus  der  ganzen  W^elt,  die  uns  Wirnt  ent- 
faltet und  die  eine  echt  Hartmannische  ist.  Öftere  wörtliche  Citate  hin- 
wiederum können  nicht  unwillkürliche  Erinnerungen  aus  der  Leetüre 
sein;  sonst  erschienen  sie  gewissermaßen  verarbeitet  und  offenbarten 
sich  nicht  für  den  aufmerksamen  Leser  sofort  als  von  fremdher  Ge- 
nommenes. Das  Beispiel  eines  anderen  Dichters,  auf  welchen  Hartmanns 
AVerke  tiefen  Eindruck  gemacht,  liegt  nahe,  das  Gottfrieds,  dessen 
feines  Urtheil  über  jenen,  auf  welches  getrost  noch  jeder  Litterar- 
historiker  das  seinige  begründen  kann,  der  beste  Bev/eis  dafür  ist. 
Wir  sind  oben  bereits  einer   unwillkürlichen  Eriuncrunir  Gottfrieds  an 


WIRNTS  VON  GRAVENBKKG  VKHHÄLTNISS  ZU  SEINEN  VORBILDERN.     425 

Hartmann  auf  die  Spur  gekommen;  daraus  ersehen  wir,  wie  eine  solche 
aussehn  muß  und  wie  sie  sich  umgestaltet;  aber  wörtliche  Citate  aus 
dem  Iwein  oder  Ei-ec  finden  wir  im  Tristan  nicht.  —  Wenn  nun  also 
Pfeiffers  obige  Ansicht  etwas  zu  modificieren  ist,  so  bleibt  —  um  dieß 
hier  vorwegzunehmen  —  dennoch  sein  Wort  bestehn,  daß  solche  Citate 
aus  fremden  Schriftstellern  nicht  eine  Armuth  an  eigenen  Gedanken 
und  einen  Mangel  an  Selbständigkeit  bekunden.  Wirnt  wollte  vielmehr 
^rade  dadurch  seine  ihn  nach  damaliger  Sitte  ehrende  Belesenheit 
kund  geben,  sein  Werk,  wie  es  zu  seiner  Zeit  ein  beliebter  Schmuck 
war,  durch  Entlehnungen  aus  allgemeiner  bekannten  Gedichten  ver- 
edeln und  —  denn  auch  dieser  praktische  Zweck  kommt  sicher  hinzu 
—  diejenigen  zur  Leetüre  seines  Werkes  verleiten,  welche  die  Hart- 
mannisehe  Poesie  schon  kennen  und  achten  gelernt  hatten.  Was  man 
jetzt  als  litterarischen  Diebstahl  betrachten  würde,  war  zu  damaliger 
Zeit  allgemeine  Sitte,  nicht  anders,  wie  es  jener  sonderbare  Umstand 
war,  daß  die  besseren  Dichter  des  höfischen  Epos  selbst  sich  nicht 
scheuten,  mehr  oder  weniger  zu  Übersetzern  zu  werden,  ohne  nur  irgend 
daran  zu  denken,  den  Namen  ihres  Gewährsmannes  und  sein  Werk 
zu  nennen. 

Ehe  wir  nun  zu  der  Gegenüberstellung  von  Stellen  und  Situationen 
aus  dem  Wigalois  und  aus  Hartmanns  Werken  übergehn,  müssen  wir 
erst  klar  sehn,  was  alles  bei  einer  solchen  Vergleichung  auszuschließen 
ist.  Ich  meine,  dieß  muß  zunächst  mit  den  Stellen  geschehen,  die,  wie 
wir  oben  schon  bemerkt,  allgemein  in  der  höfischen  Sprache  übliche 
Redensarten  enthalten,  als  da  sind:  stehende  Höflichkeitsphrasen  (z.  B. 
sol  daz  in  iuwern  hulden  sin  Wigal.  146,  29;  swaz  ir  gebietet,  daz 
tuon  ich  u.  a.),  ferner  die  Berufungen  auf  die  Vorlage  und  alle  Wen- 
dungen, wobei  die  Subjectivität  des  Dichters  hervortritt,  endlich  die 
öfter  sich  wiederholenden  Ausdrücke  bei  Schilderung  von  Ritterkämpfen, 
bei  Beschreibung  von  Menschen,  Thieren  etc.  Nachdem  wir  alles  dieß 
abgesondert,  bleibt  ein  kleiner  Vorrath  übrig,  den  wir  als  aus  Hart- 
mann entlehnt  anerkennen  müssen. 

Wirnt  hat  sowohl  auf  den  Erec,  als  auf  den  Iwein  directe  An- 
spielungen, so  daß  wir  verleitet  werden  könnten,  zu  glauben,  daß  nur 
diese  beiden  ihm  bekannt  wären;  allein  er  hat  bestimmt  auch  den 
ai'men  Heinrich  gelesen.  Ob  ihm  der  Gregor  bekannt,  bleibt  sehr  frag- 
lich und  ist  besser  zu  verneinen,  denn  alle  Parallelstellen  aus  dem- 
selben zum  Wigalois  sind  auch  mit  anderen  aus  dem  Erec  und  Iwein 
zu  belegen  mit  Ausnahme  des  Verses  Wigal.  14,  29:  eine  wile  er  swi- 
gende  saz,  der  wörtlich   im  Gregor  315  wiederkehrt.  Daß  „pfelle  von 


426  MEISNER 

Alexandrie"  (Wigal.  264,  6)  im  Mittelalter  überhaupt  allgemein  bekannt 
und  berühmt  waren,  ist  wahrscheinlich;  jedenfalls  darf  daraus,  daß  diese 
Bezeichnung  im  Gregor  (880),  aber  nicht  im  Iwein  und  Erec  vorkommt, 
nicht  geschlossen  werden,  daß  sie  Wirnt  aus  ersterera  entlehnt  habe.  — 
Die  Kenntniss  des  Armen  Heinrich  bekundet  sich  bei  dem  Dichter 
des  Wigalois  besonders  durch  zwei  Stellen,  die  wir  in  beiden  Versionen 
einander  gegenüberstellen. 

AH  9  ff.  Wigal.  8,  26  fr.: 

Ob  er  iht  des  funde  Ob  ich  mit  mtnem  munde 

da  mite  er  swsere  stunde  raöhte  swsere  stunde 

raöhte  senfter  machen  den  liuten  senfte  machen 

und  von  so  gewanten  Sachen  und  von  solhen  sachen 

daz  gotes  eren  töhte  ....  daz  guot  ze  hoerene  wsere  .... 

und: 

AH  1363  ff.  Wigal.  59,  15  ff. 

Nu  hete  sich  diu  guote  maget  Nu  het  sich  diu  reine  maget 

so  verweinet  unde  verklaget.  beidiu  verweinet  und  verklaget 

vil  nähe  hin  unz  an  den  tot.  daz  si  vil  küme  mohte  leben, 

dö  erkande  ....  do  wart  .... 

Bei  weitem  mehrfach  berührt  sich  der  Wigalois  mit  Hartmanns 
Erec.  Hier  haben  wir  zunächst  eine  directe  Anspielung  auf  Erec  1605  ff. 
in  den  Versen  Wigal.  163,  4  ff.,  wobei  Wirnt  selbst  den  Namen  seines 
Gewährsmannes  Hartmann  nennt.  Man  hat  dieß  bei  unserem  Dichter 
nicht  mit  Unrecht  lobend  hervorgehoben,  daß  er  gerade  die  Namen 
seiner  beiden  Vorbilder  —  denn  auch  Wolframs  ist  im  Wigalois  ge- 
dacht —  angiebt.  Vielleicht  liegt  auch  in  den  Versen  Wigal.  77,  11  ff., 
wo  von  dem  „verligen"  gesprochen  wird  und  davon,  daß  ohne  Kampf 
und  Mühsal  kein  Ruhm  zu  erlangen  ist,  eine  directe  Anspielung  auf 
Erecs  Verliegen;  doch  müssen  wir  auch  die  Stelle  Iwein  2790  ff.  hierher 
ziehen,  wo  Hartmann  ebenfalls  über  das  Verliegen  spricht  und  als  Beispiel 
dafür  den  Erec  anführt.  Es  kann  also  Wirnt  ebensogut  durch  diese  Stelle 
zu  seiner  Reflexion  veranlasst  worden  sein.  —  Wir  finden  im  Wigalois 
ganze  Situationen  dem  Erec  nachgebildet,  von  denen  wir  annehmen 
können,  daß  sie  nicht  etwa  bereits  in  den  beiderseitigen  französischen 
Quellen  standen.  Zu  der  Schilderung  des  Reitpferdes  der  Enite  im 
P>ec  (7263  ff.  hat  man  als  Parallelstellen  ähnliche  ebenso  wunder- 
bare Beschreibungen  von  ausgezeichneten  Rossen  in  der  Eneide  Vel- 
deckes  148,  15  ff.  Flore  2736  und  Wigalois  68,  10  ff.  herangezogen.  Auf 
das  Verhältniss  der  einzelnen  zu  einander  ist  hier  nur  so  weit  einzu- 
gehen, als  wir  zu  zeigen  haben,  daß  Wirnts  Detailschilderung  der  im 


WIRNTS  VON  GRAVENBERG  VERHÄLTNISS  ZU  SEINEN  VORBILDERN.     427 

Erec  näher  kommt,  als  derjenigen  Veldeckes.  Dieser  letztere  giebt  das 
ausführlichste  Material;  jeder  Körpertheil  des  Rosses  und  jedes  Stück 
des  Zaumzeugs  ist  mit  betreffenden  Eigenschaftsausdrücken  angeführt, 
wobei  wir,  wenn  wir  alles  dieÜ  jetzt  lesen,  nicht  umhin  können,  über 
solch  sonderbare  Begriffe  von  Pferdeschönheit  zu  lächeln.  Alle  Farben 
sind  in  wunderlicher  Mischung  vertreten:  ein  Ohr  und  die  Mähne  weiß, 
das  andere  Ohr,  der  Hals  und  der  Schwanz  schwarz,  Kopf,  ein  Vorder- 
bein und  ein  Theil  des  Leibes  roth,  die  andere  Seite  falb,  die  „gouffen" 
endlich  apfelgrau;  —  das  ist  doch  etwas  zu  viel  für  unser  Vorstellungs- 
vermögen. Und  doch  ist  Veldecke  noch  von  Hartmann  auffallender- 
weise überboten  worden,  welcher  zwar  nicht  eine  so  glänzende  Farben- 
pracht entfaltet,  hingegen  einem  Streifen  längs  des  Rückgrates  eine 
grüne  Färbung  giebt.  Dieß  war  unserem  Wirnt  auch  zu  arg;  denn  er 
lässt  zwar  solchen  Streif  in  seiner  Schilderung  bestehen,  giebt  ihm  aber 
Avenigstens  schwarze  Farbe,  wodurch  sein  edles  Roß  zu  einem  drei- 
farbigen wird,  das  man  sich  wohl  vorstellen  kann,  mit  weißem  Grunde 
und  rothen  und  schwarzen  Flecken.  Nur  die  Farben  sind  also  im 
Wigalois  andere,  als  im  Erec,  sonst  ist  die  Zahl  derselben  und  die 
Vertheilung  übereinstimmend.  —  Weiter  finden  wir  noch  den  Einfluß 
von  Hartmanns  Erec  auf  Wirnt  in  der  Schilderung  des  Kampfes,  den 
Wigalois  mit  zwei  Riesen  besteht  (56,  11  ff.).  Im  Erec  wird  ein  solcher 
Kampf  V.  5287  ff.  geschildert  und  wir  können  mit  fast  unbezweifelbarer 
Sicherheit  nachweisen,  daß  Wirnt  diesen  zum  Muster  genommen  und 
nicht  allein  nach  einer  etwaigen  detaillierten  Beschreibung  seiner  Quelle 
gearbeitet  hat.  Dazu  müssen  wir  auf  die  Einzelheiten  eingehen.  Daß 
zwei  Riesen  stets  zusammen  als  Gefährten  auftreten  und  daß  man 
gegen  solche  nicht  nach  ritterlicher  Art  kämpfen  kann,  da  sie  keine 
Ritterwaffen  tragen,  das  sind  allgemeinere  Sagenzttge,  die  ein  Dichter 
dem  andern  nicht  erst  zu  entlehnen  braucht;  aber  vergleichen  wir  nur 
Stellen,  wie  folgende: 

Erec  5295:  mit  Wigal.  56,  17: 

dö  horter  eine  stimme  do  hortens  eine  stimme 

jsemerlichen  grimme  —  klägelich  und  grimme  — 

ferner 

Erec  5503:  mit  Wigal.  58,  5: 

daz  ros  nam  er  mit  den  sporn  —  sin  ros  nam  er  mit  den  sporn  — 
und  die  ganze  Art  und  Weise,  wie  es  zum  Kampfe  kommt  und  wie 
der  Kampf  vor  sich  geht:  da  reiten  beide  eine  lange  Strecke  —  Wirnts 
Ritter  eine  Meile  weit,  welcher  Ausdruck  sich  auch  an  der  betreffenden 
Stelle  Hartmanns  findet,  nur  daß  Erec   hier  schon  eine  Meile   geritten 


428  MKISNER 

ist,  ehe  er  den  Klageruf  hört,  —  beide  auf  unwegsamen  Pfaden  durch 
„ruhen  walt"  und  durch  „gedrenge'',  ohne  einen  anderen  Wegweiser 
zu  haben,  als  den  Klageruf  der  Frau;  beiden  gelingt  es,  den  einen  der 
Riesen  mit  dem  Speere  zu  tödten,  dann  springen  beide  vom  Rosse  zu 
Boden  und  obgleich  es  nun  einen  harten  Kampf  setzt,  gehen  unsere 
Helden  doch  beide  als  Sieger  aus  demselben  hervor.  —  Wir  stellen 
endlich  noch  gegenüber:  Erec  8128  ff.  mit  Wigalois  159,  37  ff.,  wo  an 
den  beiderseitigen  Helden  hervorgehoben  wird,  daß  sie  nicht  aber- 
gläubisch sind,  und  ferner  Erec  5924  ff.  mit  Wigalois  290,  3  ff.,  Avelche 
Stellen  beide  eine  Klage  über  die  Ungerechtigkeit  des  Todes  enthalten, 
der  rücksichtslos  jung  und  alt,  schön  und  häßlich  dahinrafft.  —  Andere 
übereinstimmende  Züge  und  Situationen,  wie  z.  B.  das  Vorkommen 
von  rothen  Rittern  in  beiden  Dichtungen  (Erec  9018;  (Wigalois  12,5 
und  74,  11),  der  wunderbare  Stein  an  Artus  Hofe  (Erec  1198;  Wiga- 
lois 42,  13);  ferner  die  Sitte,  vor  dem  Zweikampfe  eine  Messe  zu 
hören  (Erec  662  ff.  8636;  Iwein  4821.  6588;  Gregor  1909  und  oft; 
Wigalois  79,  29.  114,  31)  und  schließlich  die  beliebte  Wendung  bei^ 
der  Schilderung  der  Schönheit  einer  Frau,  daß  ihres  Gleichen  au* 
Erden  nicht  gefunden  werde  (Erec  8929;  Wigalois  23,  24.  67,  5.  108,  12) 
—  dieß  ist  wohl  alles  allgemeinerer  Art  und  braucht  wenigstens  nicht 
von  Wirnt  aus  Hartmanns  Erec  entlehnt  zu  sein.  Anders  aber  ist  es 
bei  den  folgenden  Stellen,  die  ich  nur  citiere,  da  die  Gegenüberstellung 
des  Textes  zu  viel  Raum  einnehmen  würde. 


igal  15,  33  und  29 

= 

Erec  8961. 

28,35 

= 

328. 

35,  23  und  56,  6 

= 

6230  (Büchl.  2,  479). 

44,8 

= 

297. 

52,  17 

= 

750. 

58,  28  (252,  39. 

258,  5. 

274,  3.  280,  7) 

= 

867. 

60,32 

= 

707.  6677.  8471. 

72,  15 

= 

3196. 

77,  29.  107,  28 

=r 

338.  2436.  (Iw.  1385). 

81,  19 

= 

862.  9253. 

97,  16 

= 

7769. 

103,  32 

= 

131. 

116,  15 

= 

2363  (Iw.  2993.  Greg.  481). 

127,  35 

^= 

8826  (Iw.  1326). 

129,  34 

= 

6900. 

1(57,  9 

= 

540. 

WIRNTS  VON  GRAYENBERG  VERIIÄLTNISS  ZU  SEINEN  VORRILDICRN.     429 

173,  17  =  169. 

185,  9  =  4553  (2733). 

Auch  hierbei  dürfen  Ausdrücke,  die  sonst  in  mhd.  höfischen  Epen 
wiederkehren,  wie  „den  schilt  ze  halse  nemen"  (Wigal.  16,  31  ;  Erec 
798.  3215;  Greg.  1425),  „als  diu  Sicherheit  was  getan"  (Wigal.  19,38; 
Erec  1017.  3905),  „her  guot  kneht"  (Wigal.  75,  23;  Erec  699),  ,.diu 
sper  under  die  arme  slaheu"  (Wigal.  171,6;  Erec  808.  2791.  5501; 
Gregor  1948;  Iwein  5025)  oder  gar  die  einfachen  Vergleiche:  weiß, 
wie  ein  Schwan  (Wigal.  68,  39;  Erec  329),  grün,  wie  Gras  (Wigal. 
15,  21  und  oft;  Erec  740.  7314),  hart,  wie  ein  Stein  (Wigal.  158,  33. 
179,  2;  Erec  433),  lüter,  als  ein  glas  (Wigal.  120,  22.  144,  23.  213,  11; 
Erec  4642)  u.  a.  m.  nicht  als  Entlehnungen  angenommen  werden.  — 
Schließlich  erübrigt  es,  noch  anzudeuten,  daß  vielleicht  die  Leydener 
Hs.  (B)  des  Wigalois  oder  vielmehr  deren  Vorlage  dem  Erec  am 
nächsten  steht.  Dieser  Gedanke  kam  mir  auf  bei  der  Stelle  Wigal. 
257,  7,  wo  die  erwähnte  Hs.  schreibt:  Lanzelet  von  Arlach  im  Gegen- 
satz zu  der  gewöhnlichen  Lesart:  Lanzelet  der  Arlac;  erstere  Schreibung 
findet  sich  Erec  1630  wieder.  Freilich  kann  ich  zu  meiner  Vermuthung 
vorläufig  nur  ein  Beispiel  anführen,  nämlich  Wigal.  284,  8,  wo  B  mit 
der  ursprünglichen  Lesart  zu  Erec  422  „überbaut"  statt  „oberhant" 
schreibt. 

Die  Erörterung  geht  nun  über  zu  dem  Einflüsse,  welchen  Hart- 
manns Iwein  im  Einzelnen  auf  den  Wigalois  gehabt  hat.  Auch  hier 
finden  wir  außer  der  directen  Anspielung  auf  Iwein  1229  ff.  in  den 
Versen  Wigal.  165,  12  Entlehnung  ganzer  Situationen  von  Seiten  Wirnts. 
Eine  solche  ist  zunächst  der  Kampf  der  Artusritter  mit  dem  Fremden 
(Wigal.  16,  25  fi'.),  welcher  sein  Muster  entschieden  im  Iwein  (4611  ff.) 
hat.  Zwar  findet  sich  die  Art  und  Weise,  wie  ein  solcher  Kampf  vor 
sich  geht,  daß  nämlich  die  Artusritter  und  an  ihrer  Spitze  gewöhnlich 
der  übermüthige  Kai  von  dem  fremden  Helden  besiegt  werden,  auch 
sonst  in  Artusromanen  wieder,  wie  in  des  Strickers  Daniel  von  Blumen- 
thal und  im  Gauriel  von  Muntavel,  und  es  kann  also  dieß  ein  Zug 
der  allgemeinen  Sage  sein,  wenn  wir  nicht  vielmehr  anzunehmen  haben, 
daß  auch  für  die  Schilderungen  des  Kampfes  in  diesen  beiden  Dich- 
tungen Hartmann  das  Vorbild  ist;  —  jedoch  ergeben  Übereinstimmungen 
im  Einzelnen  zwischen  den  Stellen  im  Iwein  und  Wigalois,  daß  der 
Verfasser  der  letzteren  nach  der  ersteren  gearbeitet  hat.  Nicht  wenige 
Verse  sind  nämlich  aus  dieser  Stelle  Hartmanns  von  Wirnt  wörtlich 
herübergenommen  worden,  so: 

...sprächen  mit  einem  munde  Wigal.   16,26.  Iw.  4568. 


430  MEISKER 

harnascli  unde  ors  (ros)  her  Wigal.  16,  28.  Iw.  4625. 

. .  .was   der  erste   an  die  vart  Wigal  16,  30  =  was   der  erste 

an  in  Iw.  4665. 
Segremors  erreit  in  do  Wigal.  17,  3.  Iw.  4701. 
Gäwein,  der  ie  in  riters    eren  schein  Wigal.  18,  17.  Iw.  4718. 
Daraus    ergiebt    sich    nicht    bloß ,    daß  Wirnten   etwa  bei  seiner 
Schilderung  die  Stelle  aus  dem  Iwein  vorgeschwebt,  sondern  daß  er  in 
der  That  nach  ihr  gearbeitet  hat.  —  Mit  der  Beschreibung  der  starken 
Rüel   im  Wigal.  162,  23  ist   die   des  Waldmenschen  im  Iwein  425  fF. 
zu  vergleichen;  zwar  sind  die  Ausdrücke  bei  Wirnt  abgeblasster,  doch 
ist  eine   solche  Übereinstimmung  da,    daß    auch   hier  dieser  als  Nach- 
ahmer erscheint.  Beide  Ungetüme  haben  dunkle  Farbe,    ungeflochtene 
wirre    Haare,    großes  Haupt,    finster    blickende   Augen,    lange   graue 
Brauen,  große  Zähne,  weiten  Mund  und  buckelige  Gestalt.  —  Das  Ge- 
spräch,   welches    Hartmann    zur    Belebung    der    Erzählung    im    Iwein 
(2962  ff.)  einflicht,   wobei   er   selbst  und  vrou   Minne   die  Unterredner 
sind,  kehrt  im  Wigalois  (149,  9  ff.)  wieder,    nur  daß  hier  der  Dichter 
sich  mit  seinem  „kranken  sin"  unterhält.  Der  erschöpfte  Iwein,  welcher, 
als  er  aus  seiner  Schmach  erwacht,  sich  fragt: 
bistuz  Iwein,  ode  wer? 
hän  ich  geslafen  unze  her?  (3509) 
hat  sein  Pendant   bekommen   im  Wigalois,    der   in   ähnlichem   Selbst- 
gespräch ausruft  (150,  18): 

Wigalois,  mäht  du  mir  sagen, 

waz  Wunders  hat  dich  her  getragen 


allez  min  leben  ist  ein  troum .  . . 
und  ihre  beiderseitige  Rettung  aus  solch  hilflosem  Zustande  geschieht 
durch  edele  Frauen  und  zwar  in  höfischer  feiner  Zucht,  damit  den 
Helden  ihre  „schemelichiu  schände"  (Iwein  3490;  ähnlich  Wigal.  152,  13) 
nicht  wehe  thun  solle.  Endlich  ist  vielleicht  noch  die  Erzählung,  wie 
Iwein  sich  zu  dem  Abenteuer  am  Brunnen  heimlich  aufmacht,  unbe- 
waffnet auf  seinem  Pferde  ausreitend,  und  dem  getreuen  Knappen  be- 
fiehlt, die  Rüstung  ihm  in  den  Wald  nachzubringen,  mit  der  Stelle  bei 
Wirnt  zu  vergleichen,  wo  Gawein  von  Liebe  zu  seiner  Gemahlin  Florie 
getrieben,  heimlich  von  Artus  Hofe  sich  wegbegiebt,  wobei  die  ange- 
gebenen einzelnen  Züge  aus  dem  Iwein  auch  wiederkehren.  —  Wir 
schließen  hieran  die  Entlehnungen  einzelner  Verse  und  Wendungen 
aus  Iwein,  die  sich  im  Wigalois  finden : 


WIRNTS  VON  GRAVENBERG  VERHÄLTNISS   ZU  SEINEN  VORBILDERN.     43I 


Wigal.  18,  17 

= 

Iwein  4718. 

18,25 

= 

4393. 

19,  8 

— 

1014. 

19,18 

= 

7124. 

23,31. 

30, 10. 

36  20.40,9 

. 

98,  30.  99, 

25 

= 

339.1925.2089.2422.3137 

3517. 

35,  1 

= 

7790. 

55,3 

=r 

1263. 

61,32 

= 

5012. 

67,8 

= 

1683. 

68,2 

= 

2959  (554  u.  oft). 

77,29 

= 

1385  (Erec  338). 

78,39 

= 

6751. 

93,  18 

= 

5311. 

116,  34 

= 

5351  (5204). 

127,  34 

= 

1326  (Erec  8826). 

131,2 

= 

1136. 

152,  13 

= 

3490. 

152,  26 

= 

6309. 

171,6 

r= 

5025. 

171,  14 

— 

479. 

175,  1 

= 

6724. 

185,2 

= 

7563. 

192,  25 

= 

2230. 

238,  1 

= 

8065. 

239,  37 

(55,  25) 

= 

6686. 

244,  33 

= 

6200. 

Durch  diese  Aufstellung  der  von  Wirnt  aus  Hartmanns  Werken 
entlehnten  Stellen  ergeben  sich  mir  einige  Vermuthungen,  die  schließ- 
lich hier  ihren  Platz  finden  mögen.  Sicher  ist,  daß  aus  dem  Iwein  viel 
mehr  Verse  wörtlich  herübergenommen  sind,  als  aus  dem  Erec,  und 
wenn  man  solche  wörtliche  Benutzungen,  wie  es  kaum  möglich  ist,  als 
bloße  Remiuiscenzen  nicht  ansehen  kann,  so  ergiebt  sich  daraus,  daß 
Wirnt  eine  Hs.  des  Iwein  vor  sich  gehabt  hat.  Die  aus  dem  Erec  ent- 
lehnten Stellen  erscheinen  im  Wigalois  viel  mehr  verarbeitet,  woraus 
man  also  eher  auf  unwillkürliche  Erinnerungen  schließen  kann.  Allein 
ein  anderer  Punkt  drängt  sich  uns  bei  Durchsicht  der  obigen  Zusam- 
menstellung noch  auf,  daß  nämlich  nach  dem  Ende  des  Wigalois  zu 
die  Entlehnungen   aus  Hartmann   abnehmen  nnd    zwar   so   bedeutend. 


432  SPRENGER 

daÜ  in  dem  zweiten  Drittel  von  Wirnts  Dichtung  nur  etwa  die  Hälfte 
der  Parallelstellen  aus  Hartmann  nachzuweisen  ist,  die  wir  zu  dem 
ersten  Drittel  fanden ;  im  letzten  Theile  zeigen  sich  kaum  noch  Spuren 
von  Entlehnungen  aus  Iwein  und  Erec.  Diese  Thatsache  wird  zunächst 
dadurch  erklärt,  daß  während  des  Dichtens  Wirnts  „kranke  kunst" 
gestärkt  ward,  so  daß  er  überhaupt  in  der  letzten  Partie  seines  Werkes 
eine  freiere  Entfaltung  seines  Talentes  zeigt;  der  Hauptgrund  zu  obiger 
Erscheinung  aber  ist  der  Einfluß  Wolframs,  welcher,  wie  später  gezeigt 
w^erden  wird,  in  der  zweiten  Hälfte  des  Wigalois  schnell  wachsend 
zunimmt. 

BERLIN.  Dr.  HEINRICH  MEISNEK. 


DIE  BENUTZUNG  DES  PARZIVALS  DURCH 
WIRNT  VON  GRAVENBERG. 


Bekanntlich  hat  Wirnt  von  Gravenberg  in  seinem  Wigalois,  nach- 
dem er  sein  Werk  etwa  bis  zur  Mitte  in  der  Stilart  Hartmanns  von 
Aue  verfasst,  dann  Stücke  des  Parzival  erhalten  und  von  da  an  sich 
durch  Wolframs  Stil  beeinflussen  lassen.  Wie  viel  ihm  von  demselben 
zugekommen,  ist  noch  nicht  ausgemacht.  Lachmann  handelt  darüber 
an  zwei  Stellen.  Zum  Iwein  S.  479  bezeichnet  er  die  Frage  als  offene. 
Sichere  Beispiele  der  Entlehnung  von  Wolfram  weiß  er  nur  aus  den 
drei  ersten  Büchern  des  Wigalois  aufzuführen,  ob  Wirnt  bei  Z.  11569 
(munt  von  wibe  nie  gelas)  schon  den  Anfang  des  5.  Buches  vor  Augen 
gehabt,  scheint  ihm  zweifelhaft.  Zu  Wolfram  S.  XIX  unten  spricht  er 
sich  dagegen  so  aus:  'Wirnt  v.  Gr.  kennt  (Wig.  8244)  das  zweite, 
(Wig.  6325)  das  dritte,  nicht  das  sechste  (Buch  des  Parzival),  aus  dem 
ihm  in  seinem  Zusammenhang  sonst  Kundrie  hätte  einfallen  müssen'. 
Bei  einer  genauen  Vergleichung  des  Parzival  und  Wigalois  in  dieser 
Beziehung  hat  sich  mir  ergeben,  daß  sich  Entlehnungen  aus  sämmt- 
lichen  sechs  ersten  Büchern  des  Parz.  bei  Wirnt  nachweisen  lassen. 
Ich  werde  dieselben  nach  der  Reihenfolge  der  Bücher  des  Parz.  in 
Folgendem  aufführen.  Doch  betrachten  wir  vorher  den  Einwand  Lach- 
manns, den  er  gegen  die  Bekanntschaft  Wirnts  mit  dem  sechsten 
Buche  macht.  Es  ist  allerdings  Wirnts  Art  an  geeigneten  Stellen  seines 
Gedichtes  an  ähnliche  Personen  und  Situationen  im  Parzival  zu  er- 
innern. So  erwähnt  er  8242    die  Bestattung    des   Gahmuret   zu  Baldac 


DIE  BENUTZUNG  DES  PARZIVALS  DURCH  WIRNT  VON  GRAVENBERG.  433 

aus  dem  zweiten  Buche  und  stellt  6325  die  Schönheit  der  Jeschute  in 
Gegensatz  zu  der  Abscheulichkeit  Rüels  und  erinnert  dabei  an  eine 
Situation  im  dritten  Buche  des  Parzival.  An  gleicher  Stelle,  fordert 
L.,  hätte  ihm  die  Cundrie  einfallen  sollen.  Es  lässt  sich  aber  erweisen, 
daß  Wirnt  die  Cundrte  gekannt  hat,  da  er  viele  Züge  zu  seiner  Rüel 
der  Beschreibung  der  ersteren  bei  Wolfram  entlehnt  hat.  Ich  setze 
die  ähnlichen  Stellen  aus  der  Schilderung  beider  hex\ 
Wig.  6292  heißt  es  von  Rüel: 

ir  här  enphlohten  unde  lanc 

ze  tal  in  ir  buoge  ez  swanc 
Parz.  313,  17  von  Cundrie 

über  den  huot  ein  zopf  ir  swanc 

unz  üf  den  mül:  der  was  so  lanc. 
Ferner  Wig.  6297. 

groze  zene,  witen  munt 

si  het,  oren  als  ein  hunt. 

diu  hiengen  nider  spanne  breit. 
Vergl.  mit  Parz.  313,  21 

si  was  genaset  als  ein  hunt. 

zwen  ebers  zene  ir  für  den  munt 

giengen  wol  spannen  lanc. 
Dazu  vergl.  auch  Wig.  6394: 

si  het  houbet  als  ein  hunt, 

lange  zene,  wlten  munt. 
Rüel   hat  Wig.  6323  ballen  herte   als   einem   bern.   Vergl.  Parz. 
313,  29  Cundri  truoc  oren  als  ein  ber. 

Demnach  scheint  die  Annahme  zulässig,  daß  Wirnt  die  Cundrie 
hier  deßhalb  zu  erwähnen  vermeidet,  weil  jedem  seiner  Leser,  der  mit 
dem  Parzival  bekannt  war,  diese  bei  der  Ähnlichkeit  der  Schilderung 
von  selbst  einfallen  musste.  Auch  wäre  die  Schilderung  zu  lang  ge- 
worden, die  schon  durch  die  Erwähnung  der  Jeschute  an  derselben 
Stelle  breiter  geworden  war. 

Ich  zähle  nun  die  einzelnen  Entlehnungen  nach  der  Reihenfolge 
der  Bücher  des  Parzival  auf. 

Parz.  I. 
9,  11  din  manheit  ist  üz  erkorn 
vergl.  Wig.  11290  ritter  wol  geborn, 

der  manheit  was  üz  erkorn. 
56,  3  so  wirt  ab  er  an  strlte  ein  schür, 
den  vinden  herter  nächgebür. 

GERMANIA.  Keue  Reihe.  VIII.  (XX.  Jahr   ,  28 


434  SPRENGER 

Vgl!  Wig.  9417   herzeliebe  ist  ein  schilr, 

dem  libe  ein  hertcr  nächgebür. 
vgl.  auch  10987  vil  herte  nrichgebüre 
wären  in  die  sarjante. 
Auch  Wig.  11552 

trasret  schäm  ob  allen  iuwern  siten 
lässt  sich  vergleichen  mit  Parz.  3,  5: 

schäm  ist  ein  sloz  ob  allen  siten. 
In   diesem  Buche   des  Parz.   (27,  29)    erscheint    auch   zuerst    das 
golt  von  Azagouc,  das  Wirnt  daher  entlehnt  hat  (s.  Lachmann  z.  Nib. 
417,  6). 

Parz.  II. 
69,  11  da  sich  die  ponder  wurren 
Wig.  8453.  Sü  sich  der  poinder  wirret. 
Dazu  vergleiche  noch 

106,  2.  die  poynder  sich  tä  flähten. 
mit  Wig.  8449.  so  sich  die  poynder  flsehten. 
73,  7.  da  wart  verswendet  der  walt. 
vgl.  Wig.  11105.  den  walt  si  vers wanden. 

Dieselbe  Wendung  findet  sich  noch  79,  22;  81,  9  und  Wig.  10998. 
78,  7  heinlich  gevaterschaft 

wart  da  zefuort  mit  zornes  kraft, 
vgl.  Wig.  8848.  da  wurde  gevaterschaft  zertrant. 
und  10966.  da  was  dehein  gevaterschaft. 
103,  18.  dö  brast  ir  freuden  klinge. 
Wig.  10123.  diner  freuden  klinge. 

muoz  bresten  von  der  meintät. 
An  die  Bestattung  Gahmurets  zu  Baldac  wird,  wie  schon  erwähnt, 
8244  erinnert.     Hier  hat  Wirnt  auch  die  Schilderung  des  Sarges   von 
Wolfram  entlehnt.     Vergleiche 

Parz.  107,  1.  mit  golde  loart  gelieret, 
groz  riheit  dran  gekeret 
mit  edelem  gesteine, 
da  inne  lac  der  reine 
mit  Wig.  8300. 

sus  wart  der  sarc  geheret, 
groz  richeit  dran  gekeret. 
Vielleicht  ist  hier  auch  zu  vergleichen 

109,  11.  der  aller  ritter  bluome  wirt 
mit  Wig.  10218.  der  ir  herzen  bluome  was. 


DIE  BENUTZUNG  DES  PARZIVALS  DURCH  WIRNT  VON  GRA VENBERG.     435 

Doch  findet  sich  hluome  schon  bei  Hartmann  bildlich  gebraucht: 
a.  H.  60. 

Parz.  III. 

Es  ist  zu  vergleichen 

108,  28.  ein  stam  der  diemüete 
mit  Wig.  9297.  her  Wigalois,  der  triuwen  stam. 
denn  stam  in  metaphorischer  Bedeutung  ist  Wolfram  eigenthümlich. 
Ferner  116,  13.  wipheit,  dm  ordenlicher  site 

dem  vert  und  fuor  ie  triwe  mite, 
und  Wig.  8268.  mit  zühteclichem  sinne 

lebt  si  nach  wiplichem  site: 
dem  volgte  ganziu  triuwe  mite. 
Zu  vergleichen  ist  auch 

131,  20.  ir  was  sin  kraft  ein  ganzez  her 
und  Wig.  6364.  ir  einer  Sterke  was  im  ein  her 
wegen  der  Personification  von  kraft  und  sterke.  Die  Redensart 
*einem  ein  her  sin  selbst  ist  sprichwörtlich  und  findet  sich  bei  Wirnt 
auch  V.  6609.  In  diesem  Bache  findet  sich  auch  zuerst  die  Form 
tavelrunder,  die  Wirnt  am  Ende  seines  Gedichtes  anwendet,  obgleich 
er  vorher  mit  Hartmann  tavelrunde  sagt  [s.  Lachmann  z.  Iw.  4530]. 
Vielleicht  ist  noch  hierher  zu  rechnen:  'liär  üzer  swarten  brechen'. 
Parz.  138,  17 — 19.  Wig.  7711,  da  wenigstens  Hartmann  das  Wort  sivarte 
vermeidet.  Dann  ist  noch  zu  vergleichen  141,  3  sin  triwe  er  nie  ver- 
scherte mit  Wig.  10263.  diu  triuwe  ist  verschertet  und  11502.  triuwe 
äne  valsches  scharten  und  zuletzt 

178;  3.  des  ist  mir  dürkel  als  ein  zun 
min  herze  von  jämers  sniten. 
mit  Wig.  7740: 

mit  so  jsemerlicher  klage, 
da  von  ir  herze  dürkel  wart. 
Daß  Gurnamanzen's  Rath  dem  3.  Buche  des  Parz.  nachgebildet, 
bemerkte  schon  L.  z.  Iw.,  S.  479. 

Parz.  IUI. 

Vielleicht  ist  es  nicht  zufällig,  dass,  wie  181,  13,  so  auch  Wig.  6547 
gerade  60  Ritter  erwähnt  werden.  Sonst  bietet  dieses  Buch  weniger. 
Zu  vergleichen  ist  etwa  noch 

197,  8.  ietweder  ors  üf  hähsen  saz 
und  Wig.  6656.  diu  ors  geliehen  wanc 

üf  die  hähsen  täten  nider. 

28* 


43G  SPRENGER,  DIE  BENTTZUNG  DES  PARZIVALS  etc. 

203,  9.  der  alte  und  der  niinve  site 
findet  sich  auch  Wig.  10817. 

Parz.  V 
ist  wenig  benutzt.  Ausser  dem  schon  von  L.  bemerkten  'munt  von 
wibe  nie  gelas'  224,  12,  das  Wig.  11569  wiederkehrt,  ist  nur  noch  zu 
bemerken ,  daß  der  zwölfsilbige  Vers  Wig.  10506  uns  enhale  diu 
äventiure  gelogen  in  der  Handschrift  B  ganz  gleichlautend  mit  Parz. 
224,  26  überliefert  wird.  Man  kann  zweifeln,  ob  hier  Reminiscenz  des 
Schreibers  vorliegt,  oder  ob  der  Dichter  selbst  so  geschrieben  hat.  Doch 
scheint  mir  letzteres  wahrscheinlich  und  die  Lesart  von  B  in  den 
Text  aufzunehmen.     Gerade 

Parz.  VI 

ist  von  Wirnt  reichlich  benutzt.  Es  ist  neben  den  oben  erwähnten 
Ähnlichkeiten  in  der  Beschreibung  der  Rüel  und  der  Cundrie  des 
Parz.  noch  folgendes  anzumerken: 

V.  281,  21.  diz  msere  ist  hie  vast  undersniten 
kehrt  fast  wörtlich  wieder 

Wig.  10815.  diz  msere  ist  hie  mit  undersniten. 
Ferner  ist  zu  vergleichen 

297,  11.  er  was  ir  fuore  ein  strenger  hagel, 
noch  scherpfer  dan  der  bin  ir  zagel. 
mit  Wig.  7790.  owe  dir,  Tot!  du  bist  ein  hagel. 
vil  bitter  riuwe  treit  dtn  zagel. 
313,  6  wird  Cundrie    genannt   'der    freuden  schür ,    ebenso  Lion 
Wig.  9820,  10718. 

Zusammenzustellen  ist  auch 

313,  8.  ein  kappe  wol  gesniten 

al  nach  der  Franz oiser  siten. 
mit  Wig.  10548.  ir  rok  und  ir  mantel  lanc, 
wol  bezogen  unde  gesniten 
nach  der  Franzoiser  siten. 
315,  3  heißt  es  von  Artus : 

din  stignder  pris  nü  sinket, 
din  snelliu  wirde  hinket, 
damit  ist  zu  vergleichen 

Wig.  11681.  daz  der  werlt  freude  sinket 
und  ir  ere  hinket. 
hinken   auf   ein  Abstractum   angewendet,    findet  sich  im  Parz.  vorher 
nur  noch  115,  5  sin  lop  hinket  ame  spat. 


JEITTELES,  MITTHEILUNGEN  AUS  GRAZER  HANDSCHRIFTEN.       437 

318,  29  wird  die  Burg  Munsalvaesche  ^jämers  zu  genannt.  Dem 
ist  nachgebildet  bei  Wirnt  die  Benennung  der  Burg  Korntin  als  ^der 
fröuden  zit  Wig.  9238,  11615.  —  Parz.  327,  12  wird  der  Ausdruck 
'der  fröuden  zil  von  Condwiramurs  gebraucht;  Wig.  8359  wird  Larie 
so  bezeichnet.  Zu  vergleichen  ist  auch  Wig.  9699  minneclicher  frou- 
wen  vil,  der  schoene  ist  gar  der  fröuden  zil. 

Ueber  das  sechste  Buch  hinaus  findet  sich  keine  Stelle,  die  von 
Wirnt  nachgeahmt  wäre.  Es  ist  also  anzunehmen,  daß  er  nur  die 
ersten  sechs  Bücher  gekannt  hat.  Überschauen  wir  aber  die  gesammelten 
Stellen,  so  ergibt  sich  zugleich,  daß  der  Dichter  diese  sechs  Bücher 
nicht  nach  und  nach,  sondern  zugleich  hat  kennen  lernen.  Das  gibt 
zu  der  Vermuthung  Anlaß,  daß  auch  Wolfram  sein  Werk  nicht  Buch 
für  Buch  habe  ausgehen  lassen,  sondern  erst  nachdem  die  ersten  sechs 
Bücher,  die  einen  gewissen  Abschluß  der  Erzählung  geben,  vollendet 
waren,  Abschrift  und  Verbreitung  gestattet  habe. 

GÖTTINGEN.  R.  SPRENGER. 


MITTHEILUNGEN  AUS  GRAZER  HAND- 
SCHRIFTEN. 

1.  Segeiis§pruche. 

a)  Hirtensegen. 

Der  in  Grimms  Mythologie  1.  Ausg.  S.  CXXXVII  mitgetheilte 
Spruch  findet  sich  in  folgender  fast  wörtlich  übereinstimmender  Form 
auf  dem  letzten  Blatte  eines  lateinischen  Papiercodex  aus  dem  15.  Jahrb., 
welcher  der  k.  k.  Universitätsbibliothek  in  Graz  gehört  und  daselbst 
unter  Sign.  38/31  4".  aufgestellt  ist. 

Ich  treib  hewt  aus  in  unser  lieben  frawn  haws  in  Abrahams 
garten,  der  lieber  herr  sand  Mertein  schol  heut  meinis  fich  phlegen  ^)  und 
warten  und  der  lieber  herr  sand  wolflgangus,  der  lieb  herr  sand 
peter  der  hat  den  hymelischen  slussel,  dy  versperrent  dem  wolflf 
und  der  wulpin  yren  drussel,  das  sew  weder  plutt  lassen  noch  pain 
schroten,  des  helfF  mir  der  man,  der  chain  übel  nye  hat  getan  vnd 
dye  heyligen  v  wunden  pehüten  mein  fich  von  allen  holzhunden. 
V  pater  und  v  Ae  Maria. 


')  Hs,  phelhen;  davor  stehen  die  durchstrichenen   Worte:  phleger  sein. 


438  JEITTELES 

Die  gereimte  Beschaflfenheit  des  Spruches  ist  deutlich;  ich  will 
sie  durch  folgende  metrische  Reconstruction,  die  natürlich  nur  auf 
Wahrscheinlichkeit  Anspruch  macht,  dem  Auge  und  Ohre  erkennbarer 
werden  lassen. 

Ich  treib  heut  aus 

in  unser  lieben  frauen  haus, 

in  Abrahames  garten. 

der  liebe  herr  sant  Märten 

schol  heute  meines  fihes 

phleger  sein  und  warten 

und  der  liebe  herr  Wolfgangus, 

der  liebe  herr  sant  Petrus 

mit  dem  himelischen  slüßel 

die  versperrent  dem  wolfe 

und  der  wulpin  iren  drüßel, 

daß  seu  wdder  blüt  laßen 

noch  bain  schroten. 

des  helf  mir  der  man, 

der  chain  übel  nie  hat  getan^ 

und  die  heiligen  fünf  wunden 

behüten  mein  fich  vor  allen  holzhunden. 
Neben  dem  Endreim  schlägt  zugleich  die  Allitteration  noch  in 
wahrnehmbaren  Tönen  ans  Ohr,  so  in  Vers  10.  11  loolf  und  loulpin, 
12.  13  hlut  und  bain  und  endlich  in  dem  Schluß verse  hehiUen  und 
holzhunden.  Die  Verse  12.  13  erinnern  unwillkürlich  an  die  anklingende 
Stelle  des  2.  Merseburger  Zauberspruches:  söse  benrenkt,  sose  bluo- 
trenki,  sose  lidirenki.  Kein  Zweifel  nach  alledem,  daß  in  obigem 
Spruch  trotz  arger  Entstellung  die  ursprüngliche  Form  noch  theil- 
weise  erhalten  vorliegt. 

Denselben  Segensspruch  kennt  nun  auch  noch  der  lebendige 
Volksmund.  Es  dürfte  nicht  uninteressant  sein  seine  heutige  Gestalt, 
wie  sie  z.  B.  in  Obersteiermark  erscheint,  mit  jenem  altern  Texte  zu 
vergleichen.  Ich  verdanke  dieselbe  der  gütigen  Mittheilung  der  Freiin 
Fanni  von  Thinnfeld  in  Deutsch-Feistritz,  die  den  Spruch  in  der 
Mitte  der  fünfziger  Jahre  um  Neujahr  von  einem  alten  Manne  in  feier- 
licher, halb  singender  Weise  vortragen  hörte.  Wie  mir  die  Freiin 
schreibt,  scheint  der  Vortragende  'ein  Almhalter  gewesen  zu  sein,  der 
zu  Neujahr  heraus  ins  Thal  gekommen  war,  um  seine  Vorräthe  zu 
ergänzen,  indem  er  auf  seinen  Haltersegen  hin  betteln  gieng'. 


MITTHEILUNGEN   AUS  GRAZER   HANDSCHRIFTEN.  439 

Halter  Segen. 
Glück  herein  und  Glück  heraus! 
es  trittet  ein  alter  Almhalter  in  euer  Haus, 
im  süßen  Namen  Jesu  trittet  er  herein, 
und  alles  soll  gesegnet  sein: 
euer  Rinder,  Schof  und  Schwein 
sowie  der  wahre  Kelch  und  Opferwein! 
Kommt  der  heilige  Petrus  mit  dem  Himmelsschlüßel, 
spirrt  allen  wilden  Thieren  er  den  Rüßel, 
dem  Bären  seine  Pratzen, 
dem  Wolfen  seine  Zung' 
und  dem  Luchsen  seinen  Mund, 
daß  er  kein  Häutl  nit  zerreißt, 
kein  Beinl  nit  zerbeißt 
und  kein  Blutstropfen  nit  saufen  kann. 
Wer  diesen  Segen  spricht,  wird  selten  krank.  — 
Der  Haltersegen  ist  gesprochen 
auf  ein  Jahr  mit  zwei  und  fünfzig  Wochen. 

h)  Waffeusegen. 
Swer  den  segen  all  tag  spricht,  der  sol  daz  sicherleichen  *)  ge- 
lauben,  daz  in  chaiu  waiFen^)  nicht  verbimden  mag.  Herr,  ich  euphilch 
mich  hiut  in  al  dein  macht  und  in  des  heiligen  chreuzes^)  chraft  und 
in  die  cheusch  meiner  frawen  sand  Marien^).  Vor  allen  meinen  veinden^) 
sichtigen  und  unsichtigen  gesegen  mich  der  segen,  den  der  priester 
tut  mit  unserm  herrn  über  sein  heiligez  ^)  plüt ,  daz  unserm  herrn  auz 
seinen  heiligen  fünf  wunden  wut').  Daz  sei  uns  hiut  und  ze  allen 
Zeiten  vor  allen  wuntwaflfen  gut.  Und  vor  allen  unsern  veinden  ^)  unser 
sei  und  unser  lösten  zeit,  vor  den  posen  gaisten  muzen  wir  hiut  und 
ze  allen  zeiten  als  wol  gesegent  sein  als  der  chelch  und  als  der  wein 
und  als  daz  lebentig^)  prot,  daz  unser  herre  seinen  heiligen  jungern 
pot,  vor  allem  ungelüche,  daz  uns  schedleich  sei  an  leib  oder  an  sei. 
Dar  zu  sprich  v  pr.  iöif.  und  v  ave  maria. 


Papierhs.  41/85  in  klein  4".  der  Grazer  Universitätsbibliothek. 
Mitten  unter  lateinischen  Tractaten,  Interlinearglossen  und  Gedichten 
befindet   sich   ein  Blatt   mit   deutschem  Text,    an    dessen  Ende   obiger 


')  Siecherleichen.  ^)  waffen  fehlt.  ')  chrseutz.  *)  Maria.  *)  veite. 

*)  heiliges.  ')  wut.  ')  veiden.  *")  lemtig. 


440  JEITTELES 

Waffeusegen  steht.  Die  ursprünglich  poetische  Form  desselben  ist  aus 
den  noch  erhaltenen  Reimen  unschwer  zu  erkennen.  Unmittelbar  voran 
geht  in  der  Handschrift  folgendes  Gebet:  Hwan  ein  mensche  an  dem 
tot  leit,  so  sol  man  im  daz  pet  vor  sprechen:  herr,  durchgenz  [mich]  mit 
der  gab  des  heiligen  gaist  (sie),  herr,  trench  mich  auz  dem  Ursprung 
deiner  gruntlosen  parmherzichait,  herr,  durchleuchte)  mich  mit  dem 
Spiegel  deiner  chlaren'*)  gothait  und  ain  pater  noster,  ave  Maria. 

Es  ist  dieselbe  Handschrift,  aus  welcher  Anton  Schönbach  in  der 
Zeitschr.  f.  d.  Alterthum  XVHI,  80—81  einen  Wundsegen  und  eine 
Traumdeutung  mittheilte. 

2.  Von  den  vier  Temperamenten^). 

1.  Wildu  menschen  art 
ganz  auf  erden  werden*), 
weiser  man,  gelart, 

daz  du  in  derchennest  am  gesiebte, 

Der  sangwineus  ■'') 

gerne®)  lachet,  wachet'), 

singet  und  auch  muz^) 

gütig  sein  dem  guten,  arg  dem  wichte, 

Menleich  und  zürnet  seiden®), 

sein  antlutz  rot  und  offenwar  gefrütet  '") ; 

wirt^')  Zornes  flamm  sich  melden, 

in  im  sein  mut  mit  grimmes  räche  wütet; 

wild  und  "^)  cheusch,  rechtleibig, 

von  adel  seines  plütes, 

an  rechter  stat  peleibig 

und  ist  getreues  gemütes. 

art  der  luft  der  selbig  hat, 

feucht  und  warm  ^^)  nach  aller  maister  richte. 

2.  Der  colericus 

ist  geformet,  normet 

und  gesittet  sus  '■*) : 

rauch  sein  prust  und  lutzel  mag  vertragen, 

Trugehaft  er  ist, 


')  durch  laicht.  »)  chlam.  »)  Titel  fehlt.  *)  s.  mhd.   Worth.  III,  605. 

')  sangvviner.  ")  gern.  ')  nemlich   er    ist  mtmter.  *)  singet  fehlt. 

•j  vne  zürnet  selten.  ""j  a.  mhd.   Wtb.  III,  ;^90.  Hs.  geferwet.  ")  weit. 

")  und  fehlt.  '^)  warrab.  •*)  stift. 


MITTHEILUNGEN  AUS  GRAZER  HANDSCHRIFTEN.  441 

sneller  spräche,  räche 

und  auch  hoher  list, 

frezzig,  als  die  alten  maister  sagen, 

Freidig,  geraines  leibes; 

er  geit  auch  mer  durch  ^)  rümes  den  durch ^)  milde; 

auch  gert  er  manigs  weibes 

und  doch  lutzel  mag;  gelvar  [ist]  sein  pilde; 

gar  raid  ist  sein  gemute, 

als  oft  sein  har  pezaiget, 

zu  zorn  und  auch  zu  gute 

sein  herz  sich  palde  naiget. 

feuers  art  der  selbig  hat, 

trucken  heiz  den  steiz,  die  maister  sagen '^). 

Von  der  chünste  ainfluzz^) 

ich  wol  chenne,  nenne 

den  flegmaticus.  *) 

er  ^)  ist  vaizt  ^)  und  ungeraines  ')  leibes, 

Weiz  sein  aneblick^), 

gar  zu  plunsen^)  dunsen, 

und  auch  slseferig  ^") ; 

er  mag  vil  und  gert  doch  lutzel  weibes; 

Faul,  frezzig  unde  trsege^^); 

er  spirzet*'^)  vil  und  wirt  auch  leichte  suchtig, 

unsauber  albege  ^^) 

von  feuchte  groz,  zu  der  gepürde  tüchtig; 

die  wazzersucht  in  irret 

vil  mer  den  ander  leute; 

von  wizzen  er  sich  verret, 

daz  ich  sein  lob  treute  '*). 

wages  art  der  selbig  hat, 

feucht  und  ehalt,  daz  du  peweret  ^^)  schreibest. 

Melancolicus 

hat  vil  tadel,  adel, 

doch  ich  sagen  muz 

von  im:  er  ist  dechtig^^)  und  ist  weise, 


*)  durich.  ^)  iagn.  ^)  chiinst  ain  flüzz.  •»)  flemnatic^  ^)  ez. 

*)  vaist.  ')  ungeray  (sie).  *)  antlutz.  ')  vgl.  Schmeller  bayer.    Wtb.  V,  459. 

•")  sleffrig.   Cod.  pal.  schlaffet  dick.  »»)  vnd  tregS.  ")  s.  mhd.    Wtb.  II/2,  514, 

Schmeller  IP,  685.       ")  albeg.         '♦)  nicht  treute.         '*)  pewert.         '«)  =  beda;chtig. 


442  JEITTELES 

Freuden  [er]  lutzel  acht; 

zu  getichte  phlichte 

hat  er  unde  ^)  lacht 

selten,  an  dem  selben  ich  in  preise; 

Neidisch '^)  und  grozer  cherge, 

zu  allen  Zeiten  er  sorget  unde  trübet  '), 

der  geitichait  ain  verge; 

chünst  und  schetz  er  pirgef)  und  vergrübet^); 

sein  antlutz  plaich  geschicket  ^) 

und  selten  lang  ze  sehen, 

oft  auf  die  erden  er  plicket, 

plod  ist  er,  hör  ich  jehen. 

Irdisch')  art  der  selbig    hat, 

trucken  ehalt,  sagen  uns  die  maister  greise  *). 

Seit  wir  an  gestalt 

daz  gemüte,  gute 

des  menschen  chennen^),  pald 

lieb  dem  ain '"),  .hazz  wir  dem  andern  tragen, 

Merch^^)  du  weiser  lai: 

wie  gar  freundig  pündig  "^) 

sint  durch  liebe  ^^)  zwai, 

häzzig  zwai  die  er  sich  nie  gesagen^*). 

Gleich  freut  sich  seins  geleichen, 

so  sprichet  der  nature  maister  lere  ^^), 

daz  niemant  chan  verstreichen: 

zwo  gleiche  ^^)  art,  stat^'^)  gunst,  zu  sammen'^)  clieren  ^^). 

Papierhs.  40/11  in  8°  der  Universitätsbibliothek  in  Graz.  Zeilen 
unabgesetzt.  Der  Text  dieses  Heinrich  von  Mügeln  angehörigen  Ge- 
dichtes (vgl.  Schröer  S.  485)  ist  vielfach  verderbt*).  In  demselben  Codex 
steht  von  derselben  Hand  geschrieben  ein  deutscher  Cisiojauus,  den  ich 
demnächst   in   diesen  Blättern  zu  veröffentlichen  mir  vorbehalte. 


')  vnd.  *)  neides.  *)  sarget  rnd  trübet.  ■•)  purget.  *)  ver- 

grebet.  ^)  geschichet.  '')  In  dise.  *)  weisen.  *)  chennet. 

*")   lieb    dein.  ")    merich.  **)   verbündet,   s.    Lexer   Handw.    I,   382. 

*^)  durich  liebew.  '^)  gesahen.  '^)  1er.  '^)  gleichew.  '")  sart. 

'8)  samme.  *^)  der  Schluß  der  Strophe  fehlt. 

*)  jlch  habe  die  Heidelb.  Hs.  .392,  Bl.  115  zur  Berichtigung  herangezogen.  K.  B.] 


MITTHEILUNGEN  AUS  GRAZER  HANDSCHRIFTEN.  443 


Grereimte  Gebete  des  15.  Jahrh. 
0  almäclitiger  vater  herr  Jesu  Christ, 
die  leibuarung  du  uns  geben  pist; 
die  sei  gesegent  und  perait 
uns  allen  mit  aller  sseligkeit, 
daz  uns  darinne  beruer  kain  wee: 
daz  welle  got,  sprechet  benedicite, 
0  herr,  haiz  daz  ez  gesegent  sei. 
got  Avon  uns  und  dem  ezzen  pei 
und  auch  dem  getrank, 
daz  ain  iegleich  mensch  got  also  dank, 
daz  er  sich  über  uns  erparm. 
Gelobt  sei  got,  sprechet  reich  und  arm, 
die  drivalt  in  dem  höchsten  thron, 
die  loben  wir  mit  dem  kyrieleison: 
got  vater  von  himelreich, 
weschirm  uns  hie  und  dort  ewigleich 
durch  ^)  deinen  vil  heiligen  namen 
vor  allem  übel.  Amen. 


Groz  lob  sagen  wir  dem  herrn^), 

alle  menschen  sollen  in  loben  gern; 

mit  uns  ist  sein  parmherzigkait, 

ewig  ist  sein  weishait. 

Der  drivalt  sagen  wir  lob  und  ere, 

die  ie  was  und  ist  immermere, 

darumb  sagen  wir  dank^)  dir,  herre  gott, 

umb  alle  die  speise,  der  uns  ist  not, 

und  wir  loben  dich  mit  vorchte  und  mit  schalle'*) 

umb  die  gab  und  guettat  alle, 

die  du  uns  geist  auf  erdreich. 

Also  hilf  uns,  herr,  in  dem  himelreich; 

des  namen  gesegent  ist  an  ende, 

sein  hilf  uns  allez  laid  wende. 

Got,  ain  loner  aller  gueten  sache, 

gib  uns  hie  und  dort  gemache 


')  durich.    ,         *)  herren.  ')  dank  fehlt.  *)  mit  reichem  schalle. 


444  K.  TH.  HEIGEL 

mit  ganzen  freuden  und  immermer  ') 

und  von  wem  die  speise  ist  komen  her.  Amen. 


Da  unser  lieber  herr  zu  tische  saz 

unt  gar  tugentleich  zu  seinen  jungern'')  sprach: 

*ir  niezet^)  mein  fleisch  und  trinket  mein  pluet, 

daz  soll  eu  allen  wesen  guet', 

herr,  des  mach  uns  weise; 

dein  kreuz  sei  unser  speise, 

dein  durnen  krön*)  sei  unser  tisch, 

dein  scharfez  sper  sei  unser  visch, 

dein  rosenvarbez  pluet  sei  unser  trank, 

deine  wort  und  deine  werch*)  sein^)  unser  gedank. 


0  menschait  ploz, 

0  marter  groz, 

o  wunden  tief^ 

o  pluetes  chraft, 

0  todes  pitterkait '), 

0  gotleiche  süezigkait, 

hilf  uns  zu  der  ewigen  sseligkeit.  Amen. 
Papierhs.  38/37  in  4P.   der  Grazer  Universitätsbibliothek.    Mitten 
unter  lateinischen  Tractaten  stehen  diese  und  andere  deutsche  Gedichte 
und  Gebete. 

INNSBRUCK.  ADALBERT  JEITTELES. 


BRÜCHSTÜCKE  AUS  EINEM  PASSIONALE, 


Die  nachstehend  mitgetheilten  Bruchstücke  fand  ich  auf  der  Ein- 
banddecke eines  Einnahraenbüchleins  des  Gotteshauses  St.  Silvester  zu 
Pfaffenhof en ,  das  unter  den  Codices  des  Stiftes  St.  Stephan  zu  Augs- 
burg im  ]\Iünchner  Reichsarchiv  verwahrt  ist.  Die  beiden  Pergament- 
blätter  in  Folio  sind  zweispaltig  beschrieben,  jede  Spalte  zählt  38  Zeilen. 
Die  überaus  deutliche  und  gleichmäßige  Schi-ift  gehört  der  zweiten 
Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  an,  wie  auch  die  Sprache  auf  diese  Zeit 


')  ymmemer.  ')  zu  seinen  lieben  jungern.  ')  nysset.  *)  dwrne   krön. 

*)  werich.  *)  sei.  ')  pitterichkaitt. 


BRUCHSTÜCKE  AUS  EINEM  PASSIONALE. 


445 


verweist.  Wie  der  Inhcilt  ergiebt,  gehörten  die  Bruchstücke  ohne 
ZAveifel  zu  einem  andern  Passionale  als  dem  bekannten.  Die  Mundart 
deutet  auf  Schwaben. 

Die  154  Verszeilen  auf  dem  vorderen  Deckblatt  enthalten  Bruch- 
stücke aus  der  Legende  der  hl.  Maria  Magdalena.  Auch  hier  ist  die 
Einheit  der  Personen  der  Maria  Magdalena,  der  Maria  von  Bethanien 
und  der  Sünderin,  von  welcher  St.  Lucas  spricht,  festgehalten,  wie 
dieß  unangefochten  im  ganzen  Mittelalter  geglaubt  wurde,  bis  Jaques 
Lefevre,  auf  die  Autorität  des  Origenes  und  Johannes  Chrysostomus 
gestützt,  1516  die  Annahme  einer  Verwechslung  dieser  Personen  be- 
gründete. Die  Scene  im  Hause  des  Pharisäers  ist  völlig  übereinstim- 
mend mit  Lucas,  Cap.  7.  Die  Erzählung  von  der  Krankheit  des  Lazarus 
und  von  dem  Zögern  des  Herrn  ihn  zu  besuchen,  stimmt  wörtlich  mit 
der  dem  Hrabanus  Maurus  zugeschriebenen  Lebensgeschichte  der  hl. 
Maria  Magdalena  überein.  (Clarus,  Geschichte  des  Lebens,  der  Reli- 
quien und  des  Cultus  der  hl.  Geschwister  Magdalena,  Martha  und 
Lazarus,  S.  144  ff.) 

Die  ersten  80  Verszeilen  des  zweiten  Pergamentblattes  behandeln, 
wie  aus  den  Zeilen  26 — 37  hervorzugehen  scheint,  den  Tod  der  hl. 
Maria  von  Ägypten,  obgleich  diese  Darstellung  von  der  gewöhnlich  zu 
Grunde  gelegten  Erzählung  des  Zosimas  abweicht. 

Unmittelbar  daran  reiht  sich  die  Legende  des  hl.  Stephan.  Die 
Überschrift  ist  in  größeren  Buchstaben  von  rother  Farbe  ausgeführt. 
Das  Mitgetheilte  stimmt  mit  der  Darstellung  in  den  von  Zainer  1572 
gedruckten  Vitae  Sanctorum  überein. 

MÜNCHEN,  Juni  1875.  Dr.  K.  Th.  HEIGEL. 


I.   Maria  Magdalena. 


Darnah   si  di   salben  nam. 

Di   si  gechavft  het  avz  der  chram. 
Vnd  salbt  im   daz  havbt   schon. 
Solih   smach  gie  da  von. 
Daz   dem   smach  niht  waz  gelich. 
Si   waz   tiwer  vnd   rieh. 
Do   daz   der  wirt  ersah   alhie. 
Wie  iz   di  vraw  mit  im  begie. 
Er  gedaht  im  an  der  stet. 
Waer  daz  ein   warer  prophet. 
So  wess  er  wo!  weih  si   waere. 
Wan  si  svndet  oflPenbaere. 
Do  er  dez  gedaht  ze   hant. 
Jesvs  sinen  gedanch   erchant. 


Symonem  er  do  an  sach. 

Gütlich  er  zv  im  sprach. 

Wan  er  vor  im   saz. 

Ich   han  ze  sagen  dir  etteswaz. 

Symon   dez   hör  mich. 

Symon   sprach,   maister   sprich. 

Jesvs  sprach   der  saeldenbser. 

Iz   wgeren  zwen   geltsfcr. 

Di  svlten  gelten  einem  man. 

Der  ein  im  sold  svnder  wan. 

Fvmfzich  phenning. 

Di   er   ab   im  niht  chvnd  gewinn. 

Daruah  der  ander  gelter  sin. 

Fvmfhvndert  phenning  solt  im. 


446 


K.  TH.  HEIGEL 


Der   moht  avh  im   vergelten   niht. 

Daz   vil  manigem   noh  geschiht. 

Daz  begviid  der  herr  wegen. 

Daz  ei  niht  bieten  im  ze  geben. 

Ein  guter  do  ge  vie. 

Die  gvlt  er  in  beden  lie. 

Lieber  vrevnt  Symon. 

Sag  di   warhait  mir  da  von. 

Waer  dvncht  mer   vnder  den  zwain. 

Dem  man  di   grozz   oder  di  cblain. 

Gvlt  hat  verlazzen. 

Daz  horten  di   da  sazzen. 

Daz   Symon   sprach  ane  wan. 

Der  daz  grozz  hat  verlau. 

Der  dancht  mer  daz  ist  reht. 

Jesvs   sprach,   dv  hast  sieht. 

Wan   di  red  von  warhait  get. 

Sihst  dv  daz  weip.  di  da  stet. 

Ich   chom  in  din  havs  her  in. 

Dv  twvg  niht   di   füzz   min. 

Seit  ich  her  in  chom  gegan. 

Seit  hat  daz  weip  mein   füzz  getwan. 

Wan  mit  zsehern  svnder  lovgen. 

Von  ir  herzen  vnd  von  ovgen. 

Dv  hast  ovh  niht  gechovsset  mich. 

Daz  weip  hevt  gelovbt  sich. 

Chvssens   wan   di  füzz   min. 

Seit  ich  bin  chomen  her  in. 

Dv  salbest  mir  niht  min   hovbt. 

Daz  weip  sich  hevt  gelovbt. 

Salben  havbt  vnd  füzz  mir. 

Da  von  ich  sage  dir. 

Den  man   Ivtzel  vergeit. 

Der  dancht  Ivtzel  svnder  streit. 

Wserlich   ich   dir  daz   sag. 

Iz   machent  ir  grozz   clilag. 

Daz  man  ir  ir  svnt  verlat. 

Er  sprach  zdem  weib  an  der  stat. 

Weip  dir  sint  din  svnd  vergeben. 

Di  levt  begvnden  mit  in  reden. 

Wer  ist  der  der  di   svnt  verlat. 

Der  gewalt  an   got  wan   stat. 

Ir   haimlich   red   waz   im   chvnt. 

Er  sprach  zv  ir  an   der  stvnt. 

Ginch  mit  vride   hin. 

Dich  hat  erlöst  der  gelavb  din. 

Da  mit  di  vraw  haim   gie. 

Ir  leben  nah  got  si  an  vie. 


Vnd  tset  daz   nimmer  mere. 

Daz   si  het  getan   e. 

Ir  leben  sich  so  gar  verchart. 

Daz  si  so  raines  lebens  wart. 

Daz  ir  dienst  waz  got  gensem. 

Daz  im  e  waz  wider  zsem. 

Und  swa  si  in  moht  er  lang. 

Da  chom  si  niht  dann. 

Vnd  gie  auh  im  allez  nah. 

Sin   antlvtz  si  so  gern  sah. 

Daz  ir  da  von  niht  en  waz. 

Vor  blang  sie  chavm  genas. 

So  er  chom  verr  von  ir. 

Ir  lieb  waz  von  herzen  gir. 

Als  si  waz  e  wider  zseme. 

Sam   wart  si  genseme. 

Si  dient  im  mit  trewen  gar. 

Ir  rew  waz  von  herzen  war. 

An  allen  dingen  naigt  si  sich. 

Vnd  ir  swester  tvgentlich. 

Di   rain   vraw  Martha. 

Si  waren  im  berait  dort  vnd  da. 

Vnd  ir  brvder  Lazarvs. 

Vnd  swenn  ouh  iz  chom  alsvs. 

Daz  er  mit  den   ivngern  cham. 

In  ir  castel  Bethaniam. 

So   enphieng  si  in   erlich. 

Mit  gerndem  mvt  erbuten  si  sich. 

In   moht  avh   niht  lieber  sin. 

Swenn  er  wolt  sin  bei  in. 

Doch  iz  von  siner  1er  qvam. 

Daz  im  di  ivden  wurden  gram. 

Vnd   im  daz  lant  verboten   wart. 

Daz   dis   vrawen   ser   beswart. 

Doch  mvst  er  schaiden   dan. 

Dar  nah  chom  Lazarvum  an. 

Ein  totlich  siechtvm. 

Dhain  erzney  waz  im  frvm. 

Doch  taten  si  Jesv  chvnt. 

Daz  ir  brvder  wart  vngesvnt. 

Do   er  die  botschaft  erhört. 

Er  antwvrt  an   dem   wort. 

Ez   ist  nicht  totlicher  siechtvm. 

Er  ist   wan   gottes   namen   frvm. 

Daz  got  sol  da  von  werden. 

Hie  gelobt  avf  der  erden. 

Jesvs  het  lieb  Mariam. 

Vnd  Lazarvm  und  Martham. 


BRUCHSTÜCKE  AUS  EINEM  PASSIONALE. 


447 


Dez   er  an   der  selben   stet  doch. 

Belaib  zwen  tag  noch. 

An  dem  dritten  tag  darnah. 

Jesvs  ZV  sinen  ivngern  sprach, 

Gen  in  Jvdeam  wider. 

Di   ivnger  sprachen,  di  ivden  sider. 

Wolten   dich   verstaint  haben. 

Jesvs  sprach,  ir  hört  doch   sagen. 

Daz   zwelif  weil   des  tages  sint. 

Iz   sint  niht  di  rehten   chint. 

Di  da  gent  bei  der  naht. 

Di  brvdent  schaden  manichslaht. 

Swer  aber  bei  dem  tag  get. 

Dhain  schad  von  im  niht  enstet. 


Do  er  daz  vol  gesprach. 
Er  sait  in  dar  nach. 
Vnd  iah  gen  in  sus. 
Vnser  vrevnt  Lazarvs. 
SlafFet  vnd  wil  ich   dar. 
Wecchen  auz  sinem   slaff  swar. 
Di   ivnger  sprachen  ze   hant. 
Herr  dir  ist  wol  bechaut. 
Slseffet  er  so  wirt  er  gail. 
Jesvs  der  svnder  hail. 
Het  von  sinem  tot  geret. 
Do  wanden  si  daz  er  het. 
Von  sinem  slaff  gesagt  in. 
Avf  sinen  tot  waz  niht  ir  sin. 


n.    Maria  von  Ägypten. 


Und  gesach  menschen   dhain. 

An  dich  hevt  alain. 

Dez  hat  mich  got  behüt  her. 

Nv  tu  durh  di  gottes   er. 

A^nd  chvm  an  dem  ostertag. 

Und   mit   dir  ein   tvch   trag. 

Da  dv  mich  bedechst  mit. 

Wan  dez  tages  han  ich   min  zit. 

Auf  der  erd  volendet  gar. 

Dv  vindest  mich  hie  tot  fvrwar. 

Vnd  brinch  mich  zv  dem  chloster  din. 

Alda  sol   min  rv   sin. 

Vntz   an   das  vrtail. 

Nv  var  haim  mit  hail. 

Vnd  chvm  als  ich  dir  gesagt  han. 

Jvdas  der  munich   schied  dan. 

Sin  sammung  nam   er  mit  im. 

An  dem   ostertag  chom  er  hin. 

Als  si  in  gebeten   het. 

Vnd  vant  si  tot  an  der  stet. 

Di  vrawen  do  mit  grozzer  chlage. 

Brahten  si  zv  ir  grabe. 

Vnd  bestattens  wol  nah   ir  reht. 

Da  manich  siech  wart  sieht. 

Von  aller  band  siechtvm. 

Got  hat   den   christentvm. 

Mit  Maria  gestercht  wol. 

So   daz  niemen   verzagen   sol. 

Swaz  er  svnden  hab   began. 

Er  sol  geding  han. 

Zv  gottes  gvt  mit  barmchait. 

Daz  bild  si  vns  vor  trait. 


Vnd  Maria  egyptiaca. 

Und   di  höh  vraw  Affira. 

Die  bei  ir  iaren. 

Höh   svnderinn   waren. 

Die  got  enphie   doch. 

Vnd  biet  si  gesvndet  noh. 

Mer  dann  si  hab  getan. 

Iz   wser  in   gar  verlan. 

Do  si  genaden  gerten. 

Vnd  sich  von  svnden   cherten. 

Da  von  niemen  verzagen  sol. 

Got  ist  gut  also  vol. 

Daz   sin   gut  niemen  mach. 

Er  denchen  vntz  an   den  lesten  tach. 

Wellen  wir  niht  wider  cheren. 

Vnd  niht  gnaden  an  ir  geren. 

Wan  svnden  vrsevelich. 

Fvr   war  so  ist  billeich. 

Daz   er  vnser   sich  verweg. 

Vnd  daz   er  vnser  dann  phleg. 

Dem  wir   vns   haben   ergeben. 

Mit  vnserm  vrgqvelichem  leben. 

Manich  mensch  hat  versvndet  sich. 

Vil  tief.  Daz  doch   daz  himelrich. 

Mit  got  besezzen  hat. 

Dez   ouh  noh  vil  ergat. 

Da  von  svll  wir  den  vrawen. 

Vnd   den   heiligen  getrawen. 

Die  avf  der  erd  bei  ir  leben. 

Vnd  ouh  svnden  haben  gephlegen. 

Daz  sie  dvrh  ir  heilichait. 

Bedenchen  vnser  chranchait. 


448 


K.  TH.  HEIGEL.  BRUCHSTÜCKE  AUS  EINEM  PASSIONALE. 


Di  an  in  ist  gelegen. 
Hie  avf  erd   bei   ir  leben. 
Daz  si   VHS  ir  helf  geben. 
Vnd  darzü  gen  got  vns  wegen. 
Daz  wir  ouh  bei  vnsern  ta2;en. 
Wider  oberen  als  sie  haben. 
Daz   vns  der  gaist  werd  gegeben. 
Der  in  chom  bei  ir  leben. 


Daz  wir  die  vrevde  vinden. 

Di  got  sinen   chinden. 

Hat  behalten   ewichlich. 

Daz   wir   chomen   in   daz   rieh. 

(Dez)   helf  uns   Magdalena. 

(Vnd  go)tes  mvter   Maria.  Amen. 


in.  Von  babst  Stephan. 


Do  di  Christen  an  allen  seiten. 

Not  Uten  bei  den  zeiten. 

Waz  der  babst  Stephan. 

Got  ein  vil  nvtzer  man. 

Der   samt  zV   im   sin   pfafhait. 

Mit  gvter  1er  er  in  vor  sait. 

Daz  si  iht  vorhten  dhain  not. 

Daz  si  liten  dvrch  got  den  tot. 

Si  mvsten  doch  sterben. 

Daz  in  ir  tot  mvst  werben. 

Di    ewig  vrevd   vor  got. 

Dann   daz   in   ir  tot. 

Hrteht  dez  tivels  gesellschaft. 

Mit  aller  weitz  vber  chraft. 

Svs  vnd  so  von  svzzer  1er. 

Wart  der  Christen  ie  mer  vnd  mer. 

Wan  got  mit  sinem  gaist. 

Waz  siuer  1er  vollaist. 

So  daz  vil  haiden  qvamen. 

Vnd   di  tovf  von  in  namen. 

Da   herren   waren   vnder. 

NemesivH  besvnder. 

Der  ein  Tribvnvs  waz. 

Daz  bedevt  als  ichs  laz. 

Der  tovsent  man  het  ze   aller  zit. 

Dem  rieh   ze   dienst  nah   ir  sit. 

Der  tovft  sich   mit  sin  gesinde. 

Mit   weib   vnd   mit   chinde. 

Sin  tohter  Lvcilla  di   waz  blint. 

Stephanvs  mäht  daz   selb   chint, 

Gesehent  vnd  wol  gesvnt. 

Di  tovft  sich   an  der  stvnt. 

Vnd   tovft   sich   Olympivs. 

Der  ouh   waz   ein   tribvnvs. 

Mit  sinem   weib   Exvperia. 

Mit   sinem  gesind   vber  alda. 

Mit  sinem  svn  Theodolo. 

Di  vrolichen  do. 


Liten  di   marter  dvrh  got. 

Daz  hiraelrich  braht  in  ir  tot. 

Svs   mit  siner  pfafhait. 

Macht  er  den  gelovben  brait. 

Er  het  drei   briester  da. 

Geweiht  vnd  sehs   dyacen   dar  na. 

Vnd  sehzehen  phaiFen  da  mit. 

Di  im  hvlfen   da  mit  ze  aller  zit. 

Di  haiden   becheren. 

Vnd  den  gelovben  leren. 

Nv  wart  Valeriano  gesait. 

Vnd   Gallieno   sin  1er  brait. 

Wie   er   den  gelovben  lert. 

Vnd  biet  daz  lant  nah   bechert. 

Di  sanden   ir  gesinde  hin. 

Vnd   hiezzen   Stephan  bringen  in. 

Mit  aller  siner  phafhait. 

Vnd  swer  Christen  in  wurd  gesait. 

Di  boten  waren   vn  langen. 

Biz   sie  brahten  gevangen. 

Di   Christen  vnd   sant  Stephan. 

Zv  im  sprach   Valerian. 

Dv  bist  der  selb   Stephanvs. 

Von   dem  man  mir  sagt  svs. 

Dv  seist  ein   verchaerer. 

Der  alten  e  vnd  ein  lerser. 

Der  newen  chetzrei. 

Vnd  mit  1er  manigei'lei. 

Wendest  opphern  ze  aller  zit. 

Dem  abgot  nah  dem  altem  sit. 

Do  antwurt  im  sant  Stephan. 

Du    solt   wizzen   Valerian. 

Ich  hin   dhain  vercheraer. 

Ich  bin  ein  leraer. 

Daz  di   vnversvnnen  haiden. 

In  di   abgot  liezzen   laiden 


BIBLIOGRAPHISCHE  ÜBERSICHT 

DER 

ERSCHEINUNGEN  AUF  DEM  GEBIETE  DER  GERMANISCHEN 
PHILOLOGIE  IM  JAHRE  1874. 

VON 

KARL  BARTSCH*). 


I.   Begriff  und  Geschichte  der  germanischen  Philologie. 

1.  Meyer,   E.  H.,  die  Begründer  der  Sprachwissenschaft. 

Westermanns  illustrirte  Monatshefte  1874,  Noverab.  S.  146—159.  Wilh.  v.  Hum- 
boldt, Bopp,  ,J.  Glimm.  Mit  Porträts,  wobei  aber  statt  J.  Grimms  Bild  das  von 
W.  Grimm  gegeben  ist! 

2.  Amelung.  —  Kölbing,   E.,   Arthur  Amelung. 
Germania  19,  244—247, 

3.  Martin,  E.,  Arthur  Amelung.  Nekrolog. 
Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  99  —  102. 

4.  Bacmeister.  —  Holland,  H.,  Adolf  Bacmeister. 
Westermanns  illustrirte  Monatshefte,  Sept.  1874.  Mit  Porträt. 

5.  Gabelentz.  —  Rost,  R.,  Hans  Conon  v.  d.  Gabelentz. 
Athenaeum  1874,  12.  December. 

6.  Lebensabriß  Sr.  Excellenz  des  Herrn  Geh.  Rathes  Dr.  H.  C.  v.  d. 
Gabelentz.   Altenburg  1874.  Bonde.   5  gr. 

7.  Qörres.  —  Joseph  von  Görres  gesammelte  Briefe.  2.  3.  Band. 
Freundesbriefe  (1802 — 1845).  Herausgegeben  von  Franz  Binder.  8.  München 
1874.  Literar.  artist.   Anstalt. 

Gesammelte  Schriften  8.  9.  Band.  Darin  viele  Briefe  der  Brüder  Grimm,  Uhlands, 
Laßbergs,  Lachmanns,  Maßmanns  etc.  Vgl.  Bächtold  in  diesem  Hefte  der  Zeitschrift; 
Theolog.  Literaturblatt  1875,  Nr.  5  (Rudioff);  Literar.  Rundschau  I,  4. 

8.  Grimm.  —  Deutsche  Lehr-  und  Wanderjahre.  Selbstschilderungen  be- 
rühmter Männer  und  Frauen.   2.  Band.  Berlin  1874.   8. 

Enthält  S.  141—161  und  162—189  die  Autobiographien  von  J.  und  W.  Grimm 
aus  Justi's  hessischem  Gelehrten-Lexicon. 

9.  Helm,  Gust.  Martin,  J.  Grimm  und  seine  Verdienste  um  die  deutsche 
Sprache.   8.   (46  S.)   Bensheim  1874.    6  gr. 

10.  Reifferscheid,   Alex,,  das  Lycealzeugniss  Jacob  Grimms. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  6,  103. 

11.  Crecelius,  W.,  Briefe    von   Jacob    Grimm    an  K.  W.  Bouterwek. 
Germania  19,  247—253. 


*)  Mit  Unterstützung  von  K.   Gislason  in   Kopenhagen,    Th.  Möbius   in   Kiel, 
Södervall  in  Lund. 

GERMANIA.  Neue  Reihe  VIII.  (XX.)  Jahrg.  29 


450  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

12.  Jacob  Grimm  an  Adelbert  von  Keller. 
Germania  19,  504—505. 

13.  Haupt.  —   Bartsch,   Karl,   Moritz  Haupt. 
Germania  19,  238—242. 

14.  Zacher,  J.,   Moriz  Haupt.  Nekrolog. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  5,  445 — 456. 

15.  Scherer,  W.,  Moriz  Haupt. 
Deutsche  Zeitung  1874,  Nr.  765.  768. 

16.  Steinmeyer,   E.,   Moriz  Haupt. 
Illustrirte  Zeitung  1874,  Nr.  1602.  Mit  Bildniss. 

17.  Freytag,   Gr.,   Moriz  Haupt. 
Im  neuen  Reich  1874,  Nr.  9. 

18.  Prantl,  K.  v.,  Gedäehtnissreden  auf  M.  Haupt,  E.  v.  Kausler,  Th. 
von  Karajan. 

Sitzungsberichte  der  bayerischen  Akademie  vom  28.  März  1874. 

19.  Ignatius,   F.,   Übersicht  der  germanistischen  Thätigkeit  M.   Haupts. 
Germania  19,  373-377.  Vgl.  auch  Nr.  29. 

20.  Hoffmann.  —  Bartsch,  Karl,  Hoffmann  von  Fallersleben. 
Germania  19,  235—238. 

21.  Wagner,  J.  M.,  Hoffmann  von  Fallersleben.  Mit  dem  Bildnisse  des 
Dichters  und  zwei  Ansichten   (seinem  Geburthause  und   Schloß  Corvey). 

Illustrirte  Frauenzeitung  1.  Jahrgang  (1874)  Nr.  10. 

22.  Gottschall,  R.,  Hoffmann  von  Fallersleben. 
Unsere  Zeit  1874,  6.  Heft. 

23.  Gottschall,   R.,  Erinnerungen  an  Hoffmann  von  Fallersleben. 
Die  Gartenlaube  1874,  Nr.  10. 

24.  Hei  big,  K.  G.,  Erinnerungen  an  Hoffmann  von  Fallersleben. 
Im  neuen  Reich  1874,  Nr.  6. 

25.  Jaquet,   G.,  Hoffmann  von  Fallersleben. 
Sonntagsblatt  von  Liebetreu  1874,  Nr.  9. 

26.  Lindau,   Paul,   eine  Erinnerung  an  Hoffmann  von  Fallersleben. 
Die  Gegenwart  1874,  Nr.  5  (aus  dem  Jahre  1868,  in  Elberfeld). 

27.  Zabel,  E.,  Hoffmann  von  Fallersleben. 
Die  Literatur  1874,  Nr.  9. 

28.  Aus   der  Schriftstellerwelt. 
Blätter  f.  literar.  Unterhaltung  1874,  Nr.  6. 

29.  Briefe  von  Hoffmann  von  Fallersleben  und  Moriz  Haupt  an  Fer- 
dinand Wolf.  Herausgegeben  von  Adolf  Wolf.  8.  (92  S.)  Wien  1874.  K.  Gerold's 
Sohn  in  Comm. 

Aus  den  Sitzungsberichten  der  Akademie  Bd.  LXXVII,  97  ff.  Vgl.  Literar.  Cen- 
tralblatt  1874,  Nr.  45. 

30.  Jänicke.  —  Strobl,   Joseph,   Oscar  Jänicke. 
Germania  19,  503—504. 

31.  Gombert,  Dr.,   Oskar  Jänicke.   Nekrolog. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie.  5,  457  —  468. 

32.  Wilmanns,   W.,   Nekrolog  für  Oscar  Jänicke. 
Zeitschrift  für  das  Gymnasialwesen  1874,  S.  474—477. 

33.  Kausler.  —  Keller,   A.  v.,   Eduard  von  Kausler. 
Germania  19,  242—244.  Vgl.  auch  Nr.  18. 

34.  Köhler.  —  Kölbing,  Eugen,  Arthur  Köhler. 
Germania  19,  126—128. 

35.  Kurz.  —  Keller,   A.   v.,   Hermann  Kurz. 
Germania  19,  124-126. 


I,  BEGRIFF  UND  GESCHICHTE  DER  GERMANISCHEN  PHILOLOGIE.     451 

36.  Massmann.  —  Bartsch,  Karl,  Hans  Ferdinand  Massmann. 
Germania  19,377—  380. 

37.  Hocker,  N.,  H.  F.  Massmann, 
niustrirte  Zeitung  1874,  Nr.  1634. 

38.  Dürre,  E.,  Hans  Ferd.   Massmann. 

Neue  Jahrbücher  für  Turukunst  20.  Band  (1874),  5.  Heft. 

39.  Maurer.  —  Hertzberg,  Ebbe,  Konrad  Maurer.  In:  Historisk  Tids- 
skrift  udgiv.   af  den  norske  histor.  Forening  III.  Christiania  1874,   S.  367 — 384. 

40.  Menzel.  —  Holland,  H.,  Wolfgang  Menzel. 
Westermanns  illustrirte  Monatshefte,  Juni  1874.  S.  254 — 261. 

41.  Petersen.  —  Zur  Erinnerung  an  Professor  Christian  Petersen. 
Zeitschrift   des  Vereins   für  hamburgische   Geschichte   N.  F.   3.  Band,   3.  Heft, 

Hamburg  1874. 

42.  Rask.  —  Nogle  Raskiana  meddelte  af  Karl  Verner. 
Tidskrift  for  Philologi  og  Paedagogik  N.  R.  I,  284—304. 

43.  Thomsen,  Vilh.,  Nogle  andre  Raskiana,  som  tillseg  til  foregaende 
stykke  meddelte. 

Ebenda  S.  304—313. 

44.  Schiller.  —  Lübben,  A.,  Karl  Schiller. 
Germania  19,  123—124. 

45.  Schmeller.  —  Andreas  Schmeller   und    sein  baierisches  Wörterbuch. 
Neue  freie  Presse  1874,  9.  October, 

46.  Brunn hof er,  E.,  Ein  Brief  Schmellers. 
Germania  19,  253  —  254. 

47.  TJhland.  —  Ludwig  Uhlands  Leben.  Aus  dessen  Nachlass  und  aus 
eigener  Erinnerung  zusammengestellt  von  seiner  Wittwe.  8.  (479  S.)  Stuttgart 
1874.   Cotta.   1  Rthlr.    6  gr. 

Vgl.  Literar.  Centralblatt  1875,  Nr.  31;  Blätter  f.  liter.  Unterhaltung  1874,  Nr,  46; 
Magazin  f.  d.  Liter,  d.  Auslandes  1875,  Nr.  10;  Wissenschaft!.  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung  1874,  Nr.  72;  National-Zeitung  1875,  Nr.  9;  Wiener  Zeitschrift  I,  14;  Saturday 
Review  1874,  17.  October;  N.  Preuß.  Zeitung  1875,  Nr.  44;  Essener  Zeitung  1874, 
Nr.  172. 

48.  Studien  zu  Ludwig  Uhland. 
Allgemeine  Zeitung  1874,  Beilage  213. 

49.  Vilmar.  —  Lothholz,  Gymnasialdirector  Dr.,  zur  Würdigung  A. 
Vilmars. 

Deutsche  Blätter  1874,  1.  Heft,  Seite  56—64.  Darin  auch  ein  Brief  Vilmars 
von  1860  über  den  Stand  der  Nibelungenfrage. 

50.  Wackernagel.  —  Honegger,  Dr.  J.  J.,  Karl  Heinrich  Wilhelm 
Wackernagel. 

Die  illustrirte  Schweiz,  Januar  1874,  S.  17—26. 

51.  W.   Wackernagel  als  Gelehrter  und  Dichter. 
Allgemeine  Zeitlang  1874,  Beilage  107. 

52.  Egger,  Dr.  J.,  Bericht  über  die  Sitzungen  der  deutsch-romanischen 
und  der  Section  für  neuere  Sprachen  auf  der  XXIX.  Versammlung  deutscher 
Philologen    und   Schulmänner    zu  Innsbruck,  vom  28.   Sept.    bis   1.   Oct.    1874. 

Germania  19,  492—500. 

53.  Übersicht  der  germanistischen  Vorlesungen  an  den  Universitäten 
Deutschlands,  Österreichs,  der  Schweiz,  Hollands  und  in  Dorpat  im  Winter 
1873/74,  Sommer   1874,  Winter  1874/75. 

Germania  19,  120—122.  254—256.  501—503. 

29* 


452  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 


II.  Handschriftenkunde  und  Bibliographie. 

54.  Codices  Manuscripti,  Ecclesiae  metropolitanae Coloniensis,  descrip- 
serunt  Philippus  JaflPe  et  Guileimus  Wattenbach.  gv.  8.  (X,  166  S.)  Berolini 
1874.   Weidmann. 

Vgl.  Literar.  Centralblatt  1875,  Nr.  14;  Jenaer  Literatur-Zeitung  Nr.  34. 

55.  Müller,  Hermann,  die  manuscripta  Germanica  der  Universitäts- 
bibliothek zu  Greifs wald, 

Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  6,   104—119. 

56.  Schröder,   Carl,   deutsche  Handschriften  im  britischen  Museum. 
Archiv  für  Litteraturgeschichte  4,  265 — 268.  An  Bächtold  anknüpfend. 

57.  Catalogus  codicum  latinorum  bibliothecae  Regiae  Monacensis. 
Secundum   A.   Schmelleri  indices  composuerunt  C.  Halm  et  G.   Meyer.   Tom.  H. 

pars  L   Codices  num.   8101 — 10930  complectens.   8.  (386  S.)  Monachii   1874. 
Palm.   2  Rthlr. 


58.  Bartsch,  Karl,  bibliographische  Übersicht  der  Erscheinungen  auf 
dem  Gebiete  der  germanischen  Philologie  im  Jahre   1873. 

Germania  19,  449—492.  Vgl.  Petzholds  Anzeiger  1875,  Nr.  3. 

59.  Bibliotheca  philologica,  oder  geordnete  Übersicht  aller  auf  dem 
Gebiete  der  classischen  Alterthumswissenschaft  wie  der  älteren  und  neueren 
Sprachwissenschaft  in  Deutschland  und  dem  Ausland  neu  erschienenen  Bücher. 
Herausgegeben  von  Dr.  Müldener.  26.  Jahrgang,  2.  Heft  und  27.  Jahrgang. 
1.  Heft.   8.   Göttingen  1874.  Vandenhoeck  u.  Ruprecht. 

60.  Well  er,  E.,  Repertorium  typographicum.  Die  deutsche  Literatur 
im  ersten  Viertel  des  16.  Jahrhunderts.  Supplement.  8.  (70  S.)  Nördlingen  1874. 
Beck.    16  gr. 

61.  Maltzahn,  W.  v.,  deutscher  Bücherschatz  des  16.,  17.  und  18. 
bis  um   die  Mitte  des    19.   Jahrhunderts.   1.  Abtheilung.    8.  Jena   1874. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1875,  Nr,  33. 

62.  Haupts,  Moriz,  und  Karl  Schillers  Bibliotheken.  Abtheilung  I: 
Deutsche  Philologie.   8.  Berlin  (1874).   Mayer  u.  Müller. 

III.   Sprachwissenschaft  und  Sprachvergleichung. 

63.  Müller,  Max,  Vorlesungen  über  die  Wissenschaft  der  Sprache. 
Deutsch  von  Carl  Böttiger.  1.  Serie,  3.  Auflage.  8.  (XII,  500  S.)  Leipzig  1874. 
Klinckhardt.    2  Rthlr. 

Vgl.  wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1875,  Nr,  28. 

64.  Whitney,  W.  D.,  die  Sprachwissenschaft.  Vorlesungen  über  die 
Principien  der  vergleichenden  Sprachforschung  für  das  deutsche  Publicum  be- 
arbeitet und  erweitert  von  Julius  Jolly.  8.  (XXVIII,  713  S.)  München  1874. 
Ackermann.   3 '/g  Rthlr. 

Vgl.  Liter. 'Centralblatt  1874,  Nr.  31;  Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  344  ff. 
(Bezzenberger);  Götting.  Gelehrte  Anzeigen  1874,  Nr.  21;  Zeitschrift  f.  d.  Gymnasial- 
wesen 1874,  August;  Jenaer  Lit,  Zeitung  1875,  Nr.  6;  Magazin  f.  d.  Liter,  des  Aus- 
landes 1874,  Nr,  39;  Pädagog,  Archiv  16,  9;  Preußische  Jahrbücher  1875,  Januar; 
Allgem,  Zeitung  1874,  Nr.  342;  Gegenwart  Nr.  35  (Carriere). 

65.  Sayce,  A.  H.,  the  priuciples  of  comparative  philology.  London  1874. 
Trübner.    10  s.  6  d. 


III.  SPRACHWISSENSCHAFT  UND  SPRACHVERGLEICHUNG.  453 

66.  Jolly,  J.,   Völkerkunde  und  Sprachforschung. 
Im  neuen  Reich  1874,  Nr.  12. 

67.  Gabelentz,   Georg  v.  d.,  Sprachwissenschaftliches. 
Globus  von  Andree  1874,  Nr.  6  ff. 

68.  Darwin,   G.  H.,   Whitney  on  the   origin  of  language. 
Contemporary  Review  1874,  October  S,  894—904. 

69.  Key,  T.  Hewitt,  Language:  its  origin  and  development.  8.  (562  S.) 
London    1874.  Bell  and  Sons.    14  sh. 

Vgl.  Athenaeum  1874,  25.  Juli. 

70.  The  origin   of  language. 
Westminster  Review  1874,  October  S.  381—418. 

71.  Alsleben,  über  Entwicklung  der  Sprache  und  Bedeutung  einiger 
Pflanzennamen. 

Programm  des  Gymnasiums  zu  Dessau  1873.  4. 

72.  Grün,   K.,   die  Entwickelung  der  Sprache.    1.    2. 
Wiener  Abendpost  1874,  Nr.  124  f. 

73.  Raumer,  R.  v.,  die  Urverwandtschaft  der  semitischen  und  indo- 
germanischen Sprachen. 

Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  22  (1874),  235—249. 

74.  Raabe,  Andreas,  gemeinschaftliche  Grammatik  der  arischen  und 
semitischen  Sprachen.  Voran  eine  Darlegung  der  Entstehung  des  Alfabets. 
8.   (VII,  132  S.)  Leipzig  1874.   Klinkhardt.   1  Ethlr. 

75.  Curtius,  G.,  zur  Chronologie  der  indogermanischen  Sprachforschung. 

2.  hie  und   da  erweiterte  Ausgabe.   4.   (83  S.)  Leipzig  1873.   Hirzel.   ^1^  Rthlr. 

Aus  den  Abhandlungen  der  k.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wissenschaften. 

76.  Jolly,  J.,  noch  einmal  der  Stammbaum  der  indogermanischen 
Sprachen. 

Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  8.  Bd.    2.  Heft.  (1874). 

77.  Bopp,  Fran^ois,  Grammaire  comparöe  des  langues  indo-europeennes. 
Traduite  par  M.  Breal.  T.  5.  Registre  detaill^  redige  par  F.  Meuuier.  8. 
(235  S.)  Paris  1874.  Hachette.   6  fr. 

78.  Pott,  Prof.  Dr.  Aug.  Friedr.,  Etymologische  Forschungen  auf  dem 
Gebiete  der  indogermanischen  Sprachen  unter  Berücksichtigung  ihrer  Hauptformen, 
Sanskrit,  Zend- Persisch,  Griechisch -Lateinisch  etc.  2.  Aufl.  in  völlig  neuer  Um- 
arbeitung. 5.  Bd.  Wurzeln  auf  labiale  Mutae.  8.  (LXXIX,  432  S.)  Detmold  1873. 
Meyer.  SVa  Rthlr. 

79.  Fick,  Aug.,  vergleichendes  Wörterbuch  der  indogermanischen  Spra- 
chen sprachgeschichtlich  angeordnet.  1.  Band,  enthaltend  den  Wortschatz  der 
indogei-manischen  Grundsprache,    der  arischen  und   europäischen  Spracheinheit. 

3.  umgearb.  Auflage.   8.  (843  S.)    Göttingen   1874.  Vandenhoeck  u.  Ruprecht, 
4^3  Rthlr. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1875,  Nr.  21  (Delbrück);  Zeitschr.  f.  deutsch.  Alt.  19,  1. 

80.  Kilian,  Prof.,  Theorie  der  Halbvocale  nebst  einem  sprachlichen 
Curiosum  über  die  Racenfi-age  der  semitischen  und  arischen  Sprachbände. 
Sendschreiben  aus  dem  Elsaß  an  Prof.  F.  Max  Müller  in  Oxford.  8.  (18  S.) 
Straßburg   1874.    Trübner.    8  gr. 

81.  Leffler,  L.  F.,  nagra  Ijudfysiologiska  undersökningar  rörande 
konsonantljuden.  Afdel.  I.  De  klusila  konsonantljuden.  8.  (120  S.)  Upsala  1874, 
1  kr.   75  ö. 

Aus:  Upsala  Univ.  Arsskrift  1874.  Vgl.  Liter.  Centr.   1875,  Nr.  40. 


454  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

82.  Havet,  L.,  l'unite  linguistique  europeeune,  la  question  des   deux  k 

arioeuropeens. 

Memoires  de  la  Sociale  de  linguistique  de  Paris  II,  4  (1874), 

83.  Fick,   etymologische  Beiträge. 

Zeitschrift  für  Tergleichende  Sprachforschung  22,  371  ff.  Darin  got.  dulgs,  germ. 
rova  (Ruhe),  got.  blaggv  (blau),  behagen,  augo,  mers  (märi),  altn.  ausa,  schöpfen. 

84.  Fick,    A.,    iat.    lacus    uad    altir.     loch    See;    germanisch    lagu    naß 
und  kirchensl.  lokva  Regen. 

Ebenda  22,  553  f. 

85.  Bezzenberger,  A.,  Miscellen. 
Ebenda  22,  478—480. 

86.  Benfey,  Th.,  vedisch  midhä  oder  milha,  n.  (—    mizhda,  n.  in  der 

Sprache  des  Avesta,    gr.    (.uad^O,  m.,    altsl.   mizda,   f.,  got.   mizdo  f.),  vedisch 

midhvdms  u.  Verwandte. 

Nachrichten  von  der  kgl.  Gesellschaft  derWissenschaften  zu  Göttingen  1874,  Nr.  15. 

87.  Benfey,    Th.,    über    die    indogermanischen    Endungen    des    Genetiv 
Singul.  ians,   ias,  ia.   4.  (61  S.)  Göttingen  1874.  Dieterich.   24  gr. 

Aus  den  Abhandl.  der  k.  Gesellschaft  der  Wissenschaften. 

88.  Weise,  Oscar,  de  linguarum  indogerraanicarum  suffixis  primariis. 
Sectio  I.  De  adjectivis  suflfixo  u  formatis.  8.  (75  S.)  Göttingen  1874.  Dissertation. 

89.  Jolly,   J.,  zur  Lehre  vom  Particip. 

In :  Sprachwissenschaftliche  Abhandlungen  hervorgegangen  aus  G.  Curtius  gram- 
matischer Gesellschaft.  Leipzig  1874.  Hirzel.  S.  73—94. 

90.  Meyer,   Gustav,  zur  Dvandva-Zusammensetzung. 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  22,  477  f. 

IV.  Grammatik. 

91.  FÖrstemann,  Ernst,  Geschichte  des  deutschen  Sprachstammes. 
1.  Band.  8.  (VII,  618  S.)  Nordhausen  1874.   Förstemann.   4  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1874,  Nr.  31;  Jen.  Liter.  Zeitung  Nr.  31  (Sievers); 
Saturday  Review  17.  October;  National-Zeitung  Nr.  261. 

92.  Schleicher,  August,  die  deutsche  Sprache.  3.  Aufl.  8.  (XI,  348  S.) 
Stuttgart  1874.   Cotta.   2^/3  Rthlr. 

Unveränderter,  von  Johann  Schmidt  besorgter  Abdruck. 

93.  Heyne,  Moritz,  kurze  Laut-  und  Flexionslehre  der  altgermanisehen 
Dialecte.     3.  verbesserte  Auflage.    8.    (X,  354  S.)  Paderborn  1874.  SchÖningh. 

Vgl.  Revue  critique  1875,  Nr.  3. 

94.  Sievers,  Ed.,  Paradigmen  zur  deutschen  Grammatik.  Gotisch, 
Altnordisch,  Angelsächsisch,  Altsächsisch,  Althochdeutsch,  Mittelhochdeutsch. 
Zum  Gebrauch  bei  Vorlesungen  zusammengestellt,  hoch  4.  (5  S.  m.  30  Taf.) 
Halle  1874.  Waisenhaus.   1  Ethlr. 

Vgl.  Germania  20,  104—109  (Paul);  Literar.  Centralblatt  1874,  Nr.  21;  Jen. 
Liter.  Zeitung  Nr.  31  (Braune). 

95.  Meyer,  Karl,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  langobardischen  Sprache. 
Germania  19,  129—139. 

96.  Bluhme,  F.,  die  gens  Langobardorum.  2.  Heft.  Ihre  Sprache.  8. 
(54  S.)  Bonn  1874.   Marcus.    %  Rthlr. 

Vgl.  Germania  20,  109  (K.  Meyer);  Revue  critique  1875,  Nr.  30;  Nuova  Anto- 
logia  29,  6 ;  AUgem.  Zeitung  1874,  Nr.  351. 

97.  Birlinger,  A.,  grammatische  Versuche  eines  Kölners  aus  dem 
XVL  Jahrhundert. 

Germani«  19,  94—97. 


IV.  GRAMMATIK.  455 

98.  Arndt,  Ad.,  Versuch  einer  Zusammenstellung  der  altsächsischen 
Declination,  Conjugation  und  der  wichtigsten  Regeln  der  Syntax.  4.  (24  S.) 
Programm  des  Gymnasiums  zu  Frankfurt  a.  0.    1874. 

Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  6,  120  ff.  (Erdmann). 

99.  March,  Fr.  A.,  a  comparative  grammar  of  the  Anglo-Saxon  lan- 
guage,  in  which  its  forms  are  illustrated  by  those  of  the  Sanskrit,  Greek, 
Latin,  Gothic,  Old  Saxon,  Old  Friesic,  Old  Norse  and  Old  High  German.  8. 
(XII,   253  S.)  New- York  1873.    10  sh. 

100.  Mätzner,  Ed.,  englische  Grammatik.  2.  Theil.  Die  Lehre  von  der 
Satzfügung.  1.  Hälfte.  2.  Auflage.  8.  (IV,  529  S.)  Berlin  1874.  Weidmann. 
3V3  Ethlr. 

101.  Mätzner,  Ed.,  an  english  grammar,  methodical,  analytical  and 
historical.  With  a  treatise  on  the  orthography,  prosody,  inflections  and  syntax 
of  the  english  tongue ,  and  numerous  authorities,  citied  in  order  of  historical 
development.  Translated  from  the  German,  with  the  sanction  of  the  author,  by 
Clair  James  Grece.   3   vols.   8.  (1580  S.)  London  1874,   Murray.   36  sh. 

Vgl.  Athenaeum  1875,  27.  März. 

102.  Shepherd,  H.  E.,  the  history  of  the  English  language,  from  the 
Teutonic  Invasion  of  Britain  to  the  close  of  the  Georgian  era.  12.  (227  S.) 
New- York  1874.   7  sh.   6  d. 

103.  Kington- Oliphant,  T.  L,,  the  sources  of  Standard  English.  1873. 

104.  Ludorff,  Franz,  über  die  Sprache  der  altenglischen  Lay  Hauelok 
pe  Dane.  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  altenglischen  Grammatik.  8.  (31  S.) 
Münster  1874.   Aschendorff.    Ve  I^t^lr. 

Dissertation.  Vgl.  Zeitschrift  f.  d.  österr.  Gymnasien  1874,  8.  Heft, 

105.  Bernard,  Emil,  William  Langland.  A  grammatical  treatise.  8. 
(94  S.)  Bonn  1874.   Strauss.   %  Ethlr. 

Dissertation.  Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875,  Nr.  13  (R,  Wülcker);  Jen,  Liter. 
Zeitung  Nr.  20  (derselbe). 

106.  Weymouth,  E.  F.,  on  early  english  pronunciation  with  especial 
reference  to  Chaucer  in  Opposition  to  the  views  maintained  by  A.  J.  EUis  in 
bis  work  „On  early  English  pronunciation".  8.  (158  S.)  London  1874.  Asher. 
10  s,   6  d. 

Vgl.  Academy,  24.  Octob.  1874  (Sweet) ;  ferner  eb.  31.  October  und  7.  Not. 
(Sweet,  Ellis). 

107.  Wimmer,  L.  F.  A.,  Fornnordisk  formlära.  Svensk,  omarbetad  upp- 
laga.   8.  (179  S.)  Lund  1874.   Gleerup.   2  kr. 

108.  Thorkelsson,  Jon,  Athugasemdir  um  islenzkar  mälmyndir.  8. 
(28  S.)  Eeykjavik  1874. 

Bemerkungen  über  isländische  Grammatiken. 

109.  Petersen,  N.  M.,  Nogle  uddrag  of  forelaesninger  vedkommende 
de  nordiske  sprog. 

Petersens  samlade  afhandlinger.  4.  del.  Kopenhagen  1874. 

110.  Storm,  Job.,  om  Tonefaldet  (Tonelaget)  i  de  skandinavisoke  sprog. 
8.  (14  S.) 

Aus:  Christiania  Videnskabs-Selskabs  Forhandlinger  for  1874,  S.  286—297. 

111.  Rydqvist,  J.  E.,  Svenska  sprakets  lagar.  Kritisk  Afhandling. 
5.  Bd.   Ordbildning.   8.   (269  S.)  Stockholm  1874.   Klemming.   5  kr. 

112.  Bidrag  tili  svenska  sprakets  qvantitetslära  af  J.  A.  A,  8.  (190  S.) 
Stockholm  1874.  Norstedt.   2  rd.   25  ö. 


456  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

113.  Amclung,  der  Ursprung  der  deutschen  a-Vocale. 
Zeitschrift  f.  deutsches  Alterthum  18,  161—220. 

114.  Bezzenbergcr,  A.,  über  die  A-Reihc  der  gotischen  Sprache. 
Eine  grammatische  Studie.   8.   (72  S.)  Göttingen  1874.  Peppmüller.   20  gr. 

Vgl.  Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  232  ff.  (Bernhardt);  Jen.  Liter.  Zeitung 
1874,  Nr.  43  (Sievers). 

115.  Braune,  W.,  die  altslovenischen  Freisinger  Denkmäler  in  ihrem 
Verhältnisse  zur  ahd.  Orthographie. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  I,  527 — 534. 

116.  Wilken,  E.,   zur  deutschen  Declination. 
Germania  19,  18—34. 

117.  Sievers,  E.,  zur  angelsächsischen  Declination. 
Paul  u.  Braune,  Beiträge,  I,  486 — 504. 

118.  Lichtenheld,  das  schwache  Adjectiv  im  Gotischen. 
Zeitschrift  f.  deutsches  Alterthum  18,  17 — 43. 

119.  Bernhardt,   der  Artikel  im  Gotischen.   4.   (19  S.) 
Programm  des  Gymnasiums  zu  Erfurt  1874. 

120.  Braune,  W.,  über  den  grammatischen  Wechsel  in  der  deutschen 
Verbalflexion. 

Paul  u.  Braune,  Beiträge  I,  513 — 627. 

121.  Pokorny,  Ign.,  über  die  reduplieierten  Präterita  der  germanischen 
Sprachen  und  ihre  Umwandlung  in  ablautende.  4.  (29  S.)  Programm  des  Gym- 
nasiums in  Landskron   (Böhmen)    1874   (Prag,  Tempsky). 

122.  Sievers,  E.,   die  reduplieierten  Präterita. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  I,  504 — 512. 

123.  Begemann,  Wilh.,  zur  Bedeutung  des  schwachen  Präteritums  der 
germanischen  Sprachen,  Ergänzung  zu  des  Verf.  Schrift:  Das  schwache  Präteritum 
der  germanischen  Sprachen.   8.   (192  S.)  Berlin  1874.  V7 eidmann,    ^j^  Rthlr. 

Vgl.  Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  230  ff.  (Delbrück) ;  Jen.  Liter.  Zeitung 
1874,  Nr.  45  (Sievers);  Götting.  Gel.  Anzeigen  1875,  Nr.  13  (Jolly);  Revue  critique 
Nr.  27. 

124.  Schlueter,  Wolfg.,  die  mit  dem  Suffixe  ja  gebildeten  deutschen 
Nomina.  Theil  I.   8.   (65  S.)   Göttingen  1874.  Dissertation. 

125.  Koch,  F.,  linguistische  Allotria.  Laut-,  Ablaut- und  Reimbildungen 
der  englischen  Sprache.   8.   (94  S.)  Eisenach  1874.   Bacmeister.  20  gr. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875,  Nr,  14  (Wülcker);  Herrigs  Archiv  53.  Bd.  1.  Heft, 

126.  Erdmann,  Oskar,  Untersuchungen  über  die  Syntax  der  Sprache 
Otfrids.  Gekrönte  Preisschrift  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften,  1,  Theil. 
Die  Formationen  des  Verbums  in  einfachen  und  zusammengesetzten  Sätzen.  8. 
(XVIII,  234  S,)  Halle  1874,  Waisenhaus.   2  Rthlr. 

Vgl.  Germania  19,  437—443  (Piper);  Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  243  ff. 
(Tobler);  Jen.  Liter.  Zeitung  1874,  Nr.  45  (Windisch);  Liter.  Ceutralbl.  1875,  Nr.  20 
(E.  Kuhn). 

127.  Knabe,  C,  zur  Syntax  der  mhd,  Klassiker,  A.  Die  Präpositionen. 
4.  (40  S,)  Magdeburger  Gymnasialprogramm  von   1874. 

128.  Grienberger,  A.,  die  Anwendung  der  Präpositionen  im  Mittel- 
hochdeutschen. 8.  (38  S.)  Programm  des  Real-  und  Obergymnasiums  zu  Nikols- 
burg   1874. 

129.  Reif  f  erscheid,  Alex.,  Lexicalisch  -  syntaktische  Untersuchungen 
über  die  Partikel  ge-. 

Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie,  Ergänzungsband  S.  319—446. 


V.  LEXICOGRAPHIE.  457 

130.  Skeat,   VV.  W.,  on  the  prefix  A-  in  English. 
Journal  of  philology  Vol.  5  (1874)  Nr.  9. 

131.  Vadstein,  Alb.,  Kasusläran  i  äldre  Vestgötalagen.  8.  (44  S.) 
Lund  1874.   Dissertation. 

132.  Piper,  P.,  über  den  Gebrauch  des  Dativs  im  Ulfilas,  Heliand  und 
Otfrid.    4.   (30  S.)   Osterprogramm  der  Realschule  zu  Altona  1874. 

Vgl.  Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  120  (Erdmann). 

133.  Moller,  A.,  über  den  Instrumentalis  im  Heliand  und  das  homerische 
Suffix  q^i   ((f)Lv).   4.    (24  S.)   Osterprogramm    des   Gymnasiums  in  Danzig   1874. 

Vgl.  Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  120  (Erdmann)  und  den  Nachtrag  des 
Verf.  im  Liter.  Centralblatt  1874,  Sp.  1190. 

134.  Schirm  er,  Carl,  über  den  syntaktischen  Gebrauch  des  Optativus  im 
Gotischen.   8.   (47  S.)  Marburg  1874.  Dissertation. 

Vgl.  Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  485  (Bernhardt). 

135.  Holtheuer,  R.,  der  deutsche  Conjunctiv  nach  seinem  Gebrauche 
in   Hartmanns  Iwein. 

Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie,  Ergänzungsband  S.  140 — 182. 

136.  Kasten,  William,  an  inquiry  into  the  use  of  the  subjunctive  mood 
in  the  English   of   the  Elizabethan  period.   4.  Hannover   1874. 

Rostocker  Dissertation. 

137.  Dittmar,  H.,  über  die  altdeutsche  Negation  ne  in  abhängigen 
Sätzen. 

Zeitschrift  f.   deutsche  Philologie,  Ergänzungsband  S.  183 — 318. 

138.  Apelt,   Otto,  über  den  Accusativus  cum  Infinitive  im  Gothischen. 
Germania  19,  280—297. 

139.  Gering,  H.,  über  den  syntaktischen  Gebrauch  der  Participia  im 
Gotischen. 

Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  5,  294—324.  393—433.  Vgl.  Bibliogr.  1873, 
Nr.  89.  Vgl.  Wissenschaft!.   Monatsblätter  1876,  Nr.  2. 

140.  Rusteberg,  F.  G.  A.,  historical  development  of  the  Gerund  in  the 
English  language.   8.   (23  S.)   Göttingen  1874.  Dissertation. 

V.  Lexi  cogr  aphie. 

141.  Grimm,  Jacob,  und  Wilhelm  Grimm,  deutsches  Wörterbuch.  Fort- 
gesetzt von  Rud.  Hildebrand  und  K.  Weigand..  4.  Bd.  1.  Abth.  6.  Lief.  Be- 
arbeitet von  Rud.  Hildebrand.  (Sp.  1201—1392).  4.  Bd.  2.  Abth.  7.  u.  8.  Lief. 
Bearbeitet  von   Mor.  Heyne.    (Sp.  1393  — 1776).  Lex.  8.   Leipzig  1874.  Hirzel. 

142.  Helten,  W.  L.  van,  fünfzig  Bemerkungen  zum  Grimm'schen  Wörter- 
buche.   8.    (VIII,  86  S.)   Leipzig  1874.  Richter  und  Harrassowitz.    20  gr. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1874,  Nr.  30;  Jen.  Liter.  Zeitung  Nr.  24  (Sievers). 

143.  Diefenbach,  Lorenz,  und  Ernst  Wülcker,  hoch-  und  nieder- 
deutsches Wörterbuch  der  mittleren  und  neueren  Zeit.  Zur  Ergänzung  der  vor- 
handenen Wörterbücher,  insbesondere  des  der  Brüder  Grimm.  1.2.  Lief.  Lex.  8. 
(X,  288  S.)  Frankfurt  a.  M.  1874.    Winter.   Ji  24  gr. 

Vgl.  Germania  19,  370—371  (Bartsch);  Liter.  Centralblatt  1874,  Nr.  4;  Revue 
critique  Nr.   13;  Trübners  Literary  Record  Nr.  102. 

144.  Weigand,  Fr.  L.  Karl,  deutsches  Wörterbuch.  2.  verb.  und  ver- 
mehrte Auflage.  (4.  Aufl.  von  Fr.  Schmitthenner's  kurzem  deutschem  Wörter- 
buch.)  8.  Halbband.  (2.  Bd.   S.  1—480.)  Gießen  1874,  Ricker.   2^1^  Rthlr. 


458  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

145.  Schiller,  Karl,  und  Aug.  Lübbeu,  mittelniederdeutsches  Wörter- 
buch.  5.  und  6.  Heft.  gr.  8.   (S.  513—756).  Bremen   1874.  Kühtmann  u.   Co. 

ä  Vfi  Rthlr. 

Vgl.  Hansische  Geschichtsblätter  für  1873  (Walter). 

146.  Qu  dem  ans,  C.  A.,  Bijdrage  tot  een  Middel-  en  Oudnederlandsche 
Woordenboek.  Uit  vele  glossaria  en  andere  bronnen  bijeenverzameld.  5.  deel. 
0— R.   8.   Arnhem  1874.   Marie.    4  Rthlr.    12  gr. 

147.  Tamm,  Friedr.  Aug.,  Bidrag  tili  en  Svensk  etymologisk  ordbok. 
A.  8.  Upeala  1874.  Dissertation. 

148.  Ordlista  öfver  svenska  spräket.  Utgiv.  af  svenska  akademien. 
1.  und  2.   Aufl.   8,   (334  S.)  Stockholm  1874. 


149.  Bech,  F.,  zerstreute  Beiträge. 
Germania  19,  45 — 58. 

150.  Woeste,  F.,   Beiträge  aus  dem  Niederdeutschen. 
Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  84—94. 

151.  Magnüsson,  Eirikr,   on  the  etymology  of   certain  words    in  Eng- 
lish  terminating  in  sk  and  sh. 

Journal  of  philology  Vol.  5,  Nr.  10. 

152.  Fritz  sehe,  R.,  die  Namen  der  Farben. 
Deutscher  Sprachwart  9.  Band. 

153.  Crecelius,  W.,  also  bar. 
Germania  19,  99-101. 

154.  Wilken,  E.,  mhd.  bsehen. 
Germania  19,  59—62. 

155.  Zingerle,  J.,   Christi  Blumen. 
Germania  19,  182-183. 

156.  Jeitteles,   A.,   Dienstag — Zinstag. 
Germania  19,  428-430. 

157.  Müllenhoff,  K.,   Fiur. 
Zeitschrift  f.  deutsches  Alterthum  18,   136. 

158.  Wilken,   E.,  Mhd.    iener,   niener,  niuwan,  niuwene  und   niene. 
Germania  19,  346-348. 

159.  Woeste,  Fr.,  jodüte,  to  jodüte. 

Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins  10.  Bd.  1874. 

160.  Jeitteles,  Ad.,  lütbrechic. 
Germania  19,  433—434. 

161.  Zingerle,  J.,  None. 
Germania  19,  349. 

162.  Burda,  W.,  zur  Etymologie  des  Wortes  Thier. 
Zeitschrift  f.  vergleichende  Sprachforschung  N.  F.  2.  Band,  2.  Heft. 

163.  Mick,  über  deutsche  Orts-  und  Flußnamen. 
Deutscher  Sprachwart  8.  Band  (1874). 

164.  Birlinger,   A.,  die  hohenzoUerischen  Orts-,  Flur-  und  Waldnamen. 

Fortsetzung. 

Alemannia  II,  78-82. 

165.  Bück,  hohenzollerische  Ortsnamen. 

Mittheilungen  des  Geschichtsvereines  in  Hohenzollern  6.  und  7.  Jahrgang. 

166.  Mehlis,   Dr.   Chr.,   Flurnamen   aus  Mittelfranken. 
Anzeiger  f.  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1874,  Sp.  73—78.  114—116, 

167.  Regel,  K.,  zur  Endung  -a  in  thüringischen  Ortsnamen. 
Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  5,  324—337. 


VI.  MUNDARTEN.  459 

168.  Dung  er,   H.,  über  die  Ortsnamen  des  Voigtlandes. 
Mittheilungen     aus     dem    Archive    des    voigtländischen    alterthumsforechenden 

Vereins  1874. 

169.  Beyersdorf,  Dr.,   über  die  slaviscben  Städtenamen  Pommerns. 
Baltische  Studien  25.  Jahrg.  1.  Heft  (1874). 

170.  Mieck,  Dr.,  über  die  Verbreitung  des  Wortes  „rath"  in  Ortsnamen 
des  Reg.   Bez.  Trier  und  den   angrenzenden  Landestheilen. 

Jahresbericht  der  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  in  Trier  für  1872—73. 
Trier  1874. 

171.  Cassel,  P.,  Berlin,    sein  Name    und    sein    Ruf.   8.  (62  S.)  Berlin 
1874.  Gülker  u.  Co.   V3  Rthlr. 

172.  Rieger,  M.,  Melibokus. 

Archiv  f.  hessische  Geschichte  u.  Alterthumskunde  13.  Band  1874. 

173.  Linder,  N.,  Svenska  ortnamn  och  eganderätten  tili  sädana. 
Svensk  Tidskrift  1874. 

174.  Sidenbladb,  K.,    Sveriges    bärads-  och    sockennamn.   2.  uppl.   8. 
(196  S.)  Stockholm  1873. 

175.  Kern,  H.,  noms    germaniques    dans    des    inscriptions    du   Rhin  in- 
förieur. 

Revue  celtique  1874,  Nr.  2. 

176.  Robleder,  F.,    über    deutsche  Personennamen    und   ihre  lautliche 
Veränderung.   8.   (43  S.)  Landsberg  1874.   Scbäffer  u.  Co.   ^j^  Rthlr. 

Auch  als  Programm  des  Gymnasiums  zu  Friedeberg  i.  N. 

177.  Gislason,  Konr.,  om  navnet  Ymir.   4.    (23  S.)    Kjöbenhavn  1874. 
Aus:  Vidensk.  Selskabs  Skrifter  5.  Rsekke,  4.  Bd.  S.  435-455. 

178.  Andresen,   deutsche  Geschlechtsnamen. 

Neue  Jahrbücher  für  Philologie  u.  Pädagogik  HO  Bd.   1.  Heft  (1874). 

179.  Bück,  M.,  über  Gescblechtsnamen  auf  -eisen,  -isen. 
Germania  19,  62—67. 

180.  Andresen,   Dr.   Ludwig  Steub  und  die  deutschen  Familiennamen. 
Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  HO.  Bd.  5.  und  6.  Heft  (1874). 

181.  Schenk,   Dr.   Gustav  v.,   Familiennamen  als   Vornamen. 
Correspondenzblatt  des    Gesammtvereins   der   deutschen  Geschichts-   und  Alter- 

thurasvereine  1874. 

182.  Bardsley,   Ch.  W.,  our  english  surnames:   tbeir  sources  and  signi- 
fications.   8.   (550  S.)  London  1874.   Chatto  and  Windus.   9  sh. 

Vgl.  Athenaeum  1874,  Nr.  2436. 

VI.   Mundarten. 

183.  Riecke,   C.  F.,  Beiträge  zur  Kenntniss  Deutschlands,  seines  Volkes 
und  seiner  Sprache.   1.  Heft.   8.   Gera  1874.   Griesbach.    '/g  Rthlr. 

184.  Erscheinungen,   die  interessantesten,   im   Schweizerdeutschen. 
Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  53.  Bd.  (1874)  S.  171—184. 

185.  Oosting,   J.,    Bericht    omtrent    het    Gymnasium    te  Deventer  voor 
den   Cursus   1874/75. 

Enthält  eine  Abhandlung  über  Hebels  alemannische  Gedichte  nach  ihrer  sprach- 
lichen Seite.  Vgl.  Magazin  f.  d.  Literatur  d.  Auslandes  1875,  Nr.  1. 

186.  Winter,  F.,   die  Volkssprache  in    der  Landschaft    am   Zusammen- 
fluße  von  Bode,   Saale  und  Elbe. 

Geschichtsblätter  für  Stadt  und  Land  Magdeburg.  9.  Jahrg.  (1874)  2.  Heft. 


460  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

187.  Heinzerling,  Dr.  J.,  die  Siegerländer    Mundart.   4.  (17   S.    und 
eine  lithogr.  Karte.)  Programm  der  Realschule  zu  Siegen    1874. 

Vgl.  Archiv  f.  d.  Studium  der  neueren  Sprachen  54,  101. 

188.  Nolet,  J.,  de  Brauwere  van  Steeland,   Notice  sur  le  particularisme 
linguistique  flamand  de  la  Flandre  occidentale. 

Bulletins  de  Tacad^mie  de  Belgique  T.  37. 

189.  Bibliographical  list  ofWorks  illustratingEnglishDialects.  Parti. 
Publication  der  English  Dialect  Society  1873. 

190.  Kj ellin,   Moradialekten. 
Dalarnes  Fornminnesförenings  Tidskrift  1873. 

191.  Leffler,  L.  F.,  Auteckningar  om  Västmanlands  folkspräk. 
Svenska  Fornminnesförenings  Tidskrift  1873 — 74. 


192.  Proben  aus  dem  für  das  schweizerdeutsche  Idioticon  gesammelten 
Materiale.  4.  (32  S.)  Zürich  1874. 

193.  Jahresbericht  über  das  schweizerdeutsche  Idioticon,  umfassend 
den  Zeitraum  vom  Weinmonat  1873  bis  Ende  Herbstmonat  1874.  8.  (9  S.) 
Zürich   1874. 

194.  Hintner,  Val.,  Beiträge  zur  tirolischen  Dialektforschung.  II.  8. 
Wien   1874.   Beck. 

Vgl.  Alemannia  3.  Bd.  1.  Heft  (Birlinger). 

195.  Halt  rieh,  J.,  Bericht  an  den  Ausschuß  des  Vereins  für  sieben- 
bürgische  Landeskunde  über  den  Stand  der  Vorarbeiten  zu  einem  siebenbürgisch- 
deutschen  Wörterbuch. 

Archiv  des  Vereins  f.  siebenbürg.  Landeskunde  12.  Bd.  1.  Heft  (1874). 

196.  Schnitze,  Dr.  Martin,  Idioticon  der  nordthüringischen  Mundart. 
8.    (VII,  69  S.)   Nordhausen  1874.  Förstemann.    10  gr. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875,  Nr.  4 ;  Jen.  Liter.  Zeitung  1874,  Nr.  27  (Sievers). 

197.  Latendorf,  F.,  zu  Laurembergs  Scherzgedichten. 
Germania  19,  351. 

198.  Walther,  Dr.  C.  H.  F.,  zur  Geschichte  des  Wortes  priölken. 
Bremisches  Jahrbuch  7.  Bd.  1874. 

199.  Gutzeit,  W.  v.,  Wörterschatz  der  deutschen  Sprache  Livlands. 
2.  Theil.   1.  Lief.   8.  (127  S.)  Riga  1874.  Kyramel.   1  Rthlr. 

200.  Hettema,  Mr.  Montanus  de  Haan,  Idioticon  Frisicum.  Friesch- 
latijnsch-nederlandsch  woordenboek  uit  oude  handschriften  bijeenverzameld.  8. 
(XII,   596  S.)  Leeuwarden  1874.   Suringar.   8  f.   40  c. 

201.  Reprints   of  scarce  Glossaries.  Parti,   containing  seven  Glossaries. 
Publication  der  English  Dialect  Society  1874. 

202.  Ordbog,  Bornholmsk,  udgivet  af  Lserere.   8.   (88  S.)   1874.   80  sk. 

203.  Blumenberg,  Förteckning  öfver  egendomliga  ord  och  uttryckssätt 
i  Norbergsmälet. 

Vestmanlands  Fornminnesförenings  arskrift  1874. 


204.  Die  deutschen  Dialectdichtei*. 

Beilage  zum  deutschen  Reichs-Anzeiger  1874,  Nr.  30. 

205.  Mundartliche  Sprachproben. 
Alemannia  II,  159—174. 

206.  Stüürhandel,  de.  Es  G'spräch  vo  zweeNachbere.  In  Truck  g'geh  von 
Eim  wo  gloset  und  nahgschriebe  häd.   8.  Zürich  1874.   Zürcher  u.  Furrer.  40  c. 


VI.  MUNDARTEN.  461 

207.  Siber,  L.,  der  Kasper  vo  Binze.  E  haimelig  Gschichtli,  wo  der 
Franz  vo  Kobell  z'  Minche  ersunne  und  der  Baslerbeppi  am  Rhisprung  (Dr.  L. 
Siber)  us  em  Oberbairisehen  ins  Baselditsch  ibersetzt  hat.  8.  (15  S.)  Basel 
1874.   Schwighuseri. 

208.  Blueme-Strüßli  us  im  Vereiuhus-Gärtli  im  Baselbiet  als  Bazar- 
Grüssli.  8.  (80  S.)  Basel  1874.   Spittler.    '/g  Ethlr. 

209.  Arnold,  J.  G.  D.,  der  Pfingstmontag.  Lustspiel  in  Straßburger 
Mundart.  Neue  revidierte  Ausgabe  mit  einer  literarhistorischen  Einleitung  von 
L.   Spach.   8.   (XXXIX,   249  S.)  Straßburg  1874.  Schultz  u.  Co.   1  ßthlr.   6  gr. 

210.  Keller,  F.,  etle  Hegabutza.  Eine  Sammlung  von  Gedichten  in 
schwäbischer  Mundart.   16.   (159  S.)  Kempten  1874.  Kösel.   Ya  Rthlr. 

211.  Knapp,  Herrn.  Georg,  Hellauf  und  glattaweg!  Gedichte  in  schwä- 
bischer Mundart.   16.   (VHI,   91  S.)   Stuttgart  1873.  Rupfer.   7  gr. 

212.  Weitzmann's,  C,  sämmtliche  Gedichte  in  schwäbischer  Mundart. 
16.   (IV,  212  S.)  Stuttgart  1874.   Gutzkow.   Y^  Rthlr. 

213.  Lingg,  M.,  Gemüthle.  Gedichte  in  der  Mundart  des  östlichen  und 
mittleren  Allgäu.   8.   (124  S.)  Kempten  1874.  Kösel.   8  gr. 

214.  Hagen,  Casp.,  Dichtungen  in  alemannischer  Mundart  aus  Vorarl- 
berg.  8.   (511  S.)  Innsbruck  1874.  Wagner.   lV„  Rthlr. 

215.  Kram,  Jos.,  Kraut  und  Arbes.  Unterfränkische  Gedichte,  den 
lieben  Unterfranken  gewidmet.  2.  unveränd.  Auflage.  16.  Kaiserslautern  1874. 
Muschi.   85  d. 

216.  Rosegger,  P.  K.,  Zither  und  Hackbrett.  Gedichte  in  öster- 
reichischer Mundart.  Mit  einem  Vorwort  von  Rob.  Hamerling.  2.  Auflage.  16. 
(XVI,  214  S.)   Graz  1874.   1  Rthlr. 

217.  Röhricht,  R.,  der  Jirmirt,  didaktisches  jobsiadisches  Epos  in  Bunz- 
lauer  Mundart  mit  Worterklärung. 

Rübezahl  1874,  1.  Heft. 

218.  Palm,  H.,  zwei  Sonette  in  schlesischer  Mundart  von  Chr.  Jac. 
Salicen  Contessa,   mitgetheilt. 

Rübezahl  1874,  ].  Heft. 

219.  Ich  binn  ganz  wiehdig  uff"  de  Breisen.  Eihärjeeses!  Scheenes  Lied 
für 'ne  Bardikularisten-Stimme.  4.  Aufl.  8.  Leipzig  1874.  Siegismundu.  Volkening. 

2Y.g^-. 

220.  Schnozeln,  Erfurter.  Auswahl.  In  Erfurter  Mundart.  1  —  3.  Heft, 
16.  Erfurt  1874.  Körner,  ä  1  Ya  gi"- 

221.  Sommer,  A.,  Bilder  und  Klänge  aus  Rudolstadt  in  Volksmundart. 
I-V.    7.  Aufl.  Rudolstadt  1874.   Fröbel.   k  Yg  Rthlr. 

222.  Rottmann,  P.  J.,  Gedichte  in  Hunsrücker  Mundart.  4.  Aufl.  8. 
(VII,   286  S.)  Kreuznach  1874.   Voigtländer.   %  Rthlr. 

223.  Ahrens,  J.  F.,  Feldblom.  Plattdeutsche  Gedichte.  8.  (132  S.) 
Hamburg  1874.  Richter.   12  gr. 

224.  Schacht,  H.,  plattdeutsche  Gedichte  zum  Vortrag  in  geselligen 
Kreisen.   8.  (86  S.)  Hamburg  1874.  Richter.    Y4  Rtblr. 

225.  Semrau,  August,  Plattdeutsche  Gedichte.  2.  Auflage.  8.  (42  S.) 
Conitz  1874.  Wollsdorf.    %  Rthlr. 

226.  Danne,  Auguste,  De  lütt  Heckenros.  En  gemüthlichen  platt- 
dütschen  Snack  in  1   Akt.    16.   (19  S.)   Berlin    1874.  Lassar.    Y4  Rthlr. 

E.  Blochs  Dilettanten-Bühne  Nr.  43. 


462  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

227.  Giese,  Franz,  Franz  Essink,  sin  Liäwen  un  Driwen  äs  aolt  Mön- 
stersk  Kind.  Met  Hölpe  van  ne  gelährde  mönsterske  Aowend-Geselschupp  ver- 
teilt un  herutgiewen.   2.  Ausg.   8.  (216  S.)  Münster  1874.  Coppenrath.  ^3  Rthlr. 

228.  Grain  Tuig,  Schwanke  und  Gedichte  in  sauerländischer  Mundart. 
3.  Aufl.   8.  (96  S.)  Münster  1874.  Nasse.   8  gr. 

229.  Piening,  Th.,  Hans  un  Grethen.  8.  (123  S.)  Altena  1874.  Verlags- 
bureau.   ^Ii  Rthlr. 

230.  Piening,  Th.,  de  annere  Reis  na'n  Hamborger  Dom.  1.  Deel.  8. 
(140  S.)  Hamburg  1874.  Richter.    Vg  Rthlr. 

231.  Geschichte,  de,  von  de  goUen  Weig,  vermengelirt  mit  allerhand 
hüsliche  Taustänn  un  Begewnisse  von  Mi.  8.  (l26  S.)  Wismar  1874.  Hinstorff. 
73  Rthlr. 

232.  Keller,  E.  0.,  de  Peerlotterie!  En  lustig  Stückschen  v.  011  Bohl- 
mann ut  Groot  Zimpelhoagen.  Plattdütsch  verteilt.  16.  (31  S.)  Pyritz  1874. 
Backe.  3  gr. 

233.  Swanneblummeu.  Jierbokje  for  it  jier  1874.  8.  Herrenven  1874. 
Hingst. 

234.  De  Bijekoer,  frisk  jierbokje  for  1874.  28.  Jiergong.  8.  Frentsjer 
1874.  Telenga. 

235.  Mahl,  Joachim,  Biddel-Maryke.  In  print  üt  it  folkslibben.  Nei't 
holsteinsk  platdütsk.  Forfriske  tröch  Waling  Dykstra.  8.  (97  S.)  Leauerd  1874. 
Schierbeek.    75  c. 

236.  Holm  ström,  L.  P.,  Prof  pä  folkspräket  i  Färs  härad. 
Samlingar  tili  Skanes  historia,  fornskundskap  och  beskrifning.  Lund  1874. 


VII.  Mythologie. 

237.  Simrock,  Karl,  Handbuch  der  deutschen  Mythologie  mit  Einschluß 
der  nordischen.  4.  vermehrte  Aufl.  8.  (XII,  644  S.)  Bonn  1874.  Marcus.    3  Rthlr. 

Vgl.  Keusch,  theolog.  Literaturblatt  1874,  Nr.  25  (Rudlofif);  Neue  Preuß.  Zeitung 
1875,  Nr.  90. 

238.  Holtzmann,  Adolf,  Deutsche  Mythologie.  Vorlesungen  herausge- 
geben von  A.  Holder.   8.   (VIII,  308  S.)  Leipzig  1874.  Teubner.  8  Mk. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  Nr.  46  (E.  Kuhn);  Blätter  f.  literar,  Unterhaltung  1875, 
Nr.  37. 

239.  Wolf,  J.  W.,  die  deutsche  Götterlehre.  Ein  Hand-  und  Lesebuch 
für  Schule  und  Haus.  2.  Abdruck.  8.  (XVIII,  148  S.)  Göltiugen  1874.  Dieterich. 
24  gr. 

240.  Wagner,  Wilhelm,  Unsere  Vorzeit.  Nordisch-germanische  Götter 
und  Helden.   In   Schilderungen  für  Jugend  und  Volk.   2.  Ausg.   1.   Göttersagen. 

2.  Heldensagen.  Mit  140  Abbildungen.  8.  (XIX,  483  S.)  Leipzig  1874.  Spamer. 
2V3  Rthlr. 

Neue  Jugend-  und  Hausbibliothek.  4.  Serie.  N.  F.  5.  und  6.  Band. 

241.  Vollmer,  W.,  Wörterbuch  der  Mythologie  aller  Völker.  In  lOLiefrgu. 

3.  Aufl.   2 — 11.   (Schluß-)Liefg.   8.   Stuttgart  1874.   Hoffmann,   ä,  V3  Rthlr. 

242.  Tydemann,  P.  H.,  oostorsche,  westersche  en  noordsche  mythologie. 
Met  10  afbeldningen.  4*^  herziene  druk.  ».  (4  und  307  S.)  Zutphen  1874. 
V.  Someren.    1  f.   75  c. 


Vn.  MYTHOLOGIE.  VIII.  MÄRCHEN  UND  SAGEN.  463 

243.  Vetter,  Ferd.,  Preyr  und  Baldr  und  die  deutschen  Sagen  vom 
verschwindenden  und  wiederkehrenden  Gott. 

Germania  ly,  196—211. 

244.  Lütolf,   AI.,  Kleine  Beiträge  zur  Mythologie. 
Germania  19,  214—215. 

245.  Mühlhause,  E.,  die  aus  dem  deutschen  Götterglauben  herrührenden 
Bilder  an  den  Häusern  in  der  ehemaligen  Provinz  Oberhessen.  8.  Rauschen- 
berg 1874. 

246.  Schwebel,   Oskar,   Mythologisches  aus  der  Mark  Brandenburg. 
Wochenblatt  der  Johanniter  Ordens  Balley  Brandenburg  1874. 

247.  Hildebrand,  K.  H.,  Folkens  tro  om  siua  döda.  8.  (142  S.)  Stock- 
holm 1874.   2  kr.   25  ö. 

248.  Regel,  Karl,  mitteldeutscher  Fiebersegen  aus  dem  zwölften  Jahrhundert. 
Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,   94—96. 

249.  Schönbach,   Segen  aus   Grazer  Handschriften. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  78 — 81. 

250.  Steinmeyer,   ein  Segen. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  17,  560. 

251.  Schröer,  Sonnenuntergang,  Geiläte,  Gusträte  u.  a.  Gott  folgen  gehn. 
Germania  19,  430—432. 

252.  Gericht  und  Bekantnuß  einer  Winzenheimer  Hexe  1572.  Mitgetheilt 
von  P.  A.  M. 

Alsatia  1873—74. 


253.  Müller,  Max,  Einleitung  in  die  vergleichende  Religionswissenschaft. 
Zwei  Essays.   1.  Hälfte.   8.   Straßburg  1874.   Trübner.   pro  compl.   273  Rthlr. 

Vgl.  das  Ausland  1874,  Nr.  38. 

254.  Max  Müller's  Science  of  Religion. 
Edinburgh  Review  1874,  April. 

255.  Kuhn,  Ad.,  über  Entwicklungsstufen  der  Mythenbildung.  4.  (30  S.) 
Berlin  1874.   Dümmler  in   Comm.    Y3  Rthlr. 

Aus  den  Abhandlungen  der  Akademie.  2.  Abdruck,  ebd.  1874.  Vgl.  Magazin  f. 
d.  Liter,  d.  Auslandes  1874,  Nr.  20. 

256.  Schwartz,   W.,  zur  Methode  der  Mythenforschung. 
Neue  Jahrbücher  f.  Philologie  u.  Pädagogik  109.  Bd.  3.  Heft  (1874). 

VIH.  Märchen  und  Sagen. 

257.  Grimm,  de  gebroeders,  Sprookjes  en  vertellingen.  Naar  de  tiende, 
volledige  uitgave  uit  het  Hoogduitsch  door  A.  van  der  Velde.  Met  eeu  voor- 
woord  van  M.  P.  Lindo.  1*  Aflev.  8.  (2  und  S.  1—48).  s'Gravenhage  1874.  van 
Cleef.   35  c.   2°  deel.   (2  u.  238  S.)   1  f.   75  c. 

258.  Grimms  fairy  tales.  Translated  by  Mrs.  H.  B.   Pauel.   1874. 

259.  Bechstein,  L.,  neues  deutsches  Märchenbuch.  26.  Aufl.  8.  (276  S.) 
Wien  1874.  Hartleben.    12  gr. 

260.  Deutsche  Märchen.   Dresden  1874.   Meinhold  u.  Söhne. 
Vgl.  Nationalzeitung  1873,  Nr.  595;  Neue  Preuß.  Zeitung  Nr.  299. 

261.  Braut,  Gustav,  deutsche  Mythen-  und  Sagenmärchen  für  die  reifere 
Jugend.   2.  Aufl.   16.  (78  S.)  W^ien  1874.  Perles.   18  gr. 

262.  Hoffmann,  F.,  deutsche  Volksmärchen.  6.  Aufl.  16.  (116  S.)  Stutt- 
gart 1874.  Chelius.   1  M.  75  d. 


4G4  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

263.  Villamaria,  Elfenreigen.  Deutsche  und  nordische  Märchen.  2.  Aufl. 
8.  Leipzig  1873.  Spamer.  273  Rthlr. 

264.  Müldeuer,  R.,  nordisches  Märchenbuch.  4.  Aufl.  8.  Langensalza 
1874.  Grcßlcr. 

Vgl.  Thüringische  Zeitung,  Liter.  Anzeiger  138. 

265.  Miildener,  R.,  Märchen  aus  Süd  und  Nord.  3.  Aufl.  8.  ßraun- 
schweig   1874.   Schulbuchhandlung.   12  gr. 

266.  Dahn,   Felix,  die  deutsche  Sage. 

Allgemeine  Zeitung  1874,  Beilage  17  ff.  Anknüpfend  an  Schöppner  (Nr.  280). 

267.  Henne-am-Rhyn,  Otto,  die  deutsche  Volkssage.  Beitrag  zur 
vergleichenden  Mythologie  mit  1000  Originalsagen.  8.  (XXII,  538  S.)  Leipzig 
1874.   Krüger.   2V2  Rthlr. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1875,  Nr.  29;  Westminster  Review,  Januar;  Trübners 
literary  Record  Nr.  104.  105;  Deutsche  allgemeine  Zeitung  Nr.  159;  Europa  1874,  Nr.  34. 

268.  Schanz,  P,,  deutsche  Sagen.  8.  Dresden  1874.  Meinhold  u.  Söhne. 
1  Rthlr. 

Vgl.  Schlesische  Zeitung  1873,  Nr.  591;  Nationalzeitung  Nr.  595;  Neue  Preuß. 
Zeitung  Nr.  299;  Deutsche  Romanzeitung  Nr.   12. 

269.  Hoffmann,  F.,  deutsche  Sagen.  6.  Auflage.  16.  Stuttgart  1874. 
Chelius.   (IV,   404  S.)   4  Mk. 

270.  Aus  Schutt  und  Ruinen.  Illustrirter  romantischer  Sagen  wart  im 
Gewände  unserer  Zeit.   1 — 4^  Liefg.   8.  Wien  1874.   Wenedikt.   ä  4  gr. 

271.  Rolf  US,  K.,  Klänge  aus  der  Vorzeit.  Fromme  Sagen  und  Legenden. 
2.  und  3.  Bändchen.  Aus  Bayern  und  Salzburg.  8.  (VIII,  166;  VII,  169  S.) 
Mainz  1874.  Kupferberg,   h}/,^  Rthlr. 

272.  Ploennies,  L.  v..  Sagen  und  Legenden  nebst  einem  Anhang  ver- 
mischter Gedichte.   8.   (179  S.)  Heidelberg  1874.  Winter.   1  Rthlr. 

273.  Jecklin,  D.,  Volksthümliches  aus  Graubünden,  gesammelt  und 
herausgegeben.  I.  Theil:  Sagen  mit  Anhang:  Märchen  aus  dem  Bündner  Ober- 
lande, gesammelt  und  nach  dem  Räto -Romanischen  erzählt  von  C.  Decurtius.  8. 
(140  S.)   Chur  1874.   Gsell.   2  fr. 

274.  Lenggenhager,  G.  H.,  Volkssagen  aus  dem  Canton  Baselland. 
8.  (180  S.)   Basel  1874.    Schneider  in   Comm.   24  gr. 

275.  Stoffel,  Lau  und  Stöber,  Oberelsässische  Sagen  und  Volks- 
märchen. 

Alsatia  1873—74. 

276.  Birlinger,   A.,   Schwarzwaldsagen. 
Alemannia  2,  146—159. 

277.  Malleb  rein,  Franz,  Murgthal-Sagen  und  Geschichten  in  Reime 
gebracht.   8.   (78  S.)  Rastatt  1874.  Hanemann.    2  Mk. 

278.  Birlinger,  A.,  Aus  Schwaben.  Sagen,  Sitten  und  Gebräuche.  (Des 
„Volksthümlichen"  Neue  Sammlung.)  2.  Bd.  8.  (535  S.)  Wiesbaden  1874. 
Killinger.   3  Rthlr. 

Vgl.  Jen,  Liter.  Zeitung  1874,  Nr.  25;  1875,  Nr.  12  (Schottmüller);  Grenzboten 
Nr.  19  (Rückert);  Theolog.  Literaturblatt  X,  2  (Norrenberg) ;  Schwäbischer  Merkur 
1875,  Nr.  62 ;  Neue  Preuß.  Zeitung  Nr.  73. 

279.  Luib,  K,  Obeischwaben ,  seine  Sage,  seine  Geschichte  und  seine 
Alterthümer.  1.  Lieferung.  Die  Gelten  und  die  Römerzeit.  8.  (48  S.)  Tübingen 
1874.  Fues.   1  M.  40  Pf.   (Mit  3  Tafeln.) 


Vm.  MÄRCHEN  UND  SAGEN.  465 

280.  Schöppner,  A.,  Sagenbuch  der  bayerischen  Lande.  3  Bde.  gr.  8. 
(XIV,  496;  VI,  471;   470  S.)  München  1874.  Eieger.   3  Rthlr,   18  gr. 

Vgl.  Nr.  265;  lUustr.  Zeitung  Nr.  1607;  Süddeutsche  Presse  Nr.  163;  Landshuter 
Zeitung  Nr.  152;  Tageblatt  für  Kempten  Nr.  151. 

281.  Zapf,  Ludwig,  der  Sagenkreis  des  Fichtelgebirges.  Mythe  und  Ge- 
schichte.  8.   (186  S.)  Dresden  1874.  Birkner.    Va  Rthlr- 

Vgl.  Jenaer  Liter.  Zeitimg  1875,  Nr.  12. 

282.  Rusk,  Miss  R.  H.,  The  Valleys  of  Tirol,  their  traditions  and  customs, 
and  how  to  visit  them.   London  1874.  Longmans. 

Vgl.  Academy  5.  Sept.   1874. 

283.  Günther,  Madame  la  comtesse  A.  von,  Tales  and  Legends  of  the 
Tyrol.   Collected  and  arranged.  London  1874.   Chapmah  and  Hall. 

Vgl.  Academy  5.  Sept.    1874. 

284.  Hörmann,  L.  v.,  zwei   Sagenbilder  aus  Tirol. 
Wiener  Abeudpost  1874,  Nr.  218  ff. 

285.  Kärntnerische,   Strafiburger,  Lavanthaler  Sagen. 
Carinthia  64.  Jahrgang  (1874). 

286.  Bernau,  Friedrich,   Sagen  aus  dem  Erzgebirge. 

MittheiluDgeii  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  12.  Jahrg. 
(1874),  6.  Heft. 

287.  Knoblauch,  Hugo,  Von  den  Bergmäunlein  und  Rübezahls  Über- 
siedelung aus  dem  Harz  ins  Riesengebirge.  Mitgetheilt  aus  einer  alten  Hand- 
schrift. 

Rübezahl  1874,  Nr.  2. 

288.  Fritsche,  H.,  der  Junker  von  Eben.  Kynsburgsage. 
Rübezahl  1874,  1.  Heft. 

289.  Gräße,  Job.  Georg  Theodor,  der  Sagenschatz  des  Königreichs 
Sachsen.  Zum  ersten  Male  in  der  ursprünglichen  Form  aus  Chroniken,  münd- 
lichen und  schriftlichen  Überlieferungen  und  andern  Quellen  gesammelt  und 
herausgegeben.  2.  verbesserte  und  sehr  vermehrte  Auflage.  1. — 21.  Liefg.  gr.  8, 
2  Bde.   Dresden  1874.   Schönfeld,  ä   Ve  ßt^lr. 

Vgl.  Wissenschaftl.  Beilage    der  Leipziger  Zeitung  1873,    Nr.  97;   1875,  Nr.  36. 

290.  Pesse,   Otto,  thüringische  Sagen. 
Sybels  historische  Zeitschrift  16   (1874),  1,  33—72. 

291.  Mühlhause,  E.,  die  auf  urgermanische  Culturzustände  hinweisenden 
Sagen  in   der  Umgegend  von  Rauschenberg. 

Zeitschrift  des  Vereins  für  hessische  Geschichte.  N.  F,  5.  Band  (1874). 

292.  Simrock,  K.,  Rheinsagen.  Aus  dem  Munde  des  Volkes  und  deut- 
scher Dichter.  Für  Schule,  Haus  und  Wanderschaft,  7.  Aufl.  8.  (XII,  495  S.) 
Bonn  1874.  Weber.   2  Rthlr. 

293.  Hörn,  W.  0.  v.,  der  Rhein,  Geschichte  und  Sagen  seiner  Burgen, 
Abteien,  Klöster  und  Städte.  2.  Auflage.  8.  (552  S.)  Wiesbaden  1874.  Niedner. 
4V3  Rthlr. 

294.  Djurklou,  G.,  Svenska  sagor  i  Svenskt  landsmäl. 
Svenska  Fornminnesföreningens  tidskrift  1873 — 74.  Stockholm  1874. 


295.  Heller,  Prof.  Ambros,  Rüdiger  von  Pechlarn.  Ein  kritischer  Ver- 
such zur  Aufhellung  dieses  Namens. 

Blätter  des  Vereins  für  Landeskunde  für  Niederösterreich.   N.  F.  2.  Jahrg.  (1873). 

296.  Elze,  K.,  Tirol  und  die  Eggensage. 
Allgemeine  Zeitung  1874,  Beilage  251. 

GJSBiMANIA.  Neue  Beihe  Vm.  (XX.)  Jahrg.  30 


466  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

297.  Schercr,  W.,  der  Wasgenslein  in  der  Sage.  Vortrag  am  6.  Dec. 
1873. 

Mittheilungen  aus  dem  Vogesenclub  1874,  Nr.  2. 

298.  Bezzenberger,   A.,   der  Faden  um   die  Rosengärten. 
Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  42—44. 

299.  Müll  enh  off,   K.,   über  Reinhart  Fuchs. 
Zeitschrift  f.  deutsches  Alterthura  18,  1  —  9. 

300.  Zacher,  J.,  Reinhart  Fuchs  im  Kanzleibriefsteller. 
Zeitschrift  f.  deutsche  Philologie  6,  3 — 12. 

301.  Körting,  Gr.,  Dictys  und  Dares.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der 
Troja-Sage  in  ihrem  Übergänge  aus  der  antiken  in  die  romantische  Form.  8. 
(IV,  119  S.)  Halle  1874.   Lippcrt.   28  gr. 

Vgl.  Literar.  Centralblatt  1874,  Nr.  23;  Revue  critique  Nr.  19;  Wissenschaftl. 
Monatsblätter  Nr.  9;  Saturday  Review  17.  October  1874;    Allgemeine  Zeitung  Nr.  134. 

302.  Gidel,  la  legende  d'Aristote  au  moyen  äge. 

Annuaire  de  P  Association  pour  l'  encouragement  des  etudes  grecques  en France  1874. 

303.  Studemund,  zu  Johannes  de  Alta  Silva  De  rege  et  septem  sa- 
pientibus.   Zweiter  Artikel. 

Zeitschrift  f.  deutsches  Alterthum  18,  221—249. 

304.  Creizenach,  Theodor,   die  Döllinger-Sage. 
Im  neuen  Reich  1874,  Nr.  40. 

305.  Riezler,   Sigmund,   zur  deutschen  Kaisersage. 
Sybels  historische  Zeitschrift  1874,  3.  Heft.  S.  63—75. 

306.  Die  Kaiser-Friedri  ch-S  age. 

Beilage  zum  deutschen  Reichsanzeiger  1874,  Nr.  34  f. 

307.  Die  Kiffhäusersage. 
Augsburger  Postzeitung  1874,  Beilage  24. 

308.  Die  Winkejrieds  age. 

Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  1874,  Nr.  255. 

309.  Bieling,  Hugo,  ein  Beitrag  zur  Überlieferung  der  Gregorlegende. 
4.   (26  S.)   Berlin  1874.   Götz.    7,,^  Rthlr. 

Vgl.  Jahrbuch  f.  roman.  Literatur  N.  F.  2,  245  f.  (Mangold) ;  Reusch  theolog. 
Literaturblatt  IX,  26  (Birlinger) ;  Herrigs  Archiv  53,  458—460  (Sachse).  Eine  Besprechung 
von  Kölbing  wird  die  Germania  demnächst  bringen. 

310.  MVssafia,  A.,  zur  Katharinenlegende.  L   8.  Wien   1874,   Gerold. 
Aus  den  Sitzungsberichten  LXXV.  Band. 

311.  Horst,  V.  d.,  de  legende  van  de  h.  Ursula  en  haar  elfduizend 
maagden. 

Onze  Wächter  1874,  Nr.  3. 

312.  Heibig,  F.,  die  Sage  vom  „Ewigen  Juden",  ihre  poetische  Wanderung 

und  Fortbildung.   8.    Berlin  1874.  Lüderitz.    V3  Rthlr. 

Sammlung-gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vorträge,  196.  Heft.  Vgl.  Jen. 
Liter.  Zeitung  1874,  Nr.  44   (Schottmüller). 

313.  Die  Sage  vom   ewigen  Juden. 

Magazin  f.  d.  Literatur  des  Auslandes  1874,  Nr.  31. 

314.  Gorius,   zur  Ahasversage.    4.   (16  S.) 
Programm  des  Marcellen-Gymnasiums  in  Köln  1874. 

315.  Die  kriechenden   Thiere  in  der  Sage. 
Europa  1874,  Nr.  34. 

316.  Bodin,  Th.,   die  Nachtigall  in  der  Volkssage  und  dem  Volksglauben. 
Sonntagsblatt  von  Liebetreu  1874,  Nr.  47. 


IX.  VOLKS-  UND  KINDERLIEDER,  SPRICHWÖRTER  etc.  467 

317.  Strackerjan,  ist  die  Eiche  oder  die  Linde  d«r  Baum  dee  deut- 
schen Volkes?  8.  Oldenburg  1874. 

318.  Kreuzdorn  und  Weißdorn    in   Sage  und  Dichtung. 
Europa  1874,  Nr.  23. 

319.  Moses,  Herrn.,  die  deutschen  Pflanzennamen  in  ihrer  Bedeutung 
für  die  Geschichte  und  Alterthumskunde. 

Mittheilungen  aus  dem  Archive  des  voigtländischeu  alterthumsforschenden 
Vereins  1874. 

IX.  Volks-  und  Kinde rlieder,  Sprichwörter,  Sitten  und  Gebräuche. 

320.  Scherer,  Georg,  Jungbrunnen.  Die  schönsten  deutschen  Volks- 
lieder. Gesammelt.   3.  Aufl.   16.   (XII,  351  S.)  Berlin   1874.   Besser.    V/^  Rthlr. 

Vgl.  Jenaer  Liter.  Zeitung  1875  Nr.  2  (Schottmüller) ;  Wissenschaftl.  Monats- 
blätter 1874  Nr.  2;  Lehmanns  Magazin  Nr.  44;  Grenzboteu  Nr.  50;  Im  neuen  Reich 
Nr.  42;  Deutsche  Warte  VII,  12;  Nationalzeituug  Nr.  479;  N.  Preuß.  Zeitung  Nr.  280; 
Kölnische  Zeitung  Nr.  329.  —  Eine  illustrirte  Prachtausgabe  erschien  in  Leipzig  bei  Dürr, 

321.  Arnim,  A.  L.  von,  und  Cl.  Brentano,  des  Knaben  Wunderhorn. 
Alte  deutsche  Lieder.  Gesammelt.  6.  — 10,  Lieferung.  8.  Wiesbaden  1874.  Kil- 
linger.   ä   12  gr. 

322.  Arnim,  A.  L.  von,  und  Cl.  Brentano,  des  Knaben  Wunderhorn, 
Alte  deutsche  Lieder.  Mit  Holzschnitten  nach  Zeichnungen  von  Ad,  Schmitz 
und  Alex.  Zick  und  einer  Einleitung  von  Gust.  Wendt.  8.  8. — 9.  (Schluß) -Lief. 
Berlin  1874.  Grote.  ä  V4  Rthlr. 

323.  Crecelius  und   Birlinger,   zu  des  Knaben  Wunderhorn. 
Alemannia  2,  181—191. 

324.  Jäger,  Hermann,   das  Volkslied   in  Thüringen. 
Der  Salon  1874,  11.  Heft,  S.  1396-1408. 

325.  Schmolke,  H.,  die  Kämpfe  der  Schweizer  gegen  Burgund  im  Lichte 
zeitgenössischer  Dichtung. 

Die  Grenzboten  1874,  Nr.  38—39. 

326.  Schmolke,  H.,  Proben  gleichzeitiger  Volkslieder  über  die  Schlachten 
bei  Hemmingstedt  (1404  und  1500).  In  neuhochdeutscher  Übersetzung  mit- 
getheilt. 

Die  Grenzboten  1874,  Nr.  45. 

327.  Schmolke,  H.,  Proben  gleichzeitiger  Volkslieder  über  die  Sem- 
pacher  Schlacht.  In  neuhochdeutscher  Übersetzung  mitgetheilt. 

Die  Grenzboten  1874,  Nr.  17,  S.  131  —  142. 

328.  110  Volks-  und  Gesellschaftslieder  des  16.,  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts herausgegeben  von  F.  W.  Freiherrn  von  Ditfurth.  8.  Stuttgart  1874. 
Göschen.    1  Rthlr.    26  gr. 

329.  52  ungedruckte  Balladen  des  16.,  17.  und  18.  Jahrhunderts.  Aus 
fliegenden  Blättern,  handschriftlichen  Quellen  und  mündlicher  Überlieferung  ge- 
sammelt und  herausgegeben  von  F.  W.  Freiherru  v.  Ditfurth.  8.  (XII,  196  S.) 
Stuttgart  1874.   Göschen.    1  fl.  36  kr. 

Vgl.  Anzeiger  f.  Kunde  d.  deutschen  Vorzeit  1874  Nr.  6;'  Lehmanns  Magazin 
Nr.  23. 

330.  Die  historischen  Volks li  eder  des  österreichischen  Heeres  von  1638 
bis  1849.  Aus  fliegenden  Blättern,  handschriftlichen  Quellen  und  dem  Volks- 
munde gesammelt  von  F.  W.  Freiherrn  v.  Ditfurth.  8.  (IV,  115  S.)  Wien  1874. 
Seidel.   Vg  Rthlr. 

30* 


468  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

331.  Jacobs,  E.,    Soldatenlied  auf   die  verschanzten    schwedisch-kaiser- 
lichen Feldlager  bei   Saalfeld  vom  Mai   bis  Juni    1640. 

Anzeiger  f.  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1874,  Sp.  307  — .312. 

332.  Bauman,   Ludwig,  Ain  Lied  von    demselben  Krieg,   darynnen  et- 
liche stött  Schinen,   Schrotzburg  und  anndere  vösstinen  verstört  haben. 

Anzeiger  f.  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1874,  Sp.  44—48. 

333.  Vetter,   Ferd.,  Kleine   Beiträge. 
Germania  19,  211—214. 

334.  Vlämische  Volkslieder  des   Mittelalters.   Von   H.   Seh. 
Im  neuen  Reich  1874,  Nr.  44. 

335.  Böddeker,  E.,   englische  Lieder  und  Bdiladen  aus  dem  16.  Jahr- 
hundert  nach  einer  Hs.   der  Cottoniauischen  Bibliothek  des  Brittischen  Museums. 

Jahrbuch  für  romanische  und  englische  Litteratur  14,  210 — 239. 

336.  Harlaud,  J.,  Ballads  and    songs  of  Lancashirc.    2'^  edition.    7   sh. 

337.  Murray,  J.   GL,    the  ballads    and    songs    of  Scotland,    in  view  of 
their  influence  on  the  character  of  the  people.   8.   (220  S.)   6  sh. 

338.  Kristensen,  E.  T.,    gamle  jydske  Folkeviser,    samlede    af  folke- 
munde  isaer  i  Hammerum  Herred.    1.— 2.   Hft.   8.   (112  S.)    1874. 

339.  Eichorn,   C,  äldre  Svenska  folkvisor. 
Svenska  Fomminnesföreningens  tidskrift  1873 — 74. 


340.  Hörmann,  L.  v.,  zwei  Kinderspiele  aus  Tirol. 
Wiener  Abendpost  1874  Nr.  210. 

341.  Blaas,   C.  M.,     der  Marienkäfer  im    niederösterreichischen  Kinder- 
spruch. 

Germania  19,  67—72. 

342.  Dunger,   Hermann,   Kinderlieder  und  Kinderspiele  aus  dem   Vogt- 
lande.   16.   (X,  207  S.)  Flauen  1874.   Neupert.    12  gr. 

Vgl.  Liter.    Centralblatt  1875  Nr.  4:    Jen.    Liter.    Zeitung  1874    Nr.    43  (Schott- 
müller); Deutsche  allgem.  Zeitung  Nr.  209;  Deutscher  Sprachwart  VIII,  20. 

343.  Meier,  H.,   das  Kind  und  die  Volksreime  der  Ostfriesen. 
Der  Globus  von  Andree  26.  Bd.  Nr.  17—18. 

344.  Meier,   H.,  zur  ostfriesischen   Neck-  und  Spottlust. 
Der  Globus  von  Andree  26.  Bd.  Nr.  6—7. 

345.  Baker-   en  Kinder  rijm  en,  Nederlandsche,  verzameld  en  medege- 
deeld   door  Dr.  J.   van  Vloten.   3.  druk,   Leiden  1874.   SijthofF.   30  c. 

346.  Halliwell,  J.  0.,   Nursery  rhymes  and  Nursery  Tales  of  England 
collected.  New  edition.    1  sh. 


347.  Wander,  K.  F.  W.,  Deutsches  Sprichwörterlexicon.  46  —  51.  Liefg. 
hoch  4.   (Bd.  4,   Sp.  129—768).   Leipzig  1874.   Brockhaus,   ä  Vs  Rthlr. 

348.  Schröder,  W. ,  de  plattdüdsche  Sprückwörderschatz  d.  i.  dusend 
plattdüdsche  Sprückwörders  von  A  —  Z.  Ostfresische,  Oldenburgische,  Hannoversche, 
Mecklenbörgische  u.  A.  En  spaßig  un  lehrriek  Bok  für  lütge  un  groote  Lühde. 

Reclams  Universal-Bibliothek  Nr.  493.  Leipzig.  16.  (70  S.)  2  gr. 

349.  Schröder,  W.,  Jan  Peck  de  norddütsche  Spaßmacher.  Sammlung 
plattdeutscher  Humoresken,   Schnurren,   Gedichte,   Sprichwörter  etc. 

Museum  komischer  Vorträge  7.  Bd.  (VIII,  216  S.)  Berlin  1874.  Janke.  %  Rthlr. 

350.  Schulze,  Carl,  die  sprichwörtüchen  Formeln  der  deutschen  Sprache. 
Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  52,  375 — 392. 


IX.  VOLKS-  UND  KINDERLIEDER,  SPRICHWÖRTER  etc.  469 

351.  Sprichwörtliche  Formeln  der  deutschen  Sprache. 

Deutsche  Monatshefte  (Beilage  zum  Reichs-Anzeiger)  1874,  Jiali  (2,  Jahrg.  4.  Bd. 
1,  Heft). 

352.  Sprichwörter  und  sprichwörtliche  Redensarten  aus  Joh.  Pauli's 
Schimpf  und  Ernst,  gesammelt  von   A.   Stöber. 

Alsatia  1873—74. 

353.  Meyer,  Jürgen  Bona,  Erziehungsweisheit  im  Sprichwort.  I. 
Die  Gegenwart  1874,  Nr.  36. 

354.  Das  Recht  im   Sprichwort. 
Das  neue  Blatt  1874,  Nr.  37. 

355.  S uringar,  Dr.  W.  H.  D.,  Distichorum  proverbialium  sententiarum 
elegantissimus  liber  auctore  Joan.  Glandorpio  Monasteriensi.  Collatis  germanicis 
Agricolae  proverbiis   ed.   8.   (152  S.)  Lugduni  Batav.    1874.   Brill. 

Vgl,  Literar.  Centralblatt  1874  Nr.  31;    Revue  critique  Nr.  38. 

356.  Proverbial  Folk-Lore  hj  the  Author  of  Songs  of  Solace.  12. 
(lÜO  S.)   1874.   1  s.   6  d. 

357.  Simrock,  Karl,  das  deutsche  Räthselbuch.  3.  Aufl.  8.  (188  S.) 
Frankfurt  a.  M.  1874.  Winter.    Y^  Rthlr. 

Vgl.  Kölnische  Zeitung  1874  Nr.  180. 


358.  Schönhuth,  O.  F.  H.,  Gregorius  auf  dem  Stein.  8.  Reutlingen  1874. 
Fleischhauer  u.  Spohn.   2  gr. 

359.  Schönhuth,  O.  F.  H.,  Historie  von  den  vier  Heymonskindern. 
Ebd.   5  gr. 

360.  Schönhuth,  0.  F.  H.,  Historie  von  der  edlen  und  schönen  Melu- 
sine.  Ebd.   4  gr. 

361.  Schönhuth,  0.  F.  H.,  die  zwölf  Sibyllen  und  ihre  Weissagungen. 
Ebd.   2  gr. 

362.  Schönhuth,  0.  F.  H.,  Historie  von  dem  Ritter  von  Staufenberg 
und  der  Waldfeye.  Ebd.   1  gr. 

363.  Fortunatus  und  seine  Söhne  mit  dem  Glücksseckel  und  Wünschl- 
hütlein.    8.   Reutlingen  1874.   Enßlin  und  Laiblin.    2  gr. 

Ebenda:  Herzog  Ernst.  2  gr.  Hirlande.  1  gr.  Faust.  2  gr.  Melusina.  2.  Auflage. 
2  gr.  Die  Schildbürger.  2  gr.  Der  gehörnte  Siegfried.  1  gr.  Tyll  Eulenspiegel.  6.  Aufl.  2  gr. 

364.  Osterwald,  K.  W.,  alte  deutsche  Volksbücher.  1.  Band.  Reineke 
Fuchs.    8.   (157  S.)  Halle  1874.   Waisenhaus.    Yg  Rthlr. 

365.  Osterwald,  K.  W.,  Erzählungen  aus  der  alten  deutschen  Welt. 
9.  Theil.  Reineke  Fuchs.  8.  Halle  1874.  Waisenhaus.  Y2  Ktblr-  —  10.  Theil. 
Herzog  Ernst.  Heinrich  von  Kempten.  Heinrich  der  Löwe.  8.  Halle  1875. 
Waisenhaus.    Y2  Rthlr. 

366.  Schmidt,  F.,  Reineke  Fuchs.  7.  Auflage.  8.  Berlin  1874.  Kastner. 
Y2  Rthlr. 

367.  Fröhlich,  Carl,  Tyll  Eulenspiegels  wunderbare  und  seltsame 
Historien.  Mit  vielen  Figuren.  Neue  Auflage.  8.  (151  S.)  Reutlingen  1873. 
Fleischhauer  u.   Spohn.   4  gr. 

368.  Schot  el,  Dr.  G.  D.  J.,  vaderlandsche  Volksboeken  en  Volkssprookjes 
van  de  vroegste  tijden  tot  het  einde  der  18^  eeuw.  2.  dln.  Roy.  8.  (XV,  304; 
VHI,  334  S.)  Mit  Abbild.  Haarlem  1874.   11  f.   10  c. 


470  BIBLIOGKArHlE  VON  1874. 

3G9.   B  r  u  uiihofer,   H.,  zur  EtliDologic;  und  Geschiclitc  des  Aberglaubens. 
Der  Globus  von  Andree  28.  Bd.  Nr.  4  f. 

370.  Stob  er,   A.,  drei  Sätze  aus  dem   elsässischen  Volksaberglauben. 
Alsatia  1873—74. 

371.  Birlinger,  A.,   Volksthümliches  aus  der  Baar. 
Alemannia  II,  119-139. 

372.  Haager,  über  Sitten  und  Gebräuche  am  Bodensee. 
Schriften  des  Vereins  für  Geschichte  des  Bodensees  4.  5.  Heft.  1874. 

373.  Reinsberg-D  üri  ugsf  el  d,  0.  Freih.  v.,  culturhistorische  Studien 
aus  Meran.   8.   (IV,   192  S.)  Leipzig  1874.  List  und  Franke.   24  gr. 

Vgl,   Literar.   Centralblatt   1874  Nr.  34. 

374.  Zwanziger,  G.  A.,  Mittheilungeu  aus  dem  Görtschitzthale. 
I.  Bäuerliches  Gespräch  in  Görtschitzthaler  Mundart.  II.  Burg  Reinek  bei 
Brücke.  III.  Feste  und  Gebräuche.    IV.   Altdeutsche  Gfitter  und  Göttinnen. 

Carinthia  63.  Jahrg.  (1873). 

375.  Meyer,  H.,   Aberglaube  in   Ostf'riesland. 
Der  Globus  von  K.  Andree  26.  Bd.   Nr.  10  (1874). 

376.  Rein  sberg-Düringsf  eld,  0.  v.,  Volksgebräuche  in  den  Kempen. 
(Belgien.) 

Das  Ausland  1874,  Nr.  24—26. 

377.  Köhler,  Aug.  Ernst,  Nachklänge  der  altgermanischen  Frühlings- 
und   Sommerfeier  im  Voigtlande. 

Mittheilungen  aus  dem  Archive  des  voigtländischen  alterthumsforschenden 
Vereins  1874. 

378.  Hörmann,   L.v.,   altgrrmanische  Weihnachten. 
Wiener  Abendpost  1874,  Beilage  296. 

379.  Per g er,  Anton   Ritter  v.,  zu   Weihnachten.   Vortrag. 

Berichte  und  Mittheilungen  des  Alterthumsvereines  zu  Wien.  14.  Bd    (1874).  4. 

380.  Waizer,  R.,  der  Lieserthaler  und   seine   Hochzeitsgebräuche. 
Carinthia,  Jahrgang  1874  Nr.    11. 

381.  Hagen,   G.,  das   Stephansreiten  in   Oberdeutschland. 
Allgemeine  Familien-Zeitung  1874,  Nr.  32. 

382.  Djurklou,  G.,  Unnarsboernes  seder  och  lif  efter  Lasses  i  Lassa- 
berg  anteckningar.   8.   (76  S.)   Stockholm  1874.   2  k.   25  ö. 


383.  Krummel,   das   Oberammergauer  Passionsspiel. 

Zeitschrift  für  die  gesammte  lutherische  Theologie,  35.  Jahrgang  (1874),  4.  Heft. 

384.  Ein   Weihu  acht  sspiel    im  Erzgebirge.    Von  Dr.   C.   von   Weber. 
Mittheilungeu  des  kgl.  säch.s.  Alterthumsvereins,   24.  Heft.  Dresden  1874. 

385.  Das  Urner  Spiel  vom  Wilhelm  Teil.  Nach  der  Originalausgabe  neu 
herausgegeben    von   Wilh.   Vischer.    8.    (XI,   33  S.)  Basel  1874.   Georg,   12  gr. 

Publication  der  historischen  und  antiquarischen  Gesellschaft  in  Basel, 

X,   Alterthümer   und   Culturgeschichte. 

386.  Hellwald^  F.  v.,  Culturgeschichte  in  ihrer  natürlichen  Entwicklung 
bis   zur  Gegenwart,   8.   Augsburg  1874.   Lampert  u.   Co. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt.  1874  Nr.  43;  1875  Nr.  19;  Zeitschrift  f.  deutsche  Kultur- 
geschichte 1874,  9.  Heft;  Saturday  Review,  19.  Sept.  1874;  Deutsche  Rundschau  I,  6; 
Archiv  f.  Anthropologie  VIII,  2;  Lehmanus  Magazin  Nr.  21;  Deutsche  Allgeni.  Zeitung 
Nr.    126;    Europa   Nr,    12;    Neue    evang,    Kirchenzeitung   Nr.    26;    Kölnische    Zeitung 


X.  ALTERTHÜMEK  UND  CULTURGESCHICHTE.         471 

Nr.  112;  Allgem.   Zeitung  1875   Nr.   3;   Spenersche  Zeitung  1874    Nr.  437;   Die   Lite- 
ratur Nr.  40;  Süddeutsche  Presse  Nr.  163;  Gaea  Nr.  8;  Deutsche  Warte  VIII,  1. 

387.  Wright,  Thomas,  A  history  of  English  culture  from  the  earliest 
known  period  to  modern  times.  With  nuraerous  woodcut  illustrations.  New  Edition. 
8.  (XVI,  G02  S.)   Straßburg  1874.  Trübner.    6  Rthlr. 

388.  Lubbock,  Sir  John,  die  vorgeschichtliche  Zeit,  erläutert  durch 
die  Überreste  des  Alterthums  und  die  Sitten  und  Gebräuche  der  jetzigen  W^ilden. 
Autorisierte  Ausgabe  für  Deutschland.  Nach  der  dritten  Auflage  aus  dem  Eng- 
lischen von  A.  Passow.  Mit  einleitendem  Vorwort  von  R.  Virchow.  1.  Bd.  8. 
(XXXII,  303  S.)  Jena  1874.  Costenoble.  3 '/a  Rthlr.  2.  Bd.  (XI,  317  S.)  2  Rthlr. 
10  gr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1874  Nr.  19,  Nr.  51;  Wissenschaftl.  Monatsblätter  Nr.  4; 
Zeitschrift  für  die  gesammte  Nat.  Wissenschaft  IX,  2.  3;  Neue  evang.  Kirchenzeitung 
Nr.  41 ;  Mittheilungen  d.  Vereins  f.  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  XIII,  1. 

389.  Hildebrand,  H,  H.,  de  förhistoriska  folken  i  Europa.  1,  Heft.  8. 
(80  S.)   Stockholm  1874.   2.-4.  Heft.  (224  S.)    1874.  k  1  k.   25  ö. 

390.  Taciti,  C,  Germania.  Erläutert  von  Dr.  Schweizer-Sidler.  2.  ver- 
mehrte u.  verbesserte  Aufl.   8.   (VII,  87  S.)   Halle  1874.  W^aisenhaus.   Va  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Rundschau  I,  4. 

391.  Taciti,  C,  libri  qui  supersunt.  Tertium  recognovit  C.  Halm. 
2  Tomi.   8.  Leipzig  1874.  Teubner.  ä  1  M.  20  Pf. 

Vgl.  Rivista  di  filologia  II,  12. 

392.  Waitz,   G.,  zur  Kritik  des  Textes  von  Tacitus'   Germania. 
Nachrichten  von  der  kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Göttingen  1874  Nr.  18 

393.  Meyer,  Leo,  zur  Germania  des  Tacitus. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  5,  251—271. 

394.  Bachmann,  Disputatio  qua  antiquitatis  Germaniae  antiquias,  quae 
Wernigerodae  asservantur,   ad   illustrandam  Taciti  Germaniam    adhibere  conatur. 

Programm  des  Gymnasiums  zu  Wernigerode. 

395.  Geffroy,  A.,  Rome  et  les  Barbares.  Etüde  sur  la  Germania  de 
Tacite.   8.   (XII,  439  S.)  Paris  1874.  Didier.   7  f.  50  c. 

396.  Nebelthau,  Chatten,  Cherusker  und  Fosen  und  der  sächsische 
Hessengau. 

Zeitschrift  des  Vereins  für  hessische  Geschichte,  N.  F.  5.  Bd.  Cassel  1874. 

397.  Die  AI t er  thüm er  unserer  heidnischen  Vorwelt.  Nach  den  in  öfi'ent- 
lichen  und  Privatsammlungen  befindlichen  Originalien  zusammengestellt  und  heraus- 
gegeben von  dem  römisch-germanischen  Centralmuseum  in  Mainz  durch  dessen 
Conservator  L.  Lindenschmit.  3.  Bd.  4.  Heft.  gr.  4.  (10  S.  mit  12  Steintafeln.) 
Mainz  1874.  v.  Zabern.    %  ^^^^r. 

398.  Müller,  Dr.  H.  A.,  und  Bau-Rath  Dr.  Osk.  Mothes,  illustrirtes 
archäologisches  Wörterbuch  der  Kunst  des  germanischen  Alterthums,  des  Mittel- 
alters sowie  der  Renaissance.  1.  und  2.  Lief.  8.  (S.  1 — 80  mit  eingedr.  Holz- 
schnitten.) Leipzig  1874.  Spamer.  ä  Yg  Rthlr. 

Vgl.  Die  Literatur  1874  Nr.  36  (Knorr). 

399.  Blell,  Th.,  Ergänzungen  zu  dem  Aufsatz  Reconstruction  eines 
germanischen  Rundschildes'  etc. 

Altpreußische  Monatschrift  1874,  7.  Heft.  Vgl.  Bibliographie  1873  Nr.  374. 

400.  Wiberg,  C.  F.,  vära  förfäders  stridsvapen,  efter  fynd  i  Gestrik- 
lands  forngrafvar. 

Svenska  fomminnpsföreningens  tidskrift  1873 — 74.  Stockholm  1873, 


472  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

401.  Maurer,  K.,  Island  von  seiner  ersten  Entdeckung  bis  zum  Unter- 
gange  des  Freistaates.   8.  (X,  480  S.)  München  1874.  Kaiser. 

402.  Montelius,  0.,  Sveriges  forntid.  Försök  tili  framställning  af  den 
svenska  fornforekningens  resultat.  Text.  I.  Stenäldeni.  8.  (S.  1 — 162).  Stock- 
holm 1874.   1  Rthlr.  10  gr. 

403.  Montelius,  O.,  Sveriges  forntid.  Atlas.  I.  Stenaldern  och  brons- 
aldern.   8.  (IV,  80  S.)  II.  Jernaldern.   8.  (102  S.)  Stockholm  1872—74.   10  kr. 

404.  Montelius,  0.,  la  Suede  pr^historique.  8.  (172  S.)  Stockholm  1874. 

405.  Schweden,  das  heidnische.  Ethnologie  der  alten  Schweden. 
Das  Ausland  1874,  Nr.  8—9. 

406.  Bidrag  tili  kännedom  om  Göteborgs  och  Bohus  läns  fornminnen 
och  historia.  Utg.  pä  föranstaltande  af  länets  hushällnings  sällskap.  8.  (126  S.) 
Stockholm   1874. 

407.  Brunius,  G.,  ovanligt  kummel  vid  Forstheim. 
Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1874,  4.  Heft. 

408.  Montelius,  0.,  Bohuslilndska  fornsaker  fran  hednatiden.  I.Heft. 
8.  (S.  1—76)  Stockholm  1874. 

409.  Stolpe,  H.,  Björköfyndet.  Beskrifning  öfver  fornsaker  frän  nordens 
yngre  jemalder  funna  pä  Björkö  i  Mälaren.  I,   Stockholm  1874. 

410.  Sträle,  G.  H.,  Grafkärl  funna  i  svensk  jord.  4.  (163  S.  mit  12 
Tafeln).  Stockholm  1874. 

411.  Ulfsparre,  S.  B.,  svenska  fornsaker,  samlade  och  ritade  pa  sten. 
8.   (8  S.  und  15  Tafeln.)  Stockholm  1874. 

412.  Westmanlands  fornminnesförenings  ärsskrift.  Utg.  af  J.  E.  Modin. 
1.  Heft.  8.  (68  S.  und  10  Tafeln.)  Westeräs  1874. 

413.  Wittlock,  J.  A.,  Jordfynd  frän  Wärends  för-historiska  tid.  Ett 
bidrag  tili  Sveriges  antiqvariska  topografi.  8.  (102  S.  mit  einer  Karte  und  13 
Tafeln.)  Stockholm  1874. 

414.  Dybeck,  R.,  Runa.  En  skrift  för  nordens  fornvänner.  Andra  sam- 
lingans  1.  Heft.  (18  S.)  Stockholm  1874. 

415.  Müller,  Sophus,  en  tidsadskillelse  mellem  fundene  fra  den  aeldre 
jemalder  i  Danmark. 

Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1874,  4.  Heft. 

416.  Madsen,  A.  P.,  Afbildninger  af  danske  Oldsager  og  Mindesmaerker. 
Heft  XXVII.  Kjöbenhavn  1874. 

417.  Blume,  Ludw.,  das  Ideal  des  Helden  und  des  Weibes  bei  Homer 
mit  Rücksicht  auf  das  deutsche  Alterthum.   8.  (51  S.)  Wien  1874.   12  gr. 

Programm  des  akademischen  Gymnasiums.  Vgl.  Liter.  Centralbl.  1875  Nr.  24; 
Blätter  f.  d.  bayer.  Gymnasial-Schulwesen  XI,  3;    Nordd.  AUg.  Zeitung  1874  Nr.  273. 

418.  Müllenhoff,  K.,  zum  Schwerttanz. 
Zeitschrift  f.  deutsches  Alterthum  18,  9 — 13. 

419.  Angerstein,  W.,  Volkstänze  im  deutschen  Mittelalter.  2.  Aufl. 
8.  (32  S.)  Berlin  1874.  Lüderitz.   6  gr. 

Sammlung  gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vorträge  58.  Heft. 

420.  Schöber,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Jagd  und  der  JagdwafFen 
in  Österreich. 

Jagd-Zeitung  1874,  Nr.  6—8. 

421.  Perger,  A.  Ritter  v.,   Studien  über  die  mittelalterliche  Hirschjagd. 
Jagd-Zeitung  1874,  Nr.  2  f. 


X.  ALTERTHÜMER  UND  CULTURGESCHICHTE.         473 

422.  Freytag,  G.,  Bilder  aus  der  deutschen  Vergangenheit.  2.  Band. 
1.  Abth.   8.  Aufl.   8.   (VIII,  468  S.)  Leipzig  1874.   Hirzel.   1^4  Rlhli'. 

423.  Birliuger,   Sittengeschichtliches  aus  Elsaß-Lothringen. 
Alemannia  II,  139  —  146. 

424.  Birlinger,  A.,   aus  dem  Buch   Weinsberg. 
Germania  19,  78-95. 

425.  Ennen,  L.,   aus   dem   Gedenkbuch  des  Hermann    Weinsberg. 
Zeitschrift  für  deutsche  Kulturgeschichte,  Jahrg.  1874. 

426.  Liliencron,  K.  Frh.  v.,  Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der  öffent- 
lichen Meinung  in  Deutschland  während  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhs.  4.  (66  S.) 
München  1874.  Franz  in   Comm.    1  M.    90  Pf. 

Aus  den  Abhandlungen  der  Akademie.  Vgl.  Liter.  Centralbl.  1875,  Nr.  34. 

427.  Köhler,  R.,  mittelalterliche  Ansichten  über  die  Träger  des  Namens 
Petrus. 

Germania  19,  426-428. 

428.  Köhler,  R.,  das  Schicksalsrad  und  der  Spruch   vom  Frieden. 
Germania  19,  189  —  194. 

429.  Zingerle,  J.,  u.  R.  Köhler,  Nachträge  zu  Lemckes  Jahrbuch 
VI,  350. 

Germania  19,  349—350. 

430.  Bodin,  K.,  Kartenspiel    und  Würfellust  in    der   guten   alten  Zeit. 
Sonntagsblatt  1874,  Nr.  12. 

431.  Linde,  A.  van  der,  Geschichte  und  Litteratur  des  Schachspiels. 
1.  Band,  (mit  415  Diagrammen).  8.  (XII,  422,  34,  50  S.)  Berlin  1874.  Sprin- 
ger. 6  Rthlr.  20  gr.  —  2.  Bd.  (125  Diagramme).  8.  (XV,  524  S.)  Ebd.  6  Rthlr. 
20  gr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1874,  Nr.  26;  1875,  Nr.  15;  Jen.  Liter.  Zeitung  1874, 
Nr.  51  (Schaarschmidt) ;  AUgem.  Zeitung  Nr.  315;  Petzholds  Anzeiger  Nr.  10. 

432.  Müller  v.  Fürstenwalde,  E.,  häusliches  und  öffentliches  Leben  der 
alten  Deutschen. 

Sonntagsblatt  1874. 

433.  Cori,  K.  R.  J.  N.,  Bau  und  Einrichtung  der  deutschen  Burgen  im 
Mittelalter  mit  Beziehung  auf  Oberösterreich.  Mit  104  Abbildungen.  (184  S.) 
Linz  1874.  Haslinger.   2  Rthlr. 

434.  Zeller-Wertmüller,  H.,  die  heraldische  Ausschmückung  einer 
zürcherischen  Ritterwohnung.  Gezeichnet  und  erklärt.  4.  (18  S.  und  4  Tafeln.) 
Zürich  1874. 

Mittheikmgen  der  autiquar.  Gesellschaft  in  Zürich  Bd.  18,  Heft  4. 

435.  Eye,  v.,   ein  Maigellein  vom  16.   Jahrhundert. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1870,  Sp.  270 — 272.  Ist  ein  Trinkgefäß. 

436.  Birlinger,  Sigmaringische Inschriften  auf  Gläsern,  Thon-  und  Metall- 
Arbeiten. 

Alemannia  II,  195—196. 

437.  Ilwof ,  Dr.  F.,  über  Haus-  und  Hofmarken  besonders  in  den  öster- 
reichischen Alpenländern. 

Mittheilungen  der  k.  k.  Centralcommission   1874,  Supplementband  3.  4.  Heft. 

438.  Jacobs,  E.,  Anschaffungen  für  die  gräfliche  Küche  zu  Stolberg 
bei  herrschaftlichem  Besuch;   17.  und  18.  März  1499. 

Anzeiger  f.  Kunde  d.  deutschen  Vorzeit  1874,  Sp.  280. 

439.  Jeaffreson,  John  Cordy,   a  book  about  the  table.   2  vols.   1874. 
Vgl.  Athenaeum  1875,  Nr.  2459. 


474  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

440.  Der  Hopfen.  Seine  Herkunft  und  Benennung.  Zur  vergleichenden 
Sprachforscimng.   8.   (XII,  24  S.)  Homburg  1874.   Steinhäuser. 

Vgl.  Liter.   Centralbl.   1875,  Nr.   12. 

441.  Hehn,  Victor,  Culturpfianzen  und  Ilausthiere  in  ihrem  Übergang 
aus  Asien  nach  Griechenland  und  Italien  so  wie  in  das  übrige  Europa.  Histo- 
risch-linguistische Skizzen.  2.  un)gearb.  Auflage.  8.  (XII,  553  S.)  Berlin  1874, 
Boniträger.    2"/^  Rthlr. 

Vj^l.  Liter.'  Centralbl.  1874  Nr.  52;  Revue  critique  1875  Nr.  16;  Blätter  f.  d. 
bayer.  Gymnasialschulweseu  XI,  4;  Zeitschi  ift  f.  d.  österr.  Gymnasien  26,  7. 

442.  Häser,  H.,  Lehrbuch  der  Geschichte  der  Medicin  und  der  epi- 
demischen Krankheiten.  3.  Auflage.  Geschichte  der  Medicin.  1.  Bd.  1.  2.  Lief. 
Jena  1874.  Mauke. 

443.  Scheins,  Heilsbronn   als  Kurort. 
Zeitschrift  für  deutsches  Altertlium  18,  153—  155. 

444.  Richter,  Albert,   Lesen  und   Schreiben  im  Mittelalter. 
Westermanns  illustrirte  Monatshefte  1874.  Mai,  S.   161—171. 

445.  Wim m er,  L.  F.  A.,  Runeskriftens  oprindelse  og  udvikling  i  Norden. 
Med   3   Tavler  og  Afliildinger  i  Teksten.    8.   (270  S.)    Köbenhavn  1874.    Prior. 

Aus:  Aarböger  for  nordisk  Oldkyndighed  1874,  p.  1—270.  Vgl.  Liter.  Centralbl. 
1874  Nr.  45;  Revue  critique  1875  Nr.  15. 

446.  Bugge,   Sophus,   om  Runeskriftens   Oprindelse. 
Christiania  Videnskab  Selskabs  Forhandlinger  for  1873,  S.  1 — 3. 

447.  Schmoll  er ,  Gustav,  Straßburgs  Blüte  und  die  volkswirthschaftliche 
Revolution  im  XHL  Jahrhundert.   Rede.   8.   (35  S.)    Straßburg  1875.    Trübuer. 

Quellen  und  Forschungen  zur  Sprach-  und  Cnlturgeschichte  der  germanischen 
Völker  von  B.  ten  Brink  und  W.  Scherer.  VI.  A^gl.  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leip- 
ziger Zeitung  1875  Nr.  16. 

448.  Boßler,  die   Straßennamen  zu  Weißenburg.    8. 
Programm  des  CoUegiums  zu  Weißenburg  1873. 

449.  Ehrsam,  N.,  älteste  Feuerordnung  der  Stadt  Mülhausen  1449. 
Alsatia  1873—74. 

XL  Kunst. 

450.  Quellenschriften  für  Kunstgeschichte  und  Kun.sttechnik  des 
Mittelalters  und  der  Renaissance,  herausgeg.  von  R.  Eitelberger  v.  Edelberg. 
7.  Bdchen.  Schedula  diversarum  artium  des  Mönches  Theophilus.  Übersetzt  von 
A.  Hg.  1.  Theil.  —  Anonymus  Bernensis  über  die  Bindemittel  und  das  Coloriren 
von  Initialen.  Zum  ersten  Male  aus  der  Berner  Hs.  herausg.  und  mit  einer 
Übersetzung  versehen  von  H.  Hagen.  8.  (XLVtl,  400  S.)  Wien  1874.  Brau- 
müller.  273  I^*^^i'- 

Vgl.  Literarischer  Handweiser  Nr.  158. 

451.  Otte,  Heinrich,  Geschichte  der  deutschen  Baukunst  von  der  Römer- 
zeit bis  zur  Gegenwart.  Mit  über  300  Holzschu.  u.  mehreren  Tafeln.  5.  (Schluß-) 
Liefg.   hoch  4.    (VIH,  135  S.)   Leipzig  1874.   T.  O.  Weigel.    24  gr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1874  Nr.  50;  Jen.  Liter.  Zeitung  1875  Nr.  2;  Lehmanns 
Magazin  Nr.  10;  Jahrbücher  d.  Vereins  v.  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande  55.  56.  Heft; 
Neue  evang.  Kirchenzeitung  1874  Nr.  33. 

452.  Danskf  Min  desmserk  er.  2"  Rfekkc.  1.  Hfte.  Roeskilde  Domkirke, 
beskreven  af  A.  Kornerup.   5.   Afdeling.  Kopenhagen  1874. 

453.  Stephens,   G.,   Lindormen,   der  flöi  fort  med  kämpen  og  bans  best. 
Illustreret  Tideude  1874  Nr.  762. 


XL  KUNST.  XII.  RECHTSGESCHICHTE  U.  RECHTSALTERTHÜMER.  475 

454.  Wessely,  J.  E.,  Iconographie  Gottes  und  der  Heiligen.  8.  (XVI, 
458  S.)  Leipzig  1874.  T.  O.  Weigel.  B%  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1874  Nr.  50. 

455.  Ilg,  Alb,,  die  Bedeutung  der  St.  Eligius-Legende  für  die  Kunst- 
geschichte. 

Mittheilungen  der  k.  k.  Centralcommission,  Supplementband,  5.  Heft,  Wien  1874. 

456.  Schaepman,  Dr.  H.  J.  A.  M.,  Herrad  von  Landsperg  en  haar 
Hortus   deliciarum. 

Het  Gildebook.  Tijdskrift  voor  kerkelijke  kunsten  etc.   1    Jahrg.   Utrecht  1873.  4. 

457.  Müller,  H.,   altdeutsche  Schnitzwerke. 
Zeitschrift  für  deutsche  Kulturgeschichte  1874,  Heft  2  ff. 

458.  Fröhlich,  F.  J.,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Musik  der  älteren 
und  neueren  Zeit.  2.  Band.  Musikalische  Documente.  hoch  4.  Würzburg  1874. 
Stahel.   2  Rthlr.   12  gr. 

459.  Eitner,  R.,   das  Walthersche  Liederbuch. 
Monatshefte  für  Musik-Geschichte  1874  Nr.  10. 

460.  Friedländer,  Dr.  Ernst,  eine  Liederhandschrift  des  kgl,  Staats- 
archivs zu  Aurich  aus  dem  Anfange  des   17.  Jahrhunderts. 

Monatshefte  für  Musik-Geschichte  1874  Nr.  1. 


XIL   Rechtsgeschichte  und  Reehtsaltert  hüm  er. 

461.  Waitz,  G.,  deutsche  Verfassungsgeschichte.  5.  Bd.  Die  deutsche 
Reichsverfassung  im  9—12.  Jahrhundert.  1.  Bd.  8.  (IX,  447  S.)  Kiel  1874. 
Homann. 

Vgl.  Götting.  Gel.  Anzeigen  1874  Nr.  44  (Selbstanzeige);  Liter.  Centralbl.  1875 
Nr.   15. 

462.  Rive,  F.,  Geschichte  der  deutschen  Vormundschaft.  2.  Bd.  2.  Ab- 
theilg.  8.   (VI,  177  S.)   Braunschweig  1874.   Schwetschke.   4.  M.  (compl.  12  M.) 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1874  Nr.   11. 

463.  Bluhme,  F.,   die  Mundschaft  nach  Langobardenrecht. 
Zeitschrift  für  Rechtsgeschichte  11  Bd.  3.  Heft  (1874). 

464.  Amira,  K.  v..  Erbenfolge  und  Verwandtschafts-Gliederung  nach 
den  altniederdeutschen  Rechten.   8.   (X,  225  S.)   München  1874.  Ackermann. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1874  Nr.  46;    Kritische  Vierteljahrsschrift  XVH,  3. 

465.  Schröder,  Rieh.,  das  eheliche  Güterrecht  und  die  Wanderungen 
der  deutschen   Stämme  im  Mittelalter. 

Historische  Zeitschrift  16.  Jahrg.  2.  Heft  (1874)  S.  289—311. 

466.  Sperling,  H.,  zur  Geschichte  von  Buße  und  Gewette  im  Mittel- 
alter.  8.   Straßburg  1874.   Schmidt.   8  gr. 

467.  Boos,  H.,  Die  Liten  und  Aldionen  nach  den  Volksrechten.  8. 
(70  S.)   Göttingen  1874,  Peppmüller.   16  gr. 

Vgl.  Revue  critique  1875  Nr.  28. 

468.  Deloche,  Maximin,  La  Trustis  et  l'Antrustion  royal  sous  les  deux 
premieres  races.   8.   (XVI,  397  S.)   Paris  1873. 

Vgl.  Historische  Zeitschrift  1874,  4.  Heft  S.  344  ff. 

469.  Maurer,   K.,  Freimarkt. 
Gennania  19,  1—5. 

470.  Hertzberg,  Ebbe,  Grundtrajkkeue  i  den  seldste  norske  proces. 
Kristiania   1874, 


476  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

471.  Maurer,  K.,   das  Gottesurtheil  im  altnordischen  Rechte. 
Germania  19,  139—148. 

472.  Maurer,   K.,   Schuldkuechtschaft  nach  altnordischem  Rechte. 
Sitzungsberichte  der  k.  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  1874,  1.  Heft. 

Vgl,  Kritische  Vierteljahrsschrift  1874,  4.  Heft  (Brauner). 

473.  Maurer,  K.,  über  den  Hauptzehnt  einiger  nordgermanischer  Rechte. 
4.   (91  S.)   München  1874.   Franz  in   Comm. 

Aus  den  Abhandlungen  der  Akademie.  Vgl.  Liter.  Centralbl.  1875  Nr.  16 ;    Kri- 
tische Vierteljahrsschrift  XVII,  2. 


474.  Steffenhagen,  Dr.  Emil,  deutsche  Rechtsquellen  in  Preußen  vom 
XIII.  bis  zum  XVI.  Jahrhundert.  8.  (VIII,  248  S.)  Leipzig  1875.  Duncker 
u.   Humblot. 

Vgl.  Götting.  Gel.  Anzeigen  1874  Nr.  47  (Selbstanzeige);  Jen.  Liter.  Zeitung 
1875  Nr.  1  (Behrend);  Altpreußische  Monatschrift  1874,  Heft  8  (Toppen);  Kritische 
Vierteljahrsschrift  XVII,  2  (Stobbe) ;  Lit.  Centralbl.  1875  Nr.  37. 

475.  Friedrich,  über  die  Zeit  der  Abfassung  des  Tit.  I,  10  der  Lex 
Baiuwariorum. 

Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie  1874,  3.  Heft. 

476.  Lex  Salica  herausgegeben  von  J.  Fr.  Behrend  nebst  den  Capitu- 
larien  der  Lex  Salica  bearbeitet  von  A.  Boretius.  8.  (XXIV,  168  S.)  Berlin 
1874.   Guttentag.    1  Rthlr.    15  gr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.   1874  Nr.  44;  Jen.  Liter.  Zeitung  Nr.  19  (Sohm). 

477.  Boretius,.  Alfr.,' Beiträge  zur  Capitularienkritik.  8.  (X,  169  S.) 
Leipzig  1974.   Duncker  u.   Humblot.    1  Rthlr.    6  gr. 

Vgl.  Literar.  Centralblatt  1874  Nr.  33  (Dümmler) ;  Jen.  Liter.  Zeitung  Nr.  31 
(Sohm). 

478.  Winter,   F.,  Eiko  von  Repgow  und  der  Sachsenspiegel. 
Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  14.  Band  (1874),  S.  305 — 345. 

479.  Rockinger,  gelegentliche  Bemerkungen  zu  den  Hss.  des  kleinen 
Kaiserrechtes,  insbesondere  über  eine  Rechtsbücherhandschrift  in  Münster  ver- 
meintlich vom  J.  1449. 

Sitzungsberichte  der  k.  bayer.  Akademie  1874,  4.  Heft. 

480.  V.   Martitz,   die   Magdeburger  Fragen  kiitisch  untersucht. 
Zeitschrift  für  Eechtsgeschichte  11.  Band,  3.  Heft  (1874). 

481.  Die  Verbreitung  des  Magdeburger  Stadtrechts  im  Gebiete  des 
alten  polnischen  Reichs  ostwärts   der  Weichsel. 

Deutsche  Monatshefte  2.  Jahrg.  (1874)  4.  Bd.  2.  Heft. 

482.  Kelle,  J.,   Magdeburger  Schöffenurteile. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  309 — 314. 

483.  Dun  gel,  Adalb.,  Banntaidinge  von  Ober-Wölbling  und  Ober-Loiben. 
Aus  dem  Stiftsarchive  von  Göttweig  mitgetheilt. 

Blätter  des  Vereins  f.  Landeskunde  f.  Niederösterreich,  N.  F.  2,  Jahrg.  Wien  1873. 

484.  Riezler,   Weisthum  von  Wolterdingen. 
Alemannia  II,  179—181. 

XIII.  Litteraturgeschichte  und  Sprachdenkmäler. 

485.  Gervinus,  G.  G.,  Geschichte  der  deutschen  Dichtung.  5.  Band. 
5.  Auflage.  Herausgeg.  v.  K.  Bartsch.  8.  (VI,  887  S.)  Leipzig  1874.  Engel- 
mann.   3Y3  Rthlr. 


XIII.  LITTERATUEGESCHICHTE  UND  SPRACHDENKMÄLER.  477 

486.  Vilmar,  A.  F.  C,  Geschichte  der  deutschen  National -Literatur. 
16.   verm.  Aufl.    8.   (VIII,   632  S.)  Marburg  1874.   Elwert.    2  Rthh-. 

487.  Brugier,  G.,  Geschichte  der  deutschen  National-Literatur.  Nebst 
kurzgefasster  Poetik.  Für  Schule  und  Selbstbelebrung.  Mit  vielen  Proben  und 
einem  Glossar.  4.  verb.  Aufl.  8.  (LXXIV,  655  S.)  Freiburg  i.  B.  1874.  Herder. 
1  '73  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Handweiser  Nr.   164;  Blätter  für  liter.  Unterhaltung  1875  Nr.  25. 

488.  Kluge,  Herrn.,  Geschichte  der  deutschen  National-Literatur.  Zum 
Gebrauch  an  höheren  Unterrichtsanstalten  und  zum  Selbststudium  bearbeitet. 
5.  verb.  Aufl.   8.  (VIII,    224  S.)   Allenburg  1874.   Bonde.    '^/.^  Rthlr. 

Vgl.  Wissenschaft].  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1874  Nr.  58;  N.  Jahrbücher 
f.  Philol.  1874,  5.  6.  Heft;  Archiv  f.  d.  Studium  der  neueren  Sprachen  52,  415  (Nie- 
meyer); Liter.  Handweiser  Nr.  165. 

489.  Pi schon,  F.  A.,  Leitfaden  zur  Geschichte  der  deutschen  Literatur. 
14.  verm.  u.  verb.  Aufl.  bearb.  v,  H.  Palm.  8.  (VI,  262  S.)  Leipzig  1874. 
Duncker  u.   Humblot.    28  gr. 

Vgl.  N.  Preuß.  Zeitung  1874,  Beilage  244. 

490.  Rumpelt,  Dr.  H.  B.,  Grundzüge  der  deutschen  Literaturgeschichte 
zum  Gebrauche  für  Schulen.  2.  stark  verm.  u.  verb.  Auflage.  8.  Breslau  1873. 
Gosohorsky.   22Y„  gr. 

Vgl.  Literar.  Handweiser  Nr.  165. 

491.  Gredy,  F.  M.,  Geschichte  der  deutschen  Literatur  für  höhere  Lehr- 
anstalten ,  zum  Privat-  und  Selbstunterricht.  Neu  bearbeitet  von  AI.  Denk. 
5.  verb.  Aufl.   8.   (XU,  159  S.)  Mainz  1874.  Kirchheim.    Vg  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Handweiser  Nr.  164. 

492.  Leitfaden  für  die  Geschichte  der  deutschen  Literatur.  Mit  An- 
hang: von  der  Dichtkunst.  Herausg.  von  einem  Verein  von  Lehrern.  1.  und  2. 
Aufl.    8.  Potsdam  1874.  Rentel.    5  gr. 

Vgl.  Liter.  Handweiser  Nr.   165. 

493.  Literatur-Merkbüchlein.  Kleines  Lexicon  für  Freunde  der 
deutschen  Literatur.    2.  verm.   Aufl.    8.   Breslau  1874.   Hirt.    10  gr. 

494.  Mai  er,  E.,  Leitfaden  zur  Geschichte  der  deutschen  Literatur. 
5.  Aufl.   8.   (XIV,  173  S.)  Dresden  1874.  Ehlermann.    Vg  Rthlr. 

495.  Ohorn,  A.,  Grundzüge  der  deutschen  Literaturgeschichte.  Ein  Leit- 
faden für  die  Oberclassen  der  höheren  Töchterschulen,  Mittelschulen  und  ver- 
wandter Anstalten.  Mit  einem  biographischen  Anhang.  8.  (VII,  90  S.)  Biele- 
feld 1874.   Bacmeister.    8  gr. 

Vgl.  Blätter  f.  literar.  Unterhaltung  1875,  Nr.  25. 

496.  Obermüller,  L.,  Leitfaden  beim  Unterricht  in  der  deutschen 
Literaturgeschichte,  zugleich  Repetitionsbuch.  2.  verm.  Auflage.  8.  (4  u.  176  S.) 
Haarlem  1874.  Bohn.   1  f.   25  c. 

497.  Oltrogge,  C,  Geschichte  der  deutschen  Dichtung  von  den  ältesten 
Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart,  in  kurzer,  übersichtlicher  Darstellung  für  Schulen 
und  zur  Selbstbelehrung.  3.  Aufl.  8.  (XVI,  638  S.)  Leipzig  1874.  0.  Wigand. 
1  Rthlr. 

498.  Reuter,  Wilh.,  Literaturkunde,  enthaltend  Abriß  der  Poetik  und 
Geschichte  der  deutschen  Poesie.  Für  höhere  Lehranstalten  etc.  6.  Auflage.  8. 
(VIII,  215  S.)   Freiburg  i.  Br.  1874.   Herder.    14  gr. 

Vgl.  Liter.  Handweiser  Nr.  150;  Philothea  38,  12. 


478  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

499.  Schwarz,  C.W.  G.  E.,  Geschichte  der  deutschen  Literatur.  2.  Aufl. 
8.   (XXXI,  421  S.)  Amsterdam  1874.   Binger.    2  Kthlr. 

500.  Weber,  G.,  Geschichte  der  deutschen  Literatur  von  ihren  An- 
fängen bis  zur  Gegenwart.  10.  völlig  umgearb.  Aufl.  8.  (IV,  249  S.)  Leipzig 
1874.   Engelmann.   ^4  ^thlr. 

501.  Wolff,  Emil,  Leitfaden  zur  Geschichte  der  deutschen  Dichtung. 
Nach  unterrichtlichen  Grundsätzen  in  drei  Kursen  bearbeitet.  8.  Leipzig  1874. 
Siegißmuud  u.  Volkeniug.   k  8  gr. 

502.  Lange,  Otto,  Literaturgeschichtliche  Lebensbilder  und  Charakteri- 
stiken. Biographisches  Repertorium  der  Geschichte  der  deutschen  Literatur. 
2.  verm.  u.   verb.   Auflage.   8.   (VlII,   378  S.)  Berlin  1875.   Gärtner.    1 V3  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Handweiser  Nr.  164;  Natioual-Zeitung  1874  Nr.  539;  Kölnische 
Zeitung  Nr.  .319. 

503.  Wolff,  Emil,  Umrisse  und  Bilder  aus  der  Literaturkunde.  1.  Buch. 
8.   (96  S.)  Leipzig  1874.   Schäfer.    V3  Rthr. 

504.  Sonnenburg,  Ferd.,  die  Heroen  der  deutschen  Literatur.  In 
lebensgeschichtlicher  Form.  Zum  Gebrauche  auf  Gymnasien,  Real-  und  Töchter- 
schulen, sowie  für  Lehrer  und  zum  Privatstudium.  3  Bde.  8.  (VIT,  326;  583; 
729  S.)  Braunschweig  1874.   Vieweg.   5^6  Rthlr. 

505.  Wyß,  Fr.,  die  deutsche  Poesie  der  neueren  Zeit  mit  einleitenden 
Literaturbildern  aus  früheren  Perioden.  2.  Auflage.  8.  (X,  211  S.)  Bern  1874. 
Dalp.   1  M.   60  Pf. 

506.  Jonckbloet,  W.  J.  A.,  Geschiedenis  der  nederlandsche  letterkunde. 
2®  deel.  2*  geheel  omgewerkte  uitgave.  8.  (8  und  505  S.)  Groningen  1874. 
Wolters.   6  f.   25  c. 

507.  Brink,  Jan  ten,  Letterkundige  Schetsen.  l""  Aflev.,  8.  (S.  1 — 64). 
Haarlem  1874.  Bohn.   55  c.   (Etwa   14  Liefg.) 

508.  Taine,  A.  H.,  Histoire  de  la  littdrature  anglaise.  3*  editiou,  revue 
et  augmentee.  T.  5*^  et  compldmentaire.  Les  Contemporains.  18.  (III,  484  S.) 
Paris  1874.  Hacbette.   3  f.   50  c. 

509.  Taine's,  H.,  History  of  English  Literature.  Translated  from  the 
French  by  H^  van  Laun.   4  vols.   Edinburgh  1874.   ä   7  s.    6  d. 

Vgl.  Dublin  Review  Januar  1874;  Fortnightly  Review  Decemb.  1873  S.  693—714. 

510.  Taine,  H.A.,  den  engelske  Literaturs  Historie.  Renaissancen  1 
England.  Oversat  af  H.  S.  Vodskov.  3  —  5.  Heft.  8.  (ä  80  S.)  Kopenhagen  1874. 
Gyldeudal.  ä  36  sk. 

511.  Scherr,  Joh.,  Geschichte  der  englischen  Literatur.  2.  vorm.  und 
verb.   Aufl.   8.   (VII,  267  S.)   Leipzig  1874.  0.   AVigand.    IV3  Rthlr. 

Vgl.  Blätter  f.  liter.  Unterhaltung  1875  Nr.  20  (Äsher);  Allgera.  Zeitung  1874, 
Nr.  301;  N.  freie  Presse  Nr.  3670;  Hamburgischer  Correspondent  1875  Nr.  63. 

512.  Gäts  chenberger ,  Stephan,  Geschichte  der  englischen  Dichtkunst 
und  Skizze  der  wissenschaftlichen  Literatur  Englands.  2.  Aufl.  8.  London  1874. 
Wohlauer.    7  Mk. 

Vgl.  Blätter  t.  liter.  Unterhaltung  1875  Nr.  20  (Asher);  Hamburg.  Correspondent 
1874  Nr,  263;  N.  freie  Presse  Nr.  3620;  Thüriug.  Zeitung  Nr.  136;  Zeitschrift  f.  weib- 
liche Bildung  III,  3;  Saturday  Review  21.  Aug,  1875. 

513.  Craik,  Gcoi-ge  L.,  a  manna!  of  English  literature  and  of  the  history 
of  english  language.   2  vols.  12.   Leipzig  1874.   Tauchnitz.   k   y„  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl    1875  Nr.  22;  Lehmanus  Magazin  Kr.  27*. 


XIII.  LITTERATURGESCHICHTE  UNO  SPRACHDENKMÄLER.  479 

514.  Collier's  History  of  english  Hterature,  abridged  aud  adapted  for 
use  in  Dutsch  schools  by  P.  H.  van  Moerkerken.  2'^  edition  corrected  and  re- 
vised.  8.  (9,  231  S.)  Amsterdam  1874.  Akkeringa.   2  f. 

515.  Ruggeri,  Charles,  a  manual  of  the  history  of  English  literature. 
8.   (32  S.)  Messina  1874. 

516.  Minto,  William,  Characteristics  of  English  poets  from  Chaucer  to 
Shirley.   London  and  Edinburgh  1874.   Blackwood. 

Vgl.  Academy  24.  Üctob.   1874. 

517.  Claeson,  G.,  Ofversigt  af  Svenska  spräkets  och  literatui-ens  historia. 
Lärobok.   3.  uppl.  8.  (214  S.)  Stockholm  1874.    1  k.    75  ö. 

518.  Winkel -Hörn,  F.,  Ofversigt  af  danska  och  norska  literaturens 
historia.  För  svenska  skolor  utarbetad  under  medverkan  af  G.  Upmack.  8.  (VIII, 
152  S.)   Stockholm  1874.    1  k.   25  ö. 

519.  Ebert,  Adolf,  allgemeine  Gescbichte  der  Literatur  den  Mittelalters 
im  Äbendlaude.  1.  Bd.  Geschichte  der  christlich-lateinischen  Literatur  von  ihren 
Anfängen  bis  zum  Zeitalter  Karls  des  Großen.  8.  (XII.  624  S.)  Leipzig  1874. 
F.  C.  W.  Vogel.   4  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1874,  Nr.  29;  Saturday  Review  15.  August;  Liter.  Anzeiger 
XIV,  4;  Theolog.  Literaturblatt  1875,  Nr.  1;  Archiv  f.  Liter.  Geschichte  4,  518—522 
(Teulfel) ;  Zeitschrift  f.  wissenschaftl.  Theologie  XVIII,  1 ;  AUgem.  evang.  luth.  Kirchen- 
zeitung Nr.  4;  Revue  critique  1875  Nr.  23;  Liter.  Handweiser  Nr.  16. 

520.  Scherr,  J.,  almindelig  Literaturliistorie.  Oversat  og  bearbeidet  med 
saerligt  Hensyn  til  Norden  af  Fr.  Winkel  Horu.  1  —  5.  Levering.  8,  (ä  64  S.) 
1874.  ä  48  sk. 

521.  Mo r eil,  J.  E.,  a  history  of  European  literature  in  the  middle  ages 
and   modern  times.    12.   (214  S.)   2  s.    6  d. 

522.  Stern,  A.,  Katechismus  der  allgemeinen  Literaturgeschichte.  8. 
Leipzig  1874.   Weber.   24  gr. 

Vgl.  Im  neuen  Reich  1874  Nr.  50;  Das  neue  Blatt  Nr.  43. 

523.  Quellen  und  Forschungen  zur  Sprach-  und  Culturgeschichte  der 
germanischen  Völker.  Herausg.  von  B.  ten  Brink  und  W.  Scherer.  1.  2.  Heft. 
8.    Straßburg  1874.   Trübner. 

524.  Springer,  A.,   die  Weltliteratur  im  Mittelalter. 
Im  neuen  Reich  1874,  Nr.  40. 

525.  Kuhn,  P.  Alb.,  die  ideale  und  ästhetische  Bedeutung  der  mittel- 
hochdeutschen Poesie.    4.    (30  S.). 

Programm  von  Maria-Einsiedeln  1874. 

526.  Hackel,  die  Ursachen  des  Verfalles  der  deutschen  Literatur  im 
Mittelalter.   8. 

Programm  der  Oberrealschule  in  Linz   1874. 

527.  Wattenbach,  Wilh.,  Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittel- 
alter bis  zur  Mitte  des  13.  Jhdts.   2.  Bd.   3.  Aufl.  8.  (412  S.)  Berlin    1874.  Hertz. 

528.  Kurz,  Heinrich,  die  deutsche  Literatur  im  Elsaß.  1.  u.  2.  Auflage. 
8.   (47  S.)  Berlin  1874.  HeinersdorflF.    Yg  Rthlr. 

Vgl.  Die  Literatur  1874  Nr.  36  (Knorr);  Über  Land  und  Meer  Nr.  2. 

529.  Seh  er  er,  Wilh,,  Vorträge  und  Aufsätze  zur  Geschichte  des  geistigen 
Lebens  in  Österreich  und  Deutschland.  8.  (^VI,  431  S.)  Berlin  1874.  Weidmann. 
2%  Rthlr. 

Vgl.  Im  neuen  Reich  1874,  Nr.  47;  N.  Freie  Presse  Nr.  3685;  Wieper  Abend- 
post   Nr     266;    Bohemia   Nr.  322;    Schwab.    Kronik   Nr.    2^6:    Volkszeitung    Nr.  267; 


480  BIBLIOGRAPHIE  VON  1«74. 

Deutsche  Rundschau  I,  4;  Nordd.  Allg.  Zeitung  Nr.  273;  Kölnische  Zeitung  1875, 
Nr.  25;  Preußische  Jahrbücher  3.  Heft;  Saturday  Review  16.  Januar;  Weser  Zeitung 
Nr.  10197;  Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  XIX,  1. 

530.  Gelbe,  Th.,   das  deutsche  Volksepos.   Vortrag. 
Deutscher  Sprachwart  8.  Bd.  (1874)  Nr.  23. 

531.  Storm,  Gust.,  Sagnkredsene  om  Karl  den  Store  og  Didrik  af 
Bern  hos  de  nordiske  Folk.  Et  Bidrag  til  Middelalderens  litterfere  Historie. 
Udgivet  af  den  norske  historiske  Forening.   8.   (IV,  247  S.)  Kristiania  1874. 

Vgl.  Germania  20,  226  ff.  (Kölbing). 

532.  Hammerich,  Fr.,  älteste  christliche  Epik  der  Angelsachsen,  Deut- 
schen und  Nordländer.  Ein  Beitrag  zur  Kirchengeschichte.  Aus  dem  Dänischen 
von  A.   Michelsen.   8.  (VH,  280  S.)   Gütersloh  1874.  Bertelsmann.    iV^  Ethlr. 

Vgl.  Bibliographie  1873  Nr.  512;    Liter.  Centralbl.  1875  Nr.  9. 

533.  Zittel,  Emil,  die  epischen  Dichtungen  des  Lebens  Jesu.  Vortrag. 
8.   Mannheim  1874.  Löflfler.   4  gr. 

534.  Scherer,  W.,   Rolandslied,  Kaiserchronik,  Rother. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  298—306. 

535.  Schercr,  W.,  Geistliche  Poeten  der  deutschen  Kaiserzeit.  Studien. 
1.  Heft.  Zu  Genesis  und  Exodus.  8.  (VHI,  77  S.)  Straßburg  1874.  Trübner. 
^3  Rthlr. 

Vgl.  Blätter  f.  liter.  Unterhaltung  1875,  Nr.  11  (Rückert). 

536.  Schercr,  W.,    Deutsche    Studien.    IL    8.  Wien   1874.     Gerold  in 

Comm. 

Aus  den  Sitzungsberichten  der  Akademie.  Behandelt  den  Minnegesang  des  12. 
Jahrhs. 

537.  Sauter,  Franz,  Ästhetische  Excursionen.  Leipzig  1874.  Günther. 
Enthält  S.    161  — 176:  Tannhäuser  und   Genossen. 

538.  Mossmann,  die  von  Meister  und  Rath  der  Stadt  Colmar  am 
10.    Sept.    1549   bewilligte  Ordnung  der  Meistersängerschule. 

Alsatia  1873—74. 

539.  Schönbach,  Dr.  Anton,  über  die  Marienklagen.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  der  geistlichen  Dichtung  in  Deutschland.  Festschrift  der  Universität 
in   Graz.   4.   Graz  1874.  Leuschuer.    1 7,3  Rthlr. 

Vgl.  Literar.  Centralbl.  1875  Nr.  16;  Jen.  Liter.  Zeitung  Nr.  8  (Steinmeyer); 
Revue  critique  Nr.  8. 

540.  Wackernagel,  Philipp,  das  deutsche  Kirchenlied  von  der  ältesten 
Zeit  bis  zum  Anfang  des  17.  Jahrhunderts.  43.  44.  Liefg.  (Bd.  4,  XXIV  S.  und 
S.  1041  —  1184).   Leipzig  1874.  Teubner.   k  Va  Rthlr. 

541.  Kehr  ein,  Jos.,  das  deutsche  katholische  Kirchenlied  in  seiner 
Entwickelung  von  den  ersten  Anfängen  bis  zur  Gegenwart.  8.  Neuburg  a.  D.  1874. 
12  gr. 

Vgl.  Der  Katholik  1874,  November. 

542.  Neubauer,  J.,  die  katholische  Dichtung  in  der  deutschen  Literatur 
seit  der  Reformation  bis  zur  Gegenwart.   8.  Prag  1874.   Calve.    12  gr. 

Vgl.  Liter.  Handweiser  Nr.  152. 

543.  Reißmann,  A.,  Geschichte  des  deutschen  Liedes.  8.  (VI,  284  S.) 
Berlin  1874.  Guttentag.   2  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralbl.  1874  Nr.  51. 

544.  Dannehl,  L.,  Beiträge  zur  Geschichte  des  deutschen  geistlichen 
Liedes.  4.  (27  S.) 

Programm  des  Progymuasiuras  zu  Sangerhausen  1874. 


XII[.  L1TTERA.TURGESCHICHTE  UND  SPRACHDENKMÄLER.  481 

545.  Weiland,  Th.,  die  Zeit  Karls  V.  im  Lichte  der  politischen  Volks- 
dichtung.  8.   (42  S.). 

Programm  des  Gymnasiums  zu  Constauz  1874. 

546.  Haueis,  Emil,   das  deutsche  Fastnachtspiel  im    15.   Jahrh.   8. 
Programm  des  Realgymnasiums  zu  Baden  (bei  Wien)  1874. 

547.  Hellwald,  Ferd.  v.,  Geschichte  des  holländischen  Theaters.  8. 
(Vm,   150  S.)  Rotterdam  1874.   2  f.   75  c. 

Vgl.  Literar.  Centralblatt  1875  Nr.  2  ;  Athenaeum  Nr.  2445 ;  Deutsche  Rund- 
schau I,  10. 

548.  Preger,  Wilh.,  Geschichte  der  deutschen  Mystik  im  Mittelalter. 
1.  Theil.  8.   (VIII,  488  S.)   Leipzig  1874.    Dörfflinger  u.  Francke.   3  Kthlr. 

Vgl.  Liter.  Ceutralbl.  1875  Nr.  31;  Literar.  Rundschau  I,  7;  AUgem.  Zeitung 
1874  Nr.  343  (Scherer);  Allgem.  evang.  luther.  Kirchenzeitung  1875  Nr.  7;  Theolog. 
Literaturbl,  Nr.  8;  Theolog.  Jahresbericht  X,  4;  Histor.  polit  Blätter  Bd.  75  Nr.  9  ff.; 
Zeitschrift  f.  d,  gesammte  luther.  Theologie  36,  4. 


549.  Weinhold,  K.,  mittelhochdeutsches  Lesebuch.  Mit  einer  kurzen 
Grammatik  des  Mittelhochdeutschen  und  einem  Glossar.  3.  durchgesehene  Aufl. 
8.  (VI,  277  S.)  Wien  1875.   Braumüller. 

550.  Wackernagel,  Ph.,  Edelsteine  deutscher  Dichtung  und  Weisheit 
im  13.  Jahrhundert.  4.  Aufl.  8.  (XXXVI,  312  S.)  Frankfurt  a.  M.  1874.  Heyder 
u.  Zimmer.   2  Rthlr. 

551.  Schauenburg,  Ed.,  und  Rieh.  Ho  che,  deutsches  Lesebuch  für  die 
Oberclassen  höherer  Schulen.  1.  Theil.  (,13-,  14.,  15.  und  IG.  Jahrh.)  2.  Aufl. 
8.  (VIII,  307  S.)  Essen  1874.  Baedecker.   1  Rthlr.   2  gr. 

Vgl.  N.  Preuß.  Zeitung  1874  Nr.  288. 

552.  Pütz,  Wilhelm,  altdeutsches  Lesebuch  mit  Sprach-  und  Sach-Er- 
klärungen  für  höhere  Lehranstalten  und  zum  Selbstunterricht.  4.  verb.  Auflage. 
8.   (VI,   141  S.)   Leipzig  1874.  Baedeker.   12  gr. 

553.  Dittmar,  G.,  Lesebuch  zu  den  classischen  Perioden  der  deutschen 
Literatur.  2  Abtheilungen.  8.  (XII,  226;  X,  375  S.)  Neuwied  1874.  Heuser. 
V2  u.  Ve  Rthlr. 

554.  Gude,  C,  Auswahl  deutscher  Dichtungen  aus  dem  Mittelalter,  gr.  8. 
(VI,  186  S.)  Leipzig  1874.  Brandstetter.   12  gr. 

Vgl.  Würtemberg.  Schulwochenblatt  1874  Nr.  40;  Liter.  Anzeiger  XIV,  4;  All- 
gem. Schulblatt  II,  4. 

555.  Lindemann,  W.,  Blumenstrauß  von  geistlichen  Gedichten  des 
deutschen  Mittelalters.  Den  Freunden  religiöser  Dichtung  gewidmet.  8.  (XV, 
529  S.)   Freiburg  i.  B.  1874.   Herder.    1  Rthlr.   24  gr. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1874  Nr.  51  (Sievers) ;  Liter.  Handweiser  Nr.  162 ;  Liter. 
Rundschau  I,  2;  Sonntagsblatt  der  N.  Preuß.  Zeitung  1875  Nr.  27;  Stimmen  aus 
Maria-Laach  Nr.  1. 

556.  Gostwick,   German  poets  and  their  times,   1874. 

557.  Wülcker,  R.  P.,  altenglisches  Lesebuch.  Zum  Gebrauche  bei  Vor- 
lesungen und  zum  Selbstunterricht.  1.  Teil,  die  Zeit  von  1250 — 1350  um- 
fassend. 8.   (XII,  228  S.)  Halle  1874.   Lippert.    IV2  ßthlr. 

Vgl.  Germania  20,  360  ff.  (Kölbing);  Liter.  Centralblatt  1875  Nr.  5  (Schipper); 
Zeitschrift  f.  d,  österr.  Gymnasien  26,  2  (Znpitza);  Revue  critique  1875  Nr,  23;  Herrigs 
Archiv  53,  448  (Asher). 

GEBMANIA.  Neue  Reihe  VIII.  (XX.)  Jahrg.  31 


482  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

558.  Zupitza,  Julius,  alteuglisches  Übungsbuch  zum  Gebrauche  bei 
Universitätsvorlesungen.  Mit  einem  Wörterbuche.  8.  (VI,  137  S.)  Wien  1874. 
Braumüller.    1 7^   ßthlr. 

Vgl.  Germania  20,360flF.  (Kölbing);  Liter.  Centralblatt  1874  Nr.  22;  Revue  critique 
1875  Nr.  23;  Lehmanns  Magazin  Nr.  6. 


559.  Wolzogen,   H.  v.,  Beitrag  ziu-  Sammlung  deutscher  Stabreime. 
Deutscher  Sprachwart,  8.  Bd.  (1874)  Nr.  22. 

560.  Gemoll,  W.,  der  Vers  von  vier  Hebungen  und  die  Langzeile. 
Germania  19,  35-44. 

561.  Seyd,  Beitrag  zur  Charakteristik  und  Würdigung  der  deutschen 
Strophen.    8.    Berlin    1874.   Moeser.    ^a   Rthlr. 

562.  Haller,   G.,   über  Lai,  Virelai   und  Leich. 

Die  Literatur  1874  Nr.  9;  mit  einem  Nachtrag:  Deutsche  Virelais  in  Nr.  23. 

563.  Hildebrand,   Karl,   die  Verstheilung  in  den  Eddaliedern. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie,  Ergänzungsband  S.  74^139.    Berichtigungen 

und  Nachträge  S.  617—622.  Vgl.  Bibliogr.  1873  Nr.  529. 

564.  Gislason,  K.  ,  en  anmaerkning  (zu  Nogle  Bemserkninger  om 
Skjaldedigtenes   Beskaffeuhed  i  formel  Henseende.    1872). 

In:  VidenskabSelskabs  Skrifter  5,  ßaekke,  4.  Bd.,  S.  457—461. 

565.  Kraemer,  R.  von,  Svensk  metrik  pä  grundvalen  af  musikens 
rytmik  och  med  belysning  hemtad  frän  andra  spraks  versbyggnad.  1.  Heft. 
(107   S.)  Stockholm   1874.   1   kr. 

A.   Gothisch. 

566.  Friedr.  Stamm's  Ulfilas  oder  die  uns  erhaltenen  Denkmäler  dei 
gothischen  Sprache.  Text,  Grammatik  und  Wörterbuch.  Neu  herausg.  von 
M.   Heyne.    6.  Aufl.   8.   (XII,  442  S.)  Paderborn  1874.   Schöningh.    IV3  Rthlr. 

Vgl.  Revue  critique  1874  Nr.  47;  Deutscher  Sprachwart  VIII,  21. 

567.  Bosworth,  Joseph,  The  Gothic  and  Anglo  -  Saxon  Gospels,  in 
parallel  columns,  with  the  versions  of  WyclifFe  and  Tyndale.  2"'^  edition.  8. 
(616   S.)  London   1874.   Smith.   12   sh. 

568.  Uppström,  A.,  Aivaggeljo  Jjairh  Mat])aiu  eller  fragmenterna  af 
Matthaei  evangelium  pä  götiska  jemte  ordfirklaring  och  ordböjningslära.  2.  uppl. 
ombesörjd   af  V.  Uppström.   8.   (120   S.)   Stockholm   1874.    2   kr. 

569.  Gering,   Hugo,  zwei  Parallelstellen  aus  Vulfila  und  Tatian. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  6,   1 — 3. 

B.  Althochdeutsch. 

570.  Henning,  Rud.,  über  die  sanctgallischen  Si^rachdenkmäler  bis  zum 
Tode  Karls  des  Grossen.    8.  (XVI,  159  S.)  Straßburg  1874.   Trübner.  1  V3  Rthlr. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875  Nr.  8;  Jen.  Liter.  Zeitung  Nr.  14  (Steinmeyer); 
Götting.  Gel.  Anzeigen  Nr.  21  (Bezzenberger). 

571.  Dümmler,   E.,  zur  Lorscher  Beichte. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  308. 

572.  Seiler,  Fr.,   die  ahd.  Übersetzung  der  Benediktinerregel. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  I,  402 — 485.  S.  1 — 36  auch  als  Hallesche  Dissertation. 

573.  Seh  er  er,   W.,  Litterarhistorische  Gespenster.  I.  Kero. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  145—149. 


XIII.  B.  ALTHOCHDEUTSCH.  C.  MITTELHOCHDEUTSCH.  483 

574.  Friedländer,  E.,   und  J.   Zacher,    ein  deutsches  Bibelfragment 
aus   dem   achten  Jahrhundert. 

Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  5,  381  —  392. 

575.  Rödiger,   die  Wiener  Genesis. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  263—280. 

576.  Zarncke,  über  den  althochdeutschen   Gesang  vom  beil.  Georg. 
Berichte  der  k.  sächs.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  1874,  23.  April  (40  S.). 

577.  Bartsch,  K.,  ahd.   Glossen  aus   Scheftlarn  und  Tegernsee. 
Germania  19,  434-437. 

578.  Bartsch,  K.,  Berichtigungen  zur  Zeitschrift  für  deutsches  Alter- 
thum.  (16,   94  ff.) 

Germania  19,  383—384.  Zu  den  Prudentiusglossen. 

579.  Bartsch,  K. ,  Bruchstücke  einer  Handschrift  von  Heinrici  Sum- 
marium. 

Germania  19,  215—216. 

580.  Hymnen,  die  Murbacher,  nach  den  Handschriften  herausgegeben 
von   Ed.   Sievers.   8.   (VI,    105   S.)  Halle  1874.   Waisenhaus.    1    Rthlr. 

Vgl.  Germania  20,  81  ff.;  Lit.  Centralblatt  1874  Nr.  35;  Zeitschrift  für  deutsche 
Philologie  6,  236  ff.  (Erdmann)  und  dazu  Sievers  ebd.  S.  375. 

581.  Fertsch,   Otfrid  der  Weißenburger  Mönch.   8. 
Programm  des  CoUegiums  in  Weißenburg  i.  E.  1874. 

582.  Erdmann,   0.,   zur  Erklärung  Otfrids. 

Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  5,  338—349.  —  Vgl.  auch  oben  Nr.   126, 

583.  Rieger,   Max,   eine  neue  Runeninschrift. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  5,  375—381. 

584.  Albert,   Dr.  J.  H.,  ein  Runenstein  in  Tyrol. 
Der  Globus  1874,  Bd.  26  Nr.   23. 

585.  Stephens,   G.,   en  Runesten   i  Tyrol. 
Illustreret  Tidende  1874  Nr.  786. 

586.  Steinmeyer,  E.,   Sangallensia. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  17,  431  —  504. 

587.  Müllenhoff,   K.,   ein   Vers  aus  Sangallen. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  261 — 262. 

C.  Mittelhochdeutsch. 

588.  Zupitza,   Jul.,   Bruchstücke  mhd.  Dichtungen.   II.   III. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  17,  588—590.  18,  89  —  124. 

589.  Birlinger,  A.,  und  W.  Crecelius,  altdeutsche  Neujahrsblätter 
für  1874.  Mittel-  und  niederdeutsche  Dialectproben.  4.  (VI,  147  S.)  Wies- 
baden  1874.   Killinger.    1    Rthlr.    6   gr. 

Vgl.  Reusch,  theolog.  Literaturblatt  1874  Nr.  22  (Norrenberg). 

590.  Schönbach,   A.,  zu  Zeitschrift  17,  84. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  81 — 82. 

591.  Alexius.   —    Schönbach,  A.,   über  Sant  Alexi;;s. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  82 — 89. 

592.  Alpharts  Tod  in  erneuter  Gestalt  von  K.  J.  Schröer.  16. 
(62   S.)   Leipzig   1874.    2   gr. 

Reclams  Universalbibliothek  Nr,  546. 

593.  Athis-  und  Prophilias.  —  Hoverdeu,  Graf,  eine  Blasonirung 
aus  dem   mhd.   Gedichte  Athis  und  Prophilias, 

Der  deutsche  Herold  1874  Nr.  4—5. 

31* 


484  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

594.  Ave  Maria.  Von  A.  Schönbach. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,   160. 

595.  Berthold.  —  Ahlfeld,  Bruder  Berthold  von  Regensburg,  der 
größte  deutsche  Prediger  des  Mittelalters.  Ein  Vortrag  am  21.  Jan.  1874 
gehalten.   8.  (31   S.)   Halle  1874.   Mühlmann.   6  gr. 

Vgl.  wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1874  Nr.  27;  Jen.  Liter.  Zei- 
tung Nr.  47  (Graue);  theolog.  Jahresbericht  IX,  8;  Evang.  luth.  Kirchenzeitung  Nr.  32; 
N.  Prcuß.  Zeitung  Nr.  80. 

596.  Bibel.  —  Gemoll,  W.,  Bruchstücke  einer  gereimten  Bibelüber- 
setzung. 

Germania  19,  339—343. 

597.  Boner.    —    Gercke,     die    dialectischen    Eigenheiten    von    Ulrich 

Boner.   8.   (21   S.) 

Programm  der  hohem  Bürgerschule  zu  Northeim  1874.  Vgl.  Zeitschrift  f.  deutsche 
Philologie  6,  251. 

598.  Chroniken,    die,    der    deutschen    Städte.    11.  Bd.    Die    Chroniken 

der  fränkischen  Städte.  Nürnberg.   5.  Band.  8.  (X,  S.  441—888.)  Leipzig  1874. 

Hirzel.   4  Ethlr. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875  Nr.  22;  AUgem.  Zeitung  1874,  Beilage  293. 

599.  Eggenlied.   —  Tirol  und  das  Eggenlied. 
Wiener  Abeudpost  1874  Nr.  206. 

600.  Eilhart.   — ■  Jacob,  G.,  Bruchstücke  aus  Eilharts  Tristan. 
Verhandlungen    des     historischen    Vereines     von    Oberpfalz     und    Regensburg. 

29.  Bd.  (1874)  =  Germau.  18,  274  ff. 

601.  Ernst.  —  Barts-ch,  K.,  Bruchstücke  von  Herzog  Ernst  A. 
Germania  19,  195 — 196. 

602.  Erzählungen.  —  Die  altdeutsche  Erzählung  vom  rothen  Munde 
herausg.  von  A.  v.  Keller.  4.   Tübingen   1874.   (Universitäts-Programm.) 

603.  Reifferscheid,   Alex.,  der  Schlegel. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  6,  38  —  41. 

604.  Freidank.  —  Bacmeister,  A.,  Freidanks  Bescheidenheit.  Spruch- 
sammlung aus  dem   13.  Jahrb.   16.  Stuttgart  1874.  Neff.   16  gr. 

605.  Gedichte,  zwei  geistliche,  aus  Schlesien.   Von   H.  Rückert. 
Germania  19,  75  —  77. 

606.  Zwei  Achener  historische  Gedichte  des  15.  und  16.  Jahrhunderts. 
Herausgeg.    von    H.  Loersch    und    A.  Reifferscheid.   8.    (98   S.)    Aachen 

1874.   Kaatzer. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875  Nr.  15;  Götting.  Gel.  Anzeigen  1874  Nr.  35; 
Kölnische  Zeitung  Nr.  201;  Zeitschrift  für  deutsche  Kulturgeschichte  III,  11. 

607.  Birlinger,  A.,   Sprüche  im  Kölner  Dialect. 
Germania  19,  97-98. 

608.  Nolte,  Dr.,  niederrheinische  Sprüche  und  Priameln. 
Germania  19,  303—305. 

609.  Birlinger,  A.,   Ein  alter  guter  Spruch. 
Alemannia  II,  100. 

610.  Müllenhoff,  K.,  Inschrift  aus  Limburg   an  der  Lahn. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  156 — 157. 

611»    Müllenhoff,  K.,   die  Limburger  Inschrift. 
Ebenda  18,  258—259. 

612.  Scheins,  Achener  Kerkerinschrift, 
Ebenda  18,  260. 

613.  Steinmeyer,  E.,  Notiz. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  317. 


XIII.  C.  MITTELHOCHDEUTSCH.  485 

614.  Glossen,   zwei,   aus  dem  XIV.   Jahrh.   von  A.   Lütolf. 
Alemanuia  II,  28—32. 

615.  Hartmann.  —  Schleyer,  Dr.  H. ,  Untersuchungen  über  das 
Leben   und   die  Dichtungen  Hartmanns    von  Aue.   4.   (56   S.)    Naumburg   1874. 

Programm  der  Landesschule  Pforta  1874.  Vgl.  Germania  19,  317  f.  (K.  Bartsch). 

616.  Schmid,  Ludwig,  des  Minnesängers  Hai-tmann  von  Aue  Stand, 
Heimat  und  Geschlecht.  Eine  kritisch -historische  Untersuchung.  Mit  einem 
Wappenbilde.   8.  (XII,   200  S.)  Tübingen   1875.  Fues. 

Vgl.  Germania  20,  373—378  (H.  Fischer);  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  6, 
485  ff.  (Kiuzel);  Jen.  Liter.  Zeitung  1875  Nr  29  (Schreyer);  Alemannia  III,  1;  Mit- 
theilungen für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  XIII,  5  (Berger);  Schwäbische 
Chronik  1874  Nr.  286;  Correspondenzblatt  f,  d.  gelehrten  Schulen  Würtembergs  22,  3. 

617.  Paul,   zum  Leben   Hartmanns  von  Aue. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  I,  535 — 539. 

618.  Paul,  H.,  über  das  gegenseitige  Verhältniss  der  Handschriften  von 
Hartmanns  Iwein. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  I,  288 — 401. 

619.  Benecke,  Gr.  F.,  Wörterbuch  zu  Hartmanns  Iwein.  2.  Auflage,  be- 
sorgt von  E.  Wilken.  1.  2.  Liefg.  8.  (S.  1  —  256.)  Göttiugen  1874.  Dieterich. 
ä  24  gr. 

Vgl.  Götting.  Gel.  Anzeigen  1875,  IG  (Selbstanzeige);  Lit.  Centralblatt  1875 
Nr.   13  (Paul);  Jen.  Lit.  Zeitung  Nr.  21  (Harczyk);  Eevue  critique  Nr.  32. 

620.  Heinrich  von  Freiberg.  —  Bech,  F.,  urkundliche  Nachricht 
über  das  Geschlecht  und  die  Heimat  der  Dichter  Heinrich  und  Johannes  von 
Freiberg. 

Germania  19,  420—424. 

621.  Heinrich  von  Morungen.  Von  Fedor  Bech. 
Germania  19,  419. 

622.  Zur  borg,   die  Heimat  Heinrichs  von   Morungen. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  319—320. 

623.  Heinrich  von  Pfolspeundt.  —  Häser,  nachträgliche  Bemerkung 
zu  den  Untersuchungen  des  Herrn  MufFat  in  Betreff  der  „Bündt-Ertzney"  Hein- 
richs von  Pfolspeundt. 

Sitzungsberichte  der  k.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  1874.  Bd.  H. 

624.  Heinrich  der  Vogler.  —  Wegen  er,  die  Entstehung  von  Dietrichs 
Flucht  zu  den   Heunen  und   der  Rabenschlacht. 

Zeitschrift  für  deutsche  Philologie,  Ergänzungsband  S.  447 — 581. 

625.  Heldenbuch,  das  kleine,  von  K.  Simrock.  3.  Auflage.  8.  (XIV, 
550   S.)  Stuttgart  1874.   Cotta.   3   Rthlr. 

626.  Hildebrandsliede,   zum  jüngeren,   von  A.  Edzardi. 
Germania  19,   315—326. 

627.  Hugo  von  Trimberg.  —  Schäfer,  Simon,  zur  deutschen  Lite- 
raturgeschichte des   16.  Jahrhunderts.   8.   (28   S.)  Bonn   1874.  Dissertation. 

Handelt  über  die  Eennerbearbeitung  von  1549. 

628.  Johannes  von  Freiberg  s.  Nr.  620. 

629.  Kaiserchronik.  —  MüUenhoff,  K.,  ein  Lied  in  der  Kaiserchronik. 
Zeitschxift  für  deutsches  Alterthum  18,  157 — 159. 

630.  Welzhofer,  Heinrich,  Untersuchungen  über  die  deutsche  Kaiser- 
chronik  des  12.  Jahrhunderts.   8.   München   1874.  Ackermann.   10  gr. 

Vgl.  Jen.  Literatur-Zeitung  1875  Nr.  5  (Bernhard), 


486  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

631.  Konrad  von  Würzburg.  —  Seh  ei  b  1er,  G. ,  zu  den  lyrischen 
Gedichten  Konrads  von  Würzburg.  I.  Der  Strofenbau.  8.  Breslau  1874. 
Dissertation. 

632.  Kudrun.  —  Gudrun,  übersetzt  von  K.  Simrock.  9.  Auflage.  8. 
Stuttgart   1874.   Cotta.   1 '/„  Rthlr. 

633.  Bacmeister,  A.,  Gudrun,  altdeutsches  Heldengedicht  neudeutsch 
bearbeitet.   2.  Auflage.   8.   Stuttgart   1874.   Nefi'.   Vs  K^blr. 

634.  Bacmeister,  A. ,  die  Königstochter  Gudrun  oder  die  schöne 
Wäscherin.    8.   (64   S.)   Reutlingen   1874.   Fleischhauer  und   Spohn.   3   gr. 

635.  Kürenberg.  —  Vollmöller,  K.,  Kürenberg  und  die  Nibelungen 
Eine  gekrönte  Preisschrift.  Nebst  einem  Anhang:  Der  von  Kürnberc.  Heraus 
gegeben  von  K.  Simrock.   8.  (48  S.)  Stuttgart  1874.  Meyer  und  Zeller.   12  gr 

Vgl.  Germania  19,  852  ff.  (Bai-tsch);  Jen.  Liter.  -  Zeitung  1874  Nr.  12  (Sie 
vers);  Liter.  Centralblatt  Nr.  20;  Wissenschaft!.  Monatsblätter  II,  7;  Zeitschrift  f.  d 
österr.  Gymnasien  XXV.  5  (Scbönbach);  Archiv  f.  Lit.-Geschichte  V,  1  (Schröder) 
Schwäbische  Chronik  1874  Nr.  63;  Allgem.  Zeitung  Nr.  132;  National-Zeitung  Nr.  159; 
Staats -Anzeiger  f.  Würtemberg  Nr.  34;  Blätter  f.  liter.  Unterhaltung  1875  Nr.  11 
(Rückert). 

636.  Scher  er,  W.,    der  Kürenberger. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  17,  561 — 581.  Vgl.  Germania  19,  356  ff. 
(Bartsch). 

637.  Seh  er  er,   W.,   Noch   einmal  der  Kürenberger. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  150 — 153. 

638.  Laiirin.  Ein  tirolisches  Heldenmärchen  aus  dem  Anfange  des 
Xin.  Jahrhunderts,  herausg.  von  K.  Müllenhoff.  8.  (78  S.)  Berlin  1874. 
Weidmann.    Yg  Rthlr. 

Vgl.  Germania  20,  94—194  (K.  Bartsch);  Jen.  Liter.  Zeitung  1875  Nr.  4  (Stein- 
meyer); Zeitschrift  f.  d.  österr.  Gymnasien  26,  5;  Blätter  f.  d.  bayer.  Gymnasien  XI,  3; 
Lehmanns  Magazin  1875  Nr.  18. 

639.  Legende.  —  Leben  des  heil.  Dominicus.  Prosalegende  aus  dem 
Anfang  des    14.  Jahrhunderts.   Herausg.   von  Dr.  J.   König. 

Freiburger  Diöcesan-Archiv  VIII  (1874),  331—359. 

640.  Margarete.   —  Vogt,  F.,  über  die  Margaretenlegenden. 
Paul  und  Braune,  Beiträge  I,  263—287. 

641.  Mariengrüssen,  zu  den.    Von  E.  Steinmeyer. 
Zeitschrift  f.  deutsches  Alterthum  18,   13 — 16. 

642.  Marien  Himmelfahrt.  Von  A.  Schönbach. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  53,  121  —  123.  Gedicht  des  14.  Jh. 
aus  einer  Hs.  in  Seitenstetten. 

643.  Marienleben,  Grazer.  Von  A.  Schönbach. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  17,  519 — 560. 

644.  Marner.  —  Meyer,  Fei.,  über  Leben  und  Dichten  des  Marner.  8. 
(55    S.)   Berlin    1873. 

Gießener  Dissertation. 

645  Schneider,  B.,  de  vita  et  carminibus  Marneri  poctae  raedii  aevi. 
8.    (89   S.) 

Leipziger  Dissertation  1873. 

646.  Mystiker.  —  Haupt,  Jos.,  Beiträge  zur  Literatur  der  deutscheu 
Mystiker.   8.   (56   S.)   Wien    1874.   Gerold   in   Comm.    8    gr. 

Aus  den  Sitzungsberichten  der  Akademie.  Vgl.  Zeitschrift  für  deutsche  Philo- 
logie 6,  248  ff.  (Schönbach). 


Xin.  C.  MITTELHOCHDEUTSCH.  487 

647.  Nibelungenlied,  das.  Schulausgabe  mit  einem  Wörterbuch  von 
Karl  Bartsch.    8.    (IV,   299   S.)   Leipzig   1874.   Brockhaus.   %  Rt'ilr. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1875  Nr.  12  (Sievers);  Correspondenzblatt  für  die  ge- 
lehrten Schulen  Würtembergs  XXII,  2;  Hamburg.  Schulbl.  1874  Nr.  590. 

648.  Nibelungenlied  in  der  ältesten  Gestalt.  Schulausgabe.  Herausg, 
und  mit  einem  Wörterbuch  versehen  von  Adolf  Holtzmann.  3.  umgearb. 
Auflage  besorgt  durch  Alfred  Holder.  8.  (XVI,  376  S.)  Stuttgart  1874.  Metzler. 
I    Rthlr. 

Vgl.  über  diese  und  die  folgende  Nummer  Jen.  Liter.  Zeitung  1875  Nr.  12 
(Sievers);  Saturday  Review  19.  Sept.  1874;  Schwäbischer  Merkur  Nr.  241;  Trübners 
Literary  Eecord  Nr.  104  f.;  Allgem.  Zeitung  1875  Beilage  6;  über  Land  und  Meer 
Nr.  3;  Europa  1874  Nr.  42;  Literaturfreund  II,  13. 

649.  Dasselbe.  Volks- Ausgabe.  8.  (IV,  282  S.)  Stuttgart  1874.  Metzler. 
Va   Rthlr. 

650.  Nibelunge  Noth,  der,  und  die  Klage.  Nach  der  ältesten  Über- 
lieferung herausgegeben  von  Karl  Lachmann.  8.  Abdruck  des  Textes.  8. 
(297  S.)   Berlin  1874.  Reimer.    '/^  Rthlr. 

651.  Das  Nibelungenlied.  Schulausgabe.  Mit  Einleitung  und  Wörter- 
buch von  Karl   Simrock.    16.   (XII,   210  S.)   Stuttgart   1874.   Cotta.    %  Rthlr. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1875  Nr.  12  (Sievers);  Kölnische  Zeitung  1875  Nr.  298. 

652.  Das  Nibelungenlied.  Aus  dem  Mittelhochdeutschen  volksthüm- 
lich  übersetzt  von  L.  Gerlach.  3.  Auflage.  2  Theile.  8.  (124  und  131  S.) 
Dresden   1874.   Kaufmann.    12  gr. 

653.  Bacmeister,  A.,  das  Nibelungenlied  für  die  Jugend  bearbeitet. 
2.   Auflage.   8.    Stuttgart   1874.   Neff.   ^4  Kthlr. 

654.  Körtge,  H.,  das  Nibelungenlied  nebst  der  Klage.  Für  die  Jugend 
erzählt.   8.   (112  S.)   Braunschweig   1874.   Zwißler.    10  gr. 

655.  Schmidt,  F.,  die  Nibelungen.  5.  Auflage.  16.  (208  S.)  Berlin 
1874.   Kastner.    '/^  Rthlr. 

656.  Rosses,  het  Nevelingen-Lied  un  de  Heldenliedern  der  Oude  Edda. 
8.   (36   S.)    Amsterdam    1873.    Loman. 

657.  Fischer,  Hermann,  die  Forschungen  über  das  Nibelungenlied  seit 
Karl  Lachmann.  Gekrönte  Preisschrift.  8.  (272  S.)  Leipzig.  1874.  F.  C.  W. 
Vogel.  1%  Rthlr. 

Vgl.  Germania  19,  352  ff.  (Bartsch);  20,  111—122  (Fischer);  Jen.  Liter.  Zeitung 
1874  Nr.  44  (Paul);  Revue  critique  1875  Nr.  33;  Archiv  für  Litt.  Geschichte  V,  1 
(Schröder);  Saturday  Review  19.  Decb.  1874;  Schwcäbischer  Merkur  Nr.  193;  Petzholds 
Anzeiger  Nr.  8,  9;  Zeitschrift  f.  d.  österr.  Gymnasien  XXV,  5  (Schönbach). 

658.  Schultz,  A.  H. ,  der  gegenwärtige  Stand  der  Nibelungenfrage. 
Programm  des  Gymnasiums   zu  Schleiz    1874,   S.   5  —  27.   4. 

659.  Meyer,  Karl,  die  Nibelungensage.  4.  (40  S.)  Basel  1873.  Pro- 
gramm des   Pädagogiums. 

660.  Task,  Mil,,  zur  Vergleichung  der  Iliade  und  des  Nibelungenliedes. 
Programm  des   Gymnasiums   zu   Kronstadt    1873. 

Vgl.  Herrigs  Archiv  54,  219. 

661.  Lexicalisches  zu   den  Nibelungen. 
Correspondenzblatt  für  die  gelehrten  Schulen  Würtembergs  1874  Nr.  2. 

662.  Knöpf  1er,   Alois,   die   Stadt   Wien  im  Nibelungenliede. 
Germania  19,  343—346. 

663.  Sauter,  Franz,  der  Nibelungen  Not  und  Klage.  Ein  Abstecher  zum 
Bayreuther  Festbanquet.  In:  Sauter,  Aesthetische  Excursionen,  Leipzig  1874, 
S.   1 — 42.    Verlegt    die  Heimath  des  Liedes    in    den  Nibelgau  in    Würtemberg! 


488  BIBLIOGKAPIIIE  VON  1874. 

664.  Keller,  A.   v.,  Bodmers  Einleitung  zu  den   Nibelungen. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1874,  .300 — 302. 

665.  Oswald  von  Wolkenstein.  —  Rasch,  Gustav,  das  Stammschloß 
des  Minnesängers  Oswald   von   Wolkenstein. 

Die  Literatur  1874  Nr.  22—23. 

666.  Passional.  —  Zingerle,  J.  V.,  über  zwei  Tirolische  Handschriften. 
I.   Altes  Passional, 

Zeitschrift  f.  deutsclie  Philologie  6,     13 — 33. 

667.  Philipp.  —  Walder  dorff,  Hugo  Graf  v. ,  Regensburger  Bruch- 
stücke der  Weltchronik  des  Rudolf  von  Ems  und  des  Marienlebens  von  Bruder 
Philipp.   8.   (58   S.)  Stadtamhof  o.   J. 

Sonderabdruck  aus  dem  30.  Bd.  der  Verhandlungeu  des  historischen  Vereines 
für  Oberpfalz  und  Kegensburg. 

668.  Plenarien,  die  deutschen,  (Handpostillen)  des  15.  und  zu  Anfang 
des  16.  Jahrh.  (1470  — 1522).  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  religiösen  Volks- 
bildung in  jener  Zeit,  besonders  in  Süddeutschland.  Von  Prof,  Dr.  J.  Alzog. 
8.   (74   S.)   Freiburg  i.   B.    1874.   Herder.    6  gr. 

Aus  dem  Freiburger  Diöcesan-Archiv  abgedruckt. 

669.  Predigten,   elsässische.   Von  A.   Birlinger. 
Alemania  II,   1—28,  101  —  119. 

670.  Diefenbach,   L.,   mitteldeutsche  Predigtbruchstücke. 
Germania  19,  305-314. 

671.  Reinfrid  von  Braunschweig ,    zur  Kritik  des.   Von  0.  Jänicke. 
Zeitschrift  für  deutsches  Altertbum  17,  505 — 518. 

672.  Reinmar  von  Hagenau,  zu.  Von  E.  Regel. 
Germania  19,   149—182. 

673.  Schmidt,  E.,  Reinmar  von  Hagenau  und  Heinrich  von  Rugge.  8. 
Straßburg   1874.  Trübner.    1  Rthlr.   6  gr. 

Quellen  iind  Forschungen  von  ß.  ten  Brink  und  W.  Scherer.  4.  Heft.  Vgl. 
Liter.  Centralblatt  1875  Nr.  13  (K.  L.) ;  Jen.  Liter.  Zeitung  Nr.  22  (Paul);  Blätter  für 
literar.  Unterhaltung  Nr.  34. 

674.  Reinolt,  Historie  von   Sent.  Von  A.  Reiff erscheid. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  5,  271—293. 

675.  Rolandslied,  das.  Herausgegeben  von  Karl  Bartsch.  8.  (XXH, 
382   S.)  Leipzig   1874.   Brockhaas.    1  Rthlr. 

Dichtungen,  deutsche,  des  Mittelalters.  Herausgeg.  von  K.  Bartsch.  3.  Bd.  Vgl. 
Liter.  Centralblatt  1874  Nr.  20;  Revue  critique  1875  Nr.  7;  Blätter  f.  literar.  Unter- 
haltung Nr.  11  (Eückert);  Blätter  f.  d.  bayer.  Gyranasialschulwesen  X.  6;  Allgem.  Zei- 
tung 1874,  Beilage  198;  N.  freie  Presse  Nr.  3515. 

676.  Bartsch,   Karl,  zum  Rolandsliede. 
Germania  19,  385—418. 

677.  Rothe.  —  Witzschel,  A.,  Beiträge  zur  Textkritik  der  thüringi- 
schen Chronik  des  Johannes  Rothe.  4.  (14  S.)  Programm  des  Gymnasiums  zu 
Eisenach    1874. 

678.  Witzschel,   A.,  zu  Job.  Rothe's  thüringischer  Chronik. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1874,  Sp.  251 — 254. 

679.  Rudolf  von  Ems  s.  Nr.  667. 

680.  Rudolf  von  Penis.  Von  Pf  äff. 
Zeitschritt  für  deutsches  Altertbum  18,  44—58. 

681.  Salomon  und  Morolt.  —  Schau mberg,  W. ,  Untersuchungen 
über  das  deutsche  Spruchgedicht  Salomon  und  Morolt.  8.   (29   S.) 

Leipziger  Dissertation. 


XIII.  C.  MITTELHOCHDEUTSCH.  489 

682.  Sündenklage.  Von  E.  Steinmeyer. 
Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  137 — 144. 

683.  SÜsskind.   —  Krätzinge  r,  Pfarrer  Dr.    G.,     ein   Jude    unter  den 
deutschen  Minnesängern. 

Deutsche  Blätter  1874,  S.  519—525. 

684.  Tauler.   —    Bitthom,  0.,    Tauleri    vita    et    doctrina.     8.   (34   S.) 
Jena   1874.   Dissertation. 

685.  Todtentanz,   der  jüngere.    Von   Max  Rieger. 
Germania  19,  257  —  280. 

686.  Ulrich  von  Zatzikhoven.  Von  J.  Baechtold. 
Germania  19,  424-426. 

687.  Vaterunser.    —    Schöubach,    A.,    mystische    Auslegung    des    Va- 
terunsers. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  71 — 78. 

688.  Vintler,   Hans,  die  pluemen  der  tugent.     Herausgegeben   von  J.   V. 
Zingerle.    8.   (XXXIII,   403  S.)   Innsbruck    1874.   Wagner.   2  Rthlr.    24  gr. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875  Nr.  17;  Allgera.  Zeitung  1874  Nr.  248  f. 

689.  Pich  1er,   die  pluemen  der  Tugent  von  Hans  Vintler. 
Wiener  Abendpost  1874  Nr.  89. 

690.  Walther  von  der  Vogelweide.  —  Zingerle,  J.  V.,  ein  Gang  zur 
Vogelweide. 

Im  neuen  Reich  1874  Nr.  12. 

691.  Zingerle,  J.   V.,   Walther  von  der  Vogelweide. 
Wiener  Abendpost  1374  Nr.  226. 

692.  Eberty,  J.,    über  Walther  von    der  Vogelweide.     4.   (17   S.)   Pro- 
gramm  der  Städtischen  Realschule   1.   Ordnung  in  Potsdam    1874. 

693.  Reissenberger,  Dr.  Karl,  über  Walther  von  der  Vogelweide.  8. 
(20   S.)  Hermannstadt   1874. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1874  Nr.  34. 

694.  Schrott,   J.,   die  Heimath  Walthers  von  der  Vogelweide. 
Allgemeine  Zeitimg  1874,  Beilage  186. 

695.  Schwebel,  Oskar,  der  Sänger  für  Kaiser  und  Reich:  Walther  von 
der  Vogelweide. 

Daheim  1874  Nr.  23. 

696.  Walther  von  der  Vogelwcide. 
Europa  1874  Nr.  44,  S.   1377—84. 

697.  The  greatest  of  the  Minnesingers. 
Westminster  Review  1874,  April,  S.  406—430. 

698.  Bezzenberger,  H.  E.,   zu  Walther   von   der  Vogelweide. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  6,  33 — 37. 

699.  Stiehlberger,   M.,   die  Heimstätte  Walthers  von   der  Vogelweide. 
Illustrirte  Zeitung  1874  Nr.   1632. 

700.  Das  Fest  Walthers  von   der  Vogelweide.   (J.  J.) 
Im  neuen  Reich  1874  Nr.  44. 

701.  Das  Fest  auf  der  Vogclweide. 
Wiener  Abendpost  1874  Nr.  236. 

702.  Bartsch,  Karl,   Hern  Walthers  sanc. 
Germania  19,  506—507. 

703.  Wirnt  von  Gravenberg.  —  Meissner,  Heinrich,  VVirnt  von 
Gravenberg.  Beiträge  zur  Beurtheilung  seiner  literarhistorischen  Bedeutung.  I. 
8.  (37   S.)  Breslau    1874.    Dissertation. 


490  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

704.  Wolfram's  Titurel.  Von  Herforth. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  18,  281—297. 

705.  Förster,  Paulus  Traugott,   zur  Sprache  und  Poesie  Wolframs  von 
Eßchenbach.   8.   (76    S.)   Leipzig   1874.   Dissertation. 

706.  Wolframs  von  Eschenbach   Wappen. 
Allgemeine  Zeitung  1874,  Beilage  70. 


707.  Dichtungen  des  16.  Jahrhunderts  nach  Originaldrucken  heraus- 
gegeben von   Emil  Weller.   8.  (126   S.)  Stuttgart  1874. 

119.  Publication  des  litteiarischen  Vereins. 

708.  Gedichte,    zwei,  aus  dem   16.  und   17.  Jahrhundert.     Mitgetheilt 

von  R.  Reuß. 

Alsatia  1873—74. 

709.  Ilg,   aus   einem  Nonnengebetbuch  des   16.  Jahrhunderts. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1874,  298 — 300. 

710.  Brant.  —  Einige  deutsche  Gedichte  von  Sebastian  Brant.  Mitge- 
theilt von   K.    Schmidt. 

Alsatia  1873—74. 

711.  Ship  of  Pools  translated  by  A.  Barclay.  2  vols.  4.  London  1874. 
Sotheran. 

712.  Schmidt,   C,   notice   sur  Sebastien  Brandt. 
Revue  d'Alsace  1874,  April  ff. 

713.  Fischart.  —  Wacker  na  gel,  W.,  Johann  Fisehart  von  Straßburg. 
2.  Ausgabe.   8.  (VIII,   214   S.).  Basel   1874.   Schweighauser.    1 '/a  Rthlr. 

Vgl.  Theolog.  Literaturblatt  X,  19. 

714.  Franck,   Sebastian.  Vom  J.  Rupp. 
Religiöse  Reform  herausg.  von  L.  Ulrich  1874  Nr.  10. 

715.  Holtzman.  —  Prantl,  V.,  Daniel  Holzman's  Fronleichnamsspiel 
vom  J.    1574. 

Allgemeine  Zeitung  1874,  Beilage  94. 

716.  Klage,  eine  brüderliche.  1521  oder  1522.  Mitgetheilt  von  J.  K. 
S  e  i  d  e  ra  a  n  n. 

Archiv  für  Litteraturgesehichte  4,  277—280. 

717.  König.  —  Baechtold,  J.,  der  Miuorit  H.  König  von  Solothurn 
und  seine  Reisebeschreibungen.  Nebst  einem  Überblick  über  den  Antheil  Solo- 
thurns  an   der  deutscheu   Literatur.    8.    Solothurn    1874. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875  Nr.  4. 

718.  Luther,  Dr.  Martin,  Passional  Christi  und  Antichristi.  Mit  Bildern 
von  Lucas  Cranach  dem  Alteren.  Aufs  Neue  aufgelegt.  8.  (47  S.)  Leipzig  1874. 
Hoifmann. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1874  Nr.   13. 

719.  Murner.  —  Wimpheliugii,  J.,  Germania  ad  rempublicam  Argen- 
tinensem  et  Th.  Murneri  ad  rempublicam  Argentinam  Germania  nova.  4. 
Straßburg   1874.    Schmidt.    1  Rthlr. 

720.  Sachs,  Hans,  herausgegeben  von  Ad.  von  Keller.  8.  Band.  8. 
(769   S.)  Stuttgart   1874. 

121.  Publication  des  litterarischen  Vereins. 

721.  Lutz el berger,  E.  K.  J.,  Hans  Sachs.  Sein  Leben  und  seine 
Dichtung.  Eine  Festgabe  zur  Errichtung  des  Denkmals  in  Nürnberg  am  24.  Juni 
1874.  Mit  dem  Bildniss  von  H.  Sachs  nach  einem  alten  Holzschnitt.  8.  (IV, 
204  S.  und  46   S.   Anhang.)  Nürnberg   1874.  Ebner.   %  Rihlr. 


XIII.  D.  MITTELNIEDERDEUTSCH,  E.  MITTELNIEDERLÄNDISCH.     491 

722.  Hans  Sachs.  Ein  Lebensbild  aus  der  Reformationszeit.  8.  Nürn- 
berg  1874.  Lohe. 

723.  Weste rmayer,  Hans  Sachs,  der  Vorkämpfer  der  neueren  Zeit. 
8.   Nürnberg   1874.   Soldan. 

724.  Schultheiss,  Hans  Sachs  und  die  Meistersänger  in  Nürnberg.  8. 
Nürnberg   1874.   Recknagel. 

725.  Waldis',   Burchard,  Leben  und  Dichten.   Von  C.   Sali  mann. 
Baltische  Monatsschrift  N.  F.  5.  Bd.  (1874). 

D.  Mittelniederdeutsch. 

726.  Lübben,  August,  Mittheilungen  aus  niederdeutschen  Handschriften 
4-  (25   S.)  Oldenburg   1874. 

Programm  des  Gymnasiums. 

727.  Meyer,  Leo,  über  eine  niederdeutsche  Handschrift  des  16.  Jahr- 
hunderts.  Vortrag.   8.   Dorpat   1874. 

728.  Kelle,  J.,   mittelniederdeutsche  Glossen. 
Zeitschrift  f.  deutsches  Alterthum  17,  582—588. 

729.  Josefs  Gedicht  von  den  sieben  Todsünden  in  fortlaufenden  Aus- 
zügen nebst  Inhaltsausgabe  zum  ersten  Male  nach  der  Handschrift  bekannt 
gemacht  von  Dr.  Babucke,  Rector  des  kgl.  Progymnasiums  zu  Norden.  8. 
(38   S.)  Norden    1874.   Braams.    10   gr. 

Niederd.  Gedicht  des  15.  Jahrh. ,  7958  Verse ,  Hs.  im  Besitz  des  Vereines  zu 
Emden.  Vgl.  Archiv  f.  Lit.-Geschichte  IV,  3  (Schröder);  Theolog.   Literaturblatt    X.  4. 

730.  Freybe,  A.,  das  Mecklenburger  Osterspiel  vollendet  im  J.  1464 
zu  Redentin,  übertragen  und  behandelt.  8.  (XIV,  425  S.)  Bremen  1874.  Küht- 
mann.    5   M. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875  Nr.  16;  Gott.  Gel.  Anzeigen  Nr.  14;  Zeitschrift  f. 
deutsche  Kulturgeschichte  1875  Nr.  3;  Allgem.  Ev.  luth.  Kirchenzeitung  Nr.  12;  Blätter 
f.  liter.  Unterhaltung  Nr.  11  (Rückert);  Europa  Nr.  12;  Nationalzeitung  Nr.  141;  N. 
Preußische  Zeitung  Nr.  62. 

781.  S  om  m  er ,  G.,  mittelniederdeutsches  Bruchstück  von  Otto's  von  Passau 
Schrift:   die  24  Alten. 

Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1874,  Sp.  40-44. 

732.  Frommann,  zu  dem  mud.  Bruchstücke  von  Otto's  von  Passau 
'24  Alten'. 

Ebenda  Sp.  80. 

733.  Weiland,   L.,   die  Sachsenchronik   und  ihr  Verfasser. 
Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  13  (1874),  457 — 510. 

734.  Roth,  K. ,  die  Schlacht  von  Alischanz  (la  bataille  d'Aliscans). 
Kitzinger  Bruchstücke.  Niederdeutsches  Gedicht  vom  Anfange  des  14.  Jahrhs., 
abermal  aus  der  Urschrift  herausgegeben,  ergänzt  und  erläutert.  8.  (80  S.) 
Paderborn   1874.   Schöningh.    12  gr. 

E.  Mittelniederl  ändisch. 

735.  Nordhoff,   Maerlants  Merlin. 
Germania  19,  300—302. 

736.  Jacob  van  Maerlant's  Spieghel  historiael.  2"  Partie.  Uitgegeveu 
door  F.  V.  Hellwald ,  onder  medewerking  van  Dr.  M.  de  Vries  en  Dr.  F. 
Verwijs.    3.   Aflev.   4.   Leiden    1874.   v.   Doesburgh.    1  Rthlr. 


492  BUiLIOGKAPHlE  VON  1874. 

737.  V  er  dam,  J.,  Aankoopeu  voor  de  Bibliothek  der  Maatschappij  (een 
fragment  uit  de  2"  partie  van  den  Spieghel  historiacl,  twee  fragmenten  uit 
Maerlants  historie  vau  Troyen  etc.).  Handelingen  en  Mededeelingen  van  de 
Maatschappij   der  nedeil.  Letterkunde   1874. 

738.  Budding,  D.,  Mijn  laatate  woord  over  den  Dietscher  Jacob  van 
Maerlant  en  zijne  so  genoemde  vlamingschap.  (Ter  beantwoording  van  de  ge- 
leerde  beeren  Leendertz,  Wzn.  en  E.  Vervvijs.   8.   (41  S.)  Utrecht   1874.  50  c. 

739.  Reinaert.  Willems  Gedicht  van  den  vos  Reinaerde  und  die  Um- 
arbeitung und  Fortsetzung  Reinaerts  Historie.  Herausgeg.  und  erläutert  von 
Ernst  Martin.   8.   (LH,   521    S.)  Paderborn    1874.   Schöningh.   3  Rthlr. 

Vgl.  Jen.  Liter.  Zeitung  1874  Nr.  33  (Steinmeyer);  Gott,  Gel.  Anzeigen  Nr.  42 
(Wilken);  Deutsche  AUgem.  Zeitung  Nr.  174. 

F.  Angelsächsisch. 

740.  Wülcker,  R.,    über    die   neuangelsächsischen  Sprüche   des  Königs 

Alfred. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  I,  240—262. 

741.  Bosworth,  Joseph,  the  Gothic  and  Anglo-Saxon  Gospels,  in  pa- 
rallel columns,  with  the  versions  of  V^ycliffe  and  Tyudale.  2nd  edition.  8. 
(616   S.)  London   1874.  J.  R.   Smith.   12  sh. 

742.  Schipper,  J.,   zum   Codex  Exoniensis. 
Germania  19,  327—338. 

743.  Murray,  J.  A.  H.,  on  the  Rushworth  Glosses  or  Versions  of  the 
Anglo-Saxon  Gospels. 

Philological  society  6.  Nov.  1874,  Vgl.  Academy  21,  Novemb.  1874,  S.  561—562. 

744.  The  Blickliug  Homilies  of  the  10.  Century.  Edited  by  K.Morris. 
Part.  L   8.  London   1874.   Trübner. 

Publication  der  Early  English  Text  Society. 

G.  Mittelenglisch. 

745.  Wülcker,  R.,  über  die  Sprache  der  Ancren  Riwle  und  die  der 
Homilie  Hali  Meidenhad. 

Paul  und  Braune,  Beiträge  I,  209—239. 

746.  Essays  on  Chaucer,  bis  Words  and  Works.  Part.  IL   London  1874. 
Der  erste  Theil  erschien   1868. 

747.  Haies,   The  name  of  „Palamon"    in  Chaucer's  Knights  Tale. 
Academy  1874,  17.  Junuar,  S.  65  f. 

748.  Cursor  Mundi  (The  Cursor  of  the  World).  A  northumbrian  poem 
of  the    14.  Century.    Edited  by  R.  Morris.   Part.  L   8.  London   1874.    Trübner. 

Publication  der  Early  English  Text  Society.  Vgl.  Athenaeum  vom  31.  Juli  1875. 

749.  Evangelium  Nicodemi  in  altschottischer  Mundart  aus  Ms.  Harl. 
4196.   fol.   206    (14.   Jahrb.)  von  Dr.   Carl  Horstmann. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  53,  389 — 424. 

750.  Ziepel,  C,  the  reign  of  Richard  IL  and  comments  upon  an  alli- 
terative poem  on  the  deposition  of  that  monarch.  4.   (42   S.)   Berlin   1874, 

Vgl,  Liter,  Centralblatt  1874  Nr.  32  (Wülcker). 

751.  The  Gest  Historiale  of  the  destruction  of  Troy,  an  alliterative 
romance.  Edited  by  D.  Donaldson.  Part.   II.   8,  London   1874.  Trübner. 

Publication  der  Early  English  Text  Society. 


XIII.  H.  ALTNORDISCH.  493 

752.  The  history  of  tbe  holy  Grail,  englisht,  about  1450  by  H.  Lo- 
nelich.    Edited  by  F.  J.  Furnivall.  Part.  I.   8.  London   1874.  Trübner. 

Early  English  Text  Society. 

753.  The  dialogues  of  St.  Gregory  the  Great  and  Old  English  Version. 
Edited  by  H.   J.   Coleridge.   8.  London   1874.  Burns  a.   Co. 

753%   753''  vgl.  Nr.   104,   105. 

754.  Die  altenglische  Legende  von  St.  Brandan  aus  Ms.  Ashmol  43, 
fol.   71'',  herausgegeben  von   C.  Horstmann. 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  53,  17 — 48. 

755.  Die  Legenden  von  St.  Dunstan  und  St.  Cristopher.  Aus  Ms. 
Land    108.  Von  C.  Horstmanu. 

Jahrbuch  für  romanische  und  englische  Literatur  14,  32 — 41. 

H.  Altnordisch. 

756.  Saemundar  Edda  hins  fröcta.  Kritisk  handudgave  ved  Svend  Grundt- 
vig.  Anden  pä  ny  gennemarbejdede  udgave.    8.   (270  S.)  Kjöbenbavn   1874. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1874  Nr.  21  (K.  Hildebrand). 

757.  Edda,  die  ältere  und  die  jüngere,  nebst  den  mythischen  Erzäh- 
lungen der  Skalda,  übersetzt  und  mit  Erläuterungen  begleitet  von  Karl  Sim- 
rock.   5.  verb.  Auflage.   8.    (VII,   525   S.)    Stuttgart  1874.   Cotta.     2V3  Rthlr. 

Vgl.  Kölnische  Zeitimg  1874  Nr.  129. 

758.  Holm,  R.  J.,  Mundsmag  af  den  aeldre  Edda.  (Völvens  Spaadom, 
Vejtams-kvide,  Vavtrudnes-Maal  og  vers  af  Havamaal).  Trykt  som  Manuskript. 
8.   (38   S.)  Odense  1874.   24  sk. 

759.  Schierenberg,  G.  A.  B.,  Völuspä,  der  Vala  Wahrschau.  8.  1874. 

760.  Vielgewandts  Sprüche  und  Groa's  Zaubersang  (Fiölsvinnsmäl- 
Grougaldr),  kritisch  hergestellt,  übersetzt  und  erklärt  von  F.  W.  Bergmann. 
8.   (III,  186  S.)  Straßburg   1874.  Trübner.    lV„Rthlr. 

Vgl.  Germania  19,  359—369  (Kölbiug) ;  Götling.  Gel.  Anzeigen  1874  Nr.  25 
(Liebrecht);  Blätter  f.  Uter.  Unterhaltung  1875  Nr.  37. 

761.  Ettmüller,  Ludwig,  Beiträge  zur  Kritik  der  Eddalieder. 
Germania  19,  5 — 18. 

762.  Grundtvig,   Svend,  til  Saemundar  Edda  (2.  udg.). 
Nordisk  Tidskrift  for  Philologi  og  Paedagogik  N.  R.  I,  182—188. 

763.  Die  deutsche  Heimath  der  Edda-Lieder. 
Europa  1874  Nr.  10. 

764.  Kölbing,  E.,  zu  Gudrunarkvidha  II. 
Germania  19,  351—352. 

765.  Runen.  —  Stepheus,  G.,  den  aeldste  skandinavisk  christelige 
Basrelief- Sten  med  Ruuer. 

lUustreret  Tidende  1874  Nr.  752. 

766.  Müllenhoff,  K.,  Runen  in  Berlin. 
Zeitschrift  füi*  deutsches  Alterthum  18,  250 — 257. 

767.  L in  dal,  P.  J.,    Granskade  runinskrister. 

Svenska  Fomminnesföreningens  tidskrift  1873—74.  Stockholm  1874. 

768.  Rydberg,  V.,    Till   tolkeningeu    of  Nordens   aeldste  runeinskrifter. 
Ebenda. 

769.  Rydberg,  V.,   om  Tanumstenen. 

Bidrag  tili  Käunedom  om  Göteborgs  och  Bohusläns  fornmiuneu  och  historia.  I. 
Stockholm   1874. 


494  BIBLIOGRAPHIE  VON  1874. 

770.  Bvuzelius,   N.  G.,  Ulfs  runsten  i  Tulestorpskyrkogarelsmur. 
Saralingar  tili  Skänes  bistoiia,  fornkunskap  och  beskrivning  1873.  Lund  1874. 

771.  Dybeck,   R.,   Närikes  lunstenar. 

Runa.  Ell  skrift  för  Nordens  fornvänuer.  I.  6.  Stockholm  1873. 

772.  Dybeck,  R.,  Bökstadsstenen  i  Upland. 
Ebenda  IL   1.  Stockholm  1874. 

773.  Bugge,  Sophus,  Tolkning  af  runeindskriften  pä  Rökstenen  i  Oster- 
götland.  Et  bidrag  til  kundskab  ora  svensk  sprog,  skrift  og  skaldekunst  i 
oldetiden.    1. 

Antiqvarisk  Tidskrift  för  Sverige  utgifven  af  kgl.  Vitterhets  Historie  oeh  Antiq- 
vitets  Akademien.  V.  Stockholm  1873. 

774.  Skalden.  —  Geisli  eda  Olafs  drapa  ens  holga.  Efter  „Bergs- 
boken«  utgifven  af  G.  Cederschiöld.   4.  (XVI,   30   S.)  Lund   1874. 

Limds  Univ.  Arsskrift  I.  X.  1873. 

775.  Wennberg,  Lars,  Geisli.  Einarr  Skülason  orti.  Ofversättning 
med   Anmärkningar.   8.   (75   S.)  Lund    1874.   Dissertation. 

776.  is  lend  in  ga  dräpa  Hauks  Valdi'darsonar,  ein  isländisches  Gedieht 
des  Xm.  Jahrhunderts.  Herausg.  von  Th.  Möbius.  4.  (65  S.)  Kiel  1874. 
Programm  der  Universität. 

777.  M 41  shättakvaeäi  (Sprich Wörtergedicht),  ein  isländisches  Gedicht 
des  XIII.   Jahrhunderts.  Herausgeg.   von  Th.   Möbius.    8.   (74   S.) 

Aus:  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie,  Ergänzungsband  S.  3 — 73.  Nachträge 
und  Berichtigungen  S.  615 — 616. 

778.  jjättr  af  jjori  hast  ok  Bardi  birtu.  Gefin  üt  af  [)0rleifi  Jonssyni. 
8.   (11    S.)   Kaupmannahöfn  1874. 

779.  Sagas.  —  Billeder  af  Livet  paa  Island.  Islaudske  Sagaer.  Paa 
Dansk  ved  F.   W.  Hörn.   2.   Sämling.   8.   (364   S.)  Kjöbenhaven   1874. 

Band  1  erschien  1871. 

780.  Kölbing,  E.,  Bruchstücke  einer  Ami'cus  ok  Amilfus  Saga. 
Germania  19,  184—189. 

781.  Bandamanna  saga  efter  skinnboken  No.  2845,  4°  a  kongl. 
Biblioteket  i  Köpenhamn.  Utg.  af  G.  J.  Chr.  Cederschiöld.  4.  (XIV,  24  S.) 
Lund   1874.   Akademische  Abhandlung. 

Vgl.  Germania  19,  443—448  (Maurer). 

782.  Sagan  af  Hrana  bring.  Gefin  üt  af  Thorleifi  Jonssyni.  8.  (34  S.) 
Kaupmann  ah.   1874. 

783.  Wulff,  F.  A.,  Notices  sur  les  Sagas  de  MÄgus  et  de  Geirard  et 
leurs  rapports  aux  epopees  fran9aises.  4.  (44  S.)  Lund  1874.  Akademische 
Abhandlung. 

784.  Storm,  Gustav,  om  Ynglingatal  og  de  Norske  Ynglingekonger  i 
Danmark. 

In:  Historisk  Tidskrift  3.  Bd.,  auch  separat  Christiania  1873.  Vgl.  Historische 
Zeitschrift  1874,  4.  Heft,  S.  400  ff. 

785.  Arnason,  J.,  Islenzkar  )iiodsögur  og  Aefintyri.  Deutsches  Sach- 
und  Namen-Register.   8.   (S.   583—604).   Leipzig   1874.   Hinrichs    V3  Rthlr. 

786.  Biskop  Ey  st  eins  Jordebog  (den  rode  Bog).  Fortegnelse  over  de 
geistlige  Gods  i  Oslo  Bispedömme  omkring  Aar  1400.  Efter  oflfenlig  Foran- 
staltaing  udgivet  ved  H.  S.  Hvitfeldt.    1.  Hft.   (S.  1—192.)  Christiana   1873.  8. 


Xni.  I.  ALTSCHWEDISCH,  K.  MITTE  .LATEINISCHE  POESIE.  495 


I.   Altechwedisch. 

787.  Själinua    Trost.     Utg.    af   G.    E.  Klemming.     8.  Hft.  4.    Stock- 
holm  1873. 

Samlingar  ufgiftia  af  Svenska  Fornskrift-Sällskapet  Haft  60. 

788.  Legendär ium,  ett  fornsvenskt.  Utg.   af  F.  A.  Dahlgren.    Bd.   3. 
Hft.   4.   Stockholm  1873. 

Ebenda  Hft.  61. 

789.  Heliga  Birgitt as  Uppenbarelsa.    Utg.  af  G.  E.  Klemming.   Bd.  4. 
Hft.   2.   Stockholm   1874. 

Ebenda  Hft.  62. 

790.  Fragment  af  äldre  Vestgöta-lagen.     Utg.   af  G.  E.  Klemming.   8. 
Stockholm   1874. 

Bilaga  tili.:  Svenska  Fornskrift-Sällskapets  Allmänua  Ärsmüte  1874. 

791.  Stadga  för  St.  Görans  gille  vid  Kopparberget.   Utg.  af  G.  E.  Klem- 
ming. 8.   Stockholm   1874. 

Ebenda. 

K.  Mittellateinische  Poesie. 

792.  Voigt,  Oberlehrer  Dr.,  Untersuchungen  über  den  Ursprung  der  Ec- 
basis   Captivi.   4.   (29   S.)  Berlin   1874.    Programm  des  Friedrichs-Gymnasiums. 

793.  Bernheim,  Dr.  E.,   der  Glossator  der  Gesta  Berengarii  imperatoris. 
Forschungen  ztir  deutschen  Geschichte  14  (1874),  138  ff. 

794.  Pannenborg,   Dr.  A.,  noch  einmal  Magister  Guntherus. 
Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  14  (1874),   185  ff. 

795.  Walder  dorff,   Hugo  Graf  von,  Hi'otsuit  von  Gandersheim. 
Verhandlungen  des  historischen  Vereines  von  Oberpfalz  und  Eegensburg  29.  Bd. 

(1874). 

796.  Baudouin,  Ad.,  Pamphilus  de  amore.  Comedie  latine  du  10" 
siecle.   8.   (162   S.)  Toulouse   1874. 

Vgl.  Revue  critique  1874  Nr.  39. 

797.  Des  Magisters  Petrus  de  Ebulo  liber  ad  honorem  Augusti.  Nach 
der  Originalhandschrift  für  akademische  Übungen  herausg.  von  E.  Winkelmann. 
8.  (XII,   96   S.)  Leipzig   1874.  Dunker  und  Humblot.   2  Mk. 

Vgl.  Liter.  Centralblatt  1875  Nr.  8  (Peiper). 

798.  Waltharius.  Lateinisches  Gedicht  des  10.  Jahrhunderts.  Nach 
der  handschriftlichen  Überlieferung  berichtigt,  mit  deutscher  Übertragung  und 
Erläuterungen  von  J.  V.  Scheffel  und  A.  Holder.  8.  (VI,  180  S.)  Stutt- 
gart 1874.  Metzler.   1%  Rthlr. 

Vgl.  Jen.  Lit.  Zeitung  1875  Nr.  36;  Zeitschrift  f.  d.  österr.  Gymnasien  XXVI,  3 
(Keller);  Götting.  Gel.  Anzeigen  Nr.  5  (Pannenborg);  Blätter  für  liter.  Unterhaltung 
Nr.  2  (Brambach);  Saturday  Review  29.  Dec.  1874;  Theolog.  Literaturblatt  1875  Nr.  1 
(Birlinger);  Schwab.  Merkur  11.  Oct.  1874;  Allgem.  Zeitung,  Beilage  288;  Trübner's 
Literary  Record  Nr.  108. 

799.  Dümmler,  E.,   Grabschrift  des  Grafen  Sendebad. 
Zeitsclu-ift  für  deutsches  Alterthum  18,  306—308. 

800.  Dümmler,  E.,  Gedichte  des  Naso. 
Ebenda  18,  58—70  und  Nachtrag  S.  280. 

801.  Wattenbach,  W.,  Gauymed  und  Helena. 
Ebenda  18,  124—136. 


496  MISCELLEN. 

802.  Wattenbach,  W.,  Lateinisches  Liebesgedicht. 
Germania  19,  297—300. 

803.  Wattenbach,   W.,  Areuga  de  commendatione  studii. 
Germania  19,  72—74. 

804.  Wattenbach,    W.,  aus   einer  Humanistenhandschrift. 

Anzeiger    für    Kunde    der    deutscheu    Vorzeit    1874,    Sp.    212-216,    244—251, 
272—278. 

805.  Wattenbach,  W.,    zu    den    lateinischen  Reimen    des  Mittelalters. 
Ebenda  Sp.  148  f. 

806.  Hertzberg,  W.,  das  Gedicht  über  den   Mongoleneinfall. 
Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  14  (1874j,  599 — 612. 

807.  Nolte,   Dr.,   eine  Handschrift  der  Stadtbibliothek  zu  Verdun. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutscheu  Vorzeit  1874,  Sp.  373  f. 

808.  Nolte,  Dr.,  Grabschrift    auf    den  Erzbischof   Rainald    von    Dassel. 
Ebenda   Sp,  374  f. 

809.  Nolte,  Dr.,   Nicolaus  Abt  des  Klosters  Sigeberg. 
Ebenda  Sp.  375  f. 

810.  Peiper,  R.,   europäischer  Völkerspiegel. 
Ebenda  Sp,  101—106. 

811.  Peiper,  Lamentatio   missae. 
Ebenda  Sp.  145  —  148, 

812.  Peiper,   R.,  zur  Geschichte  der  lateinischen  Comödie  des  15.  Jahr- 
hunderts. 

Neue  Jahrbücher  für  Philologie  u.  Pädagogik  110  Bd.  3.  Heft  (1874), 


MISCELLEN. 


Bericht 

über  die  Sitzungen  der   deutsch-romanischen  Section    auf  der  XXX.   Versamm- 
lung   deutscher  Philologen    und  Schulmänner   zu  Rostock,    vom  28.  September 

bis   1.  October   1875. 

1.  Sitzung.  X)ienstag  den  28.  September,  Nachmittag  1  Vi  Uhr,  Die 
Section  wird,  nachdem  sie  sich  im  Auditorium  VIH  hiesiger  Universität  con- 
stituiert  hat,  von  Professor  R.  Bechstein  aus  Rostock  mit  eiuer  Begrüßungs- 
rede eröffnet,  in  welcher  er  zunächst  die  Fachgeuossen  in  Rostock  willkommen 
heißt.  Er  gedenkt  sodann  der  Verluste,  welche  seit  der  letzten  Philologen- Ver- 
sammlung in  Innsbruck  unsere  Wissenschaft  in  ihren  Vertretern  betroffen  hat. 
Zuerst  wird  genannt  Dr.  Karl  Hilde brand,  welcher  am  17.  April  dieses 
Jahres  nach  kurzer  Krankheit  zu  Halle  verschied.  Im  Jahre  1873  habilitierte 
er  sich  daselbst  als  Docent  für  Germanistik,  besonders  für  das  Nordische.  Er  war 
mit  einer  Ausgabe  der  Edda  beschäftigt,  die  er  unvollendet  hinterließ.  Ein 
weiterer  Verlust  ist  der  am  11.  September  ersolgte  Tod  von  Prof.  Dr.  Heinrich 
Rückert  in  Breslau,  von  welchem  Prof.  Dr.  Bartsch  in  einer  der  nächsten 
Sitzungen  einen  Lebensabriss  und  eine  Charakteristik  geben  wird.  Darauf  wendet 
sich  Redner  zu  den  erfreulichen  Ereignissen  des  abgelaufenen  Philologenjahres. 
Mit  Freude  begrüsst  er  die  Wiederaufnahme  der  Michaelis  1859  eingegangenen 


MISCELLEN.  497 

Zeitschrift  für  deutsche  Mundarten  von  Frommann,  deren  erstes  Heft  vor 
nicht  langer  Zeit  erschienen  ist.  Auch  die  Gründung  eines  Vereines  für  nd. 
Sprachforschung,  über  den  Dr.  N erger  aus  Rostock  berichten  wird  (vgl. 
4.  Sitzung),  ist  von  Wichtigkeit.  Dann  wird  mitgetheilt,  daß  Dr.  A.  Lübben 
in  Oldenburg  von  seinen  Stunden  am  Gymnasium  auf  3  Jahre  bei  vollem  Ge- 
halt entbunden  sei,  um  sich  der  Herausgabe  des  mnd.  Wörterbuches  ganz 
widmen  zu  können.  Die  hierauf  bezügliche  Correspondenz  des  Vorsitzenden 
mit  dem  Reichskanzleramt  und  der  oldenburgischen  Regiei  ang  wird  vorgelesen, 
und  Redner  von  der  Section  ermächtigt  und  beauftragt  beiden  Behörden  den 
Dank   der  Section  auszudrücken. 

Bei  der  nun  folgenden  Wahl  wird  Prof.  Bartsch  zum  Vicepräsidenten, 
Dr.  Karl  Nerger  und  Privatdocent  Dr.  Felix  Lind u er  zu  Schriftführern 
erwählt.  (Stud.  phil.  Wieg  an  dt  hatte  die  Güte  die  Verhandlungen  zu  steno- 
graphieren.) Darauf  schrieben  sich  folgende  43  Mitglieder  in  das  Album  ein: 
Professor  Karl  Bartsch  aus  Heidelberg;  Director  Bauermeister  aus 
Ribnitz ;  Oberlehrer  Dr.  Fedor  ßech  aus  Zeitz;  Professor  Reinhold  Bechstein 
aus  Rostock;  Dr.  Wilh.  Begemann  aus  Berlin;  Dr.  Büddeker  aus  Schwerin; 
Dr.  A.  Edzardi  aus  Anklam;  Gymnasiallehrer  Dr.  Eggert  aus  Schwerin: 
Cand.  phil.  Fritzsche  aus  Rostock;  Oberlehrer  Dr.  W.  Geber  ding  aus 
Berlin;  Director  Giseke  aus  Schwerin;  Professor  Imelmann  aus  Berlin;  Di- 
rector Keck  aus  Husum;  Director  K.  £.  H.  Krause  aus  Rostock;  Dr. 
Friedrich  Latendorf  aus  Schwerin;  Professor  Adolf  Laun  aus  Oldenburg; 
Privatdocent  Dr.  F.  Lindner  aus  Rostock;  Dr.  August  Lübben  aus  Olden- 
burg; Oberlehrer  Dr.  Lücking  aus  Berlin;  Professor  Dr.  Mahn  aus  Steglitz 
bei  Berlin;  Oberlehrer  Dr.  Meyer  aus  Cottbus;  Dr.  Karl  Nerger  aus  Rostock; 
Stud.  phil.  Neumann  aus  Heidelberg;  Oberlehrer  Dr.  Pfundheller  aus 
Stettin;  Realschullehrer  P.  Piper  aus  Altona;  Geh.  Hofrath  Bürgermeister 
Pöble  aus  Schwerin;  Oberlehrer  Dr.  Ch.  Rauch  aus  Berlin;  Dr.  F.  Rosiger 
aus  Altona;  Professor  Karl  Sachs  aus  Brandenburg;  Realschullehrer  Dr.  F. 
Schildt  aus  Schwerin;  Dr.  C.  Schirm  er  aus  Altona;  Gymnasiallehrer  Dr. 
Schmolling  aus  Stettin;  Dr.  Schneider  aus  Segeberg;  Rector  Dr.  Seitz 
aus  Marne;  Gymnasiallehrer  Starck  aus  Schwerin:  Privatdocent  Dr.  S tim- 
min g  aus  Kiel;  Dr.  A.  Theobald  aus  Hamburg;  Dr.  Thüneu  aus  Stral- 
sund; Privatdocent  Dr.  F.  Vogt  aus  Greifswald;  Bibliothekssecretär  Dr.  C. 
Walther  aus  Hamburg;  Oberlehrer  Dr.  Werner  aus  Schwerin;  Cand.  phil. 
Westphal  aus   Schwerin;  Stud.  phil.   Wiegandt  aus  Rostock. 

Folgende  Schriften  waren  eingesandt:  1.  in  einem  Exemplar,  welches  den 
Acten  einzuverleiben  ist,  die  dem  „Verzeichniss  der  Doctoren,  welche  die  philoso- 
phische Facultät  in  Tübingen  im  Decanatsjahre  1873  — 1874  ernannt  hat",  bei- 
gefügte Publication  von  Prof.  Adelbert  von  Keiler  „die  altdeutsche  Erzählung 
vom  rothen  Munde"  durch  den  Herausgeber;  2.  in  vielen  Exemplaren  „Vortrag 
über  das  encyklopädische  Wörterbuch  der  französischen  und  deutschen  Sprache 
von  Prof.  Dr.  C.  Sachs,  gehalten  in  der  Gesellschaft  für  neuere  Sprachen  in 
Freiburg  im  Breisgau  von  Prof.  T.  Merkel"  (Berlin  1875)  durch  die  Langen- 
scheidt'sche  Verlags- Buchhandlung.  Prof.  Bechstein  stellt  a  mehrere  Exemplare 
seiner  jüngsten  Schrift  zur  Verfügung  „Aus  dem  Kalendertagebucb  des  Wittenberger 
Magisters  und  Marburger  Professors  Victorin  Schönfeld  1555 — 1563"  (Rostock 
1875),  und  Prof.  Bartsch  legte  in  einigen  Exemplaren  die  Schrift  vor   „Due 

G£RMANIA,  Neue  Reihe  Vin.  (XS.)  Jahrg.  32 


498  mSCELLEN. 

antichi  testi  dialettali  publicati  da  K.  Bartsch  e  A.  Mussafia"  (Roma  1875), 
Separatabdruck  aus  der  Rivista  di  Filologia  Romanza. 

Nach  Festsetzung  der  Tagesordnung  für  die  nächste  Sitzung,  macht  Prof. 
Sachs  auf  das  neu  erschienene  orthographische  Wörterbuch  von  Sanders  auf- 
merksam, welches  zur  Ansicht  aufgelegt  wird.      Schluß  der  Sitzung  um   2  Uhr. 

2.  Sitzung.  Mittwoch  den  29.  September  früh  87^  Uhr.  Dr.  A.  Lüb- 
ben  eröti'net  die  Sitzung  mit  seinem  Vortrage:  Zur  Charakteristik  der  mnd. 
Literatur. 

Die  Angaben  des  von  Albrecht  von  Bardewik  verfaßten  ältesten  Lübecker 
Rechts  vom  Jahre  1294  und  der  von  demselben  begonnenen  ältesten  Lübecker 
Chronik  vom  Jahre  1298,  welche  leider  Fragment  geblieben  ist  und  nur  bis 
1301  reicht,  zeigen  uns  zunächst,  daß  erst  in  dieser  Zeit  das  Mnd.  zur  lite- 
rarischen Verwendung  kam,  da  bis  dahin  nur  wenige  Urkunden  von  geringem 
Belange  in  mnd.  Sprache  erschienen.  Das  Lateinische  hatte  bis  zum  Jahre  1300 
die  Oberhand ,  von  da  an  finden  wir  einige  nd.  Urkunden  mit  lateinischen 
vermischt,  bis  gegen  1400  das  Nd.  die  lateinische  Sprache  verdrängte.  Man 
kann  also  etwa  um  1300  den  Anfang  der  mnd.  Literatur  ansetzen.  Dann  aber 
zeigen  uns  diese  ältesten  grösseren  mnd.  Schriftdenkmäler,  daß  die  Sprache, 
besonders  in  Rechtsdarstellung  und  Geschichte,  überhaupt  auf  dem  Gebiete  der 
Prosa  zuerst  etwas  geleistet  hat.  Der  Vortragende  geht  nun  die  verschiedenen  Ge- 
biete der  Poesie  und  Prosa  durch  und  vergleicht  sie  mit  der  mhd.  Die  Ndeutschen 
des  12.  und  13.  Jhdts  dichteten  meist  hochdeutsch.  Erst  im  14.  und  15.  Jhdt. 
finden  wir  der  Poesie  eine  Stelle  in  der  mnd.  Literatur  eingeräumt.  Minne- 
lieder und  weltliche  Lyrik  begegnet  uns  zwar  selten,  dagegen  eine  Fülle  von 
geistlicher  Lyrik,  die  jedoch  für  ihren  eintönigen  Inhalt  selten  durch  Schönheit 
der  Form  entschädigt. 

Redner  hebt  nun  besonders  die  nd.  Bearbeitung  des  Reineke  Vos  her- 
vor, welcher  die  Ehre  der  nd.  Poesie  gerettet  hat.  Der  Erfolg  dieses  Ge- 
dichtes ist- unzweifelhaft  auch  der  nd.  Sprache  selbst  zuzuschreiben,  welche  in 
ihrem  Verhältniss  zum  Hochdeutschen  als  Sprache  der  Naivetät  gegenüber  der 
Sprache  der  Reflexion  bezeichnet  werden  kann.  Darauf  vergleicht  der  Vor- 
tragende das  Drama  im  Mnd.  und  Mhd.  Er  findet,  daß  das  mnd.  Drama  sich 
wohl  mit  dem  mhd.  messen  kann,  ja  daß  es  zuweilen  das  letztere  überflügelt. 
Leider  kommt  das  nd.  Drama  erst  zur  Ausbildung,  als  der  literarische  Verfall 
des  Nd.   schon  begonnen  hatte. 

Von  dem  Gebiete  der  Poesie  wendet  sich  nun  der  Vortrag  zu  dem  der 
Prosa,  auf  dem  die  nd.  Literatur  die  gleichzeitige  hd.  weit  übertrifft.  Inhalt 
und  Form  der  mnd.  Prosa  tritt  uns  gewissermaßen  gleich  zu  Anfang  ausge- 
bildet entgegen.  Vollständig  systematisch  ausgebildete  Rechtsdarstellungen,  Frie- 
densschlüsse und  Documente  sind  fast  ebenso  häufig  als  Chroniken  ,  deren 
historischer  Werth  freilich  den  sprachlichen  oft  nicht  erreicht.  Von  mnd.  Prosa 
auf  dem  Gebiete  der  kirchlich-theologischen  Literatur  wird  besonders  hervor- 
gehoben der  Seelentrost  von  1407  und  das  Lübecker  Passionale  von  1471. 
Daneben  findet  sich  noch  eine  Menge  sogenannter  Arznei-  und  Kräuterbücher. 
Die  Glanzperiode  der  mnd.  Literatur  fällt  zusammen  mit  der  Glanzperiode  der 
Hansa.  Mit  ihr  wuchs  und  sank  das  Mnd.  Diese  Periode  umfaßt  etwa  die 
Zeit  von   1300—1500. 


MISCELLEN.  499 

Nach  dieser  Zeit  zeigt  sich  in  allen  Schriften,  welche  in  ud.  Sprache 
gedruckt  sind*),  ein  merklicher  Rückgang  in  Orthographie,  wie  Flexion  und 
Syntax,  so  daß  man  mit  dem  Jahre  1600  das  Ende  des  Mnd.  ansetzen  kann. 
Das  Nnd.  verlor  und  verliert  täglich  an  seiner  Reinheit  durch  das  Vordringen 
des  Hochdeutschen;  es  gleicht  jetzt  einer  ungeheuren  Eiche,  die  zwar  von 
der  Wurzel  aus  noch  mächtige  Schößlinge  treibt,  aber  ihre  majestätische  Krone 
verloren  hat. 

Eine  Discussion  knüpfte  sich  an  diesen  Vortrag  nicht  und  nachdem  der 
Vorsitzende  dem  Redner  seinen  Dank  ausgesprochen,  hält  Prof.  Sachs  einen 
Vortrag  über  das  Thema:  Wie  hat  falsche  Gelehrsamkeit  und  Volksweisheit 
die  Sprache  beeinflußt? 

Der  Vortragende  gab  zunächst  eine  gedrängte  Übersicht  über  die  Haupt- 
momente ,  welche  im  Mittelalter  die  halbe  Gelehrsamkeit  vieler  Autoren  und 
die  Volksweisheit  beeinflußten.  Er  gab  ein  Bild  von  der  Entstellung  der  alten 
Autoren  in  mittelalterlichen  Gedichten,  handelte  von  den  Einflüssen  der  Kreuz- 
zügö  auf  die  Vorstellungen  und  Sprache  des  Occidents,  von  den  fränkischen 
und  bretonischen  Sagenkreisen,  die  neben  den  religiösen  und  abergläubischen 
Vorstelhmgcn  wesentlich  auf  die  Gemüther  wirkten  und  sprachumgestaltend  sich 
geltend  machten.  Der  specielleren  Besprechung  wurden  dann  unterzogen  Aus- 
drücke aus  dem  Gebiete  der  Religion,  besonders  die  aus  Scheu  vor  dem  Ge- 
brauche des  Namens  Gottes  und  des  Teufels  entstandenen  Verdrehungen  von 
Schwurformelu,  die  Namen  der  Heiligen  und  der  zum  Theil  nach  ihnen  genannten 
Kalendertage  und  Feste.  Es  folgt  eine  Besprechung  einzelner  Namen  von  Sternen, 
wie  Bär,  Septentriones,  Polarstern,  Tremuntane,  darauf  wird  eine  größere  Zahl  von 
geographischen,  besonders  Städtenamen,  besprochen,  welche  aus  dem  Keltischen, 
Lateinischen,  Slavischen,  den  romanischen  und  orientalischen  Sprachen  und  selbst 
aus  der  eigenen  Sprache  des  betreÖ^'enden  Volkes  durch  Missverständniss  oder 
das  Bestreben ,  sich  unter  dem  fremdartigen  Laut  etwas  Bestimmtes  vorstellen 
zu  können,  verderbt  sind.  Eine  Anzahl  umgedeuteter  historischer  Namen  schloß 
diesen   Abschnitt. 

Die  falsche  Gelehrsamkeit,  welche  besonders  im  Dictionnaire  de  l'Acad^mie 
sich  vielfach  geltend  macht  und  gegen  die  das  Volk  mit  oft  feinem  Tacte 
protestiert,  wird  darauf  besprochen  und  dies  führte  zu  einer  Untersuchung  ähn- 
licher Fälle ,  wo  im  Deutschen  Wörter  von  Halb-  oder  Ungebildeten  missver- 
standen und  corrumpiert  sind  und  zwar  wiederum  nicht  nur  Fremdwörter, 
sondern  auch  gute  einheimische,  deren  wahre  Bedeutung  aber  in  Vergessenheit 
gerathen  ist.  Dieser  letzte  Gesichtspunkt  wurde  weiter  verfolgt  in  den  ver- 
schiedenen Gebieten  der  Mineralogie,  Botanik  und  Zoologie,  Physik,  Chemie 
und  Medicin ,  in  Namen  von  Krankheiten  und  einigen  in  der  Apotheke  ge- 
bräuchlichen Medicamenten.  Auf  dem  Felde  der  Grammatik,  welche  seit  der 
Bildung  der  romanischen  Sprachen ,  wie  des  Englischen,  zu  manchem  Missver- 
ständniss Veranlassung  gegeben  hat ,  der  Arithmetik ,  Musik  und  Architektur, 
der  schönen  Literatur  wie  des  Handelslebens ,  der  Namen  von  Speisen  und 
Kleidungsstücken,  der  Gewerbe  und  besonders  des  Kriegshandwerks  und  der 
Marine  wurde  an  einzelnen  charakteristischen  Beispielen,  deren  Zahl  bei  längerer 


*)  Cf.  C.  M.  Wiechmann:  Mecklenburg'«  altnieiiersächsische  Literatur.  Schwerin, 
Bärensprung.  1864—70. 

32='^ 


500  MISCELLEN. 

Zeit  bedeutend  aus  dem  reichhaltigen  Manuscript  hätte  vermehrt  werden  können, 
gezeigt,  wie  überall  das  oben  nachgewiesene  Bestreben  umbildend  und  die 
Sprache  corrumpierend  gewirkt  hat. 

Nach  diesem  Vortrage  entspann  sich  eine  kurze  Debatte  zwischen  Prof. 
Sachs  und  Dr.  Theobald  und  es  wurde  die  Sitzung  um  10  Uhr  geschlossen. 

3.  Sitzung.  Donnerstag  den  30.  September  früh  8  Uhr.  Professor  Mahn 
beginnt  mit  seinem  Vortrage  über  die  celtischen  Sprachen  und  deren  Einfluß 
auf  die  deutsche,  englische,  französische  und  die  übrigen  romanischen  Sprachen. 
Da  dieser  Vortrag  nächstens  in  Druck  erscheint,  soll  hier  nur  ein  oberfläch- 
licher Auszug  gegeben  werden.  Aus  der  Einwanderung  der  Kelten  in  Europa 
vor  den  Germanen  erklärt  der  Vortragende  die  zahlreichen  Überreste  besonders 
geographischer  Namen,  welche  sich  aus  dem  Celtischen  bis  jetzt  erhalten  haben. 
Außerdem  wurden  von  den  nachdrängenden  Völkerschaften  eine  Menge  Wörter 
aus  dem  Celtischen  aufgenommen,  welche  zur  Bezeichnung  ihnen  bis  dahin 
fremder  Gegenstände  dienten.  Die  einzelnen  Behauptungen  werden  mit  einer 
Fülle  von  Beispielen  belegt. 

Die  Discussiouj  welche  sich  über  diesen  Vortrag  erheben  zu  wollen  schien, 
mußte  abgebrochen  werden ,  da  wegen  der  allgemeinen  Sitzung  die  Sections- 
sitzung  um   9   Uhr  auf  2   Stunden   unterbrochen  wurde. 

Um  11  Uhr  wurde  die  Sitzung  wieder  begonnen.  Prof.  Bartsch  hielt 
zunächst  den  versprochenen  Nekrolog  auf  Heinrich  Rückert  (cf.  1.  Sitzung), 
welcher  in  dieser  Zeitschrift  abgedruckt   werden   wird. 

Darauf  wurde  die  Wahl  des  Präsidenten  für  die  Section  bei  der  im 
nächsten  Jahre  in  Tübingen  stattfindenden  Philologen- Versammlung  vorgenommen. 
Als  Präsident  wird  gewählt  Prof.  Dr.  Adelbert  v.  Keller  und  als  Viceprä- 
sident  Prof.  Dr.  Ludwig  Holland.  Nachdem  die  Tagesordnung  für  die  4.  Sitzung 
festgestellt  ist,  berichtet  Dr.  Theobald  über  den  XIV.  Nederlandsche  Taal-  en 
Letterkundig  Congres  te  Maastricht*).  Die  Versammlung,  welche  ursprüng- 
lich in  Leyden  abgehalten  werden  sollte,  kam  in  Maastricht  zusammen.  Auch 
an  den  nd.  Verein  waren  Einladungen  ergaugen  und  ihnen  auch  Folge  geleistet 
worden.  Da  die  Bestrebungen  des  nd.  und  nl.  Vereins  eng  verwandt  sind,  ist 
ein  kurzer  Bericht  über  die  Versammlung  zu  Maastricht  gerechtfertigt.  Redner 
gibt  nun  einen  kurzen  Überblick  über  die  Verhandlungen  in  den  3  Sectionen, 
die  sich  dort  gebildet  hatten.  Er  beginnt  in  umgekehrter  Reihenfolge  bei  der 
dritten,  welche  sich  mit  Schauspielkunst,  Kunstgeschichte  und  Buchhandel  be- 
schäftigte. Es  wird  hingewiesen  auf  die  Förderung  alles  Volksthümlichen  in 
den  Niederlanden,  auf  die  entwickelte  Volksliteratur  und  die  allenthalben  ver- 
breiteten Liebhabertheater.  In  der  zweiten ,  der  historischen  Section  trat  der 
Gegensatz  zwischen  Protestantismus  und  Katholicismus  ziemlich  schroff  hervor. 
Die  erste  Section  war  die  für  Literatur.  Verschiedene  Vorschläge  wurden  dort 
eingebracht.  Es  sollten  die  vlämischen  Eigenthümlichkeiten  mehr  und  mehr 
fallen  gelassen  werden,  um  eine  möglichst  enge  Verschmelzung  zwischen  dem 
katholischen  Belgien  und  dem  protestantischen  Holland  zu  erreichen.  Einige 
verlangten  auch  politische  Einheit,  Andere  eine  Vereinigung  der  wissenschaft- 
lichen Bestrebungen  mit  Niederdeutschland,  welche  für  die  Niederländer  wie  für 


*)  Dr.  Theobald  gab  die  den  Congreß  betreffende  Schrift  „XIV^'=  Nederlandsch 
Taal-  en  Letterkundig  Congres  te  Maastricht  Programma"  zu  den  Acten. 


MISCELLEN.  501 

die   Norddeutschen  gleich  vortheilhaft  sein   wird.    Bestimmte  Beschlüsse  wurden 
jedoch  nicht  gefaßt. 

Nach  diesem  Bericht  wird  die  Sitzung  um   12  Uhr  geschlossen. 

4.  Sitzung.  Freitag  den  1.  October  früh  8  Uhr.  Dr.  Begemann  be- 
ginnt die  Sitzung  mit  seinem  Vortrage  über  das  Annolied.  Es  werden  zuerst 
die  Ansichten  der  verschiedenen  Herausgeber  besonders  über  die  Zeit  der  Ab- 
fassung des  Annoliedes  und  der  Kaiserchronik ,  sowie  die  Entlehnungen  des 
Annoliedes  aus  der  Vita  und  umgekehrt  ausführlich  vorgeführt.  Der  Vortragende 
will  Lachmann's  Ansicht,  daß  das  Gedicht  von  einem  kölnischen  Geistlichen 
um  die  Zeit  der  Aufhebung  der  Gebeine  des  Heiligen,  also  etwa  um  1183 
verfaßt  sei ,  mit  Modificationen  wieder  aufnehmen.  Ausführlich  wird  nun  ein- 
gegangen auf  die  so  oft  vorkommende  Bezeichnung  sante  Anno.  Dies  sante 
unmittelbar  vor  dem  Namen  ist  die  ofiFicielle  Bezeichnung  officiell  heilig  ge- 
sprochener Personen.  Die  Canonisation  Anno's  aber  erfolgte  erst  1183.  Der 
Dichter  hätte  vor  dieser  Zeit  den  Titel  sanctus  nicht  anwenden  dürfen.  Dies 
deutet  darauf  hin,  daß  das  Gedicht  erst  nach  1183  verfaßt  sein  könne.  Dieser 
Ansicht  steht  gegenüber:  1.  die  vielen  alterthümlichen  Wörter  und  Redewen- 
dungen, die  neben  neueren  Formen  im  Annoliede  vorkommen;  2.  die  Verse: 
diz  vunfti  ist  Sigeberg  sin  vili  liebi  stat 
dar  uflfe  steit  nu  sin  graf, 
welche  deutlich  darauf  hinweisen,  daß  das  Gedicht  vor  der  Überführung  der 
Gebeine  des  Heiligen  verfaßt  ist. 

Der  Vortragende  findet  folgenden  Ausweg  aus  diesem  Dilemma.  Das  uns 
vorliegende  Annolied  ist  die  Umarbeitung  eines  älteren  Gedichtes ,  die  älteren 
Sprachformen  sind  vielfach  stehen  geblieben,  die  Bezeichnung  seinte  aber  ist 
überall  vor  dem  Namen  erst  später  eingefügt.  Auf  eine  Umarbeitung  eines 
früher  einheitlichen  Stoffes ,  der  Lebensbeschreibung  des  Bischofs  Anno  deuten 
auch  die  vielen  unbegründeten  Abschweifungen ,  die  sich  der  Dichter  erlaubt, 
um  sein  Werk  in  stattlicherer  Form  erscheinen  zu  lassen.  Das  führt  zur  Be- 
sprechung des  Verhältnisses  der  Kaiserchronik  zum  Annolied.  Der  Vortragende 
nimmt  hierbei  an,  daß  beide  auf  eine  gemeinsame  Quelle  zurückgehen,  da  ja  die 
Existenz  einer  älteren  Chronik  im  Eingange  der  Kaiserchronik  schon  ausdrücklich 
bezeugt  wird.  Dadurch  wird  aber  die  Ursprünglichkeit  des  Anuoliedes  gewaltig 
erschüttert.  Um  nun  den  Inhalt  des  ursprünglichen  Liedes  zu  erhalten,  werden 
alle  die  Abschnitte ,  die  nicht  unmittelbar  zur  Lebensbeschreibung  des  Anno 
gehören  oder  Wiederholungen  enthalten,  ausgeschieden  werden  müssen.  Diese 
Ansicht  wird  unterstützt  durch  die  Veröffentlichung  eines  Theiles  des  Anno- 
liedes in  der  kleinen  Schrift  von  Bonaventura  Vulcanius,  De  literis  et  lingua 
Getarum  sive  Gothorum,  welche  darthut,  daß  dem  Vulcanius  ein  kürzeres  Ge- 
dicht, welches  nur  den  Anno  zum  Gegenstande  hatte,  vorlag.  Nach  der  Ansicht 
des  Vortragenden  werden  also  nur  stehen  bleiben  können  Vers  19  —  92,  resp. 
116  und  Vers  575  bis  zum  Ende.  Diese  enthalten  den  oft  recht  poetischen 
Kern  des  Liedes,  alles  Übrige  ist  wahrscheinlich  spätere  Zuthat. 

Darauf  wird  ein  von  Dr.  Theobald  und  Prof.  Sachs  eingebrachter 
Antrag  einstimmig  angenommen,  welcher  dahin  zielt,  die  Sympathie  der  deutsch- 
romanischen Abtheilung  der  deutschen  Philologen  -  Versammlung  mit  den  Be- 
strebungen des  niederländischen  Vereins  in  wissenschaftlicher  Beziehung  durch 
eine  Zuschrift  an  den  Bibliothekar  Di-.  Hansen  in  Antwerpen  darzuthun.  Prof. 


502  MISCELLEN. 

Bcchsteiu  wird  mit  Absendung  derselben,  welche  folgenden  Inhalt  hat,  be- 
auftragt: „Die  deutsch-romanische  Abtheilung  der  XXX.  Versammlung  deutscher 
Philologen  und  Schulmänner  spricht  Ihnen  und  Ihren  Freunden  ihre  lebendige 
Sympathie  aus  für  Ihr  auf  Anbahnung  näherer  Beziehungen  zwischen  der  nieder- 
ländischen und  volksthümlich  niederdeutschen  Literatur  gerichtetes  Streben  und 
gibt  sich  der  Hoffnung  hin,  daß  es  gelingen  werde  ^  die  nahe  Verwandtschaft 
der  Sprachen  durch  eine  übereinstimmende  Schreibweise  klarer  als  bisher  in's 
Licht  zu  stellen," 

Hierauf  berichtet  Dr.  N erger  über  den  Verein  für  niederdeutsche  Sprach- 
forschung. Er  gibt  eine  kurze  Geschichte  desselben ,  sowie  einen  Überblick 
über  die  Ziele  und  die  nächsten  Publicationen  des  Vereines,  worüber  in  der 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  von  Höpfner  und  Zacher,  Bd.  VI,  Heft  4, 
p.  471 — 477  ausführlich  gehandelt  ist.  Der  Berichterstatter  fügt  hinzu,  daß 
für  das  erste  Jahrbuch,  welches  Ostern  1876  erscheinen  wird,  Sagen  und 
Bräuche  aus  dem  Sachsenwalde ,  sowie  ein  Wörterverzeichniss  des  Tischler- 
handwerks in  Aussicht  genommen  ist.  An  letzteres  sollen  sich  dann  auch  die 
anderen  Gewerbe  in  gleicher  Behandlung  anschliessen.  Auch  die  Schriften  des 
Nicolaus  Russ  sollen  von  dem  Berichterstatter  im  Auftrage  des  Vereines  heraus- 
gegeben werden. 

Der  Aufforderung  zum  Beitritt  in  den  niederdeutschen  Verein  entsprachen 
7    der   Anwesenden. 

Darnach  hält  Dr.  Theobald  einen  Vortrag  über  eine  Vereinbarung 
über  phonetische  Schreibweise  für  Dialectforschung.  Der  Vorti*agende  macht 
zunächst  aufmerksam  auf  den  großen  Nutzen,  welchen  eine  neue  phonetische 
Schreibweise  für  die  Dialectforschung  haben  würde.  Er  stellt  drei  Gesichts- 
punkte für  die  Ausarbeitung  eines  neuen   Schreibsystems  auf: 

1.  Jeder  einfache  Laut   muß  durch   ein   einfaches   Zeichen, 

2.  jeder  zusammengesetzte  Laut  muß  durch  ein  zusammengesetztes  Zeichen, 

3.  verschiedene  Laute  müssen  durch  verschiedene  Zeichen  ausgedrückt 
werden. 

Der  Vortragende  macht  einige  Vorschläge  zu  einer  entsprechenden  Schreib- 
art sowohl  der  Consonanten  als  auch  der  Vocaie.  Darauf  wurde  eine  Com- 
mission,  bestehend  aus  den  Herren  Prof.  Sachs,  Dr.  Theobald,  Dr.  N erger 
und  Dr.  Begemann  erwählt,  welche  mit  bestimmten  Vorschlägen  für  ein 
neues  phonetisches  Sthreibsystem  vor  die  deutsch-romanische  Section  der  näch- 
sten  Philologenversammlung   treten   soll. 

Prof.  Bech  stein  gibt  zum  Schluß  einen  kurzen  Überblick  über  das, 
was  in  der  Section  während  der  diesjährigen  Sitzungen  vorgekommen  und  schlielit 
die   Sectionsverhandlungen   bald  nach    10   Uhr. 

ROSTOCK,  im  October  1876.  Dr.  F.  LINDNER. 

Der  Briefwechsel  der  Brüder  Grimm  mit  Joseph  Görres. 

Nachdem  schon  vor  vierzehn  Jahren  die  Familienbriefe  des  gewaltigen 
Streiters  von  Koblenz  erschienen  sind,  liegen  nun  als  8.  und  9.  Band  der  ge- 
sammelten Schriften  von  Joseph  von  Görres  die  Freundesbriefe  desselben 
in  sorgfältiger  Ausgabe  durch  Franz  Binder,  Mitredacteur  der  historisch- poli- 
tischen Blätter,   vor    (München   1874).     Der  Grundstock  der  ganzen   Sammlung 


MISCELLEN.  503 

ist  die  reichhaltige  Correspondonz  mit  Männern  wie  Achim  von  Aiuim,  Brentano, 
Creuzer,  Diepenbrock,  Giovanelli,  Dietz,  Grüner,  Perthes,  Räß,  Stein,  Windisch- 
mann etc.;  uns  aber  fesselt  vor  allem  die  unvergängliche  Zierde  der  Sammlnug, 
der  Briefwechsel  zwischen  Görres  und  den  Brüdern  Grimm.  Ein  schönes  Stück 
Geschichte  der  deutschen  Philologie  in  ihrer  Jugendzeit  zieht  hier  an  uns 
vorüber  und  „es  macht  einen  rühi-end  erfreulichen  Eindruck  —  schreibt  Böhmer, 
der  schon  1853  die  Abschriften  der  Görres'schen  Briefe  an  Jacob  und  Wilhelm 
Grimm  besorgte  —  zu  sehen,  wie  die  ersten  Begründer  sich  in  den  Anfängen 
abmühten.  Die  Wissenschaft  ist  gewachsen  seitdem,  aber  nicht  die  Liebe". 
Zugleich  ist  mit  diesen  Briefen  eine  längst  gefühlte  Lücke  im  äußeren  Leben 
der  Brüder  und  ihrer  Entwickelungsgeschichte  ausgefüllt.  Fast  ein  halbes 
Hundert  Episteln  sind  es,  die  das  Brüderpaar  an  Görres  richtet  (Jacob  20, 
Wilhelm  19)  imd  beinahe  auf  jedes  Schreiben  liegt  die  Antwort  vor.  Den 
ersten  Brief  schreibt  Jacob  1810,  den  letzten  Wilhelm  1828,  die  schreibselige 
Zeit  für  die  Freunde  sind  die  Jahre  1810 — 15;  Görres  läßt  sich  hie  und  da 
noch  bis  in  das  dritte  Decennium  hinein  in  seiner  geistreichen  Weise  vernehmen, 
aber  längst  hat  es  ihn  vom  friedlichen  Port  der  Forschung  weggerissen  in 
die  stürmische  See  der  politischen  und  kirchliehe.n  Polemik.  Daneben  bieten 
die  prächtigen  Briefe  von  Arnim,  die  von  Creuzer  u.  A.  eine  Fülle  von  Auf- 
schluß über  die  Grimm ,  deren  dritter  Bruder  Ludwig  Emil ,  der  Maler  und 
Kupferstecher,   ebenfalls   dem   Görres'schen  Freundeskreise  angehört. 

Für  Görres  war  die  Zeit,  während  welcher  er  mit  den  Meistern  der 
deutschen  Philologie  verkehrte  und  in  der  auch  seine  eigt^ien  Schriften  über 
altdeutsche  Literatur  entstanden  sind,  die  schönste  seines  sturmbewegten  Lebens. 
„Den  unklaren,  kosmopolitischen  Schwindel  seiner  Jugendjahre  hat  er  hinter 
sich  gelassen  und  obwohl  wir  die  Keime  der  späteren  römisch  -  katholischen 
Richtung  sich  bereits  bilden  sehen ,  treten  sie  doch  noch  zurück  gegen  die 
warme  deutsche  Gesinnung ,  die  ihn  beseelt"  (Raumer ,  Geschichte  der  germ. 
Phil,  p,  366).  Es  ist  die  Zeit,  wo  die  Romantiker  —  wenn  auch  noch  in  un- 
klarer Weise  —  die  Begeisterung  für  die  alte  Literatur  und  Kunst  des  deutschen 
Volkes  wecken  und  Heidelberg  auf  eine  Weile  der  blühende  Mittelpunkt  dieser 
Bestrebungen  wird.  Achim  von  Arnim  befindet  sich  seit  1805  daselbst  und 
mit  ihm  Clemens  Brentano;  das  „Wunderhorn"  war  erschienen;  die  „Zeitung  für 
Einsiedler",  die  sich  zwar  nur  ein  halbjähriges  Dasein  fristen  konnte,  wurde 
gegründet;  Mitarbeiter  derselben  waren:  Grimm,  Görres,  Uhland,  Docen,  Tieck, 
Hölderlin  etc.,  auch  bildeten  die  Heidelberger  Jahrbücher  eine  Zeit  lang  das 
Centralorgan  der  romantischen  Chorführer.  In  dieses  Heidelberg  siedelte  nun 
Görres  im  Jahre  1806  über,  zwei  Jahre  lang  war  er  Privatdoeent  und  be- 
schäftigte sich  namentlich  mit  Mythengeschichte.  Am  24.  Juni  1808  beginnt 
Görres  seine  Vorlesungen  über  altdeutsche  Literatur  (s.  Familienbr.  p.  506), 
nachdem  er  schon  1807  seiner  Schwiegermutter  die  „Progressen"  vermeldet 
hatte,  welche  er  und  seine  Frau  im  Altdeutscheu  gemacht,  daß  sie  Gedichte 
bis  zum  XII.  Jahrh.  hin  bald  ohne  Anstand  lesen  könnten  wie  neudeutsch 
(ib.  482).  In  demselben  Jahr  erscheinen  Görres'  „Volksbücher"  und  1808  die 
Abhandlungen  über  dun  „gehörnten  Siegfried  und  die  Nibelungen"  in  der  Ein- 
siedlerzeitung. Während  des  Heidelberger  Aufenthaltes  nun  vermitteln  die  Freunde 
Arnim  und  Brentano  den  freundschaftlichen  Verkehr  mit  den  Brüdern  Grimm, 
die  längst  durch  Savigny,  Brentano  s  Schwager,  namentlich   mit  Arnim  befreundet 


504  MISCELLEN. 

waren.  Übrigens  war  Jacob  Grimm  schon  1805  auf  der  Heimreise  von  Paris  bei 
Görres  in  Coblenz  eingekehrt  (siehe  unten).  1808  im  September  wendet  sich 
Görres  wieder  nach  Koblenz  zurück.  Die  Brüder  Grimm  weilen  bei  Anfang 
ihres  Briefwechsels  mit  Görres  in  Cassel,  Jacob,  der  Bibliothekar,  ist  eben 
Staatsrathsauditor  geworden.  So  berichtet  der  Symboliker  Creuzer  aus  Heidel- 
berg im  März  1808  an  Görres:  „Die  Grimm's  schreiben  fleißig  und  haben 
diese  Woche  eine  lange  gründliche  Recension  der  v.  d.  Hagen'schen  großen 
Sammlung  deutscher  Gedichte  des  Mittelalters  geliefert  (Heidelb.  Jahrb.  1809, 
Creuzer  war  mit  Daub  Herausgeber  derselben).  Der  älteste  ist  neben  dem 
Bibliothekariat  Auditeur  des  Staatsrathes  geworden"    (Freundesbr.  Nr.   24). 

Jacob  Grimm  wendet  sich  in  seinem  ersten  Brief  (Nr.  36  der  Sammlung) 
vom  20.  März  1810  mit  einer  Bitte  an  Görres,  er  ersucht  ihn  um  ein  Cob- 
lenzer  Manuscript  des  Tristan,  das  —  wie  aus  der  Antwort  (Nr.  41)  hervorgeht 
• —  gar  nicht  existiert.  Görres  rückt  sogleich  mit  seinen  literarischen  Plänen 
heraus ,  mit  Lohengrin  und  der  nicht  zu  Stande  gekommenen  Bibliotheca  Va- 
ticana ,  die  er  mit  G 1  ö  c  k  1  e  zu  veröffentlichen  beabsichtigte.  Auf  Ferdinand 
Glöckle,  der  sich  damals  in  Rom  aufhielt,  fällt  wenig  günstiges  Licht  aus  den 
Briefen.  Görres  charakterisiert  ihn  nach  seiner  drastischen  Art  folgendermassen : 
„Glöckle  ist  von  Geburt  ein  Schwein  und  von  Erziehung  ein  Bruder  Lüderlich 
und  Sauffaus"  (Freundesbr.  Nr.  170),  oder  er  nennt  ihn  anderswo  „einen  Kerl, 
der  ohne  Zweifel  immer  halb  besoffen  geschrieben"  (ib.  Nr.  178).  Über  seine 
eigenen  Pläne  läßt  sich  Görres  so  aus:  „Glöckle  schreibt  mir  eben  von  Rom, 
er  habe  den  Tristan  von  Gottfried  von  Straßburg  ergänzt,  mit  zwanzig  in  zwei 
Spalten  geschriebenen  Pergamentblättern  mehr  als  in  der  Müller'schen  Samm- 
lung. Dazu  könnte  ich  Ihnen  allenfalls  verhelfen,  wenn  Sie  noch  Geld  zu  Ihrer 
Arbeit  geben  wollen;  einen  Louisdor  für  1000  Verse  nämlich.  Glöckle  hat  nun 
binnen  3  Jahren  in  Rom  seinem  Vater  5000  Florin  rheinisch  durchfiltrirt  und 
weiß  dafür  nichts  aufzuzeigen,  als  einen  Pack  alter  unverständlicher  Reime,  von 
denen  der  gute  Mann  glaubt ,  daß  sie  recht  gut ,  wenigstens  von  seinem 
Sohne  und  auf  seine  Kosten ,  ungeschrieben  hätten  bleiben  können.  Er  weigert 
sich  daher  halsstarrig,  künftig  noch  etwas  weiter  herauszugeben  und  der  Herr 
Sohn  muß  daher  mit  eigenen  Flügeln,  das  ist  mit  eigener  Feder,  fliegen.  Darum 
ist  ihm  denn  nicht  zuzumuthen,  das  er  ohne  Entgelt  immerfort  copiere.  Er  ist 
indessen  die  Zeit  über  sehr  fleißig  gewesen  und  wir  hätten  Stoff  zu  einer  Bi- 
bliotheca Vaticana  in  vielen  Bänden,  wenn  ich  nur  einen  Verleger  finden  wollte. 
Indessen  lasse  ich  hier  den  Lohengrin  des  Wolfram  von  Eschilbach  drucken, 
ein  recht  gutes  und  recht  sehr  historisch  interessantes  Gedicht  von  8000  Versen, 
dabei  ganz  national,  indem  Heinrich  der  Vogler  darin  die  kaiserliche  Rolle 
spielt.  Von  des  Dichters  —  der  mich  sehr  interessiei't  —  Leben  weiß  ich  so 
gut  wie  gar  nichts.  Die  Haymonskinder,  ein  ganz  vortreffliches  Gedicht  von 
10,000  Versen,  wird  wahrscheinlich  Perthes  übernehmen.  Dietrich's  Flucht  zu 
den  Hunnen  habe  ich  von  der  Hagen  für  seine  Sammlung  überlassen."  Die 
Antwort  Grimm's  auf  diesen  Brief,  ist  —  wie  so  manche  andere  —  verloren 
gegangen.  Noch  im  selbigen  Monat  Juli  bietet  Görres  dem  Freund  in  Cassel 
seine  Vermittlung  an  zu  Allem,  was  er  aus  der  Vaticana  bedürfe  (Nr.  42).  In 
diesem  Briefe  finden  sich  zwei  Urtheile  über  Mitforschende:  „Aus  von  der 
Hagen  wird,  besonders  wenn  die  gute  Aufsicht  seiner  Recensenten  fortdauert, 
wohl    ein    tüchtiger  Gelehrter  werden;  Büsching    aber    ist    ein  allzufader  Prinz 


MISCELLEN.  505 

von    dtr    gutinüthigeu,    wiedeikäueuden    Art,    wie  sie    in  Deutschland    gar    zu 
häufig   sind." 

Schon  in  dieser  Zeit  trägt  sich  Jacob  Grimm  mit  der  Idee,  den  Rein- 
hart  Fuchs  herausssugeben,  da  eben  im  Vatican  die  deutsche  Handschrift  auf- 
gefunden war  und  Görres  bietet  hülfreiche  Hand  zur  Erlangung  derselben 
(Nr.  46).  Jacob  antwortet  hocherfreut  (Nr.  47),  auch  Wilhelm  legt  zum  ersten 
Mal  ein  Blatt  bei.  Eeiche  gegenseitige  Belehrung,  Beurtheilung  ihrer  eigenen 
Arbeiten,  Austausch  literar.  Hülfsmittel.  Endlich  am  1.  März  1811  kann  Görres 
die  Glöckle'sche  Abschrift  des  Reiuhart  Fuchs,  wofür  4  Louisdor  bezahlt  werden, 
an  Jacob  übersenden  (Nr.  57),  zugleich  berichtet  er  von  neuerhaltenen  Denk- 
mälern: Hartmann's  Gregorius  und  Konrad's  Roland.  Aus  dem  gleichen  Briefe 
erfahren  wir,  daß  die  oben  erwähnte,  bei  Perthes  in  Hamburg  angekündigte 
Ausgabe  der  Heymonskinder  unterbleiben  wird,  da  Otto  Runge,  der  die  Zeich- 
nungen dazu  liefern  sollte,  unterdessen  gestorben.  Auch  an  Wilhelm  werden 
freundliche  Worte  gerichtet:  „Wenn  ich  bisher  —  schreibt  Görres  —  Ihrem 
Bruder  geschrieben,  dann  war  das  Wort  auch  immer  an  Sie  mitgerichtet  5  über 
dem  Haupte  jedes  der  beiden  Dioscuren  steht  ein  Stern  und  ich  muß  mich 
immer  wieder  von  neuem  bei  meiner  Frau,  die  dergleichen  besser  behält,  er- 
kundigen, welchen  von  Ihnen  beiden  ich  eigentlich  hier  (1805)  gesehen  und 
ich  weiß  es  auch  in  diesem  Augenblick  wieder  nicht.  Darauf  paßt  nun  gut, 
was  Sie  am  Anfang  ihres  Briefes  über  die  Gemeinschaftliehkeit  Ihrer  Arbeiten 
bemerken,  und  es  entschuldigt  meinen  Irrthum ,  daß  ich  Ihren  Bruder  für  den 
Verfasser  des  Aufsatzes  in  den  Studien  gehalten  oder  angeredet"  (W.  Grimm, 
über  die  Entstehung  der  altd.  Poesie  in  den  Studien  von  Daub  und  Creuzer, 
Jahrg.  1808).  Beide  Brüder  antworten  (Nr.  60).  Jacob  schreibt  am  17.  Mai 
1811:  „Ich  habe  aus  der  gleichfolgenden  Ursache  noch  nicht  recht  auf  Ihren 
lieben  Brief  vom  1.  März  geantwortet  und  will  es  jetzt  nachholen.  Sie  glauben 
nicht,  wie  uns  diese  Correspondenz  freut  und  wie  gern  wir  Ihnen  schreiben, 
wir  haben  alles  zusammen  und  theilen  auch  hier  nichts;  wen  Sie  vor  einigen 
Jahren  (1805)  von  uns  gesehen  haben,  das  bin  ich;  ich  hatte  Sie  aber  nur 
so  kurz  gesehen,  nur  bei  einem  Mittagessen  und  weiß  blos  noch,  daß  ich  Sie 
über  den  damals  erschienenen  Lother  und  Maller  fragte  und  was  Sie  darauf 
antworteten  und  dann  noch  unbedeutende  Kleinigkeiten,  z.  B.  die  Suppe  weiß 
ich  noch  genau ,  die  wir  aßen  und  wie  Sie  vorschöpften.  Es  war  mir  damals 
so  warm  und  fremd  in  Coblenz,  ich  kam  gern  nach  Haus,  wo  ich  wußte,  daß 
vieles  anders  geworden  war,  der  Krieg  war  eben  ausgebrochen  und  ich  fuhr 
alle  Augenblicke  in 's  Thal,  um  die  Zeitungen  zu  lesen  und  die  Nassauer  Sol- 
daten trommeln  und  pfeifen  zu  hören.  Von  Ihnen  wußte  ich  damals  wenig,  nachher 
aber  hat  uns  der  Clemens  (Brentano)  desto  mehr  erzählt  und  dadurch  und 
nach  und  nach  ist  es  so  geworden,  daß  es  zu  meinen  liebsten  Wünschen  ge- 
hört, daß  Sie  uns  ferner  gut  und  freundschaftlich  bleiben,  was  ich  hier  ganz 
aufrichtig  hinschreibe."  Ferner:  „Wir  haben  in  der  Literaturzeitung  vorläufig 
angezeigt,  daß  wir  den  ungedruckten  Theil  der  alten  Edda,  welcher  gar  vor- 
trefflich ist,  und  den  Reinhart  Fuchs  herausgeben  werden  5  außerdem  soll  eine 
Sammlung  altspanischer  Romanzen,  meistens  aus  dem  Kreise  Karls  des  Großen 
erscheinen ,  wo  sich  ein  Verleger  findet ;  des  Drucks  sind  sie  höchst  würdig. 
Hagen  scheint  es  wirklich  übel  zu  nehmen ,  wenn  ein  anderer  etwas  gutes 
herausgeben  will;  wenn  man  fragt,  was  ihm   dazu  ein  Recht  gibt,  so  ist  nichts 


506  MISCELLEN. 

zu  antworten,  als  daß  er  ein  paar  Gedichte  fleißig  hat  abgedruckt  und  andere 
einfältig  erneut,  dabei  mit  literarischem  Fleiß  ausgestattet,  dies  erkenne  ich 
von  Herzen  gerne  an,  nur  muß  er  sich  dessen  nicht  überheben,  um  so  mehr, 
da  er  viel  Geld  hineinstecken  kann,  was  andere  müssen  bleiben  lassen.  Seine 
Falschheit  und  mancherlei  Wege,  die  er  braucht,  um  sich  und  seine  Unter- 
nehmungen auszuposaunen,  sind  mir  zuwider,  ich  fange  aber  an,  ernstlich  daran 
zu  glauben.  Docen  ist  mir  viel  lieber,  dieser  schreibt  mir  freundschaftlich  und 
auf  alle  Art  gefällig.  Hagen  hatte  uns  auf  eine  merkwürdige  Weise  eine  für 
ihn  und  uns  bestimmte  Abschrift  obiger  Edda  vorenthalten,  nun  haben  wir 
durch  eine  sehr  glückliche  Connexion,  durch  unseren  Gesandten  (Hammerstein) 
in  Copenhagen  alles  viel  besser  wie  er  und  sind  ihm  in  vielem  zuvor.  An 
Fleiß  wollen  wir  auch  nicht  sparen  und  unsere  Sagensammlung  ist  schon  so 
glücklich  fortgeschritten,  daß  wir  in  diesem  Stück  vermuthlich  jedem  die  Spitze 
bieten  dürfen,  so  wenig  sie  uns  selbst  genügt,  um  schon  jetzt  oder  in  den  nächsten 
Jahren  dem  Publicum  vorgelegt  werden  zu  können.  An  dem  äußerlichen  Ruf 
ist  uns  nicht  vierteis  so  viel  gelegen,  als  an  der  Sache  und  an  Ihrem  freund- 
lichen Rath.  Ich  weiß  nicht,  ob  Ihnen  schon  meine  Abhandlung  über  den 
Meistergesang  zugekommen  ist,  sonst  will  ich  sie  Ihnen  zuschicken.  Ich  habe 
Unrecht  gehabt,  sie  so  einzeln  drucken  zu  lassen,  ohne  alles  genauer  und  all- 
gemein verständlicher  abzuhandeln.  Ohne  die  besondere  Veranlassung  wäre  es 
auch  nie  geschehen  und  das  Bessere  bleibt  mir  ein  andermal  unbenommen"  etc. 
Wilhelm  berichtet,  daß  sein  erstes  Werk  „Altdänische  Heldenlieder"  fertig  ge- 
druckt sei  und  am  12.  Juni  1811  übersendet  er  dem  Freunde  ein  Exemplar 
(Nr.  63).  Zugleich  wird  die  Übersetzung  des  ersten  Gesanges  der  Edda  bei- 
gelegt und  um  ein  Urtheil  gebeten.  Durchaus  neu  scheint  folgende  Bemerkung 
zu  sein:  „Wir  haben  uns  mit  dem  Isländer  Ras k  zu  der  Herausgabe  der  Edda 
verbunden ;  er  wird  einen  kritisch  berichtigten  Text  liefern  und  wir  die  Über- 
setzung, historische  und  mythische  Betrachtung.  Das  ist  dem  Buche  gewiß 
vortheilhaft;  wenn  sich  nur  ein  Verleger  finden  wollte,  jetzt  nach  der  Messe 
schreien  sie  sämmtlich  über  Schreckenszeiten.  Mein  Bruder  ist  auf  einer  kleinen 
Reise  nach  Dresden,  die  dortigen  Manuscripte  einmal  genauer  zu  untersuchen; 
vor  dem  anderen  Monat  wird  er  nicht  zurückkommen." 

Brief  Nr.  67  von  Jacob  bringt  ebenfalls  neues  Detail  herbei;  aus  dem- 
selben geht  hervor,  daß  die  Briider  an  einer  Ausgabe  und  Commentierung  der 
Schildbürger  sammelten,  die  ihnen  von  der  Hagen,  dem  Wilhelm  davon 
gesprochen,  vorweggeschnappt  mit  seinem  Narrenbuch.  Nach  den  folgenden 
Briefen  zu  urtheilen,  haben  die  Brüder  große  Noth  wegen  eines  Verlegers  für  die 
Edda;  Cotta,  der  sich  des  Buches  annehmen  will,  stellt  ungünstige  Bedingungen, 
auch  Perthes  in  Hamburg  will  nicht  anbeißen ;  dazu  tritt  nun  der  böse  Hagen  da- 
zwischen, „der  sich  wie  jener  Esser  von  jeder  Speise  auf  einen  Teller  legen  lassen 
will,  ohne  zu  wissen,  ob  er  sie  essen  und  verdauen  kann"  (Nr.  91).  Hagen  kündigt 
einen  bloßen  Abdruck  der  eddischen  Lieder  an,  der  noch  im  nämlichen  Jahr 
erschien.  Görres,  dem  von  der  Hagen  auch  in  die  Sonne  tritt,  indem  er  ihm 
„das  Roß  Bayard  aus  dem  Stalle  führen  will",  ärgert  sich  schwer  über  diese 
Betriebsamkeit:  „Hagen's  Ankündigung  des  bloßes  Textes  ist  ja  abgeschmackte 
Vielfresserei;  es  ist  eine  wahre  Besessenheit  in  dem  Menschen,  herauszugeben. 
Gäbe  er  nur  erst  einmal  eine  verbesserte  Auflage  von  sich  selbst  heraus"  (Nr.  93). 
Über  Jacob's  Beurtheilung  von  Rask's  isländischer  Grammatik   schreibt  Görres 


mSCELLEN.  507 

im  gleichen  Brief  an  Wilhelm:  „Ihre  oder  Ihres  Bruders  Recension  der  islän- 
dischen Grammatik  in  der  Hallischeu  Literaturzeitung  hat  mir  recht  wohl  ge- 
fallen. Es  ist  ein  eigener  scharfer  Blick  in  den  Mechanismus  der  Sprache  darin, 
den  ich  bewundere,  weil  ich  ihn  nicht  habe,  da  ich  Sprachen  immer  unge- 
bührlich sehr  als  Werkzeuge  angesehen  habe ,  ohne  zu  bedenken ,  daß  das 
Werkzeug  selbst  wieder  eine  Wissenschaft  ist  und  hat.  Nur  das  Ende  der 
Recension  ist  mir  im  Ausdruck  zu  mild ,  ich  hätte  es  nicht  eben  schneidend, 
aber  unwilliger  gewollt." 

Aus  Nr.  104,  Wilhelm  G,  an  Görres,  vom  3.  September  1812  ist  zu 
entnehmen,  daß  schon  um  diese  Zeit  an  die  deutsche  Heldensage  Hand 
gelegt  worden:  „Wir  sind  Willens,  die  testimonia,  die  sich  hin  und  wieder  in 
den  anderen  altdeutschen  Gedichten,  bei  den  Chronikschreibern  und  sonst 
über  den  Fabelkreis  der  Nibelungen  gefunden,  besonders  abdrucken  zu  lassen, 
es  wird  bei  der  Geschichte  desselben  gute  Dienste  leisten."  —  Am  14.  No- 
vember übersenden  die  Brüder  ihre  Ausgabe  des  Hildebrandliedes;  Wilhelm 
berichtet  von  dem  Plan  der  Gründung  ,,altdeuts  eher  Wälder":  „W^ir  haben 
auch  daran  gedacht,  ein  Journal  für  altdeutsche  Literatur  herauszugeben,  etwa 
alle  Monat  ein  Heft  von  2 — 3  Bogen,  für  viele  kleinei-e  merkwürdige  Quellen, 
deren  wir  eine  Menge  besitzen,  für  specielle  Untersuchungen,  doch  müßte  alles 
einen  bleibenden  Werth  haben,  da  uns  solche  Lumpereien  wie  in  Gräter's 
Alterthumszeitung  verhaßt  sind.  Sie  erlauben  wohl,  daß  wir  in  der  Ankündigung 
der  HoflFnung  Ihrer  Theilnahme  gedenken.  Die  Edda  —  versteht  sich  —  bleibt 
unsere  Hauptsache,  wir  arbeiten  eben  das  Glossarium  zum  dritten  Mal  durch, 
eine  unglaublich  mühsame  Arbeit,  wobei  einen  der  Gedanke  an  das  Ganze  nur 
frisch  erhält;  der  Druck  könnte  jetzt  anfangen,  wenn  wir  nur  von  den  Buch- 
händlern nicht  auf  eine  so  lästige  Weise  abhingen."  —  Treffend  charaktisiert 
Görres  die  Eigenart  der  beiden  Brüder,  wenn  er  (Nr.  109)  an  Wilhelm  schreibt: 
„Ob  ich  gleich  Ihren  Bruder  in  seiner  Weise,  die  die  Kehrseite  Ihres  eigenen 
Wesens  ist,  nicht  minder  ehre  und  liebe,  bin  ich  doch  auch  Ihnen  in  eigen- 
thümlicher  Neigung  zugethan,  die  bei  allem,  was  ich  von  Ihnen  lese,  sich  mehr 
und  mehr  rechtfertigt.  Man  trifft  so  selten  auf  etwas,  was  Einen  nicht  auf 
irgend  eine  Weise  verletzt  und  da  das  nie  bei  Ihnen  der  Fall  ist,  so  darf  man 
ohne  Bedenken  der  Natur  vertrauen,  da  ohnehin  das  Gegentheil,  die  Grimasse, 
bei  aller  Schönschwätzerei  sich  leicht  verräth.  Ihre  Reden  erscheinen  mir  immer 
wie  vom  guten  Geist  in  mir  geredet.  Ihr  Accent  ist  milder,  der  Ihres  Bruders 
etwas  schärfer  und  seine  Weise  ernster;  sonst  ist's  derselbe  Geist."' 

Zum  Neujahr  1813  übermachen  die  Grimm  ein  Exemplar  der  eben  er- 
schienenen Kinder-  und  Hausmärchen.  Jacob  hätte  gewünscht,  noch  eine 
andere  Arbeit  beilegen  zu  können,  seine  Sammlung  altspanischer  Romanzen, 
die  der  Verleger  schon  seit  einem  Jahr  als  Manuscript  zurückhalte.  Wie  man 
weiß,  verzögerte  sich  der  Druck  der  „al  sennor  Jacobo  Görres"  gewidmeten  Silva 
de  romances  bis  1815.  Zugleich  wird  gemeldet,  daß  das  erste  Heft  der 
„Altdeutschen  Wälder"  erschienen  sei.  Wilhelm  fügt  folgendes  bei:  „Lassen 
Sie  sich  unser  Märchenbuch  wohl  gefallen;  wollen  Sie  es  recensieren,  so 
wird  es  mich  sehr  freuen,  Sie  werden  gewiß  etwas  sehr  schönes  darüber  sagen. 
Es  ist  ganz  eigentlich  Absicht,  daß  es  ein  Erziehungsbuch  werden  soll  und 
wenn  Sie  von  dieser  Seite  einige  Bemerkungen  darüber  machen  wollten,  wäre 
es  mir  besonders  lieb.    Man  wird  es  leicht  bemerken,  daß  es  keine  Hände  ge- 


508  MISCELLEN. 

arbeitet,  die  sich  in  poetischen,  zierlichen  Darstellungen  geübt,  dergleichen  in 
unserer  Zeit  nicht  selten  sind,  es  ist  im  Gegetheil  lieber  jeder  zarte,  süße  und 
holde  Ausdruck  vermieden,  der  verweichlicht  und  verallgemeinert  und  der  Ge- 
danke so  viel  als  möglich  au  der  Wurzel  gefaßt  worden.  Meine  Hoffnung  ist, 
daß  das  Buch  bei  Kindern,  wo  man  es  nur  versucht,  gleich  seine  Kraft  be- 
währen wird.  Mögen  Sie  auch  über  die  altdänischen  Lieder  etwas  sagen  ,  so 
ist  mir  das  nicht  weniger  lieb;  Arnim  wollte  vor  Jahren  einmal  eine  Recension 
schreiben,  ich  glaube  aber,  er  hat  es  vergessen  und  ich  mag  ihn  nicht  besonders 
daran  erinnern.  Mehrere  haben  mir  gesagt,  daß  sie  Freude  daran  gehabt,  also 
ist  doch  das  Buch  nicht  umsonst  auf  der  Welt  gewesen;  Göthe  hat  mir  durch 
seinen  Secretär  sehr  höflich  mit  einigen  ihm  nachgeschlagenen^  inwendig  kupfernen 
Perioden  danken  lassen,  was  mir  nicht  zulieb  gewesen;  so  viel  ich  weiß,  fürchtet 
er  sich,  bei  dem  Wunderhorn  zu  viel  gesagt  zu  haben,  so  daß  man  ihn  eines 
zu  großen  Antheiles  an  dergleichen  Dingen  beschuldigen  könnte."  —  Den  Ein- 
druck, den  die  Märchen  auf  seine  Kinder  ausgeübt,  schildert  Görres  gar  hübsch 
in  seinem  Antwortschreiben  vom  Januar  1813  (Nr.  112):  „Die  Kindermärchen, 
von  meinen  Kindern  mit  Verlangen  erwartet,  sind  nachgekommen  und  seither 
nicht  aus  den  Händen  zu  bringen.  Mein  jüngstes  Mädchen,  Arnim's  Pathchen, 
weiß  schon  viele  der  Erzählungen  und  besonders  die  mit  Eeimen  zu  erzählen. 
Mein  älteres  hat  sie  schon  in  die  Stadt  unter  die  Kinder  gebracht  und  schon 
drei  Tage  nach  der  Ankunft  des  Buches  kam  ein  Bube,  um  das  Buch,  wo  vom 
Blutwürstchen  und  Bratwürstchen  stände,  zu  leihen.  Abends  mußte  meine  Frau 
immer  sieben  vorlesen  und  nach  -dem  Eindruck  zu  urtheilen  und  der  immer 
anhaltenden  Aufmerksamkeit  hat  sich  Alles,  wie  auch  natürlich,  gar  wohl  be- 
währt. Sie  haben  Ihren  Zweck  vollkommen  erreicht  und  in  der  Kinderwelt  sich 
einen  Denkstein  gelegt,  der  nicht  zu  verrücken  sein  wird."  Die  Dedication 
der  spanischen  Romanzen  macht  Görres  mit  Lohengrin,  „den  Brüdern  Grimm 
in  Cassel  zugeeignet",  zum  voraus  wett.  Im  August  verspricht  er  als  Beitrag 
zu  den  „Wäldern"  „ein  altes  Volksgedicht  von  Herzog  Ernst,  älter  als  das 
Epos"    (Nr.   120). 

Im  folgenden  Briefe  (Nr.  121)  weiß  Wilhelm  von  einer  kleinen  literarischen 
Streiferei  zu  berichten:  „Ich  war  im  vorigen  Monat  (Juli  1813)  ein  wenig  im 
Paderbornischeu  und  Corveiischen,  wo  schöne  Gegenden,  hohe  Berge  und  alte 
Erinnerungen  sind.  Ich  habe  da  für  unsere  Märchen  und  Volkssageu  gesammelt, 
jene  Sage  vom  Kaiser  Rothbart  mit  seinen  Reichthümern  besitzt  fast  jeder 
große  Berg  und  ein  Hirte  hat  sie  mir  auf  der  Spitze  des  alten  Köter-Berg 
wieder  gut  und  eigenthümlich  erzählt;  auch  alte  Hunensagen  gibts  da  noch, 
wie  sie  sich  von  ihren  meilenweit  auseinanderstehenden  Burgen  ihre  Hämmer 
zuwerfen." 

(Schluß  im  nächsten  Heft.) 

SOLOTHURN,  im  Juli  1875.  JACOB  BAECHTOLD. 

Nachtrag  zu  Germania  XX,  37S. 

Bei  der  Besprechung  des  lat.  Isidortextes  nach  Weinholds  Ausgabe 
(p.  379  ff.)  verstehe  ich  unter  A:  Isid.  Hispal.  opera  omnia.  Romae  1803. 
Vol.   VI.  E.  KÖLBING. 


PF 
3003 

Jg.20 


Germania 


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